TE Bvwg Erkenntnis 2020/2/17 W102 2206770-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 17.02.2020
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Entscheidungsdatum

17.02.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W102 2206770-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Werner ANDRÄ als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich, vom 04.09.2018, Zl. XXXX - XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 26.11.2018 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1., 57, 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1, 2 und 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich ein und stellte am 05.10.2015 erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen der Erstbefragung am 05.10.2015 gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund befragt im Wesentlichen an, die Taliban hätten ihre Leute umgebracht und auch ihn umbringen wollen. Er habe Angst um sein Leben und deshalb das Land verlassen.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 01.02.2017 führte der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, er habe im Jahr 2003 für sein in der Türkei geplantes Studium wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit ein Stipendium nicht erhalten, die Familie sei daraufhin für die Kosten aufgekommen. Schwiegersohn und Söhne von XXXX seien ebenfalls in die Türkei gekommen, um zu studieren, der Schweigersohn habe an der gleichen Universität studiert, wie der Beschwerdeführer. Sie seien auch politisch aktiv gewesen, aber der Beschwerdeführer habe trotz mehrmaliger Einladung an ihren Treffen nicht teilgenommen. Er habe auf Facebook und Twitter mehrfach kritisch über die Usbekische Partei in Afghanistan gepostet. Bei einer Studienvertreterwahl in der Türkei im Jahr 2007 habe der Beschwerdeführer indirekt empfohlen, keinen Usbeken zu wählen, es habe dann ein Paschtune gewonnen. Nach der Wahl habe der Beschwerdeführer sich mit dem Schwiegersohn getroffen, der ihn und seine Familie wegen der Wahlempfehlung bedroht habe. Nach diesem Vorfall sei der Beschwerdeführer vorsichtiger geworden, habe keine Aussagen mehr über Usbeken getroffen und auch seinen Facebook-Account gelöscht. Anfang 2015 sei der Beschwerdeführer nach Afghanistan zurückgekehrt und habe angefangen, zu arbeiten. Im August 2015 sei der Beschwerdeführer mit einem Freund in einem Park gewesen, der Schwiegersohn sei mit Bodyguards dort gewesen, habe den Beschwerdeführer angesprochen und beschimpft. Er habe den Bodyguards befohlen, den Beschwerdeführer zu schlagen, sie hätten ihn am Kopf geschlagen und der Beschwerdeführer sei kurze Zeit bewusstlos gewesen. Der Freund hätte ihn nachhause gebracht. Die Brüder des Beschwerdeführers seien beide Ärzte und hätten ihm geholfen. Sie hätten ihn am nächsten Tag ins Krankenhaus gebracht, wo er eine Woche geblieben sei. Nach seiner Rückkehr sei es ihm psychisch nicht gut gegangen, bei ihnen sei alles in usbekischen Hände, daher habe er keine Anzeige erstattet. Nach 15 bis 20 Tagen zuhause habe der Beschwerdeführer entschieden, zu flüchten.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.09.2018, zugestellt am 07.09.2018, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer habe sein Vorbringen nicht glaubhaft machen können, das Vorbringen sei nicht plausibel und unschlüssig. So habe der Beschwerdeführer keine Indizien aufgezeigt, welche die Ungleichstellung aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit erkennen lassen würden, auch sei eine Unterdrückung oder Schlechterstellung der Volksgruppe des Beschwerdeführers in den aktuellen Länderfeststellungen nicht erkennbar. In den Ausführungen betreffend die Türkei sei eine hinreichend intensive asylrelevante Bedrohung nicht ersichtlich. Die Angaben zum Übergriff seien vage. Unplausibel sei auch, dass der Kontrahent nach siebenjähriger Passivität die erste zufällige Möglichkeit genutzt habe, um dem Beschwerdeführer Schaden zuzufügen und ihn bis dahin nicht zumindest verbal bedroht habe. Auch unschlüssig sei die Flucht über den Iran anstatt über die Türkei. Im Zuge der Erstbefragung habe der Beschwerdeführer gänzlich andere Fluchtgründe angegeben.

3. Gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2018 richtet sich die am 27.09.2018 bei der belangten Behörde eingelangte vollumfängliche Beschwerde.

Das Bundesverwaltungsgericht führte zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes am 26.11.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, seine bevollmächtigte Rechtsvertreterin und eine Dolmetscherin für die Sprache Dari teilnahmen. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt und hielt sein Vorbringen, er werde vom Schwiegersohn XXXX verfolgt, im Wesentlichen aufrecht.

Am 27.12.2018 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers am Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit Schreiben vom 04.12.2019 brachte das Bundesverwaltungsgericht aktuelle Länderberichte in das Verfahren ein und gab dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde die Gelegenheit zur Stellungnahme.

Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:

* Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse und andere Bildungsangebote

* Familienbuch

* Türkisches Diplom des Beschwerdeführers

* Schulabschlusszeugnis des Beschwerdeführers

* Zertifikat für einen türkischen Sprachkurs

* Zertifikat für einen Computerkurs

* Konvolut medizinischer Unterlagen

* Teilnahmebestätigung für Werte- und Orientierungskurs

* Besuchsbestätigung für Pflichtschulabschlusskurs

* Zeugnis zur Integrationsprüfung für das Niveau B1

* Pflichtschulabschlussprüfungszeugnis

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, geboren am XXXX und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und bekennt sich zur sunnitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari. Er spricht auch Türkisch und Deutsch auf dem Niveau B1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer leidet an einem myofaszialen Schmerzsyndrom, am Restless-Legs-Syndrom, an Bluthochdruck sowie an einer Herzrhythmus-Störung.

Der Beschwerdeführer wurde in Faryab in Afghanistan geboren, als er etwa zwei Jahre alt war, zog er mit seiner Familie nach XXXX , Provinz Jawzjan, um, wo er bis zu seinem 19. Lebensjahr lebte. Gründe für Umzug bzw. Umstände, die eine Rückkehr nach Faryab durchgehend verhindert hätten, können nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer hat insgesamt zwölf Jahre die Schule besucht, wobei er nach den ersten sieben Jahren eine türkische "Highschool" in Afghanistan besuchte. Nach seinem Schulabschluss studierte der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2005 in der Türkei, wo er ein Bachelorstudium der Informatik abschloss. Das daran anschließende Masterstudium hat der Beschwerdeführer nicht abgeschlossen.

In der Türkei arbeitete der Beschwerdeführer von 2012 bis 2014 im Informatikbereich.

Anfang 2015 kehrte der Beschwerdeführer nach XXXX zurück.

Etwa im September 2015 trat der Beschwerdeführer seine Reise nach Europa an.

Der Beschwerdeführer ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.

Die Eltern des Beschwerdeführers leben unverändert in XXXX im eigenen Haus. Auch die vier Brüder des Beschwerdeführers leben unverändert in XXXX . Zu den Angehörigen besteht Kontakt. Ein Bruder des Beschwerdeführers ist Arzt.

Die Schwester des Beschwerdeführers lebt mit ihrer Familie im Bundesgebiet. Ihnen kommt der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu. Ihre Beschwerden hinsichtlich § 3 AsylG wurden mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.08.2018 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem telefonischen Kontakt mit seiner Schwester und besucht sie alle drei bis vier Wochen. In der Vergangenheit fand der Beschwerdeführer während einer etwa drei Monate dauernden Erkrankung im Bundesgebiet Aufnahme bei seiner Schwester und wurde von dieser betreut. Ein gemeinsamer Wohnsitz besteht ansonsten nicht. Der Beschwerdeführer und seine Schwester unterstützen einander nicht finanziell.

Der Beschwerdeführer hält sich zumindest seit er am 05.10.2015 seinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, im Bundesgebiet auf. Er hat Deutschkurse und einen Werte- und Orientierungskurs besucht, sowie den Pflichtschulabschluss nachgeholt. Der Beschwerdeführer bezieht seit seiner Einreise Leistungen aus der Grundversorgung und ist nicht erwerbstätig. Im Bundesgebiet hat der Beschwerdeführer neben dem Kontakt zu seiner Schwester und ihrer Familie auch soziale Kontakte zu österreichischen Staatsbürgern geknüpft.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer wäre im Fall der Rückkehr nach XXXX keinen Übergriffen von Seiten der Familie XXXX oder der afghanischen Behörden ausgesetzt. Im Zusammenhang mit seiner Volksgruppe stehende Übergriffe sind für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat nicht zu erwarten. Die im Herkunftsstaat verbliebenen Angehörigen des Beschwerdeführers sind keinen Drohungen oder Übergriffen ausgesetzt.

Konkrete Gründe für die Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsstaat können nicht festgestellt werden.

Im Fall der Rückkehr drohen ihm auch keine Übergriffe durch die Taliban oder andere regierungsfeindliche Gruppierungen.

1.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.

Die Provinz Jawzjan zählt zu den relativ stark vom Konflikt betroffenen Provinzen Afghanistans, die Sicherheitslage hat sich in jüngerer Zeit verschlechtert. Es kam zu einem Anstieg sicherheitsrelevanter Vorfälle. Die Taliban sind in der Provinz aktiv, einige Distrikte stehen unter Talibankontrolle. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften bzw. regierungsfreundlichen Milizen, Luftangriffen, etc. XXXX steht unter Regierungskontrolle und verfügt über einen Flughafen. Von und nach Jawzjan gibt es keinen Linienflugbetrieb. Die Anreise nach XXXX etwa von Mazar-e Sharif aus ist nicht sicher möglich.

Im Fall einer Rückkehr des Beschwerdeführers nach XXXX droht ihm auf dem Weg dorthin die Gefahr, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle, Kampfhandlungen finden im Wesentlichen nicht statt. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.

Für den Fall der Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif kann nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Im Fall einer Rückführung des Beschwerdeführers nach Mazar-e Sharif ist davon auszugehen, dass er sich eine Lebensgrundlage wird aufbauen und die Grundbedürfnisse seiner menschlichen Existenz wie Nahrung, Kleidung und Unterkunft wird decken können und im Fall seiner Niederlassung ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Seine medizinische Versorgung ist gewährleistet.

Es gibt in Afghanistan unterschiedliche Unterstützungsprogramme für Rückkehrer von Seiten der Regierung, von NGOs und durch internationalen Organisationen. IOM bietet in Afghanistan Unterstützung bei der Reintegration an.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie seinen Sprachkenntnissen, seinen Lebensumständen und seinem Lebenswandel im Herkunftsstaat ergeben sich aus seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Zu Schul- und Universitätsbesuch im Herkunftsstaat und der Türkei hat der Beschwerdeführer überdies Zeugnisse in Vorlage gebracht, an deren Echtheit und Richtigkeit auch die belangte Behörde keine Zweifel hegte. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer eine Prüfungsbestätigung vorgelegt.

Hinsichtlich möglicher Gründe für den Umzug von Faryab nach XXXX hat der Beschwerdeführer keine Angaben gemacht und auch nicht behauptet, dass dieser Umzug nicht aus freien Stücken erfolgte bzw. eine Rückkehr durchgehend unmöglich gewesen wäre. Folglich konnte eine derartige Feststellung nicht getroffen werden.

Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.

Die Feststellungen zu den Erkrankungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus den von ihm im Lauf des Verfahrens vorgelegten medizinischen Unterlagen.

Dass der Beschwerdeführer nicht verheiratet ist und keine Kinder hat, hat er selbst durchgehend angegeben.

Den Aufenthalt seiner Eltern und Brüder in XXXX hat der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 01.02.2017 bereits angegeben (Einvernahmeprotokoll S. 5, AS 51) und in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2018 nochmals bestätigt (Verhandlungsprotokoll S. 5). Dass einer seiner Brüder als Arzt arbeitet, hat der Beschwerdeführer wiederholt angegeben (Einvernahmeprotokoll S. 9, AS 59; Verhandlungsprotokoll S. 5). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2018 bestätigte der Beschwerdeführer auch, dass nach wie vor Kontakt zu seine Angehörigen besteht (Verhandlungsprotokoll S. 5).

Die Feststellungen zur Schwester des Beschwerdeführers und deren Familie beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers sowie auf den Akten zu ihren Verfahren (W220 2106967-1 ua). Dass regelmäßiger telefonischer Kontakt besteht und er seine Schwester alle drei bis vier Wochen besucht, hat der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung angegeben und sind keine Gründe ersichtlich, an diesen Angaben zu zweifeln. Die Feststellung zu Aufenthalt bei und Pflege durch die Schwester während einer dreimonatigen Erkrankung in der Vergangenheit beruhen ebenso auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (Verhandlungsprotokoll s. 6). Ein gemeinsamer Wohnsitz wurde nicht behauptet, gleiches gilt für gegenseitige finanzielle Unterstützung.

Die Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus seinen Angaben und den im Akt einliegenden Bestätigungen. Zur Aufenthaltsdauer in Österreich ist auszuführen, dass das Datum der Asylantragstellung aktenkundig ist und Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zwischenzeitig verlassen hätte, nicht hervorgekommen sind. Zu den Deutschkursen, dem Werte- und Orientierungskurs, sowie dem Pflichtschulabschluss hat der Beschwerdeführer Bestätigungen und Zeugnisse vorgelegt. Die Feststellung zum Grundversorgungsbezug des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem. Eine Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers im Bundesgebiet wurde nicht behauptet. Zu den festgestellten sozialen Kontakten auch zu österreichischen Staatsbürgern ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer diesbezügliche Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2018 tätigte und auch die Umstände des Kennenlernens plausibel darlegen konnte. Auch ist plausibel, dass nach etwa viereinhalbjährigem Aufenthalt im Bundesgebiet in der alltäglichen Begegnung soziale Kontakte mit Mitmenschen entstehen.

2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers

Hinsichtlich der Glaubhaftigkeit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe schließt sich das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen den beweiswürdigenden Erwägungen der belangten Behörde an.

Zunächst findet zwar grundsätzlich in den Länderberichten Bestätigung, dass es im Alltag zu sozialer Diskriminierung und Ausgrenzung von anderen ethnischen Gruppen kommt, die nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert werden, ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen würden in Konflikten und Tötungen resultieren (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019 [in der Folge: Länderinformationsblatt], Kapitel 17. Relevante ethnische Minderheiten). Hinsichtlich der Volksgruppe der Tadschiken bietet das Länderinformationsblatt keine Anhaltpunkte für spezifische Diskriminierungen (Unterkapitel 17.2. Tadschiken) und Spannungen zwischen Usbeken und Tadschiken in der Provinz Jawzjan finden ebenso keine Erwähnung. Allerdings berichtet das Länderinformationsblatt, dass neben Turkmenen die Usbeken die größte ethnische Gruppe der Provinz sind und Tadschiken nur eine kleine Gruppe in der Bevölkerung der Provinz stellen (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.14. Jawzjan). Auch die Präsenz der ehemaligen Milizkämpfer XXXX in der Provinz Jawzjan wird dort bestätigt (Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel 3.14. Jawzjan), wobei sich dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingebrachten EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Afghanistan: Gezielte Gewalt bewaffneter Akteure gegen Individuen von Dezember 2017 entnehmen lässt, dass in der nördlichen Region insbesondere (auch) die usbekisch dominierte Junbesh-e Melli bzw. ihre Milizen für Übergriffe auf Zivilpersonen verantwortlich ist (Kapitel 2.6 Die Afghanische lokale Polizei und regierungstreue Milizen, insbesondere

2.6.1 Spezielle Profilgruppen Profilgruppen, S. 87).

Damit erweist sich das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers vor dem Hintergrund der Länderberichte zwar abstrakt als plausibel, nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ist es jedoch in sich nicht schlüssig.

Zunächst hat der Beschwerdeführer im Zuge der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 05.10.2015 zum Fluchtgrund befragt angegeben, die Taliban hätten Leute umgebracht und auch ihn umbringen wollen. Völlig unerwähnt dagegen blieb das spätere Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers hinsichtlich einer von XXXX ausgehenden Bedrohung, die in Zusammenhang mit politischen Äußerungen des Beschwerdeführers und seiner Volksgruppe stehen soll. Demgegenüber bringt der Beschwerdeführer im weiteren Verfahren eine konkrete Bedrohung von Seiten der Taliban nicht mehr vor. Zwar dient die Erstbefragung nach § 19 Abs. 1 AsylG insbesondere der Ermittlung der Identität und der Reiseroute des Fremden und hat sich nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen (Vgl. auch VwGH 23.08.2019, Ra 2019/18/0188). Folglich werden in der Erstbefragung keine umfangreichen Angaben zu den Fluchtgründen gemacht und hat der Verwaltungsgerichtshof deshalb Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung. Daraus leitet der Verwaltungsgerichtshof allerdings eine generelle Unzulässigkeit, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens der Erstbefragung und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen, nicht ab (zuletzt VwGH 21.11.2019, Ra 2019/14/0429). Gegenständlich steigert der Beschwerdeführer sein Fluchtbringen nicht nur, sondern tauscht seine Fluchtgründe im späteren Verfahren im Vergleich zur Erstbefragung gänzlich aus. Darin ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts ein Indiz dafür zu sehen, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft ist.

Weiter weichen auch die Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 26.11.2018 von jenen in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 01.02.2017 ab. So gab der Beschwerdeführer vor der Behörde an, er habe auf Facebook, Twitter und anderen Medien diverse kritische Postings über die usbekische Partei gemacht und sei der Beschwerdeführer von Söhnen und Schwiegersohn XXXX zu politischen Treffen eingeladen worden, an denen er nicht teilgenommen habe (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 57). Demgegenüber erzählte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, er habe an der Universität darüber gesprochen (Verhandlungsprotokoll S. 5). Unerwähnt bleibt in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, dass der Beschwerdeführer (und seine Familie) - wie vor der belangten Behörde noch angegeben - nach der Studentenvertreterwahl im Jahr 2007 von XXXX bedroht worden sein will (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 57). Dagegen verneinte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde die konkrete Frage, ob seine Familie zu irgendeinem Zeitpunkt bedroht worden sei (Einvernahmeprotokoll S. 10, AS 61), während er in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angibt, sein Bruder bekomme regelmäßig Drohbriefe, in denen ihm die Entführung seiner Kinder oder die In-Brand-Setzung seines Hauses angedroht werde (Verhandlungsprotokoll S. 5). Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer dies vor der Behörde noch unerwähnt ließ, ist auch die regelmäßige folgenlose Aussprache von Drohungen gegen Angehörige des Beschwerdeführers mehrere Jahre nach dessen Ausreise nicht plausibel. So wäre zu erwarten, dass diese Drohungen zeitnah in die Tat umgesetzt würden, wenn der gewünschte Erfolg ausbleibt, statt sie regelmäßig folgenlos zu wiederholen. Auch dass XXXX nach der Rückkehr des Beschwerdeführers noch mehrere Monate gewartet haben soll, um ihn schließlich im Zuge eines zufälligen Zusammentreffens in einem Park verprügeln zu lassen, lässt das Fluchtvorbringen nicht konsistent erscheinen, wenn der Beschwerdeführer tatsächlich von so großem Interesse wäre, dass eine Verhaftung des Vaters und mehrmalige Drohungen gegen den Bruder lohnenswert erscheinen. Auch ist nicht klar, warum erst nach der Ausreise des Beschwerdeführers Repressionen gegen die Angehörigen des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat gesetzt worden sein sollen und nicht bereits, als der Beschwerdeführer jahrelang in der Türkei aufhältig war und sich kritisch gegen Junbesh-e Melli bzw. Usbeken im Allgemeinen geäußert haben will. Es mag zutreffen, dass der Beschwerdeführer selbst bedingt durch den funktionierenden Staatsapparat in der Türkei vor Übergriffen des XXXX sicher war. Dies gilt jedoch nicht für seine im gleichen Zeitraum im Herkunftsstaat verbliebenen Angehörigen, die den Angaben des Beschwerdeführers zufolge bis zu seiner Flucht nach Europa jahrelang unbehelligt geblieben sein und nunmehr nach der Ausreise nach Europa plötzlich Jahre lang bedroht werden sollen.

Angesichts der aufgezeigten Ungereimtheiten erscheint die Erzählung des Beschwerdeführers nicht glaubhaft, mag seine Rahmengeschichte auch mit den Länderinformationen übereinstimmen und eine grundsätzliche Verankerung der Familie XXXX in der Türkei der Wahrheit entsprechen. Folglich wurden entsprechende Feststellungen getroffen.

Mangels anderer Anhaltspunkte hinsichtlich konkreter Gründe für die Ausreise des Beschwerdeführers aus dem Herkunftsstaat konnten solche nicht festgestellt werden.

Hinsichtlich einer Übergriffsgefahr von Seiten der Taliban oder anderer regierungsfeindlicher Gruppierungen hat der Beschwerdeführer abseits seiner allgemeinen Angaben in der Erstbefragung keine weiteren Angaben gemacht und war eine solche konkret gegen den Beschwerdeführer gerichtete Gefahr im Lauf des Verfahrens auch nicht ersichtlich.

2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan basiert auf der UNHCR-Richtlinie zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien; siehe insbesondere Kapitel II. Überblick, Unterkapitel A. Die wichtigsten Entwicklungen in Afghanistan, S. 13 f. und Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel B. Flüchtlingsstatus nach den weitergehenden Kriterien gemäß dem UNHCR-Mandat oder nach regionalen Instrumenten und Schutz nach ergänzenden Schutzformen, Unterkapitel

2. Subsidiärer Schutz nach der Qualifikationsrichtlinie der EU [Richtlinie 2011/95/EU], S. 117 f.) und findet Bestätigung im Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage. Insbesondere die UNHCR-Richtlinien betonen die uneinheitliche Betroffenheit der unterschiedlichen Gebiete vom innerstaatlichen Konflikt. Diese lässt sich auch aus den Erläuterungen des Länderinformationsblattes zu den einzelnen Provinzen gut nachvollziehen.

Die Feststellungen zur Sicherheitslage Jawzjan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.14. Jawzjan sowie auf der vom Bundesverwaltungsgericht mit Schreiben vom 04.12.2019 in das Verfahren eingebrachten EASO, Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance; insbesondere Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Unterabschnitt Jawzjan, S. 100 f.) und dem ihre Grundlage bildenden EASO COI Report: Afghanistan. Security Situation von Juni 2019 (insbesondere Kapitel 2.14 Jawzjan, S. 156 ff.). So berichtet das Länderinformationsblatt von einer Zunahme der zivilen Opfer um 55 % im Jahr 2018 im Vergleich zum Jahr 2017 sowie allgemein von einer Verschlechterung der Sicherheitslage, von bewaffneten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitstruppen bzw. regierungsfreundlichen Milizen, von Talibanaktivitäten und davon, dass einige Distrikte unter Talibankontrolle stehen. Die EASO Country Guidance bestätigt, dass die Taliban in Jawzjan erfolgreich sind, sowie, dass es zu Bodenkämpfen und Luftangriffen kommt. Berichtet wird insbesondere weiter, dass sich Reisende auf der Autobahn im Kreuzfeuer von Sicherheitskräften und Taliban wiederfanden. Auch der EASO COI Report: Security situation berichtet von einem Anstieg der Sicherheitsvorfälle an der Autobahn zwischen Mazar-e Sharif und XXXX . Darauf und auf der Information des Länderinformationsblattes, der zufolge es keinen Linienflugbetrieb von und nach Jawzjan gibt, beruht die Feststellung, dass eine Anreise mach XXXX nicht sicher möglich ist. Aus dieser Berichtslage speist sich auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach XXXX auf dem Weg dorthin die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif unter Regierungskontrolle steht und von Kampfhandlungen im Wesentlichen nicht betroffen ist, basiert auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von Juni 2019 (Kapitel 2. Regional description of the security situation in Afghanistan, Unterkapitel 2.5. Balkh (S. 96 ff.). Insbesondere führt der Bericht Mazar-e Sharif als unter Regierungskontrolle stehend an und verzeichnet keine offene Präsenz der Taliban (siehe Tabelle S. 99). Auch Vertreibungen aus Mazar-e Sharif sind nicht verzeichnet (Unterkapitel 2.5.3.2. Displacement, S. 100).

Die Feststellung zum Flughafen basiert auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Sicherheitslage, Unterkapitel

3.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Inernationaler Flughafen Mazar-e Sharif sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, Kapitel 2. Internal mobility, Unterkapitel 2.1 Airports and flight connections, S. 18, insbesondere Unterkapitel 2.1.3 Mazar-e Sharif, S. 19). Die EASO Country Guidance bestätigt, dass für den Flughafen von Mazar-e Sharif 9 km von der Stadt entfernt keine Zwischenfälle bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).

Aufgrund der in den oben zitierten Berichten enthaltenen Informationen zur Sicherheitslage in Mazar-e Sharif kann für den Fall der dortigen Niederlassung des Beschwerdeführers auch nicht festgestellt werden, dass ihm die Gefahr droht, im Zuge von Kampfhandlungen oder durch Angriffe Aufständischer zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Die Feststellung zur möglichen Niederlassung des Beschwerdeführers in Mazar-e Sharif ergibt sich insbesondere aus einer Zusammenschau der individuellen Umstände und Merkmale, die der Beschwerdeführer in seiner Person vereint.

Maßgebliche Faktoren für die Frage, ob sich der Beschwerdeführer im Fall einer Rückführung nach Herat (Stadt) oder Mazar-e Sharif eine Lebensgrundlage wird aufbauen können, sind insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Kenntnisse der lokalen Gegebenheiten, sozialer und ökonomischer Hintergrund, Bildungshintergrund, Zugang zu einem sozialen Unterstützungsnetzwerk und Religion (EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis:

Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Unterabschnitt Reasonableness to settle, S. 105). Damit übereinstimmend stellen nach den UNHCR-Richtlinien insbesondere Alter, Geschlecht, Gesundheitszustand, Behinderungen, Verwandtschaftsverhältnisse sowie Bildungs- und Berufshintergrund (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe a) Die persönlichen Umstände des Antragstellers, S. 122) relevante Faktoren dar, wobei neben der Berücksichtigung dieser spezifischen persönlichen Umstände den UNHCR-Richtlinien zufolge auch darauf Bedacht zu nehmen ist, ob der Betreffende seine grundlegenden Menschenrechte wird ausüben können sowie ob er im für die Neuansiedelung in Betracht gezogenen Gebiet Möglichkeiten für ein wirtschaftliches Überleben (Zugang zu Unterkunft, Verfügbarkeit grundlegender Infrastruktur [Trinkwasser, sanitäre Infrastruktur, Gesundheitsversorgung und Bildung], Lebensgrundlage) unter würdigen Bedingungen vorfindet (UNHCR-Richtlinien, Kapitel III. Internationaler Schutzbedarf, Unterkapitel C. Interne Flucht-, Neuansiedlungs- oder Schutzalternative, Unterkapitel 2. Analyse der Zumutbarkeit, Buchstabe c) Achtung der Menschenrechte und wirtschaftliches Überleben, S. 123 f.).

Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, verfügt über Berufserfahrung und über eine umfassende, im Herkunftsstaat und der Türkei erworbene Ausbildung (zwölf Jahre Schulbesucht, Bachelorstudium der Informatik). Insbesondere hat der Beschwerdeführer seine Flexibilität, Weltgewandtheit und Anpassungsfähigkeit zweifellos bereits durch seinen studienbedingten Umzug in die Türkei unter Beweis gestellt, weswegen das Bundesverwaltungsgericht auch für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Zweifel hegt, dass der Beschwerdeführer sich in der Gesellschaft zurechtfinden wird. Auch ist der Beschwerdeführer dadurch, dass er 16 Jahre seines Lebens in XXXX verbracht hat, zweifellos mit der Lebensart afghanischer Städte vertraut und wird sich auch in Mazar-e Sharif gesellschaftliche zurechtfinden und anpassen können. Damit erscheinen die Aussichten des Beschwerdeführers, eine angemessene Erwerbstätigkeit zu finden, insbesondere angesichts seines hohen Bildungsniveaus im Vergleich zur Situation seiner Landsleute relativ gut und der Beschwerdeführer wird allenfalls nach einer anfänglichen Orientierungsphase sein Auskommen erwirtschaften können.

Der Beschwerdeführer hat weiter die ersten 18 Jahre seines Lebens durchgehend in Afghanistan verbracht, ist dort aufgewachsen und wurde dort sozialisiert. Auch nach seiner Rückkehr aus der Türkei war der Beschwerdeführer nochmals mehrere Monate im Herkunftsstaat aufhältig wobei er im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde angegeben hat, auch während seines Türkeiaufenthaltes gelegentlich nach Afghanistan gekommen zu sein (Einvernahmeprotokoll S. 12, AS 65). Folglich ist er mit den im Herkunftsstaat herrschenden Traditionen und Gebräuchen vertraut und ein Bezug des Beschwerdeführers zum Herkunftsstaat nach wie vor aufrecht. Außerdem spricht der Beschwerdeführer mit Dari eine der Landessprachen und wird sich im Rückkehrfall damit zweifellos verständigen können.

Weiter leben Eltern und Brüder des Beschwerdeführers nach wie vor in Jawzjan und hat der Beschwerdeführer auch Kontakt zu diesen Angehörigen. Der Beschwerdeführer verfügt damit auch über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und kann auf dieses soziale Netzwerk zurückgreifen. Insbesondere ist auch aufgrund der Unterstützung, die die Familie dem Beschwerdeführer bereits in der Vergangenheit gewährt wurde - so hat ihm seine Familie das Studium in der Türkei finanziert (Einvernahmeprotokoll S. 8, AS 57) - zu erwarten, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat beim Aufbau seiner Existenzgrundlage wiederum auf die Unterstützung seiner Familie wird zurückgreifen können. Der Beschwerdeführer verfügt damit im Herkunftsstaat über für die Anpassung und Reintegration in Afghanistan besonders ausschlaggebende positiven Voraussetzungen (Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr, Abschnitt Die Rolle unterschiedlicher Netzwerke für Rückkehrer/innen).

Zur Gesundheitsversorgung ist auszuführen, dass dem Länderinformationsblatt zu entnehmen ist, dass die primäre Gesundheitsversorgung prinzipiell wenn auch nicht flächendeckend und von variierender Qualität kostenfrei verfügbar ist. Zudem besteht die Möglichkeit privater Behandlung. Auch von einer Verbesserung der Flächendeckung und Fortschritten der Versorgung wird berichtet und es sind auch Behandlungsangebote für psychische Erkrankungen verfügbar (Kapitel 22. Medizinische Versorgung). Dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019 ist zum Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung zu entnehmen, dass, dass dieser für die Mehrheit der afghanischen Bevölkerung grundsätzlich gewährleistet ist. Von problematischen Zugangsbeschränkungen wird nur für ländliche Gebiete berichtet (Kapitel 8. Health care, Unterkapitel 8.2 Access and availability, S. 45 f.). Auch das Länderinformationsblatt bestätigt, dass die medizinische Versorgung in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt ist (Kapitel 22. Medizinische Versorgung). Der Beschwerdeführer leidet zwar an einigen Erkrankungen, verfügt aber mit seinem Bruder über einen Familienangehörigen, der selbst Arzt ist und deutet der Beschwerdeführer, wenn er in seine - wenn auch als nicht glaubhaft qualifizierte - Fluchterzählung einflicht, der Bruder habe sich um seine medizinische Versorgung gekümmert, an, dass er sich auf die medizinische Unterstützung seines Bruders verlassen könne. Insbesondere verfügt Mazar-e Sharif über einige Krankenhäuser (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Medizinische Versorgung, Abschnitt Medizinische Versorgung in der Städten Kabul, Herat und Mazar-e Sharif). Damit erscheint die gesundheitliche Versorgung des Beschwerdeführers angesichts dessen sowie aufgrund der grundsätzlichen Verfügbarkeit von Behandlungsangeboten auch gewährleistet.

Zur allgemeinen Versorgungslage im Herkunftsstaat ist zwar zu berücksichtigen, dass diese sich als schwierig darstellt, was insbesondere intern Vertriebene und Rückkehrer betrifft (EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von April 2019, Kapitel 6. Food security, S- 36 ff.). Allerdings wird nicht berichtet, dass die Grundversorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser und Lebensmitteln grundsätzlich nicht gewährleistet bzw. zusammengebrochen wäre. Insbesondere wird von einer Verbesserung des Wasserzugangs und einer Anhebung der Hygienestandards berichtet (Kapitel 9.3 Water and sanitation, S. 55 f.), wobei speziell für Mazar-e Sharif berichtet wird, die meisten Haushalte hätten Zugang zu Trinkwasser und sanitären Einrichtungen (Kapitel 9.5. Situation in the three cities, S. 58).

Insgesamt gehört der Beschwerdeführer damit unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation und seiner individuellen Umstände keinem Personenkreis an, von dem anzunehmen ist, dass er sich in Bezug auf die individuelle Versorgungslage qualifiziert schutzbedürftiger darstellt als die übrige Bevölkerung, die ebenfalls für ihre Existenzsicherung aufkommen kann. Daher sind besondere exzeptionelle Umstände, die dazu führen könnten, dass der Beschwerdeführer sich im Fall einer Niederlassung in Mazar-e Sharif keine Lebensgrundlage wird aufbauen können, nicht ersichtlich und davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rückkehrfall im ins Auge gefassten Neuansiedelungsgebiet ein Leben ohne unbillige Härten wird führen können, so wie es auch seine Landsleute führen.

Die Feststellung zur Rückkehrhilfe ergibt sich aus dem Länderinformationsblatt, Kapitel 23. Rückkehr.

Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken ("Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den "EASO-Richtlinien" verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zum Herkunftsort des Beschwerdeführers

Zur Frage, ob als Herkunftsort des Beschwerdeführers bedingt dadurch, dass der Beschwerdeführer dort geboren ist, die Provinz Faryab, oder, wegen des Umzuges dorthin und des weiteren Lebens dort XXXX zu qualifizieren ist, ist auszuführen, dass Gründe für den Umzug nicht festgestellt werden konnte und insbesondere auch nicht festgestellt werden konnte, dass eine Rückkehr nach Faryab durchgehend nicht möglich war. Damit ist die Verlagerung des Lebensmittelpunktes von Faryab nach XXXX nicht erzwungenes Ergebnis einer Flucht, sondern freiwillig erfolgt, weswegen die Verlagerung des Lebensmittelpunktes des Beschwerdeführers nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts die vielleicht ursprünglich bestehende Nahebeziehung zum Geburtsort überlagert. Damit ist XXXX als Ort der Rückkehr in Betracht zu ziehen und stellt in Relation zu Faryab nicht bereits eine innerstaatliche Fluchtalternative dar (Vgl. VwGH 26.01.2006, 2005/01/0057 sowie Nedwed, Interner Schutz (innerstaatliche Fluchtalternative) am Beispiel Afghanistan in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asylrecht und Fremdenrecht 2018 [2018] 287 [294-195]).

3.2. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)

Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.

Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Nach Art. 10 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes Abl L 337/9 vom 20.12.2011 (in der Folge Statusrichtlinie) umfasst der Begriff der Rasse insbesondere Aspekte der Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe.

"Verfolgung" im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs als ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt "Verfolgung" als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (zuletzt VwGH 31.07.2018 mwN).

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (VwGH 30.08.2018, Ra 2017/18/0119 mwN).

Nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass ihm von Seiten der Familie XXXX wegen kritischer Äußerungen hinsichtlich der Junbesh-e Melli bzw. Usbeken im Allgemeinen oder wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Tadschiken Übergriffe drohen. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob bedingt durch die privat-politische Verflechtung private oder staatliche Verfolgung vorliegt, konnte daher unterbleiben. Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er im Fall der Rückkehr Verfolgungshandlungen wegen seiner ihm (zumindest unterstellten) politischen Gesinnung bzw. seiner Volksgruppe ausgesetzt wäre. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war daher abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)

Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Mit Erkenntnis vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 hat der Verwaltungsgerichtshof sich mit der Rechtsprechung des EuGH zu den Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auseinandergesetzt. Danach sei subsidiärer Schutz nur in jenen Fällen zu gewähren, in denen die reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK auf einen ernsthaften Schaden iSd Art. 15 Statusrichtlinie zurückzuführen ist, der vom Verhalten eines Akteurs iSd Art. 6 Statusrichtlinie verursacht wird (Art. 15 lit a. und b.), bzw. auf eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt (Art. 15 lit. c) zurückzuführen ist. Nicht umfasst sei dagegen die reale Gefahr jeglicher etwa auf allgemeine Unzulänglichkeiten im Heimatland zurückzuführende Verletzungen von Art. 3 EMRK. Insofern habe der nationale Gesetzgeber die Bestimmungen der Statusrichtlinie fehlerhaft umgesetzt, weil nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 AsylG jegliche reale Gefahr (real risk) einer Verletzung von Art 2. Art. EMRK, 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zur Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führe (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106).

An diese Judikatur anschließend spricht der der Verwaltungsgerichthof in seinem Erkenntnis vom 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 aus, dass die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht ausschließlich anhand Art. 15 Statusrichtlinie geprüft werden könne. Die Bestimmung sei - obgleich fehlerhaft in das nationale Recht umgesetzt - nicht unmittelbar anwendbar, weil dies zulasten eines bzw. zur Vorenthaltung von Rechten des Einzelnen nicht in Frage komme. Die nationale Regelung des § 8 Abs. 1 AsylG sei günstiger. Deren unionsrechtskonforme bzw. richtlinienkonforme Auslegung finde ihre Schranke jedoch in einer Auslegung contra legem des nationalen Rechtes. Eine einschränkende Auslegung des Wortlautes des § 8 Abs. 1 AsylG im Sinne einer teleologischen Reduktion sei vor dem Hintergrund des klaren gesetzgeberischen Willens - den der Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung herausarbeitet - nicht zu rechtfertigen. Daher halte der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung, wonach eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat - auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird - die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006 m.w.N.).

Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes reicht es, um von der realen Gefahr ("real risk") einer drohenden Verletzung der durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte eines Asylwerbers bei Rückkehr in seinen Heimatstaat ausgehen zu können, nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf viel mehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109 m.w.N.). Es obliegt dabei der abschiebungsgefährdeten Person, mit geeigneten Beweisen gewichtige Gründe für die Annahme eines solchen Risikos nachzuweisen. Es reicht nicht aus, sich bloß auf eine allgemein schlechte Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan zu berufen (VwGH 03.05.2018, Ra 2018/20/0191).

Herrscht im Herkunftsstaat eines Asylwerbers eine prekäre allgemeine Sicherheitslage, in der die Bevölkerung durch Akte willkürlicher Gewalt betroffen ist, so liegen stichhaltige Gründe für die Annahme eines realen Risikos bzw. für die ernsthafte Bedrohung von Leben oder Unversehrtheit eines Asylwerbers bei Rückführung in diesen Staat dann vor, wenn diese Gewalt ein solches Ausmaß erreicht hat, dass es nicht bloß möglich, sondern geradezu wahrscheinlich erscheint, dass auch der betreffende Asylwerber tatsächlich Opfer eines solchen Gewaltaktes sein wird. Davon kann in einer Situation allgemeiner Gewalt nur in sehr extremen Fällen ausgegangen werden, wenn schon die bloße Anwesenheit einer Person in der betroffenen Region Derartiges erwarten lässt. Davon abgesehen können aber besondere in der persönlichen Situation der oder des Betroffenen begründete Umstände (Gefährdungsmomente) dazu führen, dass gerade bei ihr oder ihm ein - im Vergleich zur Bevölkerung des Herkunftsstaates im Allgemeinen - höheres Risiko besteht, einer dem Art. 2 oder 3 MRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt zu sein bzw. eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit befürchten zu müssen. In diesem Fall kann das reale Risiko der Verletzung von Art. 2 oder 3 MRK oder eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Person infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bereits in der Kombination der prekären Sicherheitslage und der besonderen Gefährdungsmomente für die einzelne Person begründet liegen (VwGH 23.01.2019, Ra 2018/14/0196).

3.3.1. Zur Rückkehr in die Herkunftsprovinz

Für die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr dorthin die Gefahr droht, aufgrund deren starker Betroffenheit vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt, im Zuge von Kampfhandlungen zwischen regierungsfeindlichen Gruppierungen und Streitkräften der Regierung oder durch Übergriffe von regierungsfeindlichen Gruppierungen gegen die Zivilbevölkerung zu Tode zu kommen oder misshandelt oder verletzt zu werden.

Demnach droht dem Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr die reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur.

3.3.2. Zum Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG sind Antrage auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.

Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.

Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.

Nach der Rechtsprechung des VwGH sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Zunächst muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge gefasste Gebiet Schutz vor Bedingungen, die nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Gewährung von subsidiärem Schutz rechtfertigen würden, gegeben ist (VwGH 23.01.2018, Ra 2018/18/0001 mwN).

Wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt, ist Mazar-e Sharif vom innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kaum betroffen und ist damit für den Beschwerdeführer im Fall seiner dortigen Niederlassung eine reale Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur aufgrund der Sicherheitslage nicht zu erwarten.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, der auf die Entscheidungen des EGMR Bezug nimmt, hat ein Fremder im Allgemeinen kein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielstaat bzw. in einem bestimmten Teil des Zielstaates gibt. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung in Art. 3 EMRK. Solche liegen etwa vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben (VfGH 06.03.2008, B2400/07 mwN).

Auch der Verwaltungsgerichtshof hat unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des EGMR bereits ausgesprochen, dass die nach der oben zitierten geforderten außergewöhnlichen Umstände, die zu einer Verletzung von Art. 3 EMRK führen können, vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt (zuletzt VwGH 30.06.2017, Ra 2017/18/0086).

Zwar wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einigen Erkrankungen leidet. Jedoch ist - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - die medizinische Versorgung des Beschwerdeführers für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat gewährleistet. Damit ist auch eine reale Gefahr einer aus dem Gesundheitszustand resultierenden Verletzung seiner durch Art. 2 oder 3 EMRK garantierten Rechte im Sinne der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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