TE Lvwg Erkenntnis 2020/6/3 LVwG-M-12/001-2019

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Veröffentlicht am 03.06.2020
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Entscheidungsdatum

03.06.2020

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §30 Abs1 Z2
SPG 1991 §88

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde des Herrn A im Zusammenhang mit einer Reihe von Amtshandlungen von Organen der Bezirkshauptmannschaft Horn am 12. Februar 2019 nächst ***, ***, zu Recht:

1.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die durchgeführte Identitätsfeststellung in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Verwaltungsakt wird für rechtswidrig erklärt.

2.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Festnahme in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Verwaltungsakt wird für rechtswidrig erklärt.

3.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Sicherstellung eines Rucksacks, eines Mobiltelefons, zweier Transparente und von vier Schildern in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben. Der angefochtene Verwaltungsakt wird für rechtswidrig erklärt.

4.   Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß §§ 53 i.V.m. 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517, € 2.242,80 (Schriftsatzaufwand und Pauschalgebühr) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

5.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).


Entscheidungsgründe:

Mit Schriftsatz vom 24. März 2019 erhob der Beschwerdeführer eine auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützte Beschwerde, in der er vorbrachte, durch Organe der belangten Behörde insoweit in seinen Rechten verletzt worden zu sein, als er am 12. Februar 2019 gegen 07.20 Uhr einer Identitätsfeststellung unterzogen, in weiterer Folge festgenommen und durchsucht worden sei. Weiters seien sein Rucksack und sein Mobiltelefon sichergestellt worden und seien ihm einige dieser Gegenstände nach Aufhebung der Festnahme nicht wieder ausgehändigt worden. Die Festnahme und Festhaltung selbst seien nicht in einer Menschenwürde achtenden Art und Weise und unter möglichster Schonung der Person erfolgt.

Begründend führte aus, er sei im fraglichen Zeitpunkt beim Verein B (B) beschäftigt gewesen und habe mit etwa 15 weiteren Personen vor einem Schlachthof in *** eine spontane Mahnwache gehalten. Gegen 07.20 Uhr, als die Mahnwache bereits beendet gewesen sei und sich die Teilnehmer zu ihren Fahrzeugen begeben hätten, sei er auf Höhe des Hauses *** von zwei Polizeibeamten aufgefordert worden, sich auszuweisen. Er sei zu diesem Zeitpunkt gerade damit beschäftigt gewesen, zwei Transparente und vier Schilder zu jenem Kraftfahrzeug zu transportieren, mit welchem er angekommen war. Die Amtshandlung hätten die Beamten damit begründet, dass es sich um eine nicht angezeigte Versammlung gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe angegeben, nicht der Verantwortliche für die Organisation der Mahnwache gewesen zu sein und habe die Ausweisleistung verweigert. Daraufhin sei mit gleichartiger Begründung wie zuvor die Festnahme als Konsequenz in Aussicht gestellten worden. Der Beschwerdeführer habe daraufhin einen der Beamten nach der Dienstnummer gefragt, wobei dieser gemeint habe, dass er sie erst nach Abschluss der Amtshandlung bekannt geben werde. Als der Beschwerdeführer den Ort der Amtshandlung habe verlassen wollen, sei er von einem Polizeibeamten am Arm zurückgehalten worden, und habe sich auf den Boden gesetzt. Die Polizeibeamten hätten die Hosen- und Jackentaschen und den Rucksack des Beschwerdeführers durchsucht, wobei die Beamten dies damit begründet hätten, auf diese Art die Identität des Beschwerdeführers klären zu wollen. Weiters hätten sie das Mobiltelefon und den Rucksack „entwendet“ und vier Schilder und zwei Transparente, die im Eigentum des B gestanden wären, weggenommen. Der Beschwerdeführer sei schließlich von den Polizeibeamten hochgehoben und in den Streifenwagen verbracht worden, wobei die Türen des Fahrzeugs offengelassen worden seien. Aus dem Streifenwagen habe der Beschwerdeführer beobachtet, dass C – ein Kollege des Beschwerdeführers – sich als Verantwortlicher für die Organisation der Mahnwache deklariert und sich ebenfalls geweigerte habe, seinen Ausweis herauszugeben. Um 9:19 Uhr sei die Festnahme aufgehoben und das Handy und der Rucksack dem Beschwerdeführer ausgehändigt worden. Die beiden Transparente und die vier Schilder seien ihm nicht ausgehändigt worden. Da er nach wie vor keine Dienstnummer von den beteiligten Polizeibeamten erhalten gehabt habe, habe er abermals eine an seiner Festnahme beteiligte Polizeibeamtin nach der Dienstnummer gefragt. Diese habe daraufhin lediglich gemeint, dass die Aktivisten ohnehin bald wieder an einer Aktion vor dem Schlachthof teilnehmen würden und sie die Dienstnummer dann bekommen könnten. Ihre Dienstnummer habe sie nämlich gerade nicht bei sich und wisse sie auch nicht auswendig.

In ihrer Stellungnahme vom 25. April 2019 hielt die Landespolizeidirektion Niederösterreich fest, dass sich die Zeugen D, F und E aufgrund einer Anzeige zum Schlachthof G in *** begeben hätten. Dort hätten sie rund 15 Personen angetroffen, die Transparente und Hinweisschilder bei sich gehabt hätten. Weiters hätten einige Grablichter gebrannt und hätte eine männliche Person das Geschehen gefilmt. Mit der Anzeige konfrontiert hätte eine unbekannte Person dem Zeugen E mitgeteilt, dass sich die Personen zufällig zu einem Fototermin getroffen hätten. Da dies nicht glaubwürdig gewesen sei, habe der Zeuge E nach dem Organisator bzw. Verantwortlichen gefragt und habe keine Antwort bekommen. Vielmehr hätten die Personen den Ort der Amtshandlung in mehrere Richtungen verlassen. Um 07.25 Uhr habe der telefonisch verständigte Journaldienst der Bezirkshauptmannschaft die Festnahme der angetroffenen Personen sowie die „Beschlagnahme der verwendeten Transparente und Schilder“ angeordnet.

Die obgenannten Zeugen hätten einen Mann mit Transparenten und Schildern in Begleitung zweier Frauen angetroffen. Sie hätten ihn zur Ausweisleistung unter Hinweis auf den Verdacht, er sei Initiator einer nicht angemeldeten Versammlung, zur Ausweisleistung aufgefordert. Weiters sei er über die angeordnete Festnahme im Fall der Nichtmitwirkung an der Identitätsfeststellung und über die Beschlagnahme der Transparente und Schilder informiert worden. Er habe darauf repliziert, sich nicht ausweisen zu müssen, sodass um 07.45 Uhr vom Zeugen F die Festnahme ausgesprochen worden sei. Nachdem sich der Mann vom Ort der Amtshandlung habe entfernen wollen, sei er am Oberarm festgehalten worden, habe sich daraufhin auf den Boden gesetzt und sich geweigert, aufzustehen. Er sei durch Anwendung von Körperkraft in den Streifenwagen verbracht und wieder zur Firma G zurückgebracht worden. Nachdem die erste Person nach Ausweisen durchsucht worden sei, habe sich H als Verantwortlicher zu erkennen gegeben und ausgewiesen. Auf ihn bezogen sei die Festnahme sogleich aufgehoben worden und habe der Genannte angegeben, zur Identität unter anderem des Beschwerdeführers keine Angaben machen zu können. Unter anderem sei der Beschwerdeführer bis zur endgültigen Entscheidung der belangten Behörde zur Polizeiinspektion *** gebracht worden, wo die Festnahme um 09.15 Uhr auf Anordnung der belangten Behörde aufgehoben worden sei. Die Rechtsgrundlage für die Festnahme sei in § 35 VStG, jene zur Durchsuchung in § 40 SPG zu sehen, wobei die Amtshandlung unter möglichster Schonung der Person und in einer der Menschenwürde achtenden Art und Weise durchgeführt worden sei. Aufgrund der Tatsache, dass die Identität des Beschwerdeführers unbekannt geblieben sei, sei auch eine Aushändigung der Dienstnummer unterblieben.

Die belangte Behörde hielt am 23. Mai 2019 fest, dass der Journaldienst vom Zeugen E vom Vorfall informiert worden sei. Im Hinblick auf die Schilderung sei der Verdacht einer Verwaltungsübertretung nach dem Versammlungsgesetz vorgelegen, sodass angeordnet worden sei, jene zwei Personen, die ihre Identität nicht preisgeben wollten, solange anzuhalten, bis sie der Aufforderung entsprächen. Nachdem sich H als Verantwortlicher deklariert habe und es abschließende Abklärungen gegeben habe, sei die Aufhebung der Festnahme verfügt worden.

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung vom 8. Juli 2019 im Parallelverfahren LVwG-M-11/001-2019 führte der (damals zeugenschaftlich vernommene) Beschwerdeführer ebenso an, er habe zunächst gleich am Anfang der Amtshandlung(en) die Dienstnummer erhalten wollen, was jedoch unterblieben sei. Sodann habe er bei seiner „Freilassung“ nochmals nach einer Dienstnummer gefragt, doch sei auch diesem Ansinnen nicht entsprochen worden.

Damit konfrontiert hielt die belangte Behörde in ihrer Stellungnahme vom 20. Mai 2020 unter Hinweis auf das Schreiben des Bezirkspolizeikommandos *** vom 13. Mai 2020 fest, dass den Ausführungen des Beschwerdeführers entgegengetreten würde. Der bezughabenden Stellungnahme des Bezirkspolizeikommandos zufolge sei der Zeuge F in der laufenden Amtshandlung nach der Dienstnummer gefragt worden und habe dem Beschwerdeführer zugesagt, diese nach Abschluss der Amtshandlung bekannt zu geben. Der Zeuge sei jedoch während der Amtshandlung in seiner Funktion als Außendienstbeamter zu einem weiteren Einsatz gerufen worden, sodass die Bekanntgabe zunächst unterblieben sei. Der Leiter der Amtshandlung, der Zeuge E habe davon nichts mitbekommen, die Zeugin D habe als nicht mit der Leitung der Amtshandlung betraute Beamtin davon ausgehen dürfen, dass der Zeuge E die Auskunft erteile. Auch habe sich der Beschwerdeführer bis zur Beendigung der Amtshandlung unkooperativ gezeigt, sodass seine Identität nicht habe geklärt werden können. Offen sei, ob die nunmehr beschwerdeführende Person mit jener ident sei, die bei der Amtshandlung angetroffen worden sei. Im Übrigen wäre der behauptete Verstoß gegen § 30 Abs. 1 Z 2 SPG „iVm § 9 Richtlinien-Verordnung“ allenfalls in einer Beschwerde nach § 89 SPG zu verfolgen gewesen und würde insoweit auf die Erkenntnisse des LVwG Oberösterreich vom 23. Oktober 2017, LVwG 780064/25/MB/BD, und vom 15. September 2014, LVwG-750151/11/ER/JB, verwiesen. In der weiteren Stellungnahme vom 3. Juni 2020 verzichtete die belangte Behörde ausdrücklich auf die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung.

Aufgrund der Beschwerde, die Angaben des Beschwerdeführers im Parallelverfahren sowie jenen der Landespolizeidirektion Niederösterreich und der belangten Behörde im gegenständlichen Verfahren geht das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich von folgendem unstrittigen Sachverhalt aus:

Am 12. Feber 2019 hielt sich der Beschwerdeführer mit 14 weiteren Personen im Bereich des Schlachthofs G (***, ***) auf, wobei die Personen Transparente und Schilder bei sich hatten bzw. Grabkerzen angezündet waren. Bei Eintreffen der Polizei entfernten sich die meisten Personen einschließlich des Beschwerdeführers vom genannten Ort. Dieser hatte zwei Transparente und vier Schilder bei sich, als er von den Zeugen F und D mit dem Verdacht der Begehung einer Verwaltungsübertretung konfrontiert wurde. Über Aufforderung, seine Identität bekannt zu geben, verweigerte dies der Beschwerdeführer, sodass in weiterer Folge die Festnahme ausgesprochen und der Beschwerdeführer zwecks Identitätsfeststellung durchsucht wurde. Gleichermaßen wurden ihm sein Rucksack, sein Mobiltelefon, die Transparente und Schilder abgenommen. Rund zwei Stunden danach wurde die Festnahme über Anordnung der belangten Behörde aufgehoben, zumal sich H als Verantwortlicher zu erkennen gegeben hat. Während der Amtshandlung fragte der Beschwerdeführer zweimal, nämlich zunächst zu Beginn und sodann nach Aufhebung der Festnahme nach der Dienstnummer zunächst des Zeugen F, sodann der Zeugin D, wobei die Dienstnummer nicht bekanntgegeben wurde.

Diese Feststellungen gründen sich auf die übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und der vernommenen Zeugen.

In rechtlicher Hinsicht ergibt sich aus dem Gesagten:

Gegenstand der Beschwerden nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (§ 88 Abs. 1 SPG) sowie nach § 88 Abs. 2 SPG sind einzelne Verwaltungsakte, mithin Lebenssachverhalte. Im konkreten Fall bezeichnet die Beschwerde insgesamt sechs Handlungen, die angefochten würden, nämlich die Durchführung einer Identitätsfeststellung, eine Festnahme samt Durchsuchung, die Sicherstellung mehrerer Gegenstände, die Einbehaltung derselben nach Abschluss der Amtshandlung sowie die Durchführung der Festnahme und „Festhaltung“ unter Außerachtlassung einer die Menschenwürde achtenden Art und Weise. Zutreffenderweise liegen demgegenüber jedoch bloß drei Amtshandlungen vor, nmlich zunächst die Identitätsfeststellung, die insoweit stufenartig erfolgte, als nach vergeblicher Aufforderung sich auszuweisen, eine Durchsuchung des Beschwerdeführers zum Zweck der Identitätsfeststellung erfolgte. Davon zu unterscheiden ist die Festnahme samt ihren Modalitäten, wobei es sich dabei ebenso bloß um eine und nicht um zwei Amtshandlungen handelt (VwGH 24.1.2013, 2011/21/0125). Hinzu tritt schließlich die Sicherstellung diverser, beim Beschwerdeführer vorgefundenen Gegenstände, die die Unterlassung der Ausfolgung eines Teils derselben beinhaltet. Dass sich die Transparente bzw. Hinweistafeln nicht im Eigentum des Beschwerdeführers, sondern in jenem des B befunden haben, ändert an der Beschwerdelegitimation des Beschwerdeführers schon insoweit nichts, als diese im Zeitpunkt der Maßnahme jedenfalls Inhaber dieser Transparente war (vgl. VwGH 25.9.2018, Ra 2017/17/0701 [GSpG]).

Die einzelnen Akte sind vom Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wobei diese Prüfung – trotz der Gegenteiliges intendierenden Formulierung des § 27 VwGVG – unabhängig von den in der Beschwerde geltend gemachten Rechten in jede Richtung zu erfolgen hat (VfSlg 14.436/1996; VwGH 25.9.1996, 96/01/0286; 9.9.1997, 96/06/0096; 15.9.1997, 94/10/0027; 23.9.1998, 97/01/0407; vgl. insb. VwGH 30.3.2016, Ra 2015/09/0139, wonach eine Bindung an die Beschwerdegründe des § 27 VwGVG nicht besteht). Nicht erforderlich ist bei Amtshandlungen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung (§ 2 Abs. 2 SPG) ferner eine Festlegung, ob die Überprüfung des Aktes nach § 88 Abs. 1 oder 2 SPG erfolgen soll. Vielmehr ist der Verwaltungsakt grundsätzlich im Lichte beider Bestimmungen zu prüfen (VwGH 16.6.1999, 98/01/0172), auch wenn in der Beschwerde überhaupt nicht auf § 88 Bezug genommen wird (VwSlg 15.345 A/2000]). Die Verfahrenstypen sind daher in beiden Richtungen durchlässig (Wessely, in Thanner/Vogl [Hrsg.], SPG2 [2013] § 88 Anm 9), sodass es grundsätzlich weder in der Beschwerde noch im Erkenntnis einer entsprechenden Festlegung bedarf (i.d.S. VwGH 16.6.1999, 98/01/0172), sondern die Frage der Zuordnung da wie dort grundsätzlich offengelassen werden kann (VwSlg 14.948 A/1998).

Im Hinblick darauf, dass alle gegenständlich zu überprüfenden Akte im Zusammenhang mit dem Versammlungsrecht gesetzt wurden, liegt ein Handeln in einer Angelegenheit der Sicherheitsverwaltung i.S.d. § 2 Abs 2 SPG 1991 vor (VwGH

16.6.1999, 98/01/0172), sodass dahingestellt bleiben kann, ob es sich um Maßnahmen i.S.d. Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG oder um schlichtes Polizeihandeln handelt (vgl. (VfSlg 14.887/1997; 15.372/1998; VwGH 25.6.1997, 95/01/0600; 29.7.1998, 97/01/0448).

Den Beurteilungsmaßstab in den hier gegenständlichen Verfahren bildet die Sach-und Rechtslage im Zeitpunkt der gesetzten Amtshandlung (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063). Sie ist dabei nicht nur dann mit Rechtswidrigkeit belastet, wenn die Voraussetzungen für ihre Setzung generell nicht vorlagen, sondern auch dann, wenn gesetzlich vorgesehene Modalitäten nicht eingehalten würden.

Nach § 30 Abs. 1 Z 2 SPG ist ein Betroffener bei der Ausübung von Befugnissen im Rahmen der Sicherheitsverwaltung auf sein Verlangen von den Dienstnummern der einschreitenden Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes in Kenntnis zu setzen. Damit wird also insoweit bezüglich der Ausübung von Befugnissen (im Rahmen der Sicherheitsverwaltung) eine besondere Anordnung getroffen; wird dieser Anordnung nicht entsprochen, so wird die Befugnisausübung selbst – weil nicht in der gebotenen Art vorgenommenen – rechtswidrig (VwSlg 16.962 A/2006). Im konkreten Fall forderte der Beschwerdeführer unbestrittenermaßen (zweimal) die Bekanntgabe der Dienstnummer der einschreitenden Beamten, wobei die entsprechende Auskunft unterblieb. Daraus ergibt sich, dass die oben genannten Verwaltungsakte schon aus diesem Grund für rechtswidrig zu erklären waren, sodass auf das weitere Vorbringen nicht mehr eingegangen werden brauchte.

Daran vermag zunächst die Tatsache nichts zu ändern, dass die Unterlassung der Bekanntgabe der Dienstnummer auf den Einsatz eines der einschreitenden Beamten bei einer anderen Amtshandlung oder Kommunikationsschwierigkeiten zwischen den einschreitenden Beamten zurückzuführen ist. Ausschlaggebend für die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit einer Amtshandlung im gegenständlichen Verfahren ist nämlich nicht die Frage des Verschuldens der einschreitenden einzelnen Beamten, sodass auch Rechtsverletzungen etwa aufgrund eines Organisationsverschuldens zum Erfolg der Maßnahmenbeschwerde führen. Unrichtig ist weiters, dass die Unterlassung der Bekanntgabe einer Dienstnummer ausschließlich im Verfahren nach § 89 SPG geltend gemacht werden kann, zumal sich die entsprechende Verpflichtung im Sicherheitspolizeirecht insgesamt zweimal, nämlich im § 30 Abs. 1 Z 2 SPG und § 9 RLV wiederfindet. Es handelt sich daher um einen jener Fälle, in dem in bestimmten Fallkonstellationen wie der gegenständlichen eine Verdopplung des Rechtsschutzes möglich ist (vgl. VwSlg 15.488 A/2000). Schlussendlich vermag auch aus den von der belangten Behörde ins Treffen geführten Erkenntnissen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich nichts gewonnen zu werden, als es sich dabei stets um Fälle handelte, die nicht der Sicherheitsverwaltung zuzurechnen waren und auf die daher die §§ 30 und 88 Abs. 2 SPG nicht anzuwenden sind.

Gemäß § 35 VwGVG hat die obsiegende Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Anspruch auf den Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

Im konkreten Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in drei Fällen als obsiegende Partei zu betrachten ist und diesem daher der Schriftsatzaufwand (dreifach € 737,60) und die Pauschalgebühr (€ 30,--) zuzuerkennen sind.

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil die durchgeführte rechtliche Beurteilung aufgrund der obzitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung erfolgte.

Schlagworte

Maßnahmenbeschwerde; Sicherheitsverwaltung; Identitätsfeststellung; Festnahme; Sicherstellung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.M.12.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

16.06.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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