TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/25 95/01/0600

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Veröffentlicht am 25.06.1997
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §67a Abs1 Z2;
B-VG Art129a Abs1 Z2;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §88 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des R in E, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 22. Mai 1995, Zl. Senat-B-95-019, betreffend Zurückweisung einer Beschwerde, durch unwahre Behauptungen ohne Erhebungen und ohne Anerkennung der Parteienrechte, welche schließlich seine Einlieferung in die Zwangsanstalt Gugging zur Folge gehabt hätten, (weitere Partei: Bundesminister für Inneres) in seinen Rechten verletzt zu sein,

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluß gefaßt:

Der Antrag "auf Schadenersatz i.S. der EMRK Art. 5 (5) in der Höhe von S 42.000,--" wird zurückgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 17. Mai 1995 eine als solche bezeichnete "Beschwerde gegen Postenkommandanten K vom Gendarmerieposten F wegen Verbreitung unwahrer Tatsachen ohne Erhebungen und Mißachtung der Parteienrechte" an den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich. Der Beschwerdeführer sei am 24. Mai 1994 vom Postenkommandanten K seiner Freiheit beraubt und "ohne gesetzliche Erhebungen" aufgrund unwahrer Behauptungen des K. "ohne Erhebungen und Anerkennung der Parteienrechte" in die Zwangsanstalt Gugging eingeliefert worden. In der Folge sei ihm von der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt "der Führerschein" auf Dauer entzogen worden. Am 15. Mai 1995 sei dem Beschwerdeführer vom stellvertretenden Leiter der NÖ Landesnervenklinik Gugging ein Bericht des K. vom 15. Juni 1993, gerichtet an die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt, ausgefolgt worden.

Der Beschwerdeführer sei bereits gewohnt, daß K. mit Lügen und Amtsmißbrauch Vorurteile ohne Erhebungen in schädigender Absicht gegen seine Person abgebe, um einseitige Ergebnisse herbeizuführen. Er behaupte, daß ihn K. mit voller Absicht in diesem Bericht weiterhin verleumde und mit Lügen bei der Behörde auftrete. Der Beschwerdeführer schilderte das Vorgehen von K. nicht im einzelnen, sondern nahm Richtigstellungen hinsichtlich eines Verfahrens vor dem Arbeitsgericht, eines nicht bestehenden Mietvertrages zwischen dem Beschwerdeführer und einer Familie G, die in seinem Haus wohne, einer Bewilligungsbedürftigkeit eines Mietvertrages nach dem Sachwalterrecht sowie in bezug auf ein dem Beschwerdeführer gehörendes Grundstück und den darauf bezüglichen Rechtsstreit mit der Familie G. vor. Überdies habe K. in seinem Bericht erwähnt, daß der Beschwerdeführer Gegenstände entwendet habe. Er sei jedoch vom Landesgericht Wr. Neustadt diesbezüglich freigesprochen worden.

Der Beschwerdeführer begründete seine Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat damit, daß es K. unterlassen habe, Erhebungen zu führen, einseitige Behauptungen entgegengenommen habe und diese zu einer Vorverurteilung zusammengestellt habe. Er beschuldige K. des Amtsmißbrauches und werfe ihm vor, der Familie G. gegen die Interessen des Beschwerdeführers zu helfen und den Beschwerdeführer als Geisteskranken um seine Wohnrechte zu bringen. Der Beschwerdeführer werde sich aber den Willkürakten und Verleumdungen nicht beugen, die K. gegen seine Person führe.

Des weiteren enthält die Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat Ausführungen über den Rechtsstreit mit der Familie G. und den Hinweis, daß es der Beschwerdeführer als legitimes Recht ansehe, Eigenbewirtschaftungs- und Eigennutzungsrechte um sein Haus, "egal unter Willkür der Gendarmerie" mit gutem Gewissen fortzuführen. Der Beschwerdeführer lasse sich auch nicht mit Prügelmethoden, wie am 24. Mai 1994 von der Gendarmerie, von seinem legalen Recht auf die Eigennutzung abhalten. Er habe nach dem "Bundesverfassungsgesetz über die Europäischen Menschenrechte" (gemeint wohl: die MRK) das Recht, ein Verfahren über die Ursachen der Freiheitsberaubung zu verlangen. Er stelle den Antrag auf Klärung der unwahren und verleumderischen Behauptungen des Exekutivbeamten K. über nichtexistente rechtmäßige Mietverträge.

Mit Bescheid vom 22. Mai 1995 wies der Unabhängige Verwaltungssenat im Land Niederösterreich die "offensichtlich auf § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG" gestützte Beschwerde, durch unwahre Behauptungen ohne Erhebungen und ohne Anerkennung der Parteienrechte, welche schließlich seine Einlieferung in die Zwangsanstalt Gugging zur Folge gehabt hätten, in seinen Rechten verletzt zu sein, gemäß § 67c Abs. 3 AVG zurück. Dieser Bescheid wurde am 29. Mai 1995 zugestellt. In der Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) aus, der Beschwerdeführer bringe mit seiner an den UVS gerichteten "Beschwerde gegen Postenkommandanten K vom Gendarmerieposten F wegen Verbreitung unwahrer Tatsachen ohne Erhebungen und Mißachtung der Parteienrechte" vor, er sei am 24. Mai 1994 vom genannten Gendarmeriebeamten in die Zwangsanstalt Gugging eingeliefert worden. Der Beamte habe ihn in amtlichen Schreiben, denen keine Erhebungen voran gegangen seien, vor der Behörde verleumdet. Dieses Verhalten hätte unter anderem einen "Führerscheinentzug" durch die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt zur Folge gehabt. Dann würden vom Beschwerdeführer einzelne schon Jahre zurückliegende Verfahren u.a. vor dem Arbeitsgericht Salzburg, dem Bezirksgericht Wr. Neustadt und dem Landesgericht Wr. Neustadt zitiert, welche ebenfalls darauf zurückzuführen seien, daß der Beamte es unterlassen habe, objektive Erhebungen durchzuführen. Angeschlossene Kopien behördlicher Schriftstücke sollten das dem Beschwerdeführer seit Jahren zugefügte Unrecht belegen. Der Beschwerdeführer stelle abschließend den Antrag auf Klärung der unwahren und verleumderischen Behauptungen des Exekutivbeamten K.

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG würden die Unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern über Beschwerden von Personen entscheiden, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein. Den in Beschwerde gezogenen Meldungen und Anzeigen (unwahren verleumderischen Behauptungen) der Gendarmerie, auch dem Unterlassen von Erhebungen, fehle jedoch der unmittelbare Zwangscharakter. Es liege auch kein Befehl vor, der ohne Dazwischentreten eines behördlichen Willensaktes unmittelbar zu befolgen gewesen wäre. In den geschilderten Fällen wäre noch ein weiteres Handeln, und zwar das Tätigwerden einer Verwaltungsbehörde, Verfahren vor Gerichten, vor dem Arbeitsgericht Salzburg, dem Bezirksgericht, dem Landesgericht Wr. Neustadt erforderlich, sämtlich Verfahren, in denen dem Beschwerdeführer Rechtsmittel zur Verfügung gestanden wären. Die als Maßnahmenbeschwerde anzusehende Eingabe sei daher mangels Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zurückzuweisen. Von der Anberaumung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung könnte gemäß § 67d Abs. 1 AVG abgesehen werden, weil die Beschwerde wegen Unzuständigkeit des UVS zurückzuweisen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluß vom 26. September 1995, B 2015/95-3, ab und trat sie auf Grund eines Abtretungsantrages an den Verwaltungsgerichtshof nachträglich ab. In der ergänzten (anwaltlich unterfertigten) Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Er erachte sich durch das brutale und rechtswidrige Vorgehen des Postenkommandanten K. am 24. Mai 1994 im Recht auf Eigenbewirtschaftung seines Hauses durch Freiheitsberaubung, in seinem Recht auf persönliche Freiheit sowie in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt und rügt die Verletzung der Achtung von Menschenrechten durch einen Vertreter der Republik Österreich. Nach der Darstellung seines Rechtsstreites mit der Familie G. schildert der Beschwerdeführer, wie er am 24. Mai 1994 von K. rechtswidrig in das Landeskrankenhaus Gugging gebracht worden sei. In der Anstalt habe sich K. dafür eingesetzt, daß der Beschwerdeführer zur Klärung seiner "Wahnideen" auf Dauer aufgenommen werden solle. Der Beschwerdeführer sei jedoch nach einem circa 20 Minuten dauernden Gespräch mit zwei Fachärzten entlassen worden. Einige Monate später sei ihm sein "Führerschein" auf Dauer entzogen worden. Nachfragen bei der Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt hätten ergeben, daß die Gendarmerie F der Behörde falsche und nicht existente Adressen bekanntgegeben habe. Bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft Salzburg Land seien weitere Dienstberichte des K. von Rechtsanwälten gefunden worden, die neuerlich schwerste Beschuldigungen enthalten hätten. K. hätte den Ärzten den Eindruck vermittelt, daß der Beschwerdeführer nicht in der Lage sei, ein Auto zu lenken, was diesem einen Vermögensschaden zugefügt habe. Nachdem man den Beschwerdeführer seiner Freiheit beraubt habe, habe er es unterlassen, in sein Haus zu investieren, und werde auch weiterhin nichts in das Haus investieren. Durch die Freiheitsberaubung seien ihm die Rechte abgeschnitten, nach Art. 8 MRK und dem 1. Zusatzprotokoll zur MRK sein Haus selbst zu bewirtschaften. Er wolle sich nicht neuerlich der Gefahr aussetzen, wie am 24. Mai 1994 ohne Verwarnung, Verweigerung von Beweisaufnahmen usw. seiner Freiheit beraubt zu werden. Der Postenkommandant K. hätte dem Beschwerdeführer nicht die Freiheit entziehen dürfen, da er diesem persönlich bekannt gewesen sei. Die Freiheitsentziehung sei auch nicht ohne körperliche Gewalt von K. abgelaufen. Schließlich habe die Zustimmung des (damaligen) Sachwalters des Beschwerdeführers zur Zwangseinlieferung in das Landeskrankenhaus Gugging gefehlt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, nahm aber von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG entscheiden die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgenommen in Finanzstrafsachen des Bundes. Nach § 67c Abs. 1 AVG sind Beschwerden nach § 67a Abs. 1 Z. 2 innerhalb von sechs Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Beschwerdeführer von der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kenntnis erlangt hat, soferne er aber durch sie behindert war, von seinem Beschwerderecht Gebrauch zu machen, ab dem Wegfall dieser Behinderung, bei dem unabhängigen Verwaltungssenat einzubringen, in dessen Sprengel dieser Verwaltungsakt gesetzt wurde. Gemäß § 67c Abs. 3 AVG in der hier anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 471/1995 war der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig zu erklären, wenn die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder als unbegründet abzuweisen war.

Gemäß § 88 Abs. 1 des Sicherheitspolizeigesetzes (SPG) erkennen die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG). Außerdem erkennen gemäß § 88 Abs. 2 SPG die unabhängigen Verwaltungssenate über Beschwerden von Menschen, die behaupten, auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist. Gemäß § 88 Abs. 4 SPG entscheidet über Beschwerden gemäß Abs. 1 oder 2 der unabhängige Verwaltungssenat durch eines seiner Mitglieder. Im übrigen gelten die §§ 67c bis 67g AVG. Gemäß § 88 Abs. 5 SPG sind Beschwerden, bei denen § 67c Abs. 2 AVG nicht eingehalten wurde, zur Behebung der Mängel und der Gewährung einer kurzen Frist zurückzustellen; die Versäumung dieser Frist gilt als Zurückziehung.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes liegt die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dann vor, wenn ein Verwaltungsorgan im Rahmen der Hoheitsverwaltung eindeutig einen Befehl erteilt oder Zwang ausübt und dieser Akt gegen individuell bestimmte Adressaten gerichtet ist (vgl. das hg. Erkennntnis vom 17. Februar 1993, Zl. 92/01/1113). Die Ausübung unmittelbarer behördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gegen eine bestimmte Person liegt nach dieser Rechtssprechung nur vor, wenn es keines dazwischengeschalteten weiteren Handelns mehr bedarf, um den behördlichen Zustand herzustellen. Dementsprechend kann Gegenstand einer sogenannten Maßnahmenbeschwerde weder etwas sein, was im Verwaltungsverfahren ausgetragen werden kann, noch die Bekanntgabe einer Rechtsansicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1991, Zl. 91/06/0052).

Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vorliegende Beschwerde nicht geeignet, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Die belangte Behörde wertete die Beschwerde des Beschwerdeführers "gegen Postenkommandanten K vom Gendarmerieposten F wegen Verbreitung unwahrer Tatsachen ohne Erhebungen und Mißachtung der Parteienrechte" schon auf Grund dieser Bezeichnung nicht etwa als Beschwerde gegen die behauptete Entziehung der Freiheit des Beschwerdeführers durch den Postenkommandanten K. am 24. Mai 1994, auch nicht als Beschwerde gegen die "Entziehung des Führerscheines" durch die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt, sondern aufgrund ihrer Bezeichnung als Beschwerde gegen das vom Beschwerdeführer behauptete, ihm übelwollende Verhalten des Postenkommandanten K., welches durch einige in der Beschwerde näher dargelegte Beispiele veranschaulicht werden soll. Da den vom Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geschilderten Verhaltensweisen eines Angehörigen der Bundesgendarmerie aber der unmittelbare Zwangscharakter fehle und auch keine Befehle erkennbar seien, die ohne Dazwischentreten eines behördlichen Willensaktes unmittelbar zu befolgen gewesen wären, verneinte die belangte Behörde das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Mit dieser Beurteilung ist die belangte Behörde im Recht. Weder die in der Beschwerde an den UVS gerügten unwahren Behauptungen des Postenkommandanten K. noch seine behaupteten Lügen und Amtsmißbräuche können als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt qualifiziert werden.

Wenn der Beschwerdeführer nunmehr in seiner Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof ausdrücklich die Rechtswidrigkeit einer Freiheitsentziehung am 24. Mai 1994 rügt, kann er seiner Beschwerde damit nicht zum Erfolg verhelfen. Auf Grund der Formulierung der Beschwerde an die belangte Behörde konnte diese davon ausgehen, daß sich das Beschwerdevorbringen nicht gegen die einleitend erwähnte, vom Beschwerdeführer behauptete Freiheitsentziehung am 24. Mai 1994 richtete, sondern gegen die in weiterer Folge eingehend geschilderten Verhaltensweisen des Postenkommandanten K. An einer Zurückweisung der Beschwerde gemäß § 67c Abs. 3 AVG hätte aber auch ihre Wertung als Beschwerde gegen die Freiheitsentziehung am 24. Mai 1994 nichts ändern können, weil diesfalls gemäß § 67c Abs. 1 AVG die Beschwerde als verspätet eingebracht zurückzuweisen gewesen wäre.

Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, stützt sich die belangte Behörde ausschließlich auf § 67c Abs. 3 AVG. In der Begründung wird zwar dargetan, weshalb die belangte Behörde annimmt, daß die in der Beschwerde gerügten Vorgänge nicht als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt im Sinne des § 67a Abs. 1 Z. 2 AVG bzw. § 88 Abs. 1 SPG zu qualifizieren sind. Es fehlen allerdings Ausführungen darüber, weshalb die belangte Behörde davon ausgegangen ist, daß die von ihr zurückgewiesene Beschwerde nicht als solche nach § 88 Abs. 2 SPG zu qualifizieren ist, derzufolge der Beschwerdeführer auf andere Weise (als durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, sofern dies nicht in Form eines Bescheides erfolgt ist.

Eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides liegt jedoch auch im Hinblick auf die diesbezüglich unzureichende Begründung des angefochtenen Bescheides nicht vor.

Wie die Gesetzesmaterialien zum SPG zeigen, sollte § 88 Abs. 2 SPG der rechtspolitisch unerwünschten Situation abhelfen, daß es auch nach der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts unklar war, ob im Einzelfall eine polizeiliche Maßnahme als Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu qualifizieren war. § 88 Abs. 2 SPG sollte auch das "schlichte Polizeihandeln", sofern es in Rechte eingreift, beim unabhängigen Verwaltungssenat einklagbar machen (vgl. die RV, 148 Blg. NR 18. GP, 53). Diese in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommende rechtspolitische Zielsetzung ist aber nicht dahingehend zu verstehen, daß nunmehr jedwedes dienstliche Verhalten von Organen der Sicherheitsverwaltung von den unabhängigen Verwaltungssenaten auf ihre Vereinbarkeit mit der Gesetzeslage überprüft werden könnte. Vielmehr ist davon auszugehen, daß es sich um solche Tätigkeiten der Organe der Sicherheitsverwaltung handeln muß, die ein Mindestmaß an unmittelbarer Außenwirksamkeit aufweisen und sich, wenn auch nicht in Form körperlichen Zwanges oder in Befehlsform, individuell gegen einen Rechtsunterworfenen richten. Diese Auslegung wird schon durch diejenigen Fallkonstellationen nahegelegt, in denen vom Verfassungsgerichtshof - wie im übrigen vom Verwaltungsgerichtshof - bei polizeilichem Handeln das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (einer sog. "faktischen Amtshandlung") verneint wurde. So hat z.B. der Verfassungsgerichtshof das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt verneint bei schlichtem Fotografieren im Zuge einer Amtshandlung (vgl. VfSlg. 9783/1983, 9934/1984) oder anläßlich der Teilnahme an einer Kundgebung (vgl. VfSlg. 11935/1988), beim "Herabstoßen" eines Hubschraubers der Exekutive auf Teilnehmer an einer Versammlung (vgl. VfSlg. 10.762/1986), bei einer Presseaussendung über eine erfolgte Verhaftung (vgl. VfSlg. 8.965/1980), bei der Weitergabe von Personaldaten an Organe einer anderen Behörde durch die Staatsanwaltschaft (vgl. VfSlg. 10.318/1985), bei verbalen "Entgleisungen" von behördlichen Organen im Rahmen einer Amtshandlung (vgl. VfSlg. 10.547/1985, 12.213/1989) oder beim Betreten eines nicht für Vereinsmitglieder reservierten Parkplatzes durch Gendarmerieorgane (vgl. VfSlg. 11.508/1987). Es kann dahingestellt bleiben, ob sämtliche der erwähnten Fälle hoheitlichen Verwaltungshandelns nunmehr als Akte der Besorgung der Sicherheitsverwaltung im Sinne des § 88 Abs. 2 SPG zu qualifizieren sind. Behördeninterne Vorgänge, die von vornherein nicht auf Außenwirksamkeit angelegt sind - wie im vorliegenden Fall - und im Regelfall weder durch Gesetze noch durch Rechtsverordnungen (von strafgesetzlichen und dienstrechtlichen Vorschriften abgesehen) geregelt sind, werden nämlich von § 88 Abs. 2 SPG jedenfalls nicht erfaßt. Andernfalls käme man zum Ergebnis, daß dem Einzelnen gegenüber jedwedem Verhalten von behördlichen Organen bei Besorgung der Sicherheitsverwaltung ein Abwehrrecht zusteht, obwohl die behördliche Tätigkeit selbst durch außenwirksame Rechtsvorschriften gar nicht determiniert wird. Eine solche Auslegung der Reichweite des § 88 Abs. 2 SPG würde der Bestimmung eine Zielsetzung unterstellen, die mit der aus den Gesetzesmaterialen hervorgehenden Absicht des Gesetzgebes nicht vereinbar wäre. Soweit sich die vorliegende Beschwerde daher gegen Ausführungen eines Gendarmeriepostenkommandanten richtet, die dieser in einen Bericht an die Bezirkshauptmannschaft Wr. Neustadt über eine Amtshandlung nach dem Unterbringungsgesetz aufgenommen hat, richtet sie sich gegen Handlungen, die nicht beschwerdefähig im Sinne des § 88 Abs. 2 SPG sind. Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob das in der Beschwerde an den UVS gerügte Verhalten des Gendarmeriebeamten überhaupt als "Besorgung der Sicherheitsverwaltung" im Sinne der §§ 2 Abs. 2 iVm 88 Abs. 2 SPG zu qualifizieren war.

Die Zurückweisung der bei ihr erhobenen Beschwerde durch die belangte Behörde erfolgte daher zu Recht.

Die Beschwerde war demnach gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der in der ergänzten Beschwerde gestellte Antrag auf Zuerkennung von Schadenersatz im Sinne des Art. 5 Abs. 5 MRK war zurückzuweisen, weil der Verwaltungsgerichtshof weder nach den Art. 130 ff B-VG noch nach dem VwGG zur Entscheidung über Schadenersatzansprüche gegenüber Gebietskörperschaften zuständig ist.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr.416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995010600.X00

Im RIS seit

07.06.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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