TE OGH 2020/4/16 1Ob54/20b

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Veröffentlicht am 16.04.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr.

 Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*****, BA, *****, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 29.417,38 EUR sA sowie wegen Zahlung einer Rente (Streitwert 56.064 EUR) und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 56.064 EUR) gegen das Teilurteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 15. Jänner 2020, GZ 5 R 125/19w-13, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 12. Juli 2019, GZ 11 Cg 33/19z-9, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Mit seinem Begehren auf Zuspruch des aus unterbliebenen Beförderungen abgeleiteten Verdienstentgangs in Form einer monatlichen Geldrente strebt der Kläger die Verurteilung zu erst künftig fälligen Leistungen an. Nach § 406 Satz 1 ZPO muss der Klageanspruch aber spätestens bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz fällig sein. Soweit der Revisionswerber argumentiert, dass die begehrte Schadensrente den in § 406 Satz 2 ZPO genannten „Alimenten“, die auch vor Fälligkeit zugesprochen werden können, gleichzuhalten sei, hielt dem bereits das Berufungsgericht die Entscheidung 1 Ob 211/14g entgegen. Dort stellte der erkennende Senat klar, dass die entsprechenden (materiell-rechtlichen) Normen, die den Zuspruch einer künftigen Schadensrente ermöglichen (§ 1325 [sowie § 1327 ABGB], § 152 Luftfahrtgesetz, § 14 EKHG, § 7 RHG, § 11 Rohrleitungsgesetz, § 2 Impfschadengesetz, § 21 Heeresversorgungsgesetz) jeweils einen Eingriff in ein absolut geschütztes Rechtsgut – in der Regel eine körperliche oder gesundheitliche Schädigung – voraussetzen (vgl auch § 407 Abs 1 ZPO) und bei einem (wie hier behaupteten) bloßen bzw reinen Vermögensschaden keine gesetzliche Grundlage für einen Zuspruch künftigen Verdienstentgangs besteht. Dem hält der Revisionswerber, der sich mit dieser Entscheidung nur am Rande auseinandersetzt, keine überzeugenden Argumente entgegen.

Der von diesem ganz allgemein behauptete Eingriff in sein „absolut geschütztes Eigentum“ kann dem Klagevorbringen (auf dessen Grundlage das Rentenbegehren abwiesen wurde) nicht entnommen werden. Soweit der Kläger daraus, dass er bei Bewerbungen wiederholt übergangen worden sei, eine Gesundheitsbeeinträchtigung ableitet, gründet er darauf zwar sein Schmerzengeldbegehren (über das noch nicht entschieden wurde), nicht jedoch den behaupteten Verdienstentgang. Diesen stützt er vielmehr darauf, dass die Beklagte zu seinem Schutz bestehende Ernennungsvorschriften (insbesondere § 4 Abs 3 BDG) nicht eingehalten habe. Warum ein aus der Verletzung von Schutzgesetzen resultierender bloßer Vermögensschaden mit einem aus der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts resultierenden Schaden – hinsichtlich der Zulässigkeit des Zuspruchs einer laufenden Rente – vergleichbar sein soll, legt der Rechtsmittelwerber nicht nachvollziehbar dar. Soweit er behauptet, der zu 1 Ob 211/14g entschiedene Fall sei mit dem vorliegenden Fall „nicht/nicht ganz“ vergleichbar (wobei in der genannten Entscheidung ebenfalls ein im Wege der Amtshaftung geltend gemachter
– dort aus Verfahrensverzögerungen abgeleiteter – Verdienstentgang zu beurteilen war), zeigt er nicht auf, worin die für die rechtliche Beurteilung wesentlichen Unterschiede bestehen sollen. Die Behauptung, eine „Andersbehandlung der Rentenfrage“ [ersichtlich gemeint: im Fall der Verletzung eines absolut geschützten Rechtsguts und ohne eine solche Verletzung] sei „nicht sachgerecht/nicht ganz sachgerecht“, bleibt unsubstanziiert.

Die Revision enthält auch keine überzeugenden Argumente dafür, warum der begehrten Rente „Alimentationscharakter“ zukommen soll. Dass der Kläger „nicht in die Lage versetzt worden sei, Dienstleistungen auf Basis der begehrten ausgeschriebenen Planstellen zu erbringen“, vermag dies ebensowenig zu begründen, wie die bloße Behauptung, die begehrte Rente werde „zur Deckung des Lebensbedarfs verwendet“ (was nicht zwingend der Fall ist und auf jede Geldleistung zutreffen kann). Dass eine Rente für erbrachte Arbeitsleistungen einem Anspruch auf Alimente nicht gleichgehalten werden kann, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 4 Ob 134/59 (JBl 1960, 156) ausgesprochen; nichts anderes kann für den hier begehrten Ersatz einer Gehaltsdifferenz gelten. Insgesamt vermag die Revision keine „Ähnlichkeit“ (vgl 8 Ob 12/69 = EFSlg 12.286) mit Unterhaltsforderungen (und auch nicht mit „Ausgedingeleistungen“) aufzuzeigen.

Das Argument, § 406 Satz 2 ZPO könne bei „besonderen Interessenlagen“ auch auf nicht fällige Leistungen – insbesondere aus Dauerschuldverhältnissen oder aus Verträgen, die zu sukzessiven Lieferungen verpflichten – ausgedehnt werden (vgl RS0106147), lässt nicht erkennen, worin hier ein solches besonderes Interesse des Klägers bestehen soll. Prozessökonomische Erwägungen allein vermögen dieses nicht zu begründen. Der bei Nichtzuspruch einer Rente „aufwändigen Beobachtung von Verjährungsfragen“ kann durch ein – vom Kläger ohnehin erhobenes – Feststellungsbegehren begegnet werden, womit auch kein „Rechtsschutzdefizit“ besteht. Wenngleich § 406 Satz 2 ZPO unter Umständen (ausnahmsweise) angewendet werden kann, wenn ein besonderes Rechtsschutzbedürfnis an einer Verurteilung vor Fälligkeit besteht, so setzt dies voraus, dass das Nachholen der Leistung nicht möglich wäre oder dem Berechtigten nichts brächte, sodass er sein Recht ohne diese Vorgangsweise faktisch nicht durchsetzen könnte (2 Ob 197/17k mwN). Davon kann hier – nach dem maßgeblichen Klagevorbringen – aber keine Rede sein. Die in der Revision ins Treffen geführte Rechtsprechung, wonach bei eingetretenen oder drohenden Anspruchsverletzungen auch nicht fällige Forderungen klagbar seien, bezieht sich nur auf Unterhaltsansprüche (vgl RS0047184).

Der Behauptung des Revisionswerbers, aus § 18a (Abs 2) B-GlBG sei abzuleiten, dass Bezugsdifferenzen auch pro futuro zuzusprechen seien, ist zu entgegnen, dass in dieser Bestimmung nur die Höhe eines (öffentlich-rechtlichen) Ersatzanspruchs, jedoch kein Anspruch auf eine künftige Rente normiert wird.

Soweit der Kläger meint, sein Rentenbegehren hätte insoweit nicht abgewiesen werden dürfen, als darin (als Minus) auch das Begehren auf Feststellung des Bestehens der noch nicht fälligen Ersatzansprüche enthalten gewesen sei (vgl etwa RS0038981; RS0037476 [T4]), wies das Berufungsgericht zutreffend darauf hin, dass ohnedies auch ein Feststellungsbegehren erhoben, über das jedoch noch nicht entschieden wurde.

Mangels erkennbarer Bedenken an der Verfassungskonformität des § 406 ZPO sieht sich der Oberste Gerichtshof nicht veranlasst, der Anregung auf Einleitung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 89 Abs 2 iVm Art 140 Abs 1 B-VG

hinsichtlich dieser Bestimmung – das entgegen der Ansicht des Klägers auch keinesfalls auf deren „Neufassung“ gerichtet sein könnte – näherzutreten.

Textnummer

E128358

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00054.20B.0416.000

Im RIS seit

24.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.06.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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