TE OGH 2020/5/12 20Ds4/19x

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Veröffentlicht am 12.05.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. Mai 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schwab als Vorsitzenden, den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als weiteren Richter und die Rechtsanwälte Dr. Grassner und Dr. Mitterlehner als Anwaltsrichter in Gegenwart der OKontr. Trsek als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes über die Berufung des Disziplinarbeschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 3. Juni 2019, AZ D 45/18, 5 Dv 5/19, TZ 20, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Gföller, des Kammeranwalts Mag. Kammler und des Disziplinarbeschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis mit Ausnahme seines freisprechenden Teils aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

***** wird von dem wider ihn erhobenen Vorwurf, er habe Mag. Elisabeth K*****, Rechtsanwältin in W*****, als Rechtsvertreterin von Mag. Pia G*****, trotz mit E-Mail vom 30. August 2018 ausgewiesener Vertretungsmacht für das Verlassenschaftsverfahren nach Pius Günter G*****, umgangen, indem er mit Schreiben vom 31. Oktober 2018 direkt an Mag. Pia G***** einen Vorschlag zur Nachlassaufteilung unterbreitete, gemäß §§ 38 Abs 1 erster Fall, 54 Abs 3 DSt

freigesprochen.

Mit seiner Berufung wird der Rechtsmittelwerber auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis, welches auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen Freispruch vom Vorwurf enthält, der Beschuldigte habe mit E-Mail vom 30. August 2018 gegenüber Mag. Elisabeth K*****, Rechtsanwältin in W*****, sowie mündlich gegenüber dem Notariat N***** abgelehnt, mit dieser bzw in deren Beisein Verhandlungen zu führen (2./), wurde Rechtsanwalt ***** des Disziplinarvergehens der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (§ 1 Abs 1 zweiter Fall DSt) schuldig erkannt, weil er Mag. Elisabeth K***** als Rechtsvertreterin seiner Schwester Mag. Pia G***** trotz mit E-Mail vom 30. August 2018 ausgewiesener Vertretungsmacht für das Verlassenschaftsverfahren nach (seinem Vater) Pius Günter G***** umging, indem er mit Schreiben vom 31. Oktober 2018 direkt an Mag. Pia G***** einen Vorschlag zur Nachlassaufteilung unterbreitete (1./).

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die Berufung des Beschuldigten wegen des Ausspruchs über die Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen [hier: § 281 Abs 1 Z 9 lit a und lit b StPO] vgl RIS-Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe.

Aus Anlass der Berufung des Beschuldigten wegen Schuld nahm der Oberste Gerichtshof folgenden vom Rechtsmittelwerber nicht geltend gemachten, ihm jedoch zum Nachteil gereichenden Rechtsfehler (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO) des Erkenntnisses von Amts wegen wahr (§ 77 Abs 3 DSt iVm § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre und Ansehen des Standes (eine Berufspflichtenverletzung scheidet in eigener Sache schon begrifflich aus) setzt in – wie hier – weniger schwerwiegenden Fällen nämlich voraus, dass das Fehlverhalten einem größeren Personenkreis zur Kenntnis gelangt (RIS-Justiz RS0054876, RS0055086). Immer muss mit der Kenntnisnahme durch andere Personen die Gefahr einer Minderung der Wertschätzung und des Ansehens, die der Anwaltsstand als solcher genießt, einhergehen (Feil/Wennig, AnwR8 § 1 DSt S 859).

Eine entsprechende Tatsachenbasis ist dem Erkenntnis nicht zu entnehmen. Die dem Schuldspruch zugrundeliegende Umgehung der Rechtsvertretung seiner Geschwister (allein) durch das höchstpersönlich an seine Schwester Mag. Pia G***** adressierte Schreiben des Beschuldigten vom 31. Oktober 2018 (vgl hierzu insbesondere Punkt 4.3. des Erkenntnisses) ist lediglich dieser zugegangen und auch deren Rechtsanwältin Mag. Elisabeth K***** bekannt geworden.

Ob dieses – den Schuldspruch allein tragende –Schreiben oder zumindest dessen Existenz auch dem Gerichtskommissär zur Kenntnis gelangte, ergibt sich aus den Feststellungen nicht, vielmehr nur, dass der Beschuldigte gegenüber dem Notar und der Rechtsanwältin erklärte, dass er keinen Kontakt mit Mag. K***** pflegen werde, sondern direkt mit seinen Geschwistern. Desungeachtet fand Anfang November 2018 im Zuge der Abhandlung ein völlig sachlich verlaufendes Gespräch statt, an dem sowohl der Berufungswerber als auch Mag. K***** teilnahmen.

Innerhalb des engsten Familienkreises ist nicht anzunehmen, dass das in eigener (gemeinsamer) Sache gesetzte Handeln eines nahen Angehörigen überhaupt mit dessen Zugehörigkeit zum Stand der Rechtsanwälte in Verbindung gebracht wird oder daraus gar Schlüsse auf den (gesamten) Stand gezogen werden. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob auch die weiteren Geschwister des Beschuldigten in der Folge davon erfahren haben, dass dessen Vorschlag zur Nachlassaufteilung unmittelbar an Mag. Pia G***** ergangen war.

Ebenso wenig aber ist zu befürchten, dass die Wahrnehmung eines disziplinär verpönten Gebarens eines Berufskollegen tauglich wäre, Ehre und Ansehen des (gesamten) eigenen Standes zu beeinträchtigen, jedenfalls dann nicht, wenn wie im vorliegenden Fall nur die selbst betroffene Berufskollegin als einzige davon Kenntnis erlangt.

Eine für die Verurteilung wegen des Disziplinarvergehens nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt ausreichende Publizitätswirkung des zwar § 19 RL-BA 2015 widerstreitenden, fallbezogen aber wenig dramatischen Verhaltens ***** liegt daher nicht vor.

Dieser Rechtsfehler erfordert die Aufhebung des Schuldspruchs. Da nach der Aktenlage Konstatierungen, die einen Schuldspruch in Ansehung dieses Sachverhalts tragen könnten, in einem weiteren Rechtsgang nicht zu erwarten sind, war – wie bereits die Generalprokuratur zutreffend ausführte – in der Sache selbst mit Freispruch zu entscheiden (RIS-Justiz RS0118545; Ratz, WK-StPO § 288 Rz 24).

Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf die Berufung des Beschuldigten, der mit seinen Rechtsmitteln auf die meritorische Entscheidung zu verweisen war.

Textnummer

E128182

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0200DS00004.19X.0512.000

Im RIS seit

19.06.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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