TE Bvwg Beschluss 2020/1/29 I403 2135843-4

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Veröffentlicht am 29.01.2020
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Entscheidungsdatum

29.01.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1a
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I403 2135843-4/5Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin MMag. Birgit ERTL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Ghana, vertreten durch Rechtsanwalt Edward DAIGNEAULT, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.08.2019, Zl. 1028778501/190743102:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ghana, reiste illegal in das Bundesgebiet ein und brachte am 16.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Er gab an, geflüchtet zu sein, weil er wegen seiner Religion - er sei ein Prediger der Pentecostal Church - verfolgt worden sei. Mit Bescheid der belangten Behörde, des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, vom 05.09.2016, Zl. 1028778501-14885487 wurde dieser Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie festgestellt, dass die Abschiebung nach Ghana zulässig sei, wobei keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Abschließend wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gegen diesen Bescheid wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Nach Durchführung einer Verhandlung wurde diese mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes zu W159 2135843-1/11E vom 14.02.2017 als unbegründet abgewiesen.

2. Der Beschwerdeführer verblieb in der Folge trotz der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung illegal im österreichischen Bundesgebiet und brachte am 25.10.2017 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ein. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.05.2018, Zl. 1028778501/171209983 abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen. Die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2018, Zl. W184 2135843-2/2E als unbegründet abgewiesen.

3. Am 27.06.2018 stellte der Beschwerdeführer den zweiten Antrag auf Zuerkennung internationalen Schutzes. Bei seiner Einvernahme durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab er an, dass er von Beruf Prediger und seit acht Jahren homosexuell sei. In Ghana habe er einen festen Freund gehabt, welcher im Dezember 2017 von der Polizei festgenommen worden sei und ihn verraten habe. In Ghana sei es verboten, homosexuell zu sein. Falls er nach Ghana zurückkehren würde, wäre sein Leben in Gefahr. Der Beschwerdeführer war von 29.06.2018 bis 28.01.2019 unbekannten Aufenthalts und nicht ordnungsgemäß in Österreich gemeldet, weswegen seitens der belangten Behörde kein Parteiengehör durchgeführt werden konnte. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.11.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) bzw. des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Ghana gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgehalten, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkte VI.). Die belangte Behörde führte beweiswürdigend aus, dass sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt seit der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens nicht geändert habe und im gegenständlichen Verfahren keine neuen entscheidungsrelevanten Fluchtgründe vorgebracht worden seien. Mit Schreiben vom 14.12.2018 erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 29.11.2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Er habe seine Homosexualität nicht früher erwähnt, da es einige Zeit gedauert habe, bis er sich gegenüber der Behörde öffnen habe können, da er sich sehr für seine Homosexualität schäme. Diese Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2019, Zl. I407 2135843-3 als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde unter anderem ausgeführt, dass sein Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung in Ghana aufgrund seiner angeblichen Homosexualität keinen glaubhaften Kern aufweise.

4. Am 22.07.2019 stellte der Beschwerdeführer seinen insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Er brachte in der Erstbefragung am 22.07.2019 vor, dass sich die Suche der Polizei nach ihm wegen seiner Homosexualität intensiviert habe und er in Ghana in Gefahr sei, wegen seiner sexuellen Orientierung getötet oder inhaftiert zu werden. Am 02.08.2019 wurde er durch die belangte Behörde einvernommen. Nunmehr gab er an, dass sein Freund in Ghana vor etwa drei Monaten festgenommen worden sei und verraten habe, dass der Beschwerdeführer der "Organisator in unserer homosexuellen Organisation" sei. Er habe Versammlungen organisiert, daher sei sein Leben in Gefahr. In einer weiteren Einvernahme am 13.08.2019 wurden dem Beschwerdeführer Länderfeststellungen zu Ghana übergeben. In einer Stellungnahme seines rechtsfreundlichen Vertreters vom 20.08.2019 wurde erklärt, dass der Beschwerdeführer in Ghana in Gefahr sei, getötet zu werden. Das Bundesverwaltungsgericht habe ihm im ersten Folgeverfahren zwar sein Vorbringen zur Homosexualität nicht geglaubt, doch sei nicht inhaltlich darüber entschieden worden, so dass keine Bindungswirkung vorliege. Angesichts der Mitgliedschaft bei queerbase und der Homosexuelleninitiative sei dies aber als Fehleinschätzung zu werden. Der Beschwerdeführer selbst erstattete am 22.08.2019 eine Stellungnahme, in der er erklärte, dass er, bevor er Ghana verlassen habe, eine Beziehung mit einem Mann geführt habe. Er habe nicht "in ständiger Angst vor Verfolgung, Folter, Gefängnis oder Schrecklicherem" leben wollen und daher das Land verlassen. Sein Partner sei geblieben, von der Polizei festgenommen worden und habe seinen Namen verraten.

5. Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 28.08.2019 wies die belangte Behörde den zweiten Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Ghana wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.). Zugleich wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß § 57 AsylG" nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.). Weiters wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ghana zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist für seine freiwillige Ausreise wurde dem Beschwerdeführer nicht gewährt (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Zudem wurde ihm aufgetragen, ab 22.07.2019 im Quartier "XXXX" Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

6. Der Bescheid wurde dem rechtsfreundlichen Vertreter des Beschwerdeführers am 09.12.2019 zugestellt. Gegen diesen Bescheid wurde mit Schriftsatz vom 20.12.2019 Beschwerde erhoben und moniert, dass es bislang noch keine inhaltliche Entscheidung über das Vorbringen der Homosexualität gegeben habe. Es sei typisch, dass man sich erst spät oute. Für die Homosexualität des Beschwerdeführers würden gerade sein spätes Outing und sein Aussehen sprechen. Es wurde die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung und die Behebung des Bescheides sowie eine Entscheidung durch "ein weiblich besetztes Gericht" beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigeria. Sein erster Antrag auf internationalen Schutz vom 16.08.2014 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2017 als unbegründet abgewiesen. Diesen Antrag begründete er mit einer Verfolgung wegen seiner Religion.

Sein Folgeantrag vom 27.06.2018, den er mit einer Verfolgung wegen seiner sexuellen Orientierung begründete, wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2019 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, homosexuell zu sein, wurde kein glaubhafter Kern beigemessen.

Seinen gegenständlichen dritten Antrag auf internationalen Schutz stellte er am 22.07.2019. Die belangte Behörde begründete ihre Zurückweisung des Antrages damit, dass sich das Fluchtvorbringen gegenüber der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2019 nicht geändert habe.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes sowie den Akten zu den vorangegangenen Asylverfahren.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Rechtliche Grundlagen

§ 16 Abs. 2 BFA-VG lautet:

(2) Einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der

1. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist,

2. ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht oder

3. eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wird, sowie einem diesbezüglichen Vorlageantrag kommt die aufschiebende Wirkung nicht zu, es sei denn, sie wird vom Bundesverwaltungsgericht zuerkannt.

§ 17 BFA-VG lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und

1. diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist oder

2. eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung bereits besteht

sowie der Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(2) Über eine Beschwerde gegen eine zurückweisende Entscheidung nach Abs. 1 oder gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

(3) Bei der Entscheidung, ob einer Beschwerde gegen eine Anordnung zur Außerlandesbringung die aufschiebende Wirkung zuerkannt wird, ist auch auf die unionsrechtlichen Grundsätze der Art. 26 Abs. 2 und 27 Abs. 1 der Dublin-Verordnung und die Notwendigkeit der effektiven Umsetzung des Unionsrechtes Bedacht zu nehmen.

(4) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 1 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

3.2. Anwendung auf den gegenständlichen Fall:

Die belangte Behörde begründete ihre Zurückweisung des Antrages einerseits damit, dass sich das Fluchtvorbringen gegenüber der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.06.2019 nicht geändert habe und dass somit das Vorbringen bereits rechtskräftig als unglaubhaft qualifiziert worden sei. Diesbezüglich wurde allerdings in der Beschwerde zu Recht darauf hingewiesen, dass es sich beim Erkenntnis vom 03.06.2019 um keine inhaltliche Entscheidung gehandelt hatte.

Die belangte Behörde hatte im Vorverfahren aufgrund des Untertauchens des Beschwerdeführers keine Einvernahme mit dem Beschwerdeführer durchgeführt; im nunmehrigen Verfahren fand auch keine nähere Auseinandersetzung mit dem Vorbringen statt; somit war von der belangten Behörde nicht geprüft worden, ob das Vorbringen einen glaubhaften Kern aufweisen würde. Dazu finden sich auch keine Feststellungen im Bescheid, vielmehr bezog man sich nur auf die scheinbar bereits erfolgte Prüfung im Vorverfahren.

Generell wäre der Antrag nach der aktuellen Rechtslage bzw. Rechtsprechung - unabhängig von der Frage der Glaubhaftmachung - wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, da die Homosexualität des Beschwerdeführers und die behauptete Verfolgungsgefahr ja bereits zum Zeitpunkt seines ersten Asylverfahrens vorgelegen hätten: Nach österreichischem Recht kann eine rechtskräftig entschiedene Sache nicht neuerlich entschieden werden. Stellt ein Antragsteller in derselben Sache einen neuerlichen Antrag, ist eine inhaltliche Entscheidung darüber auch dann ausgeschlossen, wenn die Tatsachen und Beweismitteln, auf die sich der Antragsteller beruft, schon vor Abschluss des Erstverfahrens bestanden haben. In so einem Fall kann ein Antragsteller nur die Wiederaufnahme des früheren Verfahrens begehren.

Diese Rechtslage gilt auch für wiederholte Anträge auf internationalen Schutz (sog. Folgeanträge). Das österreichische Asylrecht enthält insoweit keine Sonderregelungen.

Es stellt sich die Frage, ob dies in Fällen wie dem gegenständlichen, in dem - wenn man von einem glaubhaften Vorbringen ausgeht - dem Beschwerdeführer eventuell kein Vorwurf daraus gemacht werden kann, dass er bei der ersten Antragstellung nicht die Wahrheit gesagt hatte, den Vorgaben der Richtlinie 2013/32/EU (Verfahrensrichtlinie), die verfahrensrechtliche Vorschriften für die Zuerkennung von internationalem Schutz enthält, entspricht.

In Zusammenhang mit dieser Rechtsfrage hat der Verwaltungsgerichtshof am 18. Dezember 2019, EU 2019/0008, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gestellt.

Die Vorlagefragen im Wortlaut:

1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren:

Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen "neue Elemente oder Erkenntnisse", die "zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind", auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?

Falls Frage 1. bejaht wird:

2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?

3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?

Dass § 38 AVG Anwendung bei Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) findet, wurde vom VwGH wiederholt judiziert (vgl. VwGH, 13.12.2011, Zl. 2011/22/0316).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass es notwendig ist zu überprüfen, ob ein glaubhafter Kern des nunmehrigen Vorbringens ausgeschlossen werden kann. Wenn dies nicht der Fall ist, wird eine Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung über das Vorabentscheidungsersuchen zu prüfen sein.

Daher ist die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zur Frage der Spruchpunkte I. und II. notwendig und kann aktuell nicht ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Nigeria in der Gefahr wäre, dass er eine Verletzung seiner durch Art 2, 3 EMRK geschützten Menschenrechte erleidet.

Aus den dargelegten Gründen ist der Beschwerde somit von Amts wegen gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schlagworte

Asylverfahren, aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung -
Entfall, Folgeantrag, Menschenrechtsverletzungen, real risk, reale
Gefahr, subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I403.2135843.4.00

Zuletzt aktualisiert am

28.04.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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