TE OGH 2020/2/21 4Ob13/20w

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Veröffentlicht am 21.02.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Rechtsschutzverband der Fotografen Österreichs, *****, vertreten durch Steinmayr & Pitner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Ruggenthaler, Rest & Borsky Rechtsanwälte OG in Wien, wegen 323 EUR sA und Unterlassung (Streitwert 20.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Oktober 2019, GZ 4 R 47/19i-15, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 14. Februar 2019, GZ 11 Cg 83/18w-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 833,88 EUR (darin enthalten 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Kläger ist ein Verein zur Geltendmachung und Wahrnehmung der Rechte österreichischer Berufsfotografen. Die T***** GmbH (im Folgenden: Foto-GmbH) hat den Kläger im Rahmen einer Wahrnehmungserklärung mit der treuhändigen Wahrnehmung der ihr an Lichtbildern gegenwärtig oder künftig zufallenden urheberrechtlichen Befugnisse beauftragt. Das klagsgegenständliche Portraitfoto eines Schuldirektors wurde vom Geschäftsführer der Foto-GmbH, die gewerbsmäßig Fotos herstellt, für diese aufgenommen.

Die Beklagte ist Herausgeberin einer österreichischen Tageszeitung, die am 16. 3. 2018 in ihrer Niederösterreich-Ausgabe das erwähnte Portraitfoto mit Zustimmung des Schuldirektors im Rahmen eines redaktionellen Artikels veröffentlicht hat. Dabei wurde die auf dem Lichtbild von der Foto-GmbH angebrachte Herstellerbezeichnung nur unleserlich wiedergegeben.

Nach der beanstandeten Veröffentlichung des Lichtbilds hat die Beklagte über Aufforderung des Klägers eine Unterlassungserklärung mit der Bemerkung abgegeben, dass dies rechtsverbindlich, gleichwohl aber ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage erfolge. Zudem wurde die geforderte Unterlassungserklärung als an sich rechtsgrundlos bezeichnet.

Soweit für das Revisionsverfahren noch relevant, begehrte der Kläger, es der Beklagten zu verbieten, in ihrer Tageszeitung Lichtbilder der Foto-GmbH als Herstellerin, insbesondere das fragliche Portraitfoto des Schuldirektors, ohne Herstellerbezeichnung zu veröffentlichen. Die Foto-GmbH sei Herstellerin des fraglichen Lichtbilds; sie habe den Kläger mit der Wahrnehmung der Leistungsschutzrechte beauftragt. Die Beklagte habe das Lichtbild ohne lesbare Herstellerbezeichnung veröffentlicht und dadurch das Recht der Foto-GmbH auf Herstellerbezeichnung verletzt.

Die Beklagte entgegnete, dass es dem Kläger an der Aktivlegitimation fehle, weil keine genügende Rechteübertragung durch die Lichtbilderherstellerin erfolgt sei. Außerdem fehle es an der Wiederholungsgefahr, weil sie eine außergerichtliche Unterlassungserklärung abgegeben habe.

Das Erstgericht gab dem hier gegenständlichen Unterlassungsbegehren statt. Herstellerin des fraglichen Portraitfotos sei die Foto-GmbH, der gemäß § 74 Abs 3 UrhG das Recht zukomme, die Vervielfältigungsstücke mit ihrer Herstellerbezeichnung zu versehen. Die Beklagte habe durch die Veröffentlichung des Lichtbilds mit unleserlicher Herstellerbezeichnung gegen dieses Recht verstoßen. Die Korrespondenz der Streitteile beinhalte kein vorbehaltloses Anerkennen des klägerischen Unterlassungsanspruchs durch die Beklagte, weshalb die Wiederholungsgefahr dadurch nicht weggefallen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die Beklagte habe erstmals in der Berufung ausgeführt, dass es sich beim zugrunde liegenden Portraitfoto nicht um ein bloßes Lichtbild gemäß § 74 UrhG, sondern um ein Lichtbildwerk im Sinn des § 3 UrhG handle, weshalb das Recht auf Herstellerbezeichnung dem Fotografen als Urheber zukomme. Die konkrete Ausgestaltung eines menschlichen Erzeugnisses, aus der sich erst sein Werkcharakter ergebe, sei aber Tatfrage und müsse daher schon im erstinstanzlichen Verfahren anhand eines konkreten Sachvorbringens behauptet werden. Die Beklagte habe aber niemals vorgebracht, welche Portraitdetails auf die individuellen Gestaltungsmittel des Fotografen zurückgingen. Davon abgesehen könnten die hier fragliche Herstellerbezeichnung und die nunmehr von der Beklagten ins Treffen geführte Urheberbezeichnung parallel nebeneinander bestehen. Die Wiederholungsgefahr sei nicht weggefallen, weil die Beklagte ihre Unterlassungsverpflichtung weiterhin in Abrede stelle, sodass der Kläger zur Rechtsdurchsetzung eines gerichtlichen Exekutionstitels bedürfe. Die Revision sei zulässig, weil zum Verhältnis der §§ 20 und 74 UrhG sowie zur Frage, ob zu den individuellen Gestaltungsmaßnahmen eines Berufsfotografen ein konkretes Vorbringen erforderlich sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Beklagten, die auf die Abweisung des Unterlassungsbegehrens abzielt.

Mit seiner Revisionsbeantwortung beantragt der Kläger, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen.

In der Revision führt die Beklagte aus, dass §§ 3 und 74 UrhG im Wesentlichen inhaltsgleiche Ausschließlichkeitsrechte gewährten, die auf der einen Seite originär dem Urheber zustünden und auf der anderen Seite auch beim Unternehmensinhaber entstünden. Daraus folge, dass das Recht auf Urheberbezeichnung gemäß § 20 UrhG und jenes auf Herstellerbezeichnung gemäß § 74 Abs 3 UrhG nicht parallel nebeneinander bestehen könnten, sondern es der Rechteeinräumung des Schöpfers an den Hersteller bedürfe. Die Einstufung eines Lichtbilds als Lichtbildwerk im Sinn des § 3 UrhG sei eine Rechtsfrage. Der Werkcharakter sei widerleglich zu vermuten, weshalb es dazu keines Vorbringens im erstinstanzlichen Verfahren bedürfe.

Damit zeigt die Beklagte keine erhebliche Rechtsfrage auf:

2.1 Nach § 74 Abs 1 UrhG stehen dem Hersteller eines Lichtbilds (mit bestimmten Beschränkungen) die gesetzlichen Verwertungsrechte als Leistungsschutzrechte zu. Bei – wie hier – gewerbsmäßig, also zu wirtschaftlichen Zwecken hergestellten Lichtbildern (RS0077094) gilt der Inhaber des Unternehmens als Hersteller (4 Ob 226/19t).

Das Leistungsschutzrecht bezieht sich auch auf einfache Lichtbilder. Da Lichtbildwerke im Sinn des § 3 Abs 1 UrhG gleichzeitig auch Lichtbilder im Sinn des § 73 UrhG sind, genießen sie parallel zum urheberrechtlichen Schutz auch Leistungsschutz (RS0119011). Dies bedeutet, dass sich der Urheber eines Lichtbildwerks auch auf die Leistungsschutzrechte des § 74 UrhG berufen kann (RS0076243; 4 Ob 226/19t).

Gemäß § 74 Abs 3 UrhG hat der leistungsschutzberechtigte Fotohersteller (hier der Unternehmensinhaber) – so wie der Urheber nach § 20 Abs 1 UrhG – ein geschütztes Bezeichnungsrecht (Namensnennungsrecht) als Urheberpersönlichkeitsrecht, das untrennbar mit den ausschließlichen Verwertungsrechten verbunden ist (4 Ob 105/11m). Diese Bestimmung räumt dem Lichtbildhersteller das Recht ein, jedem anderen – auch demjenigen, dem er die Verwertungsrechte übertragen hat – Verwertungshandlungen, insbesondere die Verbreitung und Vervielfältigung von Lichtbildern, ohne die Bezeichnung des Herstellers zu untersagen (RS0077165; 4 Ob 105/11m).

2.2 Im Anlassfall hatte die Foto-GmbH auf dem fraglichen Portraitfoto des Schuldirektors die Herstellerbezeichnung angebracht (vgl RS0077143), die von der Beklagten bei Veröffentlichung des Lichtbilds nicht (leserlich) wiedergegeben wurde. Die Beklagte hat damit das Bezeichnungsrecht der Foto-GmbH verletzt.

3.1 Das von der Beklagten in der Revision argumentierte Auseinanderfallen von Leistungsschutzrecht (des Unternehmensinhabers) und Urheberrecht (des Fotografen) setzt voraus, dass es sich beim klagsgegenständlichen Porträtfoto um ein Lichtbildwerk handelt.

Lichtbilder sind nach der Rechtsprechung dann als Lichtbildwerke zu beurteilen, wenn die eingesetzten individuellen Gestaltungsmittel eine Unterscheidbarkeit bewirken. Es bedarf keines besonderen Maßes an Originalität bzw Individualität. Entscheidend ist vielmehr, dass eine individuelle Zuordnung zwischen Lichtbild und Fotograf insofern möglich ist, als dessen Persönlichkeit aufgrund der von ihm gewählten Gestaltungsmittel (zB Motiv, Beleuchtung, Perspektive bzw Blickwinkel, Bildausschnitt) zum Ausdruck gelangt (RS0115740).

3.2 Auch wenn es für den Werkcharakter eines Lichtbilds keines besonderen Maßes an Originalität bzw Individualität bedarf, ist eine generelle Aussage darüber, ob einem bestimmten Lichtbild Werkcharakter zukommt, nicht möglich (4 Ob 226/19t). Aus diesem Grund ist in jedem Einzelfall eine Beurteilung zu den konkreten Gestaltungsmitteln vorzunehmen und danach über die Werkqualität zu entscheiden. Bei dieser Beurteilung handelt es sich zwar um eine Rechtsfrage, der aber die konkrete Ausgestaltung des Lichtbilds zugrunde zu legen ist. Dazu ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die konkrete Ausgestaltung eines menschlichen Erzeugnisses, aus der sich erst sein Werkcharakter (hier Lichtbildwerk) ergibt, eine Tatfrage ist, die – nach der allgemeinen Beweislastverteilung (vgl 4 Ob 19/06g) – derjenige zu behaupten und zu beweisen hat, der für ein bestimmtes Erzeugnis urheberrechtlichen Schutz in Anspruch nimmt (RS0076587) bzw allgemein derjenige, der die Werkqualität behauptet. Wird – wie hier – die Werkqualität als anspruchsvernichtender Einwand erhoben, so trifft die Behauptungs- und Beweislast den Beklagten.

Aus diesen Überlegungen folgt gleichzeitig, dass die konkreten Gestaltungsmittel eines Lichtbilds auf der Grundlage eines ausreichenden Tatsachenvorbringens (verbal) festgestellt werden müssen und ein anspruchsvernichtender Einwand, mit dem Werkqualität behauptet wird, im erstinstanzlichen Verfahren erkennbar erhoben werden muss.

3.3 Im Anlassfall hat die Beklagte im erstinstanzlichen Verfahren auf die von ihr behauptete Werkqualität des zugrunde liegenden Portraitfotos mit keinem Wort Bezug genommen. Die Vorinstanzen haben den Werkcharakter des Lichtbilds daher zutreffend nicht geprüft. Die Ansicht der Beklagten, dass für jedes Lichtbild eine widerlegliche Vermutung im Sinn eines Lichtbildwerks bestehe, steht mit den dargelegten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht im Einklang.

4. Die von der Beklagten – außer der angeblich widerleglichen Vermutung eines Lichtbildwerks – weiters als erheblich bezeichnete Rechtsfrage, ob die Herstellerbezeichnung gemäß § 74 Abs 3 UrhG und die Urheberbezeichnung gemäß § 20 UrhG parallel nebeneinander bestehen können, stellt sich damit nicht (vgl 4 Ob 226/19t).

5.1 Zum behaupteten Wegfall der Wiederholungsgefahr führt die Beklagte in der Revision aus, dass sie die vom Kläger geforderte außergerichtliche Unterlassungserklärung abgegeben habe und dieser nach der Disposition des Klägers Bereinigungswirkung zukomme.

5.2 Bei Beurteilung des Bestehens der Wiederholungsgefahr ist stets maßgebend, ob dem Verhalten des Beklagten in seiner Gesamtheit gewichtige Anhaltspunkte dafür entnommen werden können, dass er ernstlich gewillt ist, von künftigen Störungen Abstand zu nehmen (RS0012087). Die Beurteilung des Wegfalls der Wiederholungsgefahr ist typisch von den Umständen des Einzelfalls abhängig und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0042818; RS0031891). Wegfall der Wiederholungsgefahr kann nach der Rechtsprechung etwa dann angenommen werden, wenn der Verletzer einen den ganzen Unterlassungsanspruch umfassenden, an keinerlei Bedingungen geknüpften gerichtlichen Vergleich anbietet bzw abschließt und nach den Umständen keine Bedenken gegen die Ernstlichkeit seiner Willensänderung bestehen (4 Ob 139/11m mwN). Demgegenüber reicht die Abgabe einer bloß außergerichtlichen Unterlassungserklärung, von künftigen Störungen Abstand nehmen zu wollen, nach der Rechtsprechung insbesondere dann nicht aus, wenn die Erklärung unter dem Druck des drohenden Prozesses abgegeben wurde (4 Ob 24/05s) oder der Beklagte im Prozess ein zwiespältiges Verhalten zeigt (RS0080134; 4 Ob 113/13s).

5.3 Das Berufungsgericht ist von diesen Grundsätzen nicht abgewichen. Die Beurteilung, dass die Wiederholungsgefahr nicht weggefallen sei, weil die Beklagte die in Rede stehende Unterlassungspflicht in Abrede gestellt habe, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung. Zudem wurde festgestellt, dass die Beklagte die Unterlassungserklärung mit dem Zusatz abgegeben hat, dass dies ohne Anerkenntnis einer Rechtspflicht und ohne Präjudiz für die Sach- und Rechtslage erfolge, was ebenfalls gegen die Ernstlichkeit ihrer Willensänderung spricht.

6. Insgesamt gelingt es der Beklagten mit ihren Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Schlagworte

Portraitfoto eines Schuldirektors,

Textnummer

E127960

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00013.20W.0221.000

Im RIS seit

11.05.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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