TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/23 LVwG-2019/30/1685-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.03.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.03.2020

Index

41/02 Asylrecht
41/02 Passrecht Fremdenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FrPolG 2005 §52 Abs8
FrPolG 2005 §120 Abs1b
VStG §45 Abs1 Z2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Rieser über die Beschwerde des irakischen Staatsangehörigen AA , vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 16.05.2019, Zl ***, in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.07.2019, Zl ***, wegen einer Verwaltungsübertretung nach dem Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), nach durchgeführter Beschwerdeverhandlung,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in der Fassung der ergangenen Beschwerdevorentscheidung behoben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren gegen den Beschwerdeführer gemäß § 45 Abs 1 Z 2 VStG eingestellt.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Sachverhalt und rechtliche Erwägungen:

Dem Beschwerdeführer wurde mit dem angefochtenen Straferkenntnis in der Fassung der ergangenen Beschwerdevorentscheidung folgende Verwaltungsübertretung angelastet:

„Sie sind Fremder (§2 Abs. 4 Z 1 FPG) nach der Erlassung einer Rückkehrentscheidung nach Eintritt der Durchsetzbarkeit nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist und haben sich am 08.03.2019 in Y noch unerlaubt im Bundesgebiet aufgehalten, obwohl die Frist zur freiwilligen Ausreise (§ 55 FPG) bereits verstrich war.“

Dem Beschwerdeführer wurde eine Verwaltungsübertretung nach § 120 Abs 1b iVm § 52 Abs 8 FPG angelastet und gegen ihn gemäß § 120 Abs 1d FPG iVm § 20 VStG eine Geldstrafe in der Höhe von Euro 2.500,00 bzw eine Ersatzfreiheitsstrafe von sieben Tagen zuzüglich 10 % Verfahrenskosten verhängt.

In der rechtzeitig eingebrachten Beschwerde wurde Folgendes ausgeführt:

„Gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Tirol vom 16.05.2019, GZ: ***, hinterlegt dem Beschwerdeführer am 20.05.2019, erhebt dieser durch seinen Rechtsvertreter RA BB, Adresse 1, Z, innert offener Frist

BESCHWERDE

an das Landesverwaltungsgericht in Tirol. Das Straferkenntnis vom 16.05.2019 wird seinem gesamten Inhalt und Umfang nach angefochten. Ausgeführt wird wie folgt:

1.

Zugestellt wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.23.2018 (Rückkehrentscheidung) am 05.12.2018 und hat der Beschwerdeführer dagegen eine Verfassungsgerichtshofbeschwerde eingebracht. Zum Tatzeitpunkt 08.03.2019 lag die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes vom 25.02.2019, Zahl: E189/2019-7 noch nicht vor. Diese Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes wurde erst am 12.03.2019 dem Rechtsvertreter RA BB zugestellt. Am 08.03.2019 hatte der Beschwerdeführer sohin jedenfalls keine Kenntnis darüber, dass die Behandlung der Beschwerde vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt wurde. Am 08.03.2019 lag jedenfalls das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes noch nicht vor.

2.

Mit Bescheid des BFA X vom 15.01.2019 wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, bei der zuständigen ausländischen Behörde seines Herkunftslandes ein Reisedokument einzuholen. Unter Bedachtnahme darauf, dass der Beschwerdeführer bislang kein Reisedokument hatte, konnte er auch nicht ausreichen. Tatsache ist, dass ihm das BFA somit mit Schreiben vom 15.01.2019 den Auftrag erteilt hat, ein Reisedokument einzuholen. Diesem Auftrag wollte der Beschwerdeführer auch nachkommen, doch wurde ihm eine Reise nach W zur zuständigen Botschaft verwehrt. Mangels entsprechender Reisedokumente war es dem Beschwerdeführer gar nicht möglich, der Rückkehrentscheidung nachzukommen, weshalb eine Bestrafung auch aus diesem Grunde nicht in Frage kommt.

3.

Jedenfalls hätte eine Ermahnung des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf die obigen Ausführungen genügt. Da die Mindeststrafe Euro 5.000,00 beträgt und unter allen Umständen überhöht ist, hätte mit einer Ermahnung vorgegangen werden müssen, wenn davon ausgegangen wird, dass die im Straferkenntnis angeführte Rechtsvorschrift verletzt wurde.“

Nach der Zustellung der Beschwerdevorentscheidung vom 30.07.2019 mit der der Spruch des angefochtenen Straferkenntnis berichtigt und die verhängte Geldstrafe in Anwendung des § 20 VStG um die Hälfte herabgesetzt wurde, wurde seitens des Beschwerdeführers fristgerecht ein Vorlageantrag bei der belangten Behörde eingebracht.

Im Vorlageantrag wurde die Vorlage an das zuständige Verwaltungsgericht beantragt. Es wurde neuerlich ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Verwaltungsübertretung begangen habe. Auf die Beschwerdeschrift vom 17.06.2019 wurde ausdrücklich hingewiesen. Auf eine Gesetzesanfechtung beim Verfassungsgerichtshof betreffend den § 120 Abs 1b FPG wurde hingewiesen und bleibe die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls abzuwarten.

Zur Sachverhaltsfeststellung wurde in den vorgelegten Verwaltungsstrafakt der belangten Behörde Einsicht genommen.

Weiters wurde am 03.03.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt. Seitens der belangten Behörde wurde auf eine Teilnahme an der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung verzichtet. Zur Beschwerdeverhandlung sind der Beschwerdeführer und dessen Ehefrau CC als Zeugin erschienen.

Der Beschwerdeführer gab zum Sachverhalt befragt Folgendes an:

„Ich bin seit xx.xx.xxxx in Österreich. Ich kann einigermaßen gut Deutsch sprechen und kann den Verhandlungsleiter gut verstehen. Mein Asylverfahren wurde negativ abgeschlossen. Es stimmt, dass ich ein Rückkehrberatungsgespräch bei der DD hatte. Es stimmt auch, dass mir aufgetragen wurde, bei der irakischen Botschaft in W ein Reisedokument einzuholen. Grundsätzlich will ich in Österreich bleiben. Ich möchte vorerst festgehalten, dass ich Vater eines in Österreich geborenen Kindes bin. Meine Tochter EE ist am xx.xx.xxxx geboren. Meine Tochter ist österreichische Staatsbürgerin. Ich wohne mit der Mutter meines Kindes, Frau CC, zusammen in einer Wohnung in Adresse 2, V. Ich habe im Asylverfahren über meinen Anwalt Rechtsanwalt BB eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof eingebracht wegen meiner familiären Situation. Zum Vorfall am 08.03.2019 gegen 04.00 Uhr möchte ich anführen, dass ich damals mit dem Auto meiner Frau auf dem Weg nach W zur irakischen Botschaft war. Ich wollte dort einen Reisepass beantragen. Von meinem Flüchtlingsbetreuer wurde mir gesagt, dass ich mit dem Auto nach W fahren kann. Ich habe die Strecke über Y auf der Autobahn gewählt. Beim Autobahngrenzübergang nach Deutschland wurde mir bei U die Einreise nach Deutschland verwehrt und ich wurde den Polizisten in Y übergeben. Ich wurde dann amtsbehandelt und angezeigt. Nach der Amtsbehandlung am 08.03.2019 bei der Polizei in Y habe ich dann die Fahrt Richtung W fortgesetzt. Ich bin dann noch am gleichen Tag nach 9-stündiger Fahrt nunmehr über österreichisches Staatsgebiet also über T, S nach W gefahren und habe bei der irakischen Botschaft vorgesprochen. Ich habe auch am 08.03.2019 bei der irakischen Botschaft in W gesprochen. Ich wollte einen irakischen Reisepass beantragen. Dort wurde mir mitgeteilt, was sie alles für einen Reisepass brauchen. Es wurde kein Antrag aufgenommen. Es wurde mir auch keine Bestätigung ausgestellt. Mein Anwalt und das BFA wissen, dass ich damals bei der Botschaft vorgesprochen habe. Die notwendigen Unterlagen liegen alle beim BFA in X. Ich wollte bei der Botschaft nachfragen. Auch mein Anwalt wollte nachfragen. Es ist uns aber nicht gelungen. Ich besitze zwischenzeitlich keine Aufenthaltskarte oder einen Aufenthaltstitel. Ich warte das Verfahren beim Verfassungsgerichtshof ab. Ich habe damals auch meinen Asylbetreuer gefragt, warum er mir gesagt hatte, dass ich mit dem Auto nach W fahren könne. Er gab an, dass sie mir das so nicht gesagt hätten. Ich habe mich aber auf seine Aussage, dass ich mit dem Auto nach W fahren kann, verlassen und deshalb ist es zum Vorfall gekommen. In Österreich wurde ich wegen eines illegalen Aufenthaltes bisher noch nie bestraft. Ich musste damals bei der Grenzkontrolle in U in Deutschland 150,00 Euro Strafe bezahlen und auch bei der Polizei in Y 150,00 Euro, weil ich illegal über die Grenze bei der Autobahn U gefahren bin. Bei der Fahrt damals waren auch meine Freundin und mein Kind im Auto.

Zu meinen Einkommensverhältnissen möchte ich angeben, dass ich als selbständiger Zeitungskolporteur für den Zeitungsverlag FF in R/X tätig bin. Ich verdiene im Schnitt ca 200,00 im Monat. Ich bin auch als Selbständiger krankenversichert. Die Wohnung wird von meiner Freundin bezahlt. Vermögen habe ich keines. Ich bin ledig und sorgepflichtig für meine minderjährige Tochter. Wenn ich zurückkehren müsste, würde ich zurückkehren. Ich habe aber eine Beschwerde gemacht und mache auch einen Reisepass. Ich möchte an und für sich legal bei meiner Tochter und bei meiner Freundin in Österreich bleiben.“

Weiters wurde zur Beschwerdeverhandlung die mitangereiste Lebensgefährtin des Beschwerdeführers, Frau CC, als Zeugin vernommen und sagte diese Folgendes aus:

„Ich bin die Lebensgefährtin des anwesenden Beschwerdeführers. Ich wurde über mein Entschlagungsrecht aufgeklärt. Ich will aussagen.

Ich bin seit 4 Jahre die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers. Am xx.xx.xxxx ist unsere gemeinsame Tochter EE geboren. Zusammen lebe ich mit dem Beschwerdeführer seit Oktober 2019. Vor ca einem halben Jahr haben wir uns verlobt. Die Eheschließung ist erst nach einer etwaigen Klärung der aufenthaltsrechtlichen Situation meines Partners geplant. Mir ist die aufenthaltsrechtliche Situation meines Partners bekannt. Es wurden zwei Asylverfahren durchgeführt. Beide wurden negativ abgeschlossen. Beim letzten Asylverfahren wurde eine Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof durch unseren Anwalt BB in Z eingebracht. Dieses Verfahren ist noch anhängig. Ich war damals mit unserer Tochter ebenfalls im Auto bei der vermeintlichen Fahrt über U nach W zur irakischen Botschaft. Wir wollten, wie es uns vom BFA vorgeschrieben wurde, den Reisepass bei der irakischen Botschaft beantragen. Wegen unserer Tochter, die wir nach W mitnehmen mussten, wollten wir mit dem Auto fahren. Ich bin damals mit dem Schriftstück des BFA, dass mein Partner bis zu einem bestimmten Datum zur irakischen Botschaft fahren müsse, um dort einen Reisepass zu betragen zur DD gegangen. Das diesbezügliche Schriftstück müsste unser Anwalt haben. Zwei Betreuer der DD in X haben uns mitgeteilt, dass wir mit diesem Schriftstück des BFA über das sogenannte „GG“ nach W fahren dürfen. Im Nachhinein haben sie das aber bestritten. Deshalb sind wir über das GG gefahren. Wir wurden dann bei der deutschen Grenzkontrolle aufgehalten und bei U wieder zurück nach Y überstellt. Nach der Amtsbehandlung bei der Polizei in Y haben wir dann die Fahrt nach W über österreichisches Staatsgebiet, also über P und das Bundesland Q, fortgesetzt. Ich habe meinen Partner bei der Vorsprache bei der irakischen Botschaft in W begleitet. Wir mussten zuerst lange warten und dann haben sie uns mitgeteilt, dass wir bestimmte Ausweisdokumente benötigen würden, um einen Pass ausgestellt zu bekommen. Wir hätten also mit den erforderlichen Unterlagen nochmals vorsprechen müssen und das Problem war, dass die angesprochenen Unterlagen das BFA besaß und nicht wir. Zwischenzeitlich haben wir die Unterlagen, die beim BFA liegen, in Kopie erhalten. Es ist nicht ganz klar, ob die Kopien ausreichen. Die Abklärung, ob die zur Verfügung gestellten Kopien ausreichen, wird nunmehr das BFA Z in Absprache mit unserem Anwalt bei der irakischen Botschaft durchführen und dann würden wir wieder nach W fahren, um den Reisepass zu beantragen. In X wurde mein Partner nie wegen illegalen Aufenthalts bestraft. Wir sind über unseren Anwalt laufend in Kontakt mit dem BFA Z. Mein Anwalt tut alles, was das BFA eigentlich von uns verlangt. Das gegenständliche Problem beruht nur darauf, dass wir aufgrund einer falschen Information über das GG zur Beantragung eines Reisepasses zur irakischen Botschaft nach W fahren wollten. Wären wir nicht über das GG, sondern über das österreichische Staatsgebiet gefahren, hätten wir keinerlei Probleme gehabt. Ich führe nochmals an, dass wir wirklich bei der DD nachgefragt haben, ob das Schriftstück des BFA über die erforderliche Vorsprache bei der irakischen Botschaft für eine Fahrt über das GG ausreicht. Davor musste mein Partner auch einmal über das GG fahren. Damals ist er mit dem Zug gefahren und hat die erforderliche Bewilligung für eine Zugfahrt von X über Deutschland nach Ostösterreich zu einem Einvernahmetermin erhalten. Ich war beim durchgeführten Rückkehrberatungsgespräch ebenfalls dabei. Es wurde damals angegeben, dass wir insofern nicht rückkehrwillig sind, weil wir über einen Antrag immer noch versuchen eine Aufenthaltsmöglichkeit zu erlangen. Die Anweisungen des BFA betreffend Beantragung eines Reisedokumentes wurden immer eingehalten. Die Verfassungsgerichtshofbeschwerde im zweiten negativen Asylverfahren wurde im Jänner 2019 eingebracht. Eine Entscheidung ist zwischenzeitlich meines Wissens noch nicht ergangen. Wir werden auch diesbezüglich von Rechtsanwalt BB vertreten.“

Im Rahmen der abschließenden Stellungnahme verwies der Beschwerdeführer, dass er sich keiner Schuld bewusst sei und beantrage daher die Einstellung des Beschwerdeverfahrens.

Die Fahrtstrecke über das GG sei nach Rücksprache mit seiner DD-Betreuung gewählt worden. Hätte man ihm damals gesagt, dass er nur über österreichisches Staatsgebiet fahren dürfe, wäre nicht über das GG gefahren. Der Beschwerdeführer habe sich nur der Aufforderung des BFA entsprechend zur irakischen Botschaft nach W begeben und wollte dort einen Reisepass beantragen. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass sein zweites Asylverfahren noch beim Verfassungsgerichtshof anhängig sei. Es wurde beantragt, dass das Strafverfahren eingestellt werden möge. Einer schriftlichen Entscheidungsausfertigung wurde ausdrücklich zugestimmt.

Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und dem durchgeführten Beschwerdeverfahren ergibt sich folgender verfahrenswesentlicher Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsbürger und damit Fremder im Sinn des FPG. Nach einem negativen rechtskräftigen Asylverfahren erging gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung, die am 05.12.2018 zweitinstanzlichen in Rechtskraft erwuchs. Die Rückkehrentscheidung war seit 05.12.2018 durchsetzbar. Der Beschwerdeführer hat am 09.01.2019 an einem Rückkehrberatungsgespräch der DD teilgenommen und angegeben, dass er nicht rückkehrwillig ist. Mit Bescheid des BFA vom 15.01.2019 wurde dem Beschwerdeführer auferlegt, bei der Botschaft der Republik Irak in W ein Reisedokument einzuholen. Der Beschwerdeführer versuchte in der Nacht vom 07. auf den 08.03.2019 nach W zu irakischen Botschaft zwecks Reisepassbeantragung zu fahren. Der Beschwerdeführer fuhr über das sogenannte GG und benutzte dabei den Autobahngrenzübergang bei U nach Deutschland. Nach der Einreise nach Deutschland wurde der Beschwerdeführer von der deutschen Polizei kontrolliert und die Rückschiebung nach Österreich aufgrund der unrechtmäßigen Einreise nach Deutschland durch die deutsche Polizei veranlasst.

Laut den Ausführungen in der Anzeige der PI Y vom 08.03.2019, Zl ***, auf der das gegenständliche Verwaltungsverfahren beruht, erfolgte der Grenzübertritt bereits am 07.03.2019 um 23.00 Uhr. Der Beschwerdeführer wurde laut Ausführungen in der Anzeige am 08.03.2019 gegen 11.30 Uhr im Wachlokal JJ von Beamten der deutschen Bundespolizei übernommen. Am 08.03.2019 um 13.05 Uhr wurde die Einholung einer Sicherheitsleistung angeordnet. Die Sicherheitsleistung in der Höhe von Euro 150,00 wurde am 08.03.2019 um 13.10 Uhr im Wachlokal JJ eingehoben. Aufgrund von vorgelegten Bestätigungen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers geht das BFA in einem E-Mail vom 01. Juli 2019 an die belangte Behörde davon aus, dass von einer erfolgten Mitwirkung zur Einholung eines Reisedokumentes bei der Botschaft der Republik Irak in W auszugehen ist. Laut Ausführungen im E-Mail des BFA vom 01. Juli 2019 hätte dem Beschwerdeführer klar sein müssen, dass er nicht über das GG nach W fahren dürfe.

Die Ausführungen über den Zweck, die Uhrzeit und das Datum der Ausreise nach Deutschland und die Rückübernahme von der deutschen Polizei am 08.03.2019 sind grundsätzlich unstrittig und ergeben sich nachvollziehbar einerseits aus den Ausführungen in der Anzeige der PI Y und aus den Ausführungen im E-Mail des BFA vom 01. Juli 2019.

Der Beschwerdeführer hat die ihm im Straferkenntnis vom 16.05.2019 und auch unter Berücksichtigung der Richtigstellung in der ergangenen Beschwerdevorentscheidung in der angelasteten Form nicht begangen. Der Beschwerdeführer ist nachweislich bereits am 07.03.2019 kurz vor Mitternacht, nämlich um 23.00 Uhr, von Österreich ausgereist und nach Deutschland eingereist. Der Beschwerdeführer hat somit Österreich am 07.03.2019 um 23.00 Uhr verlassen und ist nach Deutschland zum Zwecke der Durch- und Weiterreise nach W zur Vorsprache bei der irakischen Botschaft zwecks Erlangung eines Reisepasses gereist. Die Rückübernahme aus Deutschland erfolgte am angelasteten Tattag, also am 08.03.2019, um 11.30 Uhr. Es handelte sich hierbei um eine zwangsreise Rückübernahme aus der Bundesrepublik Deutschland. Dem Beschwerdeführer kann daher für den zwar objektiv vorliegenden unrechtmäßigen Aufenthalt am 08.03.2019 kein persönliches Verschulden angelastet werden. Auch die Ausreise am 07.03.2019 nach Deutschland diente dem Zweck der Erlangung eines Reisedokumentes bei der irakischen Botschaft in W, was ihm vom BFA im anhängigen fremdenpolizeilichen Verfahren aufgetragen wurde. Das BFA geht selbst von einer erfolgten Mitwirkung des Beschwerdeführers aus (siehe E-Mail vom 01. Juni 2019).

Aufgrund des durchgeführten Verfahrens ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die ihm angelastete Verwaltungsübertretung jedenfalls am angelasteten Tattag am 08.03.2019 in Y jedenfalls nicht begangen hat. Der Beschwerdeführer hat sich am 08.03.2019 nicht „noch“ unerlaubt im Bundesgebiet, sondern nach der erfolgten Zwangsreise Rücküberstellung „wieder“ unerlaubt nach der erfolgten Rückschiebung durch die deutschen Behörden im Bundesgebiet aufgehalten. Auch ist nach Rechtsansicht des BFA von einer Mitwirkung zur Erlangen eines Reisedokumentes durch den Beschwerdeführer auszugehen.

Aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes hat der Beschwerdeführer die ihm von der belangten Behörde im angefochtenen Straferkenntnis und im Umfang der erfolgten Berichtigung laut ergangener Beschwerdevorentscheidung nicht begangen. Ein schuldhaftes Verhalten betreffend den Aufenthalt am 08.03.2019 im Wachlokal JJ bzw in der Stadtgemeinde Y, wie es dem Beschwerdeführer angelastet wurde, lag nicht vor und war daher spruchgemäß der Beschwerde stattzugeben, das angefochtene Straferkenntnis zu beheben und das gegenständliche Verwaltungsstrafverfahren einzustellen.

II.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Verwaltungsgericht einzubringen.

Es besteht die Möglichkeit, für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof und für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof Verfahrenshilfe zu beantragen. Verfahrenshilfe ist zur Gänze oder zum Teil zu bewilligen, wenn die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten bzw wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von der Partei noch von den an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.

Für das Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist beim Verfassungsgerichtshof einzubringen. Für das Revisionsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof ist der Antrag auf Verfahrenshilfe innerhalb der oben angeführten Frist im Fall der Zulassung der ordentlichen Revision beim Verwaltungsgericht einzubringen. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision ist der Antrag auf Verfahrenshilfe beim Verwaltungsgerichtshof einzubringen; dabei ist im Antrag an den Verwaltungsgerichtshof, soweit dies dem Antragsteller zumutbar ist, kurz zu begründen, warum entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird.

Zudem besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Dr. Rieser

(Richter)

Schlagworte

nicht rechtzeitige Ausreise;
unerlaubter Aufenthalt;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2019.30.1685.3

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten