TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/2 W250 2228366-2

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Veröffentlicht am 02.03.2020
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Entscheidungsdatum

02.03.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs6
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W250 2228366-2/17E

Schriftliche Ausfertigung des am 18.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Ägypten, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid sowie die Anhaltung bis 15.01.2020 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

II. Die Beschwerde gegen die Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft seit 15.01.2020 wird gemäß § 76 Abs. 6 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.

III. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

V. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 887,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet) stellte am 20.09.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) vom 21.02.2017 vollinhaltlich abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Ägypten zulässig ist. Als Frist für die freiwillige Ausreise wurden 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt. Dieser Bescheid wurde dem BF am 24.02.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

2. Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes vom 06.09.2018 wurde der BF für den 13.09.2018 im Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates zur ägyptischen Vertretungsbehörde geladen. Eine Zustellung dieses Bescheides an den BF an seiner Meldeadresse durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes war nicht möglich.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 05.04.2019 wurde dem BF aufgetragen, binnen drei Tagen an einer bestimmten Adresse Unterkunft zu nehmen. Eine Zustellung dieses Bescheides durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes an der ehemaligen Meldeadresse des BF war nicht möglich. Da der BF über keine Meldeadresse verfügte und dem Bundesamt auch sonst keine Zustelladresse bekannt war, wurde der Bescheid durch öffentliche Bekanntmachung am 10.04.2019 zugestellt.

4. Am 03.10.2019 erließ das Bundesamt gemäß § 34 Abs. 3 Z. 2 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG einen Festnahmeauftrag den BF betreffend.

5. Am 07.01.2020 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes aufgegriffen, auf Grund des Festnahmeauftrages vom 03.10.2019 festgenommen und dem Bundesamt vorgeführt.

6. Am 08.01.2020 wurde der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch zu den Voraussetzungen der Anordnung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente einnehme. Die Entscheidung in seinem Asylverfahren kenne er nicht, da er aus der Wohnung habe ausziehen müssen, da er die Miete nicht mehr bezahlen habe können. Er habe die Wohnung vor eineinhalb Monaten verlassen und habe erst kürzlich erfahren, dass er abgemeldet worden sei. Nach den Bestimmungen des Meldegesetzes habe er sich nicht mehr angemeldet, da er seine Brieftasche mit seinem Ausweis und anderen Karten verloren habe. Er befinde sich seit vier Jahren in Österreich und habe sich nur an dieser einen Adresse aufgehalten. Auf den Vorhalt, dass der negative Asylbescheid bereits im Jahr 2017 zugestellt worden sei, gab der BF an, dass er keinen Schlüssel für den Postkasten besessen habe und ihm seine Post üblicherweise vom Vermieter ausgehändigt worden sei. Über identitätsbezeugende Dokumente verfüge er nicht, ein Reisedokument habe er nicht beantragt. Zunächst habe er bei seiner bosnischen Freundin, die österreichische Staatsbürgerin sei, gewohnt, diese habe er nach islamischem Recht geheiratet. Zuletzt habe er in einer Wohnung gewohnt, deren Adresse er nicht angeben könne. Für diese Wohnung habe er einen Schlüssel besessen, den er jedoch im Zuge seiner Festnahme seinem Freund übergeben habe, damit dieser Zutritt zur Wohnung habe, falls der BF etwas benötige. Geld habe der BF weder bei seiner Einreise noch im Zeitpunkt der Einvernahme besessen. Seinen Aufenthalt finanziere er durch Gelegenheitsarbeiten, denen er im letzten Sommer nachgegangen sei. Im Bundesgebiet habe er keine Verwandte, aber Freunde. Er sei ledig, habe keine Kinder und sei nicht obsorgepflichtig. Nach Ägypten wolle er weder abgeschoben werden noch freiwillig zurückkehren.

7. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.01.2020 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG iVm § 57 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG Fluchtgefahr vorliege. Gegen den BF sei eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen worden, der Frist für die freiwillige Ausreise sei der BF nicht nachgekommen. Einen Interviewtermin bei der ägyptischen Vertretungsbehörde habe der BF missachtet und habe sich bisher kein Reisedokument beschafft, obwohl er dazu verpflichtet sei. Der BF sei seit 01.02.2019 im Bundesgebiet nicht mehr gemeldet und führe seinen Aufenthalt im Verborgenen. Mit der Erlassung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden, da der BF wissentlich illegal im Bundesgebiet verblieben sei und nicht bereit sei, behördlichen Auflagen Folge zu leisten.

Dieser Bescheid wurde dem BF am 08.01.2020 durch persönliche Übernahme zugestellt.

8. Am 15.01.2020 stellte der BF im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag. Mit Aktenvermerk des Bundesamtes vom 15.01.2020 wurde festgestellt, dass die für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 15.01.2020 zugestellt.

9. Der BF wurde am 15.01.2020 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Asylfolgeantrag befragt, wobei der BF insbesondere angab, dass noch immer dieselben Fluchtgründe bestünden und sich nichts geändert habe. Am 30.01.2020 wurde der BF vom Bundesamt zu seinem Asylfolgeantrag einvernommen. Dabei gab er - soweit es für das gegenständliche Verfahren von Bedeutung ist - im Wesentlichen an, dass er sich derzeit nicht in ärztlicher Betreuung befinde und alles in Ordnung sei. An Verwandten befänden sich sein Cousin väterlicherseits in Österreich, dieser besitze auch die österreichische Staatsbürgerschaft. Von diesem Cousin werde der BF auch finanziell unterstützt. Von seiner Ehefrau, die er nach islamischem Recht geheiratet habe, sei er 10 Tage vor Neujahr geschieden worden. In seinem Herkunftsstaat habe er sehr viele Angehörige, zuletzt habe er vor zwei Tagen Kontakt zu seiner Mutter gehabt. Der BF habe nunmehr eine österreichische Freundin, von der er nur den Vornamen angeben könne. Er wohne nicht mit ihr zusammen, könne jedoch bei ihr wohnen. Der BF habe in Österreich illegal auf Baustellen gearbeitet. Barmittel besitze er derzeit keine. Seine alten Fluchtgründe lägen noch vor, daran habe sich nichts geändert. Seit der rechtskräftigen Entscheidung des Vorverfahrens habe sich sein Leben insofern verändert, als ihn seine Ehefrau verlassen habe. Er sei zwei Jahre mit ihr verheiratet gewesen, zum Standesamt sei er nicht gegangen, da er wusste, dass er dort festgenommen werde. Nach Ägypten werde er nicht freiwillig zurückkehren und wolle auch nicht in Schubhaft warten.

10. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.01.2020 wurde der Asylfolgeantrag des BF zurückgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Gegen diesen Bescheid erhob der BF Beschwerde, die aufschiebende Wirkung wurde bis zur mündlichen Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht nicht zuerkannt.

11. Am 12.02.2020 erhob der BF Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid vom 08.01.2020 und seine Anhaltung in Schubhaft. Er brachte im Wesentlichen vor, dass keine Fluchtgefahr vorliege und die Anhaltung in Schubhaft unverhältnismäßig sei. Der BF habe ausgeprägte Anknüpfungspunkte in Österreich, insbesondere durch seinen Großcousin, der österreichischer Staatsangehöriger sei. Er pflege darüber hinaus eine enge Beziehung zu einer österreichischen Staatsangehörigen, die ihm seit ca. acht Monaten bekannt sei und mit der er beinahe täglich seine Freizeit verbracht habe. Er pflege auch intensiven Kontakt zu einem Freund, der sich legal in Österreich aufhalte. Durch diese familiären und sozialen Anknüpfungspunkte und die Möglichkeit von den genannten Personen sowohl finanziell unterstützt zu werden als auch eine Wohnmöglichkeit zu erlangen liege eine maßgebliche Verankerung des BF in Österreich vor. Der BF beherrsche fließend die deutsche Sprache und sei überaus integrationswillig. In der Beschwerde nannte der BF seine letzte Wohnadresse und führte zu seiner mangelnden behördlichen Meldung aus, dass ihm diese nicht möglich gewesen sei, da er seine Identitätskarte verloren habe und diesen Verlust auch der zuständigen Behörde angezeigt habe. Davor habe er an der Adresse seiner ehemaligen Lebensgefährtin gewohnt, wobei eine Meldung aus dem Grund nicht erfolgt sei, da die ehemalige Lebensgefährtin befürchtet habe, dass ihr Vermieter von dem Umstand Kenntnis erlange, dass sie nicht alleine in der Wohnung lebe. Davor sei der BF an einer in der Beschwerde genannten Adresse wohnhaft und auch behördlich gemeldet gewesen.

Gegen den BF habe zwar im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestanden, allerdings sei dem BF ab dem Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrages faktischer Abschiebeschutz zugekommen und könne er bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung nicht abgeschoben werden.

Der BF habe an allen bisherigen Verfahren mitgewirkt. Er sei zwar bei der ägyptischen Botschaft nicht erschienen, der BF sei jedoch von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nie angetroffen worden und habe auch über die Verständigung von der Hinterlegung der Ladung keine Kenntnis erlangt.

Aus all diesen Gründen erweise sich die weitere Anhaltung in Schubhaft mangels Fluchtgefahr als unverhältnismäßig und somit rechtswidrig.

Der BF leide seit seiner Anhaltung in Schubhaft an Stress und Schlafstörungen, sodass zum einen die Haftfähigkeit ernsthaft in Zweifel zu ziehen sei und der psychische Gesundheitszustand im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Anhaltung einzufließen habe.

Darüber hinaus könne im vorliegenden Fall auch mit der Anordnung eines gelinderen Mittels das Auslangen gefunden werden. Der BF könne in der Wohnung seines Großcousins Unterkunft nehmen und sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle der Landespolizeidirektion melden.

Der BF beantragte die Verhängung der Schubhaft sowie die andauernde Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, den angefochtenen Bescheid zu beheben, auszusprechen, dass die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung des BF in Schubhaft nicht vorliegen, dem BF Kostenersatz im Umfang der VwG-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, zuzuerkennen, eine mündliche Beschwerdeverhandlung unter Einvernahme des BF durchzuführen, in eventu gelindere Mittel anzuordnen und in eventu die ordentliche Revision zuzulassen.

11. Das Bundesamt legte am 13.02.2020 den Verwaltungsakt vor, gab dazu eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen bzw. als unzulässig zurückzuweisen, festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und den BF zum Ersatz des Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwandes der belangten Behörde zu verpflichten.

12. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 18.02.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Arabisch, im Beisein des Rechtsvertreters des BF sowie eines Vertreters des Bundesamtes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch.

Der Vertreter des Bundesamtes gab auf Befragen an, dass das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF bereits im Jahr 2018 eingeleitet jedoch auf Grund des Untertauchens des BF abgebrochen wurde. Am XXXX sei eine Urgenz persönlich an den Konsul übergeben worden. Der nächste Delegations-Termin der ägyptischen Vertretungsbehörde finde am 20.02.2020 statt. Bei diesem Termin werden ausschließlich in Schubhaft angehaltene Personen der Vertretungsbehörde vorgeführt, die konkret einzuvernehmenden Personen werden von der Vertretungsbehörde vorgegeben. Sollte der BF auf der Liste der am 20.02.2020 einzuvernehmenden Personen nicht aufscheinen, so werde das Bundesamt versuchen, ihn nachzunominieren. Die ägyptische Vertretungsbehörde stelle grundsätzlich Heimreisezertifikate aus und dauere das Verfahren im Durchschnitt drei Monate ab dem Vorführtermin.

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen an, dass er Mitte oder Ende 2014 seinen Herkunftsstaat verlassen habe, genau wisse er das nicht. Einen Reisepass habe er nicht bei sich gehabt und einen solchen auch noch nie beantragt. Andere Dokumente zum Nachweis seiner Identität habe er bei seiner Ausreise nicht bei sich gehabt. Er sei über das Meer nach Italien gereist. Dort habe er seinen Namen angegeben, er habe sich aber jünger gemacht, da in Italien nur Minderjährige einreisen dürfen. Auf den Vorhalt, dass von der italienischen Dublin-Behörde mitgeteilt wurde, dass der BF dort einen anderen Namen angegeben habe, gab der BF an, dass es sich dabei um den Namen seines Vaters handle und dies falsch protokolliert worden sei. Er sei in Italien in ein Lager im Süden gebracht worden, sei dort jedoch nicht geblieben, sondern zu seiner Cousine väterlicherseits nach Turin weitergereist. Den italienischen Fremdenbehörden habe er seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gegeben. In Italien habe er sich fünf oder sechs Monate aufgehalten und sei mit dem Zug nach Österreich weitergereist. Es sei so geplant gewesen, dass ihn seine Familie nach Österreich bringe. Dokumente zum Nachweis seiner Identität habe er auch in Österreich nicht bei sich gehabt. In Österreich habe er sich ca. 10 Monate aufgehalten, bevor er einen Asylantrag gestellt habe. Damals habe er in einer Wohnung gewohnt, die ihm der Cousin seines Vaters besorgt habe. Nach den Bestimmungen des Meldegesetzes habe er sich damals nicht angemeldet. Auf den Vorhalt, dass er bei seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 06.02.2017 angegeben hat, dass er seine Geburtsurkunde kurz nach seiner Ankunft in Österreich verloren habe, gab der BF zunächst an, dass er sich nicht erinnern könne, später gab er an, dass er mit der Kopie seiner Geburtsurkunde aus Ägypten ausgereist sei.

Der BF habe in Österreich zunächst in der XXXX gewohnt, an dieser Adresse sei er nicht gemeldet gewesen. Danach sei er bis 2018 an seiner Meldeadresse aufhältig gewesen. Anschließend habe er bis Ende 2019 in der XXXX gewohnt, zuletzt in der XXXX . Am 23.02.2017 habe er an seiner Meldeadresse gewohnt. Die Abmeldung von seiner Meldeadresse sei ohne sein Wissen erfolgt. Dem Bundesamt habe er keine andere Adresse bekannt gegeben. Seit Sommer 2019 wisse er, dass er über keine Meldeadresse mehr verfüge.

Er habe seine Ex-Frau im dritten oder vierten Monat 2018 in einer Moschee geheiratet. Zum Standesamt habe er nicht gehen können, da er keinen Reisepass gehabt habe. Seine Ex-Frau habe sich von ihm scheiden lassen, als sie erfahren habe, dass gegen den BF eine Rückkehrentscheidung bestehe.

Seinen Asylfolgeantrag habe er erst in der Schubhaft gestellt, da er zwar Anfang 2019 erfahren habe, dass sein Antrag negativ entschieden worden sei, seine Probleme seien jedoch immer mehr geworden und er habe keine Zeit gehabt, um vorher den Antrag zu stellen. Seit seinem ersten Antrag hätte sich in Ägypten vieles geändert, der BF wisse jedoch nicht genau, was. Er habe mit seiner Mutter telefoniert, da er es in der Schubhaft nicht mehr aushalte.

Er habe in der Beschwerde die Einvernahme seiner derzeitigen Freundin beantragt. Diese habe jedoch nicht zur Verhandlung erscheinen können, da sie arbeite. Er kenne sie seit über einem Jahr, vor ca. einem halben Jahr seien sie sich näher gekommen. Gewohnt habe er nicht bei ihr, da sie bei ihrer Familie gewohnt habe. Der BF habe an seiner letzten Adresse alleine gewohnt.

Der BF gehe in Österreich einer legalen Beschäftigung nach, er arbeite im Sommer am Markt und im Winter am Bau oder am Maroni-Stand. Er glaube nicht, dass er über eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung für diese Tätigkeiten verfüge. Vermögen besitze er nicht, vor der Anordnung der Schubhaft habe er EUR 50,-- besessen, diese aber mittlerweile ausgegeben. Der BF habe bei einer Österreicherin, die mit einem Ägypter verheiratet sei, gearbeitet. Wer als Arbeitgeber registriert sei wisse er nicht. Er habe ungefähr EUR 1.400,-- pro Monat verdient. Von dieser Tätigkeit habe er in der Einvernahme am 08.01.2020 nichts erzählt, da er seinem Arbeitgeber keine Probleme machen wolle. Er sei auch beim Finanzamt registriert und habe in der Schubhaft einen Brief vom Finanzamt erhalten.

Seit seiner Einlieferung in Schubhaft nehme er Medikamente gegen Stress, Schlafmittel sowie eine Magenschutztablette. Er glaube, dass er vom Essen in der Schubhaft Magenprobleme bekomme.

Bei seiner Entlassung aus der Schubhaft könne er beim Cousin seines Vaters wohnen.

Seine Deutschkenntnisse - in der Verhandlung konnte festgestellt werden, dass der BF fließend Deutsch spricht - habe er zu 50 % bei der Arbeit und zu 50 % von seiner Ehefrau gelernt.

Seine ehemalige Lebensgefährtin habe ein Kind, von dem der BF "Papa" gerufen worden sei. Er habe dieses Kind in die Schule gebracht. Zuletzt habe er das Kind einen Tag vor Neujahr gesehen. Er habe das Kind bei den Großeltern besucht, da er nicht wolle, dass seine Ex-Frau von seinen Problemen erfahre.

Der in der mündlichen Verhandlung einvernommene Großcousin des BF gab im Wesentlichen an, dass er dem BF im Jahr 2017 eine Wohnung organisiert und die erste Monatsmiete dafür bezahlt habe. Danach habe der BF nie wieder Geld von ihm verlangt. Beim ersten Treffen mit dem BF in Österreich habe ihm dieser mitgeteilt, dass er Asyl beantragt habe. Er habe später keinen Kontakt mehr zum BF gehabt, weshalb er den Ausgang des Asylverfahrens nicht gekannt habe. Falls der BF aus der Schubhaft entlassen werde, könne der BF so lange bei ihm wohnen, bis der Zeuge dem BF eine Wohnung organisiert habe. Der Zeuge sei verheiratet, er habe eine Ehefrau. In der Zeit, in der sich der BF bei ihm aufhalte könne er sich auch an seiner Adresse melden. Dass der BF in der vom Zeugen organisierten Wohnung nicht gemeldet gewesen sei, wisse der Zeuge nicht, da er keinen Kontakt zum BF mehr gehabt habe. Der Zeuge könne seine Unterstützung anbieten, er wolle für den BF aber keine Verantwortung übernehmen. Er sei bereit, ihn finanziell zu unterstützen.

In der mündlichen Verhandlung wurde ein Freund des BF einvernommen, der im Wesentlichen angab, dass er den BF seit drei oder vier Jahren kenne, er treffe ihn seit ca. sechs Monaten jeden zweiten Tag, davor habe er den BF jedes Wochenende getroffen. Zusammengewohnt habe er mit dem BF bisher nicht. Wohnen könne der BF bei ihm nicht, er könne ihm aber helfen, eine Wohnung zu organisieren. Er habe bereits eine Unterkunft für ihn organisiert, ob der BF dort gemeldet gewesen sei, wisse er nicht. Vor sechs oder sieben Monaten habe er vom BF erfahren, dass sein Asylantrag abgelehnt worden sei.

13. Am 19.02.2020 stellte der BF einen Antrag auf schriftliche Ausfertigung des am 18.02.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang

Der unter I.1. bis I.13. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Der BF hat keine Dokumente vorgelegt, die seine Identität bestätigen, er gibt an ein Staatsangehöriger Ägyptens zu sein. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF leidet an keinen Krankheiten. Er nimmt Medikamente gegen Schlafstörung und als Magenschutz ein. Er ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wird seit 08.01.2020 in Schubhaft angehalten.

2.4. Bei der ägyptischen Vertretungsbehörde wurde am XXXX um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht die letzte Urgenz erfolgte am XXXX . Der nächste Termin einer Delegation der ägyptischen Vertretungsbehörde im PAZ XXXX findet am 20.02.2020 statt. Da an diesem Termin ausschließlich in Schubhaft angehaltene Fremde von der Botschaftsdelegation interviewt werden, erscheint eine Vorführung des BF an diesem Termin möglich. Die ägyptische Vertretungsbehörde stellt grundsätzlich Heimreisezertifikate aus, die Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF erscheint möglich.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Der BF hat in Italien unterschiedliche Identitätsdaten angegeben und seine Minderjährigkeit behauptet. Der BF tauchte in Italien unter und stellte dort keinen Antrag auf internationalen Schutz.

2.2. Der BF tauchte unmittelbar nach seiner unrechtmäßigen Einreise nach Österreich unter. Er entzog sich damit einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

2.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 21.02.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen. Dieser Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen. Zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft lag eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

2.4. Der BF hat durch Untertauchen seine Abschiebung erschwert, er verfügte zuletzt am 01.02.2019 über eine Meldeadresse, eine Zustelladresse hat er dem Bundesamt nicht bekannt gegeben.

2.5. Der BF machte widersprüchliche Angaben zu seinem Wohnsitz in Ägypten. In der Erstbefragung am 21.09.2016 gab er als Wohnadresse XXXX , XXXX , XXXX , Ägypten an. In der Einvernahme durch das Bundesamt am 06.02.2017 gab er als Heimatdorf XXXX , Bezirk XXXX in der Provinz XXXX , Ägypten an. Bei der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2020 gab er an, dass er aus der Stadt XXXX stamme.

2.6. Der BF stellte am 15.01.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag ausschließlich deshalb, um seine Abschiebung zu verzögern. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 30.01.2020 zurückgewiesen und neuerlich eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen. Der BF hat gegen diesen Bescheid Beschwerde erhoben, die Beschwerdevorlage ist beim Bundesverwaltungsgericht im Zeitpunkt der Entscheidung noch nicht eingelangt. Es liegt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. In Österreich befindet sich der Großcousin des BF, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt. Der BF wohnte bisher in Österreich nicht mit ihm zusammen. Der BF hatte vor Anordnung der Schubhaft zwei Mal Kontakt zu seinem Großcousin in Österreich. In der Schubhaft wird der BF von seinem Großcousin besucht. Über weitere Verwandte verfügt der BF in Österreich nicht.

4.2. Der BF verfügt in Österreich seit 6 Monaten über eine Freundin. Er wohnte bis jetzt nicht mit ihr in einem gemeinsamen Haushalt. Der BF konnte in der Einvernahme durch das Bundesamt am 08.01.2020 weder den vollständigen Namen noch das Geburtsdatum noch die Adresse seiner Freundin nennen. In der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2020 gab der BF an, dass er nur den Vornamen seiner Freundin kenne.

4.3. Der BF hat in Österreich soziale Kontakte.

4.4. Der BF verfügt über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz. Er hat die Möglichkeit, in der Wohnung seines Großcousins zumindest kurzfristig Unterkunft zu nehmen.

4.5. Der BF übte Gelegenheitsarbeiten - beispielsweise als Maroni-Verkäufer - aus. Bei seiner Festnahme am 08.01.2020 war er auf Arbeitssuche. Über Vermögen verfügt der BF nicht, ebensowenig über nennenswerte Bargeldbeträge.

4.6. Der BF war nach islamischem Ritus mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Seit der Scheidung Ende 2019 hatte der BF nur ein Mal Kontakt zum Sohn seiner ehemaligen Lebensgefährtin, da er nicht möchte, dass seine ehemalige Lebensgefährtin von seinen derzeitigen Problemen erfährt.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorliegenden Akt des Bundesamtes und in den Akt des Bundesverwaltungsgerichtes sowie aus dem vom BF im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnenen persönlichen Eindruck und der Aussage der in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Zeugen. Einsicht genommen wurde in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres, in das Grundversorgungs-Informationssystem sowie in das Zentrale Melderegister.

1. Zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Verfahrensakt des Bundesamtes und dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes. Diesen Feststellungen wurde in der Beschwerde nicht entgegengetreten.

2. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

2.1. Dass der BF keine Dokumente zum Nachweis seiner Identität vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den darin enthaltenen Niederschriften über die Einvernahmen bzw. Befragungen des BF. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 gab der BF an, dass er keine identitätsbezeugenden Dokumente besitzt. Dass er ägyptischer Staatsangehöriger ist wurde vom BF sowohl in seinen Asylverfahren als auch in der Beschwerdeverhandlung vom 18.02.2020 vorgebracht. Da der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab volljährig zu sein und überdies einräumte seine Minderjährigkeit in Italien nur zur Verbesserung seiner rechtlichen Position behauptet zu haben, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der BF volljährig ist. Anhaltspunkte dafür, dass der BF die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, sind im Verfahren nicht hervorgekommen. Da seine Anträge auf internationalen Schutz in Österreich abgewiesen bzw. zurückgewiesen wurden, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten. Dass der BF unbescholten ist ergibt sich aus dem Strafregister.

2.2. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des BF ergeben sich aus seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 sowie aus den von einer Landespolizeidirektion am 17.02.2020 vorgelegten Unterlagen den Gesundheitszustand des BF betreffend.

2.3. Dass der BF seit 08.01.2020 in Schubhaft angehalten wird ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei.

2.4. Aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Schreiben des Bundesamtes an die ägyptische Vertretungsbehörde ergibt sich, dass am XXXX um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den BF angesucht worden ist. Aus dem vom Bundesamt im Zuge der mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 vorgelegten Auszug aus der Dokumentation der Kommunikation des Bundesamtes mit der ägyptischen Vertretungsbehörde zur Erlangung eines Heimreisezertifikates ergibt sich, dass am XXXX die letzte Urgenz in diesem Verfahren stattfand. Die weiteren zum Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben des Vertreters des Bundesamtes in der Beschwerdeverhandlung vom 18.02.2020.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

3.1. Dass der BF in Italien unterschiedliche Identitätsdaten angegeben und seine Minderjährigkeit behauptet hat, ergibt sich aus dem von der italienischen Dublin-Behörde übermittelten Schreiben vom 18.10.2016. Vom BF wurde in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 eingeräumt, dass er in Italien seine Minderjährigkeit behauptet hat, um seine Rechtsposition zu verbessern. Dass er auch einen anderen Namen angegeben hat, bestritt er mit der Behauptung, dass dies falsch protokolliert worden sei und es sich dabei um den Namen seines Vaters handle. Dieser Verantwortung des BF kommt keine Glaubhaftigkeit zu, zumal der laut dem von der italienischen Dublin-Behörde übermittelten Schreiben sein Vorname ident mit dem in Österreich genannten aufscheint, anstelle des Familiennamens jedoch der Vorname seines Vaters genannt wurde. Da der BF eingeräumt hat, in Italien bewusst ein falsches Geburtsdatum angegeben zu haben, erscheint es nicht glaubhaft, dass er seinen richtigen Namen genannt hat, sondern hier ebenfalls eine falsche Angabe gemacht hat.

Dass der BF in Italien keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat ergibt sich aus dem im Zentralen Fremdenregister protokollierten Eurodac-Treffern, die lediglich eine erkennungsdienstliche Behandlung des BF in Italien dokumentieren. Auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF an, in Italien keinen Asylantrag gestellt zu haben.

Dass der BF in Italien untertauchte konnte insofern festgestellt werden, als er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung angab, dass er das Flüchtlingslager, in das er gebracht worden sei, verlassen habe, da er dort nicht habe bleiben wollen. Er sei danach zu Verwandten weitergereist und die italienischen Fremdenbehörden nicht gewusst haben, wo sich der BF befunden hat.

3.2. Dass der BF bereits unmittelbar nach seiner Einreise untertauchte, ergibt sich aus seiner Aussage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 18.02.2020. So gab er insbesondere an, dass er sich ca. 10 Monate in Österreich aufgehalten hat und in einer Wohnung wohnte, ohne sich behördlich zu melden, bevor er einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

3.3. Die Feststellungen zur mit Bescheid vom 12.02.2017 erlassenen und in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung beruhen auf der Einsichtnahme in den Verwaltungsakt. Dem diesbezüglichen Rückschein ist zu entnehmen, dass am 23.02.2017 die Zustellung versucht wurde und die Abholfrist am 24.02.2017 begonnen hat. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung gab der BF auch an, dass er zu diesem Zeitpunkt an seiner Meldeadresse gewohnt hat. Insgesamt konnte daher festgestellt werden, dass gegen den BF eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt.

3.4. Die Feststellungen zu den Meldedaten des BF ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister. Dass der BF untergetaucht ist um seine Abschiebung zu erschweren konnte auch deshalb festgestellt werden, da der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 angab, dass er seinen Wohnsitz zumindest zwei Mal wechselte, ohne eine Meldeadresse zu erlangen und dem Bundesamt auch keine Zustelladresse bekannt gegeben hat. Auch aus seiner Aussage in seiner Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2020, dass er mit seiner Ex-Frau nicht zum Standesamt gegangen sei, da er gewusst habe, dass er dort festgenommen werde, ergibt sich, dass er seinen Aufenthaltsort bewusst vor den österreichischen Fremdenbehörden verheimlicht hat.

3.5. Die Feststellungen zu den bisher vom BF gemachten unterschiedlichen Angaben zu seinem Herkunftsort in Ägypten beruhen auf einem Vergleich seiner Aussagen in der Erstbefragung vom 21.09.2016 und den Einvernahmen durch das Bundesamt am 06.02.2017 und 31.01.2020. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 nach dem Grund dieser unterschiedlichen Angaben befragt gab der BF lediglich an, dass vieles beim Bundesamt falsch protokolliert worden sei.

3.6. Dass der BF am 15.01.2020 im Stande der Schubhaft einen Asylfolgeantrag stellte ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Dass er diesen Antrag ausschließlich deshalb stellte, um seine Abschiebung zu verzögern, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Der BF hielt sich entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nach seiner Ausreise aus Ägypten mehrere Monate in Italien auf ohne einen Asylantrag zu stellen und tauchte dort unter. Auch nach seiner Einreise nach Österreich stellte er zunächst keinen Asylantrag sondern tauchte unter und stellte erst nach mehreren Monaten einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser wurde bereits im Februar 2017 rechtskräftig abgewiesen. Einen weiteren Asylantrag stellte der BF jedoch nicht, sondern tauchte wiederum unter. Erst während der Anhaltung in Schubhaft stellte der BF nach ca. einer Woche einen Asylfolgeantrag. Sowohl in der Erstbefragung am 15.01.2020 als auch in der Einvernahme durch das Bundesamt am 30.01.2020 brachte der BF ausschließlich Fluchtgründe vor, die er bereits in seinem ersten Asylverfahren vorgebracht hat. Auch eine Änderung seiner persönlichen Verhältnisse machte er dabei nicht geltend. Vielmehr gab er bei seiner Einvernahme am 30.01.2020 auf die Frage, ob er alles vorbringen konnte, an, dass er nicht in Schubhaft warten wolle. Auf die Frage, warum der BF den Folgeantrag erst in Schubhaft und nicht bereits früher gestellt hat, gab er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 an, dass er keine Zeit gehabt habe, um dies vorher zu machen. Befragt nach den Änderungen seit seinem Asylantrag im Jahr 2016 gab der BF an, dass sich in Ägypten vieles geändert habe, er aber nicht wisse was. Er habe aus der Schubhaft mit seiner Mutter telefoniert, da er es in der Schubhaft nicht mehr ausgehalten habe. Eine Änderung seiner Verhältnisse hat er auch in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020 trotz ausdrücklicher Nachfrage nicht vorgebracht.

In der mündlichen Verhandlung zu seinen Motiven der verzögerten Antragstellung befragt antwortete der BF nur oberflächlich und ausweichend, sodass auch der persönliche Eindruck gewonnen werden konnte, dass er den Asylfolgeantrag ausschließlich in Verzögerungsabsicht gestellt hat.

Da der BF somit weder neue Fluchtgründe noch eine Änderung in seinen persönlichen Verhältnissen vorgebracht hat und darüber hinaus mehrfach angab, dass er nicht in Schubhaft warten wolle bzw. es in Schubhaft nicht mehr ausgehalten habe, konnte die Feststellung getroffen werden, dass der Asylfolgeantrag ausschließlich in der Absicht gestellt wurde, die Abschiebung zu verzögern.

4. Zur sozialen und familiären Komponente

4.1. Die Feststellungen zum in Österreich lebenden Großcousin des BF ergeben sich aus den Angaben des BF sowie der Einvernahme dieses Großcousins als Zeugen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vom 18.01.2020.

4.2. Dass der BF in Österreich seit ca. 6 Monaten über eine Freundin verfügt und mit ihr noch nie in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat, ergibt sich aus seinen Angaben in der mündlichen Beschwerdeverhandlung. Dass er am 08.01.2020 und 30.01.2020 lediglich in der Lage war den Vornamen dieser Freundin zu nennen, ergibt sich aus den diesbezüglichen Einvernahmeprotokollen.

4.3. Dass der BF soziale Kontakte in Österreich hat ergibt sich aus seiner Aussage in der mündlichen Beschwerdeverhandlung und den Angaben eines als Zeugen einvernommenen Freundes des BF.

4.4. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der BF danach befragt, wo er nach seiner Entlassung Unterkunft nehmen könne. Dabei gab er an, dass er in der Wohnung seines Großcousins wohnen könne. Daraus ergibt sich, dass der BF über keinen eigenen gesicherten Wohnsitz verfügt. Dass er tatsächlich die Möglichkeit hat zumindest kurzfristig in der Wohnung seines Großcousins zu wohnen, ergibt sich aus der Aussage des in der mündlichen Verhandlung am 18.02.2020 als Zeugen einvernommenen Verwandten.

4.5. Die Feststellungen zur beruflichen Tätigkeit des BF sowie dazu, dass er sich am 08.01.2020 auf Arbeitssuche befunden hat, beruhen auf den Aussagen des BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung sowie der Aussage des dabei als Zeugen einvernommenen Freundes des BF. Dass der BF weder über Vermögen noch über Bargeld verfügt, gab er selbst im Rahmen der genannten Beschwerdeverhandlung an.

4.6. Die Feststellungen zur nach islamischen Ritus geschlossenen Ehe, der Scheidung und dem Kontakt zum Sohn seiner ehemaligen Lebensgefährtin beruhen auf der Aussage des BF im Rahmen der Beschwerdeverhandlung am 18.02.2020.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.1.3. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft bis 15.01.2020

3.1.3.1. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.1.3.2. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Abschiebung des BF im Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft war insofern zu rechnen, als bereits eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag und ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF eingeleitet worden war.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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