TE Bvwg Beschluss 2020/3/19 W272 1308662-4

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Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W272 1308662-4/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West, vom 20.02.2020, Zahl XXXX , erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 und § 22 Abs. 10 AsylG 2005 in Verbindung mit § 22 BFA-VG rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Erstes Verfahren (in Rechtskraft erwachsen):

1.1. Der Beschwerdeführer reiste am 28.12.2005 von Tschechien kommend illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.

In seiner Erstbefragung gab er an, er habe in seiner Heimat wegen seiner tschetschenischen Volksgruppenzugehörigkeit Probleme gehabt. Er sei vom Militär festgenommen und geschlagen worden. Er sei auch ein halbes Jahr in der Armee gewesen, da er dazu gezwungen worden sei. Dann sei er frei gelassen worden. Seit März 2005 sei er in Tschechien aufhältig gewesen und habe dort einen Asylantrag gestellt.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde am 10.01.2006 vor dem Bundesasylamt, im Beisein eines geeigneten Dolmetschers für die russische Sprache von einem Organwalter niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, er habe in Tschetschenien als Bauarbeiter an verschiedenen Orten gearbeitet. Das erste Mal sei er im Jahr 2003 angehalten und zwei Wochen lange festgehalten worden. Man habe ihm verschiedene Fotos gezeigt und gefragt, ob er die Personen auf den Fotos kenne. Im Juli 2004 sei er - nachdem er bereits sechs Monate Präsenzdienst abgeleistet habe - erneut angehalten und zwei Wochen festgehalten worden. Danach sei er aus einem ihm nicht bekannten Grund zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer sechs Monate lang in Dagestan leben müssen. Man habe ihm auch verboten in Tschetschenien zu arbeiten. Die letzten Wochen vor seiner Ausreise habe er auch vermieden zu Hause zu schlafen und habe bei Verwandten gewohnt. Befragt gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Tschetschenien zurück wolle, da er dort ausgeraubt und mit einem Messer verletzt worden sei.

1.3. Im Zuge einer weiteren Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 29.11.2006 gab er zu seinen Fluchtgründen befragt an, dass er im Juni oder Juli 2003 zu Hause in Dagestan, an der Grenze zu Tschetschenien, festgenommen worden sei. Er sei Tschetschene und stamme aus Dagestan. Das zweite Mal seien wieder russische Soldaten gekommen und haben ihn mitnehmen wollen. Er sei aber nicht zu Hause gewesen. Beim ersten Mal habe man ihn zwei Wochen lang in einer kleinen Zelle festgehalten, dann sei er für zwei bis drei Tage im Gefängnis gewesen. Danach habe man ihn in ein Gefängnis bzw. eine Anstalt in Dagestan gebracht. Er habe das Gelände nicht verlassen dürfen, habe aber Besuch von seiner Mutter und Großmutter bekommen. Der Beschwerdeführer habe dort auch gearbeitet und sei von Juli 2003 bis Dezember 2003 in dieser Anstalt aufhältig gewesen. Der Beschwerdeführer brachte weiters vor, er sei sechs Monate, von Anfang 2003 an, in der russischen Armee gewesen und habe er einen Militärausweis bekommen. Damit dürfe er fünf Jahre lang nicht ausreisen. Im Falle seiner Rückkehr fürchte er erneut von den Russen geschlagen und mitgenommen zu werden. Vor kurzem habe er mit seiner Großmutter telefoniert und sie habe ihm erzählt, dass russische Soldaten immer wieder kommen und nach ihm fragen würden.

1.4. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.12.2006 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I) und festgestellt, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 AsylG zulässig sei (Spruchpunkt II). Der Beschwerdeführer wurde gemäß § 8 Abs. 2 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III). Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers, Dagestan wegen der dortigen Kämpfe bzw. der Bürgerkriegssituation in Tschetschenien verlassen zu haben, plausibel nachvollziehbar und glaubhaft sei. Nicht glaubhaft seien aufgrund der vagen und allgemein gehaltenen Angaben allfällige weitere Ausführungen hinsichtlich des Vorliegens sonstiger individueller Bedrohungssituationen. Das Ausstellenlassen des Reisepasses kurz vor der Flucht, das Erhalten eines Visums und die Ausreise selbst, mit einem Flugzeug, seien vielmehr Hinweise dafür, dass keine Verfolgungsabsicht erkennbar gewesen sei. Hinzu komme, dass sich der Beschwerdeführer in den einzelnen Einvernahmen mehrmals massiv widersprochen habe, vor allem was die zeitlichen Umstände seiner Ausreise aus der Russischen Föderation betreffe. Auch hinsichtlich der vorgebrachten Festnahmen und Anhaltungen durch russische Soldaten gebe es widersprüchliche Angaben. Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen sei daher vage, nicht plausibel nachvollziehbar, allgemein gehalten, durch keinerlei Beweise gestützt und daher als nicht glaubhaft zu bezeichnen.

1.5. Dagegen wurde mit formularartigem Schriftsatz vom 27.12.2006 fristgerecht Berufung erhoben und wiederholte der Beschwerdeführer im beigelegten, handschriftlich in russischer Sprache verfassten Schreiben im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen. Er sei einmal angehalten und zwei Wochen lang festgehalten worden. Im Dezember 2003 sei er zur Armee einberufen worden und habe seinen Wehrdienst abgeleistet. Im Juni 2004 sei er entlassen worden. Einige Tage danach sei er neuerlich festgenommen worden. Er sei wegen Nichtunterstützung des Gerichts zu sechs Monaten Haft verurteilt worden und habe diese Zeit in einer Strafkolonie abgesessen. Er wisse nicht warum man sich für seine Person interessiere. Er habe sich nichts zu Schulden kommen lassen. Obwohl er die sechs Monate abgesessen habe, habe er Angst, dass die Leute wieder kommen und ihn schlagen werden. In Tschetschenien und Dagestan müssten viele Menschen schuldlos leiden. Der Beschwerdeführer sei der Ansicht, dass er an jedem Ort in Russland in Gefahr sei. Dass er einige Details aus seinem früheren Leben vergesse, passiere ihm, nachdem er "so viel auf den Kopf geschlagen" worden sei. Der Beschwerdeführer legte seinem Schreiben die Kopie einer Bestätigung des Justizministeriums der Russischen Föderation vom 13.12.2004 bei, wonach er am 15.07.2004 wegen § 208 Z 2 StPO der Russischen Föderation zu sechs Monaten Freiheitsentzug in einer Strafkolonie-Siedlung verurteilt worden sei und die Strafe am 13.12.2004 verbüßt habe.

1.6. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.11.2010, Zl. XXXX , wurde die Beschwerde gemäß §§ 7, 8 Abs. 1 Asylgesetz 1997 idF BGBl. I Nr. 101/2003 und 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchteil III. des angefochtenen Bescheides zu lauten habe, dass der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 idF BGBl. I Nr. 122/2009 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen werde.

Begründend wurde ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu den Fluchtgründen mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt werde und habe eine Verfolgung des Beschwerdeführers in asylrelevanter oder sonstiger Form in der Russischen Föderation nicht festgestellt werden können. Im Entscheidungszeitpunkt habe keine aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in der Russischen Föderation festgestellt werden können.

2. Zweites Verfahren:

2.1. Am 16.03.2012 brachte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag ein, der mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 11.05.2012 wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurückgewiesen wurde und gleichzeitig eine Ausweisung erlassen.

2.2. Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung an den Asylgerichtshof, die ebenfalls mit Erkenntnis zurückgewiesen wurde. Diese Entscheidung erwuchs am 21.06.2012 in Rechtskraft.

3. Drittes Verfahren:

3.1. Am 28.02.2018 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz.

3.2. In seiner Erstbefragung am selben Tag wie die Antragstellung bezog sich der Beschwerdeführer auf seine bereits im Vorverfahren vorgebrachten Fluchtgründe und gab er an, dass sich seine Fluchtgründe seit damals nicht geändert hätten und brachte er zusammengefasst vor, Verfolgung zu fürchten, da er bei der sibirischen Armee gewesen und dort weggelaufen sei, da er dort geschlagen und bedroht worden sei. Im Falle einer Rückkehr habe er Angst, dass er von Putin eingesperrt oder umgebracht würde.

3.3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 17.04.2019 gab der Beschwerdeführer befragt, warum er einen neuerlichen Asylantrag gestellt habe, an, dass sein Onkel im Jahr 2001 getötet worden sei, weshalb er geflohen sei. Auf die Frage, ob sich etwas an seinen Fluchtgründen geändert habe oder etwas Neues passiert sei, bejahte der Beschwerdeführer und gab an, dass seine Oma und seine Tante wollten, dass er in Österreich bleibe und sich bessere. Als Rückkehrbefürchtung brachte er vor, in Zukunft einen richtigen Job bekommen zu wollen.

3.4. Mit Bescheid vom 15.05.2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers

bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und

bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und wurde gegen ihn unter Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI. wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Ferner wurde unter Spruchpunkt VII. ausgeführt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer in seinem neuerlichen Asylverfahren keine weiteren asylrelevanten Gründe vorgebracht habe und sich kein neuer objektiver Sachverhalt ergeben habe. Da der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist ungenützt verstreichen ließ, erwuchs diese Entscheidung am 04.06.2019 in erster Instanz in Rechtskraft.

4. Gegenständliches - viertes Verfahren:

4.1. Am 05.02.2020 brachte der Beschwerdeführer einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein.

4.2. Der Beschwerdeführer wurde am Tag der Antragstellung einer Erstbefragung unterzogen, wobei er seinen neuerlichen Antrag darauf stützte, dass er verfolgt werde. Sein Onkel sei im Herkunftsland festgenommen und bezüglich des Aufenthaltes des Beschwerdeführers befragt worden. Deshalb stelle er einen neuerlichen Asylantrag. Im Falle einer Rückkehr fürchte er inhaftiert, geschlagen und umgebracht zu werden. In Österreich brauche ihn nicht, aber er brauche Österreich und werde er in Zukunft brav sein.

4.3. Am 13.02.2020 fand vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die niederschriftliche Einvernahme statt, im Rahmen derer der Beschwerdeführer dazu aufgefordert seinen neu gestellten Asylantrag zu begründen, vorbrachte, dass er mit seiner Tante telefoniert habe, die ihm mitgeteilt hätte, dass er in Österreich bleiben solle, weil in seinem Heimatland weiterhin eine Verfolgungsgefahr für ihm bestünde. Seine Verwandten im Herkunftsland würden nach dem Beschwerdeführer fragen. Weil dort allgemein für ihn Lebensgefahr bestünde, wolle er in Österreich bleiben. In seinem Herkunftsland gebe es Probleme und wäre er, wenn diese nicht bestanden hätten, wieder ins Herkunftsland zurückgekehrt. Bestimmte Leute hätten ihn angelogen und zu einer Islamistengruppe gebracht. Er habe Angst gehabt und deshalb habe er sein Herkunftsland verlassen. Zuerst habe er eine Ladung vom Militär bekommen. Als er dorthin gegangen sei, sei er mit dem Flugzeug nach Sibirien gebracht und zum Militärdienst eingeteilt worden. Dort habe es ständige Misshandlungen gegen ihn gegeben. Er sei geflohen und nach Dagestan, in sein Herkunftsland, zurückgezogen. Von dort sei er weiter nach Europa geflohen. Zu jener Zeit sei sein Vater von Kadyrow umgebracht worden. Die Russen hätten ihm im Herkunftsland verhaftet und misshandelt. Zum Beispiel hätten sie ihn mit Strom gefoltert. Als er frei gelassen worden sei, sei er geflohen. Die Frage, ob er die Stromfolter jemals in seinem Asylverfahren angegeben habe, verneinte er und führte dazu aus, dass es viele Misshandlungen gegeben habe. Ferner gab er befragt an, dass diese Misshandlungen im Jahr 2000 stattgefunden hätten. Wann er das letzte Mal in seinem Herkunftsstaat gewesen sei, gab er an, dass er am 28.03.2005 bereit in Österreich gewesen sei. Er fürchte, dass er in seinem Herkunftsland nicht in Ruhe gelassen werde und sie ihn, die Kadyrow-Leute und Russen, umbringen würden. Hätte er keine Probleme gehabt, wäre er nicht nach Österreich geflohen.

4.4. Mit mündlich verkündeten Bescheiden vom 20.02.2020 wurde dem Beschwerdeführer der nach § 12 AsylG 2005 zukommende faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben. Es erfolgte eine Beurkundung gem. § 62 Abs. 2 AVG.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führte die belangte Behörde zum Vorbringen des Beschwerdeführers aus, dass sich der maßgebliche Sachverhalt seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert habe. Der Beschwerdeführer halte seine Angaben seit seinem Erstantrag aufrecht und habe er im gegenständlichen Verfahren keine neuen glaubhaften und entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht, die nicht von der bestehenden Rechtskraft der Vorverfahren schon umfasst wären. Der Beschwerdeführer habe weder neue Beweismittel im gegenständlichen Verfahren vorgelegt noch habe seitens der Behörde ein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt werden können. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages sei nicht hinreichend einen neuen, gegenüber dem früheren Asylantrag, wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Es habe nicht festgestellt werden können, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in sein Herkunftsland eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung seines Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Fest stehe, dass gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung mit einem zehnjährigen Einreiseverbot bestehe und er dieser nicht nachgekommen sei. Vor dem Hintergrund, dass es sich im Fall des Beschwerdeführers um einen selbsterhaltungsfähigen Mann mit Schulbildung und privaten und familiären Anknüpfungspunkte in seiner Heimat handle, habe nicht festgestellt werden können, dass er im Falle seine Rückkehr in die Russische Föderation in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten würde. Im Übrigen habe kein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 3 und Art. 8 (EMRK) erkannt werden können. Besondere Bindungen zu seiner Kernfamilie oder besondere private Abhängigkeitsverhältnisse hätten, auch unter der Berücksichtigung, dass er mit seiner in Österreich lebenden Tante Kontakt pflege, nicht festgestellt werden können. Auch habe er keine besonderen Bemühungen hinsichtlich seiner Integration ergriffen, welche ihn sehr an Österreich binden und einer Rückkehr in die Russische Föderation entgegenstehen würde. Der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig, sei zuletzt keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen und lebe seit seiner Einreise, bis auf jenen Zeitraum, wo er im Untergrund ohne Meldeadresse in Österreich oder in Tschechien aufhältig gewesen sei, von staatlichen Zuwendungen. Zudem habe sich auch die Lage in seinem Herkunftsland, seit der letzten Prüfung im Juni 2019, nicht entscheidungswesentlich geändert. Außerdem habe er sich nach dem ersten Verfahren wegen einer drohenden Abschiebung dem Zugriff der Behörde entzogen und sei untergetaucht. Er sei zweimal, am 25.10.2017 und am 28.02.2018, aus der Tschechischen Republik überstellt worden und habe er erneut einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Im Rahmen einer umfassenden Interessensabwägung sei daher festzuhalten, dass die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung seinen privaten Interessen an einem Verbleib in Österreich überwiegen würden. Aufgrund der Feststellung zur Lage in seinem Herkunftsland in Verbindung mit seinem Vorbringen könne somit davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer keine, wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschriebene Verletzung, drohe.

Die Verwaltungsakte langten am 21.02.2020 bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

Im Übrigen wird das bereits im Verfahrensgang Ausgeführte der Entscheidung zugrundegelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation und führt die im Spruch angegebenen Daten. Die Identität steht fest. Er gehört der tschetschenischen Volksgruppe an. Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Sorgepflichten. Der Beschwerdeführer spricht Russisch und Tschetschenisch.

Der Beschwerdeführer hat ist in der Russischen Föderation geboren und aufgewachsen, hat dort elf Jahre die Grundschule besucht und war vor seiner Ausreise als Hilfsarbeiter beschäftigt. Beim Beschwerdeführer handelt es sich um einen arbeitsfähigen Mann im erwerbsfähigen Alter.

Der Beschwerdeführer verfügt über Familienangehörige in der Russischen Föderation.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen lebensbedrohlichen Erkrankungen (im Endstadium), bezüglich derer es keine Behandlungsmöglichkeiten in der Russischen Föderation gibt. Hinweise auf entscheidungsrelevante gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers liegen nicht vor.

Der Beschwerdeführer weist fünf rechtskräftige Verurteilungen in Österreich auf:

* Landesgericht XXXX , GZ. XXXX vom XXXX 2008, rechtskräftig am XXXX 2008, wegen §§ 127 (1. Fall), 15 Abs. 1, 269 Abs. 1 (3.Fall), 88 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren;

* Bezirksgericht XXXX , GZ. XXXX vom XXXX 2008, rechtskräftig am XXXX 2009, wegen § 83 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von einem Monat, unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren;

* Landesgericht XXXX , GZ. XXXX vom XXXX 2009, rechtskräftig am XXXX 2009 wegen §§ 15 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwanzig Monaten;

* Landesgericht XXXX , GZ. XXXX vom XXXX 2010, rechtskräftig am XXXX 2010 wegen §§ 127, 130 (1. Fall), 15 StGB 15 zu einer Freiheitsstrafe von vierzehn Monaten;

* Landesgericht XXXX , GZ. XXXX vom XXXX 2012, rechtskräftig am XXXX 2012 wegen § 142 Abs. 1 StGB und wurde der Beschwerdeführer in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 1 StGB eingewiesen

Der Beschwerdeführer verfügt über familiäre Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet, eine Tante, der Asylstatus zukommt. Zu dieser besteht Kontakt, ein Abhängigkeitsverhältnis ist nicht hervorgekommen. Private oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet derzeit nicht.

Der Beschwerdeführer ist seit Dezember 2005, bis auf einen zweimaligen Aufenthalt in Tschechien, in Österreich aufhältig. Der Beschwerdeführer stellte im Vorverfahren drei Anträge auf internationalen Schutz und zwar am 28.12.2005, am 16.03.2012, am 28.02.2018.Der BF stellte bereits drei Anträge auf internationalen Schutz. Der erste Asylantrag wurde als unbegründet abgewiesen und wurden die weiteren beiden Anträge auf internationalen Schutz jeweils wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Die Vorverfahren sind alle in Rechtskraft erwachsen. Mit Bescheid des BFA vom 15.05.2019 wurde zuletzt der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung in die Russische Föderation als zulässig erklärt und ein zehnjähriges Einreiseverbot festgelegt. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft. Der Beschwerdeführer hat das Bundesgebiet trotz aufrechter und rechtskräftiger Rückkehrentscheidung nicht verlassen.

Der dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag brachte der Beschwerdeführer am 05.02.2020 ein.

Mit mündlich verkündetem Bescheid des BFA vom 20.02.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz des Beschwerdeführers gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 aufgehoben.

Es kann nicht festgestellt werden, dass sich eine maßgebliche Änderung des Sachverhaltes seit rechtskräftiger Erledigung des vorhergehenden Antrages ergeben hätte, insbesondere auch nicht im Hinblick auf die Lage im Herkunftsstaat. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag missbräuchlich stellte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in die Russische Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohen würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bestünde

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Identität, seiner Staats- und Volksgruppenzugehörigkeit, seiner Herkunft, den Aufenthaltsort seiner Angehörigen (Eltern, Großmutter, mehrere Onkel) und zu seiner Schulbildung und seiner Berufserfahrung beruhen auf seinen plausiblen, im Wesentlichen gleichbleibenden Angaben im Laufe des bereits abgeschlossenen Asylverfahrens. Auch im gegenständlichen Verfahren hat er diese Angaben bestätigt bzw. keine gegenteiligen Aussagen getroffen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Russisch und Tschetschenisch in Wort und Schrift beherrscht, ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer in seinem ersten Asylverfahren über Nachfrage, in russischer Sprache angab: "Ich bin der oben angeführten Sprache mächtig" (Niederschrift vom 10.01.2006) und gab er auch in der niederschriftlichen Einvernahme an: "Meine Muttersprache ist Tschetschenisch, ich spreche aber auch Russisch und bin damit einverstanden, dass die Einvernahme in dieser Sprache durchgeführt wird." Zudem bejahte er die Frage, ob er den Dolmetscher einwandfrei verstehe (Niederschrift vom 10.01.2006). Zudem brachte er die Berufung in russischer Sprache ein. Insoweit der Beschwerdeführer in seiner Einvernahme am 13.02.2020 (AS 79) versuchte, einen Verfahrensfehler geltend zu machen, indem er angab, dass er in er in seinen Einvernahmen einen russischen Dolmetscher gehabt habe, weshalb er nicht konkret über seine Fluchtgründe habe erzählen können, ist jedoch vor dem Hintergrund seiner festgestellten Sprachkenntnisse und eigenen Angaben im Vorverfahren nicht glaubhaft.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand ergeben sich aus einer Zusammenschau der Angaben des Beschwerdeführers. Unterlagen legte der Beschwerdeführer nicht vor.

Hinsichtlich der Feststellung zur Missbräuchlichkeit der neuerlichen Antragstellung wird auf die rechtliche Beurteilung verwiesen, da der BF keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorbrachte und mehrere gleichlautende Anträge stellte.

Sein Fluchtvorbringen hinsichtlich einer Verfolgung in der Russischen Föderation sowie die Lage im Herkunftsstaat wurde eingehend im mit dem Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.11.2010 rechtskräftig entschiedenen Verfahren über den ersten Antrag auf internationalen Schutz erörtert und abgewogen und konnte der Beschwerdeführer auch im Zuge seiner weiteren beiden Anträge auf internationalen Schutz keinen neuen Sachverhalt, der einen glaubhaften Kern aufgewiesen hätte, darlegen, weshalb seine letzten beiden Anträge einmal durch den Asylgerichtshof am 21.06.2012 und mit letztinstanzlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2019 zurückgewiesen wurden. Dabei konnte der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorbringen. Auch die von Amts wegen berücksichtigte Ländersituation brachte keinen entscheidungsrelevanten neuen Sachverhalt hervor, zumal sich die Lage in seinem Herkunftsstaat gemäß den Länderinformationen verbessert habe.

Eine für den Beschwerdeführer relevante Änderung an der Situation in seinem Herkunftsstaat kann anhand der Feststellungen im mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.02.2020, denen der Beschwerdeführer im Verfahren nicht entgegengetreten ist, nicht erkannt werden. Umstände, die in der Person des Beschwerdeführers liegen, insbesondere sein Gesundheitszustand und die privaten und familiären Verhältnisse des Beschwerdeführers in Österreich, sind seit der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesamtes vom 15.05.2019, im Wesentlichen unverändert.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt, der einen glaubhaften Kern aufweist, dargetan hat, ergibt sich bei einem Abgleich seiner in den Vorverfahren getätigten Angaben zu seinen Fluchtgründen und jenen zum gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, weshalb der gegenständliche Folgeantrag auch zurückzuweisen sein wird. Der BF brachte wiederum in Kern vor, dass er den Militärdienst leistete und aus nicht genau bekannten Gründen verfolgt wird. Auch liegen diese Gründe aus den Zeiten vor seiner Einreise in Österreich zurück. Er sei von den Russen oder nunmehr Kadyrow gefährdet.

Die Feststellung zu den strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers basieren auf dem vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Strafregisterauszug vom 21.02.2020 sowie aus den im Akt erliegenden Gerichtsurteilen.

Was das Privat- und Familienleben des BF betrifft, so hat sich seit dem Erkenntnis des BFA vom 15.05.2019 keine wesentliche Änderung ergeben. Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich (Aufenthaltsdauer, seinem familiären Anknüpfungspunkt, ergibt sich hinsichtlich seiner in Österreich aufhältigen Tante aus seinen eigenen Angaben und aus den bereits vom Bundesamt durchgeführten Ermittlungen). Dass der Beschwerdeführer zu seiner Tante ein Abhängigkeitsverhältnis hätte, ist im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Die Feststellungen zu der aktuellen privaten und familiären Situation des Beschwerdeführers in Österreich gründen auf dessen Vorbringen in den vorhergehenden Asylverfahren. Die Sachverhaltsfeststellungen zur Person und den privaten und familiären Verhältnissen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben, jene zum Verfahrensablauf ergeben sich aus der Aktenlage. Zudem stützen sich die Feststellungen zu seinen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich auf die Aktenlage. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verneinte daher zu Recht das Bestehen eines Familienlebens und das Vorliegen berücksichtigungswürdiger Integration (Privatlebeninteresse) in Österreich. Da auch sonst keine wesentlichen neu hinzugetretenen Umstände vorgebracht wurde, kann auch im Hinblick auf Art. 8 EMRK keine Situationsänderung seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung erkannt werden.

Sohin konnte aber in einer Prognoseentscheidung nur von einer voraussichtlichen Antragszurückweisung ausgegangen werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu Spruchteil A):

3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:

§ 12 a Abs. 2 AsylG normiert, dass wenn ein Fremder einen Folgeantrag stellt und kein Fall des Absatz 1 vorliegt, das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben kann, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung oder Ausweisung besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

§ 22 (10) Asylg 2005 idgF:

Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakte sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

§ 22 BFA-VG:

(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.12.2017, Ra 2017/18/0451 ausgeführt hat, genießt ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, gemäß § 12 AsylG 2005 grundsätzlich bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 AsylG 2005 nicht mehr zulässig ist, faktischen Abschiebeschutz; das bedeutet, dass er weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden darf. Durch das Fremdenrechtsänderungsgesetz 2009, BGBl. I Nr. 122/2009, wurden für Folgeanträge auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005 Sonderregelungen geschaffen, die in bestimmten Fällen Ausnahmen vom faktischen Abschiebeschutz vorsehen. Sie haben - nach den Gesetzesmaterialien (RV 330 BlgNR 24. GP 11)

-"unter Wahrung der notwendigen rechtsstaatlichen Garantien ... das

Ziel, jene Fälle, in denen ein berechtigtes Interesse an einem neuerlichen Asylverfahren besteht, möglichst früh von klar missbräuchlichen Antragstellungen zu unterscheiden und diese in weiterer Folge als Mittel zur Hintanhaltung fremdenpolizeilicher Maßnahmen unbrauchbar zu machen." Zur Tatbestandsvoraussetzung des § 12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 ("wenn der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist") führen die Gesetzesmaterialien (RV 220 BlgNR 24. GP 13) aus, dass "eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags" zu treffen ist. Zieht man das vom Gesetz angestrebte Ziel in Betracht, den faktischen Abschiebeschutz nur für "klar missbräuchliche Anträge" beseitigen zu wollen, kann damit nur gemeint sein, dass schon bei einer Grobprüfung die (spätere) Zurückweisung des Folgeantrags auf der Hand liegt, weil sich der maßgebliche Sachverhalt nicht entscheidungswesentlich geändert hat. Nicht jeder Folgeantrag, bei dem eine (spätere) Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG in Betracht kommen könnte, berechtigt daher zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005. Es muss sich vielmehr um einen Fall handeln, in dem sich dieser Verfahrensausgang von vornherein deutlich abzeichnet. Nur dann kann auch angenommen werden, dass die Antragstellung in Wirklichkeit den Zweck verfolgt, die Durchsetzung einer vorangegangenen und mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen (rechtskräftigen) Vorentscheidung zu verhindern.

Zu prüfen ist sohin, ob die Voraussetzungen für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall vorliegen, zumal auch kein Fall des § 12 a Abs. 1 AsylG vorliegt, bzw. vorgebracht wurde.

Bei dem neuerlichen Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 05.02.2020 handelt es sich um einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005.

Der Beschwerdeführer stellte am 28.12.2005 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und brachte am 16.03.2012 seinen zweiten und am 28.02.2018 seinen dritten und im gegenständlichen Fall am 05.02.2020 seinen vierten Antrag auf internationalen Schutz ein.

Diesem Antrag gehen zuletzt geführte Vorverfahren des Beschwerdeführers, wie oben angeführt voraus, welche mit letztinstanzlichen rechtskräftigen Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.11.2010, mit letztinstanzlich rechtskräftigem Erkenntnis vom 21.06.2012 und mit rechtskräftigen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwese und Asyl vom 15.05.2019 allesamt abgeschlossen und in Rechtskraft erwachsen sind.

§12a Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 verlangt eine Prognoseentscheidung über eine voraussichtliche Antragszurückweisung (vgl Muzak, Die Einschränkungen des faktischen Abschiebeschutzes im Asylverfahren, migralex 2010, 2 [4]); die Sachentscheidung über den Folgeantrag selbst ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens (vgl RV 330 BlgNR 24. GP). Darüber hinaus sieht §12a Abs. 2 Z 3 leg.cit. vor, dass vor Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes und damit vor der möglichen Effektuierung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme erneut eine Refoulement-Prüfung nach Art2 und 3 EMRK sowie eine Interessenabwägung iSv Art8 EMRK vorzunehmen sind (vgl. VfGH 10.10.2018, Zl. G186/2018 ua).

Im Sinne des § 68 Abs. 1 AVG kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Hierbei ist auch die rechtskräftige Gewährung von subsidiärem Schutz und damit die Bejahung der Voraussetzungen zur Zuerkennung dieses Schutzstatus im Verfahren betreffend den Status eines Asylberechtigten zu beachten (vgl. VwGH 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 13). Bei der Prüfung der Identität der Sache ist von dem rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit desselben - nochmals - zu überprüfen (vgl. VwGH 28.04.2017, Zl. Ra 2017/03/0027, Rz 11). Eine neue Sachentscheidung ist, wie sich aus § 69 Abs. 1 Z 2 AVG ergibt, auch im Fall desselben Begehrens aufgrund von Tatsachen und Beweismitteln, die schon vor Abschluss des vorangegangenen Verfahrens bestanden haben, ausgeschlossen (vgl. VwGH; 28.02.2017, Zl. Ra 2016/01/0206, Rz 14; VwGH 08.09.2015, Zl. Ra 2017/03/0027). Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 25.04.2017, Zl. Ra 2016/01/0307, Rz 22). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrags auf Grund geänderten Sachverhalts hat - von allgemein bekannten Tatsachen abgesehen - im Beschwerdeverfahren nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht somit nicht umfasst und daher unbeachtlich (vgl. VwGH 22.11.2017, Zl. Ra 2017/19/0198, Rz 17).

Der Beschwerdeführer verfügt über kein sonstiges Aufenthaltsrecht. Sein nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz ist, wie schon ausführlich ausgeführt, voraussichtlich zurückzuweisen, da er keinen neuen Sachverhalt vorgebracht hatte, der einen glaubhaften Kern aufwies. Vielmehr bezog sich der Beschwerdeführer auf sein bereits in den rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren vorgebrachten.

Die Missbräuchlichkeit der Antragstellungen ergibt sich vor dem Hintergrund der oben ausgeführten Rechtsprechung anhand der Stellung insgesamt von vier Anträgen, ohne, dass der Beschwerdeführer einen dem Kern nach glaubhaften Sachverhalt vorbrachte. So beinhaltet sein Vorbringen keinen neuen entscheidungsrelevanten Aspekt. Hinzu kommt, dass gegen den Beschwerdeführer eine aufrechte Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot verhängt wurde.

Auch hat sich die allgemeine Lage in seinem Herkunftsland nicht entscheidungswesentlich geändert.

Im vorliegenden Fall ist auch sonst davon auszugehen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des gesunden und arbeitsfähigen BF, keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 und 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilpersonen auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringt. Unter realer Gefahr ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr ("a sufficiently real risk") möglicher Konsequenzen für den Betroffenen im Zielstaat zu verstehen (vgl. etwa VwGH vom 19.02.2004, 99/20/0573). Es müssen stichhaltige Gründe für die Annahme sprechen, dass eine Person einem realen Risiko einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt wäre und es müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade die betroffene Person einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde. Die bloße Möglichkeit eines realen Risikos oder Vermutungen, dass der Betroffene ein solches Schicksal erleiden könnte, reichen nicht aus. Auch die Situation im Herkunftsland hat sich seit der Rechtskraft des Bescheides des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen vom 15.05.2019 - in der ohnehin kurzen Zeitspanne -nicht entscheidungswesentlich geändert.

In seinen Vorverfahren, zuletzt am 15.05.2019, wurde festgestellt, dass ihm bei einer Rückkehr oder Abschiebung in sein Herkunftsland keine Verletzung seiner Integrität droht. Da sich die allgemeine Lage wie auch seine persönlichen Verhältnisse und sein Gesundheitszustand seit der letzten Entscheidung des Bundesamtes nicht entscheidungswesentlich geändert haben, kann davon ausgegangen werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat für ihn zu keiner Bedrohung der angeführten Menschenrechte führen wird.

Selbiges gilt für seine persönlichen Verhältnisse. Auch bezüglich dieser ist keine Veränderung im Hinblick auf die vorherige Entscheidung eingetreten. Die Feststellung der Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder Ausweisung, die in Rechtskraft erwuchs, ist somit nach wie vor nicht anzuzweifeln. Es kann auch in der vorliegenden Konstellation nicht festgestellt werden, dass dem subjektiven Interesse des BF - nach Ablauf von etwa 8 Monaten seit rechtskräftiger Entscheidung - Vorzug gegenüber dem maßgeblichen öffentlichen Interesse an der öffentlichen Sicherheit und Verhinderung von Straftaten, zu geben sein wird

Da sich nun keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes ergibt, ist das BFA zu Recht mit einer Prognose davon ausgegangen, dass der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist. Aus dem Verfahrensgang zeichnete sich auch deutlich ab, dass der Antragsteller, die Durchsetzung der vorangegangenen und mit aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbundenen rechtskräftige Vorentscheidung zu hindern versucht.

Aufgrund der Feststellungen zur Lage in seinem Herkunftsland in Verbindung mit seinem Vorbringen kann somit davon ausgegangen werden, dass ihm keine Verletzung wie in § 12a Abs. 2 Z 3 beschrieben, droht.

Es liegen somit alle Voraussetzungen für eine Aufhebung des Abschiebeschutzes vor, sodass spruchgemäß die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu bestätigen war.

Gemäß § 22 Abs. 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind vom AW nicht vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Sofern die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist sie jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich weitestgehend gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W272.1308662.4.00

Zuletzt aktualisiert am

14.05.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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