TE OGH 2020/4/24 7Ob56/20s

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Veröffentlicht am 24.04.2020
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** M*****, vertreten durch Dr. Karl-Heinz Plankel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei I***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch die Brandl & Talos Rechtsanwälte GmbH in Wien, und deren Nebenintervenientinnen 1. S***** Ltd – Zweigniederlassung Deutschland, *****, vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. A*****aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Günther Klepp und andere Rechtsanwälte in Linz, 3. I***** GmbH & Co KG, *****, vertreten durch die Lederer Hoff & Apfelbacher Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. Jänner 2020, GZ 1 R 156/19w-56, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Der bloße Umstand, dass zu lösende Fragen in einer

Vielzahl von Fällen auftreten mögen, bewirkt entgegen der Ansicht des Revisionswerbers noch nicht deren Erheblichkeit iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0042816).

2. Für die Frage der Verjährung von Ansprüchen aus Beratungsfehlern bei Veranlagungs- und/oder Finanzierungskonzepten, die eine Kombination von Fremdwährungskrediten mit Tilgungsträgern vorsehen, ist es entscheidend, zu welchem Zeitpunkt der Geschädigte erkennt, dass das Gesamtkonzept entgegen den Zusicherungen nicht oder nicht im zugesagten Ausmaß risikolos ist. Maßgeblich für den Verjährungsbeginn ist in diesen Fällen also die Kenntnis der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells. Wann dem Geschädigten der Sachverhalt soweit bekannt wurde, dass er eine Klage mit Aussicht auf Erfolg anstellen hätte können, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (1 Ob 153/18h mwN; vgl auch 7 Ob 56/15h [ein denselben Vertrag betreffendes, vom Kläger damals gegen die hier Drittnebenintervenientin als Beklagte geführtes, Verfahren]).

3.1. Nach den Feststellungen reichten bereits 2008 die Eigenleistungen des Klägers und die monatlichen Rentenerträge nicht mehr aus, um die laufenden Fremdwährungskreditzinsen und die laufenden Beiträge zu den Tilgungsträgern zu bedienen, worauf er wiederholt hingewiesen wurde; die monatlichen Eigenleistungen des Klägers stiegen auf ein Mehrfaches, er erbrachte einmalige Eigenleistungen zur Abdeckung des Abwicklungskontos und stockte schließlich den Kredit auf und verlängerte seine Laufzeit.

3.2. Die Vorinstanzen zogen daraus den rechtlichen Schluss, dass dem Kläger schon 2008 klar sein und er an der Zuverlässigkeit der Informationen der Beklagten zweifeln musste, dass das Gesamtkonzept nicht mehr seinen ursprünglichen Erwartungen entsprach, zumal er nach den Feststellungen bereits anderweitiges eigenes Vermögen einsetzen und daher damit rechnen musste, dass er mit seiner Veranlagung Verluste einfahren und eine Deckungslücke entstehen konnte. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass im Zeitpunkt der Klagseinbringung (8. 3. 2012) die dreijährige Verjährungsfrist für den anfänglich eingeklagten Schadenersatzanspruch abgelaufen war, hält sich im Rahmen der dargelegten Rechtsprechung zur Verjährung beim betreffenden Finanzprodukt.

Die Revision beschränkt sich dagegen auf allgemeine Rechtsausführungen, ohne substanziiert darzulegen, inwiefern das Berufungsgericht bei Beurteilung des vorliegenden Falls von den in der Rechtsprechung allgemein erarbeiteten Grundsätzen abgewichen sei; sie legt damit keine erhebliche Rechtsfrage dar (vgl RS0042779), zumal auch behauptete rechtliche Feststellungsmängel angesichts der erstinstanzlichen Feststellungen insbesondere zum Kenntnisstand des Klägers über die ungünstige wirtschaftliche Entwicklung seiner Vermögensanlage nicht vorliegen. Die Untauglichkeit als sicheres Pensionsvorsorgemodell ist nur ein Gesichtspunkt der Risikoträchtigkeit des gesamten Modells; dass eine spätere Kenntnis von der grundsätzlichen Untauglichkeit des Modells zur Erreichung der in Aussicht gestellten Veranlagungsziele keine eigenständige Verjährungsfrist in Gang setzen konnte, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung (vgl 9 Ob 65/18a mwN).

3.3. Welche Auswirkungen „Beschwichtigungsversuche“ auf die Verjährung der Ansprüche von Anlegern haben, ist nur im Einzelfall zu beurteilen und wirft daher regelmäßig – abgesehen von krassen Fehlbeurteilungen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf (vgl 9 Ob 43/14k = RS0034951 [T34] mwN). Eine diesbezüglich aus Gründen der Einzelfallgerechtigkeit zu korrigierende Fehlbeurteilung zeigt die Revision nicht auf.

Sie führt auch nichts gegen die Abweisung des Eventualfeststellungsbegehrens ins Treffen, weil nach Auffassung des Berufungsgerichts behauptete spätere Beschwichtigungsversuche für die frühere Unterfertigung des Gesamtmodells nicht kausal sein konnten.

4.1. Erst im Jahr 2018 ließ der Kläger das ursprüngliche Zahlungsbegehren und die dieses tragende Behauptungen fallen, er sei so zu stellen, als wäre das Geschäft nie getätigt worden; er beließ es beim Feststellungsbegehren, die Beklagte habe ihm für alle Schäden, Folgen und Nachteile aus Fremdwährungsverlusten aus der Abdeckung des Kredits bei der Zweitnebenintervenientin zu haften. Dies stützte er nunmehr erstmals auch auf die Behauptung, dass ihm die Beklagte von 2008 bis 2009 in rechtswidriger und schuldhafter Fehlberatung von einer Konvertierung abgeraten habe. Zweifel seien ihm erst Mitte 2009 gekommen und die Verjährungsfrist habe erst damit zu laufen begonnen.

4.2. Soweit der Revisionswerber die Auffassung vertritt, das zuletzt erhobene Begehren sei mit dem ursprünglichen ident, weil in beiden derselbe Anspruchsgrund „Schadenersatz“ geltend gemacht worden sei, verkennt er, dass nach ständiger Rechtsprechung der Streitgegenstand aus dem Klagebegehren und dem Tatsachenvorbringen besteht, aus dem das Klagebegehren abgeleitet wird (vgl RS0037522). Der Streitgegenstand (auch „Rechtsgrund“) wird daher durch den Entscheidungsantrag (Sachantrag) und die zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen (Sachverhalt) bestimmt (RS0039255).

Dass der Kläger Fehlberatungen zur Konvertierung erstmals 2018 behauptete, stellt er auch in der Revision an sich nicht in Abrede. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass das zuletzt erhobene Begehren mit dem ursprünglichen aufgrund anderer zu seiner Begründung erforderlichen, vorgebrachten Tatsachen nicht ident und bei erstmaliger Geltendmachung daher längst verjährt war, hält sich im Rahmen der oben zitierten Rechtsprechung.

4.3. Der Revisionswerber geht zudem nicht von den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen aus, wonach gerade nicht feststellbar war, warum er auch nach Mitte 2009 (bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz) keine Konvertierung vornahm. Die Ansicht des Berufungsgerichts, es fehle damit an der Kausalität der behaupteten Beschwichtigungsversuche auch für das Unterbleiben der Konvertierung, ist daher nicht zu beanstanden.

5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E128502

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00056.20S.0424.000

Im RIS seit

10.07.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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