TE Lvwg Erkenntnis 2020/3/19 LVwG-M-22/001-2019, LVwG-M-22/002-2019

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Veröffentlicht am 19.03.2020
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Entscheidungsdatum

19.03.2020

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
SPG 1991 §33
SPG RichtlinienV 1993 §5 Abs2
SPG RichtlinienV 1993 §9 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Mag.Dr. Wessely, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von Herrn A, vertreten durch B KG, Rechtsanwälte in ***, betreffend eine Reihe von Handlungen von Organen der Bezirkshauptmannschaft Korneuburg bzw. der Landespolizeidirektion Niederösterreich am 7. Juli 2019 in ***, *** bzw. Polizeiinspektion ***,

I.       

zu Recht erkannt:

1.   Der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Versetzung von zwei bis vier Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht („Ohrfeigen“) in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Akt für rechtswidrig erklärt.

2.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch das Anlegen von Schließmitteln vom Ausspruch der Festnahme bis zur Ankunft auf der Polizeiinspektion ***, in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG abgewiesen.

3.   Die Beschwerde, dass durch die unterlassene Bekanntgabe der Dienstnummer die Richtlinienverordnung verletzt wurde, wird gemäß §§ 53 i.V.m. 28 Abs. 6 VwGVG abgewiesen und festgestellt, dass eine Verletzung des § 9 RLV nicht erfolgte.

4.   Der Beschwerde, durch die Anrede während der Amtshandlung per „Du“ sei die Richtlinienverordnung (RLV) verletzt worden, wird gemäß §§ 53 i.V.m. 28 Abs. 6 VwGVG Folge gegeben und festgestellt, dass durch die Handlung eine Verletzung des § 5 Abs. 2 RLV erfolgte.

5.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).

II.     den

Beschluss

gefasst:

1.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die Unterlassung der Information über die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson (des Vaters) zu seiner Vernehmung als Beschuldigter und die folglich unterbliebene Beiziehung derselben in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.

2.   Die Beschwerde, der Beschwerdeführer sei durch die unterlassene Bekanntgabe der Dienstnummer in seinen Rechten verletzt worden, wird gemäß § 28 Abs. 6 VwGVG zurückgewiesen.

3.   Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für Inneres) gemäß § 35 VwGVG (hinsichtlich der Spruchpunkte 4 und 5 i.V.m. § 53 VwGVG) i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517,
€ 3.376,60 (Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

4.   Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat dem Beschwerdeführer gemäß § 35 VwGVG i.V.m. der VwG-Aufwandsersatzverordnung, BGBl. II 2013/517,
€ 3.349,20 (Pauschaleingabegebühr; Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) binnen zwei Monaten ab Zustellung bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren (Fahrtkosten) wird abgewiesen.

5.   Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig (§ 25a VwGG).


Entscheidungsgründe:

I.       Mit folgendem Schriftsatz wandte sich der Beschwerdeführer an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich:

„Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Polizeiinspektion *** am 06.07.2019 in ***, ***, erhebt der Beschwerdeführer gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 und Art 132 Abs 2 B-VG binnen offener Frist nachstehende

Beschwerde

wegen Verletzung in verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten [].

Zum besseren Verständnis wird zunächst hinsichtlich des die unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt auslösenden Ereignisses folgendes ausgeführt: Der minderjährige Beschwerdeführer besuchte am 6. Juli 2019 gemeinsam mit Freunden eine Open-Air Veranstaltung auf dem Sportplatz in ***. Ein Freund des Beschwerdeführers, C, rempelte unabsichtlich einen unbekannten Festivalbesucher an. Dieser war offensichtlich alkoholisiert und rief ‚Du G`schissener, remple mich nochmal an, und du kassierst!‘. Wie sich im Nachhinein herausstellte, hieß dieser Junge D. Der Beschwerdeführer und einige seiner Freunde begaben sich hinzu und fragten nach, warum er ihren Freund beleidigt habe. Der Beschwerdeführer fragte den anderen Jungen ausdrücklich, warum er sich so abfällig über seinen Freund geäußert habe. Der andere Junge stänkerte weiter, sodass der Beschwerdeführer ihn aufforderte, dies zu unterlassen. Daraufhin gab der andere an: ‚Ich bin Österreicher, und was bist du?‘. Der Beschwerdeführer erklärte ihm, dass er Österreicher sei und die österreichische Staatsbürgerschaft besitze. Im Zuge dieser Erklärung kam D auf den Beschwerdeführer zu und versetzte ihm ohne ersichtlichen Grund eine Ohrfeige. Der Beschwerdeführer fragte ihn daraufhin wütend, was sein Problem sei. Daraufhin schlug der andere Junge noch einmal fester mit der flachen Hand gegen das Gesicht des Beschwerdeführers und bezeichnete ihn als ‚Hurensohn‘. Nach eigenen Angaben schlug sodann der Beschwerdeführer den anderen Jungen einmal ins Gesicht und in die Rippen. Sodann ließ der Beschwerdeführer von dem anderen ab.

Etwa zwei Stunden später verließ der Beschwerdeführer gemeinsam mit seinen Freunden das Veranstaltungsgelände und fuhr mit dem Shuttle-Bus nach ***. Mit ihm fuhren C, E, F und G. Um ungefähr 4:45 Uhr in der Früh hielt der Bus an der Haltestelle am *** in ***. Plötzlich stiegen vier Polizeibeamte in den Bus ein und fragten, ob sich im Bus ein ‚H‘ befinde. Da der Beschwerdeführer sich fürchtete, gab er auf Nachfrage eines Polizisten einen falschen Namen an. Die Beamten forderten den Beschwerdeführer dennoch auf, den Bus zu verlassen und sagten ihm, er solle alleine mitkommen. Die Freunde des Beschwerdeführers stiegen ebenfalls aus dem Bus aus, blieben aber aufgrund der Aufforderung der Polizisten in der Nähe des Busses stehen. Der Beschwerdeführer wurde von den vier anwesenden Polizeibeamten in die angrenzende *** gebracht und mit dem Rücken zu einer Auslagenscheibe eines Geschäftes platziert. Einer der Beamten forderte den Beschwerdeführer auf, die Wahrheit zu sagen, woraufhin der Beschwerdeführer angab, dass er H heiße. Der Beamte, welcher unmittelbar vor dem Beschwerdeführer stand, holte plötzlich mit der rechten Hand aus und schlug ihn insgesamt vier Mal mit der flachen Hand ins Gesicht. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass diese Schläge ohne erkennbaren Grund und auch ohne Widerstand des Beschwerdeführers erfolgten. Der minderjährige Beschwerdeführer wehrte sich nicht, sondern hatte Angst und war geschockt.

Zwei unbeteiligte Zeugen dürften den Vorfall beobachtet haben und den Beamten zugerufen haben, dass sie dies nicht tun dürften. Der Beamte, welcher den Beschwerdeführer schlug, gab nach den ersten zwei Schlägen an ‚Und noch eine, und noch eine! und schlug noch zweimal zu. Auch die Freunde des Beschwerdeführers wurden durch das Rufen der Zeugen auf die Situation aufmerksam und liefen in die ***, wobei sie die letzten beiden Schläge in das Gesicht des Beschwerdeführers beobachten konnten. Die Freunde sagten zu dem Beamten, dass er den Beschwerdeführer nicht schlagen dürfe. Daraufhin nahm der Beamte den Beschwerdeführer plötzlich in den Schwitzkasten. Der Beschwerdeführer wehrte sich aus Angst reflexartig dagegen und versuchte, sich loszureißen. Als der Beamte dem Beschwerdeführer sagte, dass er ihn festnehmen wolle, streckte der Beschwerdeführer ohne Weiteres dem Beamten seine Hände entgegen. Der Beamte legte daraufhin Handschellen an. Die vier Beamten führten sodann den mit nach vorne gefesselten Händen fixierten Beschwerdeführer zum Dienstwagen, setzten ihn auf die Rückbank und fuhren zur Polizeistation.

Es ist darauf hinzuweisen, dass der minderjährige Beschwerdeführer alleine war und ihm auch nicht die Möglichkeit gegeben wurde, seinen Vater anzurufen. Die Handschellen wurden dem Beschwerdeführer erst in der Polizeistation wieder abgenommen, dann wurde er ohne vorhandene Vertrauensperson zum Sachverhalt befragt.

Erst in der Polizeistation behauptete der eine Beamte plötzlich, der Beschwerdeführer habe ihn gestoßen und deswegen habe der Beamte ihn geschlagen.

Der Beschwerdeführer gab bereits in seiner ersten Vernehmung an, Kopfschmerzen zu haben. Der Vater des Beschwerdeführers wurde erst ungefähr ein bis zwei Stunden später unterrichtet und fuhr daraufhin umgehend in die Polizeistation. Als er seinen Sohn sah, bemerkte er umgehend, dass die Wangen gerötet und geschwollen waren. Daher fragte der Vater den Beschwerdeführer, ob man ihn geschlagen habe. Bevor der Beschwerdeführer antworten konnte, gab einer der Beamten an, dass er ihn geschlagen habe.

Der Beschwerdeführer war bis ungefähr 9:00 Uhr auf der Polizeistation und wurde dann entlassen, um in das Landesklinikum *** fahren zu können, da er starke Kopfschmerzen hatte. In den Tagen nach diesem Vorfall litt er weiterhin unter Kopfschmerzen, zudem hat er Angstzustände wenn er alleine auf der Straße geht und Polizeiautos oder Polizeibeamte sieht. Insbesondere traut er sich nicht, alleine am Bahnhof, welcher sich in der Nähe der gegenständlichen Polizeistation befindet, vorbeizugehen.

Aus unerklärlichen Gründen rief einige Tage nach dem Vorfall auch ein Polizeibeamter beim Arbeitgeber des Beschwerdeführers an und fragte nach dem Beschwerdeführer.

Es ist darauf hinzuweisen, dass dem Beschwerdeführer trotz Ersuchens um Übermittlung einer Aktenabschrift am 16. Juli 2019 und mehrmaliger Urgenz noch immer keine Aktenkopie übermittelt wurde. Es ist dem Beschwerdeführer daher auch nicht bekannt, wie der Verfahrensstand ist und ob die beiden unbeteiligten Zeugen einvernommen wurden oder nicht.

II. Zulässigkeit:

- Verletzung in Rechten durch Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt:

Sowohl die vier Schläge in das Gesicht des minderjährigen Beschwerdeführers, als auch das Anlegen der Handschellen, verletzten den Beschwerdeführer in seinen verfassungs- und einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten. Die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt ist evident, da seitens der Polizeiorgane von der Erteilung eines Befehles mit unverzüglichem Befolgungsanspruch auszugehen ist. Somit drohte dem Beschwerdeführer auch die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung des Befehles bzw. hatte er physischen Zwang bereits durch die Ohrfeigen und auch durch das Anlegen der Handschellen und das in den ‚Schwitzkasten nehmen, erlitten. []

III.    Gründe für die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte:

Es ist darauf hinzuweisen, dass die Voraussetzungen für eine Festnahme und insbesondere für das Anlegen der Handschellen jedenfalls nicht vorlagen. Die Festnahme und das Anlegen der Handschellen waren im gegenständlichen Fall offensichtlich unverhältnismäßig! Die Voraussetzungen des § 35 VStG lagen jedenfalls nicht vor, da der Beschwerdeführer seine Identität bekanntgab und sich auch ausweisen hätte können. Er leistete auch keinen Widerstand und folgte den Beamten ohne Weiteres aus dem Bus und auch in die ***. Unverständlich ist, zu welchem legalen Zweck die Beamten den Jugendlichen überhaupt in die *** verbracht haben. Der Beschwerdeführer wäre den Beamten auch genauso auf die Polizeistation gefolgt, eine Festnahme und insbesondere das Anlegen von Handschellen wären nicht erforderlich gewesen. Die Beamten haben die Grenzen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls überschritten, zumal es sich bei dem Beschwerdeführer um einen Jugendlichen handelt, für welchen umso sensiblere Vorschriften gelten. Im Übrigen hätte umgehend ohne unnötigen Aufschub ein Erziehungsberechtigter des Beschwerdeführers verständigt werden müssen, was nicht geschehen ist! Die Festnahme und das Anlegen der Handschellen ist daher in keiner Weise nachvollziehbar und war nicht gerechtfertigt.

Auch die Schläge in das Gesicht des Jugendlichen entsprechen der Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt und waren jedenfalls nicht verhältnismäßig!

Der Beschwerdeführer ist sämtlichen Aufforderungen der Beamten nachgekommen und hat keinen Widerstand geleistet. Insbesondere hat er sich nicht körperlich zur Wehr gesetzt, sodass Schläge jedweder Art, aber insbesondere ins Gesicht zu keinem Zeitpunkt gerechtfertigt waren! Es ist auch darauf hinzuweisen, dass der Beamte offensichtlich Spaß dabei gehabt haben dürfte, den jungen Beschwerdeführer körperlich zu misshandeln. Die von mehreren Zeugen bestätigte Aussage ‚Und noch eine, und noch eine!‘ lässt auf ein gehässiges Motiv schließen. Eine solche Vorgehensweise kann nie dem Zwecke einer korrekten Amtshandlung entsprechen und ist aufs Schärfste zurückzuweisen. Insbesondere ist noch einmal hervorzuheben, dass es sich bei dem Beschwerdeführer um einen unbescholtenen Jugendlichen handelt, welcher gegenüber den Beamten auch keine Probleme gemacht hat. Im Übrigen ist davon auszugehen, dass vier erwachsene Polizeibeamte einem einzelnen Jugendlichen derart körperlich überlegen sind, dass keine der gesetzten Maßnahmen erforderlich war.

Die von den Sicherheitsorganen gesetzten Maßnahmen im Zusammenhang mit der Identitätsfeststellung und der Festnahme finden keine Deckung in den gesetzlichen Vorschriften. Insbesondere ist die Art und Weise der Maßnahme, nämlich bewusst unbeobachtet und in einer abgelegenen ***, jedenfalls nicht verhältnismäßig gewesen.

Es ist im Weiteren gelinderen Mitteln der Vorzug zu geben und die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Die anwesenden Polizisten hätten jedenfalls als gelinderes Mittel zuerst eine Aufforderung gegenüber dem Beschwerdeführer aussprechen können und müssen, den Ausweis vorzuzeigen bzw. auf die nächstgelegene Polizeistation zu folgen. Des Weiteren hätten sie umgehend einen Erziehungsberechtigten kontaktieren müssen. Insbesondere ist nicht einzusehen, dass der Beschwerdeführer zur Seite in eine abgelegene *** gebracht wurde und ohne Vorwarnung ins Gesicht geschlagen wurde, sowie sodann festgenommen und mit Handschellen abtransportiert und in weiterer Folge mehrere Stunden alleine festgehalten wurde.

Gemäß § 30 SPG ist dem Betroffenen auch jedenfalls die Dienstnummer bekanntzugeben und muss eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu den Vorwürfen gegeben werden. Bis heute sind dem Beschwerdeführer die Dienstnummern der einschreitenden Polizisten nicht bekannt.

Es wurden daher jedenfalls subjektiv-öffentliche Rechte der Beschwerdeführer iSd §§ 35 und 36 und § 39a VStG durch das Vorgehen der Polizeiorgane verletzt. Die ungerechtfertigte Festnahme verletzt auch das Recht auf persönliche Freiheit, welches verfassungsrechtlich gewährleistet ist.

Unter einem wird auch eine Verletzung der Richtlinien-Verordnung (Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden) geltend gemacht. Insbesondere wurde der Betroffene nicht mit ‚Sie‘ angesprochen und kam es zu herablassenden Äußerungen gegenüber dem Beschwerdeführer (Verstoß gegen § 5 (1) RLV). Die Dienstnummer wurde den Betroffenen nicht bekanntgegeben, sodass ein Verstoß gegen § 9 RLV vorliegt.

Der Beschwerdeführer wurde durch die Schläge in seinem verfassungsrechtlich gewährleisteten Recht auf körperliche Unversehrtheit gemäß Art 3 der europäischen Grundrechtecharta verletzt. []

Die Beschwerdeführer verbinden daher mit der Maßnahmenbeschwerde auch eine Aufsichtsbeschwerde gemäß § 89 SPG iVm § 31 Abs 1 SPG und regen an, die Sache an die zuständige Dienstaufsichtsbehörde zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde weiterzuleiten. []“

Mit Schriftsatz vom 18. September 2019 bestätigte der Beschwerdeführer, dass es sich beim ursprünglich eingebrachten Beschwerdeschriftsatz auch um eine Beschwerde nach § 89 SPG handle.

Näherhin sei „durch die Behandlung des Beschwerdeführers, nämlich die Ohrfeigen und das schon nahezu gehässige Mitzählen dieser Ohrfeigen durch den Polizeibeamten von der Verletzung dieser Richtlinien auszugehen.

Im Übrigen wurden weder dem Beschwerdeführer noch dessen Vater die Dienstnummern der einschreitenden Beamten bekanntgegeben.

Des Weiteren wurde der minderjährige Beschwerdeführer in keiner Weise auf die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson, insbesondere seines gesetzlichen Vertreters, hingewiesen, sondern stattdessen mehrere Stunden alleine auf der Polizeistation angehalten. Des Weiteren wurde der Beschwerdeführer von den Beamten mit ‚Du‘ angesprochen.

Es wird auch darauf hingewiesen, dass eine Dokumentation iSd § 10 RLV nicht erfolgt ist. Insbesondere wurden die Daten der beiden unbeteiligten Zeugen, deren Anwesenheit sich aus den übereinstimmenden Zeugenaussagen des Beschwerdeführers und der anderen Zeugen, entnehmen lässt, nicht festgehalten und wurden diese Personen nicht zu ihren Wahrnehmungen einvernommen. Für den Beschwerdeführer bestand nach seiner Entlassung von der Polizeistation nachträglich keine Möglichkeit mehr, diese Zeugen ausfindig zu machen.

Es ist jedenfalls von einer Verletzung der §§ 5, 6, 8, 9 und 10 der RLV auszugehen.“

In der öffentlichen mündlichen Verhandlung präzisierte der Beschwerdeführer, dass sich die Beschwerde konkret gegen

1.   die Versetzung von Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht („Ohrfeigen“),

2.   die Verwendung von Schließmitteln nach Ausspruch der Festnahme,

3.   die Unterlassung der Information, zur Vernehmung eine Vertrauensperson (den Vater) beizuziehen, und als Folge daraus die Unterlassung der Beiziehung einer Vertrauensperson (des Vaters) bei der Vernehmung,

4.   die unterlassene Bekanntgabe der Dienstnummer (diese wird im verfahrenseinleitenden Antrag sowohl unter Bezugnahme auf § 30 SPG als auch auf § 9 RLV releviert) und

5.   die Anrede während der Amtshandlung per „Du“

richte. Die weiteren Ausführungen in den Schriftsätzen dienten nur der Veranschaulichung der Umstände.

II.      In ihrer Gegenschrift trat dem die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Korneuburg) entgegen, indem sie ausführte, dass die Polizei in den frühen Morgenstunden des 7. Juli 2019 vom Verdacht der Begehung einer Körperverletzung verständigt worden sei. Dabei sei von einem Zeugen eine näher beschriebene Person mit Vornamen „H“ als Verdächtiger bezeichnet worden. Um 04.29 Uhr habe ein weiterer Zeuge die Polizei verständigt, dass der Gesuchte im Shuttle-Bus Richtung *** gesessen sei. Um 04.50 Uhr habe der Shuttle-Bus am *** in *** angehalten und hätten ihn vier Beamte betreten, wobei sie nach einer Person namens „H“ gefragt hätten. Zumal die Beschreibung der gesuchten Person auf den Beschwerdeführer gepasst hätte, habe ihn der Zeuge I angesprochen, worauf der Beschwerdeführer sich als J zu erkennen gegeben habe. Er habe angegeben, keinen Ausweis bei sich zu haben. Nach Rückfrage bei einem im Bus anwesenden Zeugen der Vorfälle in *** habe man den Beschwerdeführer nochmals angesprochen und sei er bei seiner falschen Identität mit Geburtsdatum *** und einer falschen, mehrmals anders genannten Wohnadresse in *** geblieben. Seinen Ausweis habe er verloren bzw. sei er ihm gestohlen worden. Der Zeuge I habe den Beschwerdeführer, der ihm unbekannt gewesen und glaubwürdig der Täterschaft beschuldigt worden sei, aufgefordert, den Autobus zu verlassen, um eine Identitätsfeststellung nach § 118 StPO durchzuführen. Der Aufforderung habe der Beschwerdeführer entsprochen und seien auch weitere Personen, spätere Zeugen, ausgestiegen. Um ungestört vom Trubel der ausgestiegenen Passagiere zu sein und zur Wahrung der persönlichen und schutzwürdigen Interessen des Beschwerdeführers gegenüber anderen Personen habe er ihn aufgefordert, in die *** zu gehen. Auch dem habe der Beschwerdeführer entsprochen, wobei die Zeugen K, L und M gefolgt seien. Der Beschwerdeführer sei nochmals aufgefordert worden, die Wahrheit zu sagen und habe er sich als der Gesuchte zu erkennen gegeben. In der *** selbst sei der Zeuge I während der Identitätsfeststellung direkt und dicht vor dem Beschwerdeführer gestanden. Plötzlich und für den Zeugen völlig überraschend habe sich der Beschwerdeführer mit dem Oberkörper/Brustkorb gegen den Brustbereich des Zeugen bewegt, sodass es zum Kontakt zwischen den Personen gekommen sei und der Zeuge einen Schritt habe zurückweichen müssen. Für den Zeugen habe es den Anschein gehabt, als wolle ihn der Beschwerdeführer attackieren und habe er als unmittelbare Reaktion beide Hände reflexartig in Richtung des Oberkörpers des Beschwerdeführers bewegt, wobei er ihn im Gesichtsbereich getroffen haben dürfte. Etwa zeitgleich habe auch der Beschwerdeführer seine Hände gehoben, sodass für den Zeugen der Eindruck eines neuerlichen Angriffs entstanden wäre. Um den Beschwerdeführer auf Distanz zu halten, sei eine weitere Abwehrbewegung durchgeführt worden, die den Beschwerdeführer abermals im Bereich Hals/Gesicht berührt habe. Darauf habe sich der Beschwerdeführer vom Zeugen abgewandt, wegzulaufen versucht und lauthals geschrien, dass der Zeuge als Polizist ihn (den Beschwerdeführer) nicht schlagen dürfe und der Beschwerdeführer den Zeugen anzeigen werde. Der Beschwerdeführer habe sich zu entfernen versucht, sei vom Zeugen I festgehalten und in der Folge festgenommen worden. Um 04.52 Uhr habe der Zeuge N über den Polizeinotruf Anzeige erstattet, dass in *** Polizisten einem Unschuldigen vier bis fünf Ohrfeigen gegeben hätten, obwohl dieser nichts getan habe. Er sei davon ausgegangen, dass es sich beim Betroffenen um „O“ gehandelt habe. Um 04.50 Uhr sei der Beschwerdeführer gemäß §§ 171 Abs. 2 i.V.m. 170 Abs. 1 Z 1 StPO festgenommen worden, wobei bei der Festnahme die unbedingt notwendige Körperkraft angewandt und Schließmittel aus Gründen der Eigensicherung angelegt worden seien. Um 05.50 Uhr sei die Verständigung der Vertrauensperson und des Erziehungsberechtigten erfolgt. Die erste Vernehmung des Beschwerdeführers sei um 05.08 Uhr erfolgt, zumal er zu diesem Zeitpunkt auf die Beiziehung eines Erziehungsberechtigten verzichtet habe und die Vernehmung lediglich zum Sachverhalt der Körperverletzung in *** stattgefunden habe. Eine Dienstnummer sei von den einschreitenden Beamten nie verlangt worden, die Ansprache sei zwischendurch möglicherweise per „Du“ erfolgt, dies aber nicht in herablassender Weise.

III.    In ihrer Erledigung vom 26. September 2019, ***, teilte die Landespolizeidirektion NÖ dem Beschwerdeführer mit, dass eine Verletzung der Richtlinienverordnung (RLV) nicht stattgefunden habe. Die Ansprache des Jugendlichen sei den Umständen des Einschreitens entsprechend in höflicher Form und in keiner Weise herablassend erfolgt. Der Beschwerdeführer sei über seine Rechte im vorgesehenen Ausmaß belehrt worden. Eine Dienstnummer sei während der gesamten Amtshandlung nicht verlangt worden. Mit Schreiben vom 11. Oktober 2019 beantragte der Beschwerdeführer, die Sache dem Landesverwaltungsgericht NÖ vorzulegen.

IV.     Gegenüber der Kriminalpolizei und in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht NÖ schilderte der Beschwerdeführer im Wesentlichen wie in seiner Beschwerde. Dass er A sei, habe er erstmals gesagt, als er aus dem Bus ausgestiegen sei. Er habe sich in der *** weder auf den Zeugen I zubewegt noch ihm einen „Rempler“ versetzt. Vielmehr habe er eine Ohrfeige bekommen, nachdem er zugegeben habe, der gesuchte „H“ zu sein. Der Beschwerdeführer habe die *** dann Richtung *** verlassen wollen, wobei er festgehalten und geschlossen worden sei. Die Schließmittel seien ihm auf der Polizeiinspektion wieder abgenommen worden. Vor der ersten Vernehmung sei er zwar nach dem Alter und den Namen seiner Eltern gefragt, nicht jedoch darüber informiert worden, diese verständigen zu können. Demnach sei der Vater auch erst bei der zweiten Vernehmung anwesend gewesen, wobei er da auf diese Möglichkeit hingewiesen worden sei. Während der Amtshandlung sei er per „Du“ angesprochen worden und habe der Zeuge I – entgegen seinen Ausführungen – auch nicht gefragt, ob er den Beschwerdeführer duzen dürfe. Nach der Dienstnummer habe sich der Beschwerdeführer nicht erkundigt.

Der Zeuge I schilderte der Kriminalpolizei und dem Landesverwaltungsgericht NÖ gegenüber, den Funkverkehr zwischen der „BLS ***“ und der Streife „*** – Sektor“ im Zusammenhang mit den Vorkommnissen in *** mitgehört zu haben. Am *** in *** habe er den Bus betreten und lautstark nach einer Person namens „H“ gefragt. Er habe danach, als sich niemand gemeldet habe, gesagt, dass diese im Zusammenhang mit einer Körperverletzung gesucht würde. Nachdem er eine nähere Personenbeschreibung erhalten habe, sei er auf den Beschwerdeführer zugegangen, der sich jedoch als J ausgegeben hätte. Nachdem die Person von einem Tatzeugen als Verdächtiger identifiziert worden sei, gleichwohl aber darauf beharrt habe, nicht der Gesuchte, sondern Herr J zu sein, habe er ihn zum Aussteigen aufgefordert und sei, um ungestört vom Trubel der aussteigenden Passagiere zu sein, mit ihm zwecks Identitätsfeststellung in die dort befindliche *** gegangen. Mit entschiedenem Ton habe der Zeuge den Beschwerdeführer zur Bekanntgabe seiner wahren Identität aufgefordert und sei dabei „unmittelbar direkt und dicht“ vor diesem gestanden. Plötzlich und für ihn überraschend habe sich der Jugendliche mit seinem Oberkörper/Brustkorb gegen den Brustkorb des Zeugen bewegt, sodass es zu einem Kontakt mit ihm gekommen sei und dieser durch den gegen ihn ausgeübten Druck einen Schritt habe zurückweichen müssen. Da es für ihn den Anschein gehabt habe, der Beschwerdeführer wolle ihn attackieren bzw. stoßen, habe er reflexartig eine Abwehrbewegung in Richtung desselben gesetzt, wobei er mit beiden Händen auf den Oberkörper desselben eingewirkt habe. Dabei dürfte er den Gesichtsbereich getroffen haben. Fast zeitgleich habe der Beschwerdeführer beide Hände gehoben, sodass beim Zeugen der Eindruck eines neuerlichen Angriffs entstanden sei. Er habe versucht sich auf Distanz zu bringen und eine weitere Abwehrhandlung gesetzt, indem er versucht habe, die Hände zu blockieren. Dabei habe er wahrscheinlich neuerlich den Bereich Hals/Gesicht berührt. Der Beschwerdeführer habe sich abgewandt und wegzulaufen versucht, habe dabei lauthals geschrien und angekündigt, den Zeugen anzuzeigen. Der Fluchtversuch sei vom Zeugen nach wenigen Metern beendet worden und habe dieser um 04.50 Uhr die Festnahme „wegen Fluchtgefahr und Identitätsmangel“ ausgesprochen. Er habe den Beschwerdeführer aus Gründen der Eigensicherung vorne geschlossen, weil es zuvor schon einen Angriff gegeben habe. Schließlich sei der Beschwerdeführer zur Polizeiinspektion verbracht worden, wo er nach „intensiver Befragung“ den Familiennamen preisgegeben habe. Ein konkretes Geburtsdatum habe er nicht genannt. Aufgrund einer phonetischen Anfrage im ZMR habe der Zeuge ein Ergebnis erhalten, die ihm eine IDR-Anfrage ermöglicht habe. Dabei habe festgestellt werden können, dass es sich beim Beschwerdeführer um A gehandelt habe. Schließlich habe der Zeuge erheben können, dass A im Bus seine Bauchtasche dem Zeugen G zugeworfen habe, der außerhalb der Polizeiinspektion gewartet habe. Der Zeuge I habe den Zeugen G aufgefordert, die Bauchtasche herauszugeben und hätten sich dort der Schülerausweis, das Smartphone und ein geldbörsenartiges Etui des Beschwerdeführers befunden. In der Folge hätte auch die Möglichkeit bestanden, den Erziehungsberechtigten zu verständigen. Daran, ob der Beschwerdeführer während der Amtshandlung nach der Dienstnummer gefragt habe, könne sich der Zeuge nicht erinnern. Während der Amtshandlung habe der Zeuge den Beschwerdeführer zunächst nicht geduzt. Erst auf der Polizeiinspektion habe der Zeuge zu ihm gemeint, dass er altersmäßig sein Vater sein könne, und habe ihn gefragt, ob er in duzen dürfe. Dieser habe eingewilligt. Der Vater des Beschwerdeführers sei zunächst nicht verständigt worden, da die Identität des Beschwerdeführers unbekannt gewesen sei. Erst nachdem der Zeuge G die Tasche des Beschwerdeführers herausgegeben habe, sei dieser aufgefordert worden, seinen Vater zu kontaktieren.

 

Die Zeugen L und M gaben an, in der *** ein oder zwei Schritte seitlich versetzt hinter dem Zeugen I gestanden zu sein. Der Abstand zwischen dem Zeugen I und dem Beschwerdeführer habe zunächst ca. eine Armlänge betragen. Plötzlich – als der Zeuge L gerade Notizen (insbesondere zum Namen des Beschwerdeführers) gemacht habe – sei ein „Gerangel“ losgegangen, wobei er nicht sagen könne, wie es begonnen habe. Der Beschwerdeführer und der Zeuge I seien Körper an Körper gestanden und habe Letzterer mit seinen Händen gegen den Beschwerdeführer gewirkt. Inzwischen wären andere Jugendliche in die *** nachgekommen und hätten sich offensichtlich in die Amtshandlung einmischen wollen, sodass sich die beiden Zeugen diesen Personen zugewandt hätten, um sie von Störungen der Amtshandlung abzuhalten. Der Beschwerdeführer habe sich zu entfernen versucht, sei vom Zeugen I festgehalten worden. Die Identität des Beschwerdeführers habe erst auf der Polizeiinspektion geklärt werden können. Als nach dem Auffinden seiner Tasche die Identität bekannt geworden wäre, habe man dem Beschwerdeführer auch seinen Vater verständigen lassen. Während der Erstvernehmung sei jedoch keine Vertrauensperson anwesend gewesen. Dem Zeugen M zufolge sei der Beschwerdeführer zwar gefragt worden, ob er die Beiziehung einer solchen wünsche, habe dies jedoch verneint.

Der Zeuge K gab an, zunächst mit Blickrichtung zum Beschwerdeführer in der *** gestanden zu sein. Plötzlich hätten insgesamt glaublich sechs Jugendliche vom *** her in die *** gedrängt und habe er sich den Jugendlichen zugewandt, um die Situation zu deeskalieren und ihnen mitzuteilen, dass diese die Amtshandlung nicht stören sollen. Auf einmal habe ein Jugendlicher gerufen, dass das so nicht gehe und der Beschwerdeführer nicht geohrfeigt werden dürfe. Der Zeuge K habe hinter sich tumultartige Geräusche gehört, sei aber damit beschäftigt gewesen, die zahlreichen Jugendlichen an der Störung der Amtshandlung zu hindern.

Der Zeuge E gab an, gemeinsam mit den Zeugen C, G und F auf einer Bank nächst dem Eingang zur *** gesessen zu sein. Zwei weitere ihm unbekannte Personen seien ebenso aus dem Bus gestiegen und habe einer der beiden gesagt, dass die Polizei dem Beschwerdeführer keine Ohrfeigen geben dürfe. Der Zeuge selbst habe zwei Ohrfeigen gehört, sei zum Eingang der *** gegangen und habe gesehen, wie der Beamte den Beschwerdeführer zwei weitere Ohrfeigen gegeben habe. Davor habe er keine eigenen Wahrnehmungen von den Vorfällen in der *** gehabt.

Der Zeuge G hielt fest, dass mit den Freunden auch zwei fremde Personen aus dem Bus gestiegen seien. Plötzlich habe er ein „Klatschen“ gehört und einer der beiden fremden Personen habe gesagt, dass sie ihn (nämlich den Beschwerdeführer) nicht schlagen dürfen. Er habe in die *** geblickt und dabei wahrgenommen, wie ein Polizist dem Beschwerdeführer mehrere Ohrfeigen gegeben und dies auch kommentiert habe. Konkret habe er unter anderem sinngemäß gemeint „auf einmal bist du der H“. Der Abstand zwischen dem Beschwerdeführer und dem Beamten sei rund eine Armlänge gewesen. Der Zeuge und seine Freunde hätten darauf gesagt, dass der Polizist das nicht dürfe. Dieser habe sich dahingehend gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer ihn zuvor gestoßen habe. Als der Beschwerdeführer zum Beamten gemeint habe, in anzeigen zu wollen, sei dieser hinter dem Beschwerdeführer her und habe ihm Schließmittel angelegt.

Der Zeuge F hielt fest, sich zunächst im Bereich des *** mit den anderen Freunden unterhalten, nicht aber in die *** hineingeschaut zu haben. Dann habe er ein „Klatschen“ gehört, wobei der Zeuge N gesagt habe, dass die Polizei ihn (den Beschwerdeführer) nicht schlagen dürfe. Er sei zum Eingang der *** gelaufen und habe gesehen, wie der Polizist den Beschwerdeführer mit der linken Hand festgehalten hat und mit der rechten flachen Hand Ohrfeigen versetzt habe. Danach habe sich der Beschwerdeführer losgerissen und gesagt, dass er das anzeigen werde. Man habe ihn bis zum Eingang der *** gebracht, Schließmittel angelegt und danach zur Polizeiinspektion verbracht. Ein beim Eingang zur *** stehender Beamter habe gemeint, so etwas auch zum ersten Mal gesehen zu haben.

Der Zeuge C gab an, zunächst mit den Freunden auf der Bank bei der Bushaltestelle sitzen geblieben zu sein. Als eine weitere Person gesagt habe „das dürfen Sie nicht machen“, sei er zum Eingang der *** gegangen und habe dort gesehen, wie ein Polizist dem Beschwerdeführer Ohrfeigen versetzt habe. Der Abstand zwischen dem Beschwerdeführer und dem Polizisten habe etwa eine Armlänge betragen. Als der Zeuge den Polizisten insoweit zur Rede gestellt habe, habe dieser darauf verwiesen, vorher gestoßen worden zu sein. Nach Ausspruch der Festnahme habe der Beschwerdeführer dem Polizisten die Hände hingehalten und sich die Schließmittel anlegen lassen.

Der Zeuge N gab an, auf dem *** zunächst im Bereich des Eingangs zur *** mit dem Rücken zu dieser gestanden zu sein. Als es hinter ihm lauter geworden sei, habe er sich umgedreht und dabei gesehen, wie ein Polizist den Beschwerdeführer von sich weggestoßen habe. Danach habe er ihm Ohrfeigen versetzt. Als der Beschwerdeführer gesagt habe, den Polizisten anzeigen zu wollen und sich Richtung Ausgang der *** bewegt habe, sei er vom Polizisten kurz in den Schwitzkasten genommen und danach geschlossen worden. Richtig sei, dass der Zeuge den Polizeinotruf verständigt habe, zumal er zunächst (wenn auch nicht mehr bei Verständigung des Notrufs) davon ausgegangen sei, dass der Beschwerdeführer nicht der gesuchte „H“, sondern „O“ sei. Der Zeuge sei im Zeitpunkt des Anrufs „geschockt und betrunken“ gewesen und habe den Beschwerdeführer nicht gekannt.

Der Zeuge P gab der Kriminalpolizei gegenüber an, die betroffenen Personen nicht zu kennen. Am *** habe er nichts gesehen, er habe es nur „Klatschen“ gehört und habe den Zeugen N ersucht, die Polizei zu verständigen. Danach sei er weggegangen.

V.       Aufgrund der erhobenen Beweise, nämlich der Einsichtnahme in den Akt der Staatsanwaltschaft *** zur Zahl ***, der Vernehmung des Beschwerdeführers und der obgenannten Zeugen sieht das Landesverwaltungsgericht NÖ folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der Beschwerdeführer stand im Verdacht am 7. Juli 2019 in *** eine Körperverletzung begangen zu haben, wobei der Polizei zunächst neben dem Vornamen des Verdächtigen („H“) lediglich eine Personsbeschreibung zur Verfügung stand. Im Hinblick auf weitere Informationen betraten insgesamt 4 Beamte in den frühen Morgenstunden des 7. Juli 2019 den von *** nach *** fahrenden Shuttle-Bus im Bereich des *** in *** und fragten im Zusammenhang mit der Körperverletzung nach einem „H“. Nachdem die Personsbeschreibung auf den Beschwerdeführer zutraf, wandte sich der Zeuge I zunächst an diesen, der jedoch unter Angabe einer anderen Identität leugnete, der Gesuchte zu sein. Weiters gab er an, keine Ausweispapiere bei sich zu haben. Nach einer Identifizierung durch einen ebenso im Bus anwesenden Tatzeugen wurde der Beschwerdeführer vom Zeugen I aufgefordert, den Bus zu verlassen. Ihm gleich taten es die Zeugen E, G, F, C, N und P. Um die Amtshandlung, nämlich die Identitätsfeststellung, ungestört durchführen zu können, wurde der Beschwerdeführer vom Zeugen I aufgefordert, in die *** mitzugehen. Dort stand der Zeuge I dem Beschwerdeführer gegenüber, wobei sich der Abstand zwischen den genannten Personen im Zuge des Gesprächs von einer Armlänge sukzessive bis auf eine geringe Distanz von wenigen Zentimetern verkleinerte. In weiterer Folge machte der Beschwerdeführer eine Bewegung auf den Zeugen zu, sodass dieser davon ausging, dass ihn der Beschwerdeführer stoßen wolle. Daraufhin wirkte er

mit den Armen auf den Körper des Beschwerdeführers, um Abstand zu gewinnen. Dadurch betrug die Distanz zwischen den Genannten wiederum eine Armlänge. In der Folge deutete der Zeuge I neuerlich eine Handbewegung des Beschwerdeführers als drohenden Angriff und versetzte diesem daraufhin zwei bis vier Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht. Der Beschwerdeführer teilte dem Zeugen I daraufhin mit, ihn anzeigen zu werden und bewegte sich an diesem vorbei Richtung ***, um die *** zu verlassen. Daraufhin erfasste der Zeuge I die Hand des Beschwerdeführers, fixierte diesen am Körper, sprach nach §§ 171 Abs. 2 Z 1 i.V.m. 170 Abs. 1 Z 1 StPO die Festnahme aus und legte ihm vorne Schließmittel an. Der Beschwerdeführer wurde auf die Polizeiinspektion *** verbracht, wo ihm die Schließmittel abgenommen und er ab 05.08 Uhr zur Sache in *** vernommen wurde. Bei seiner Erstvernehmung gab er an, A zu sein und teilte den Beamten sein Geburtsdatum mit. Danach händigte der Zeuge G den Beamten die Tasche des Beschwerdeführers aus, in der sich die Ausweise und sein Mobiltelefon befanden. Nach entsprechender Belehrung hierüber informierte er seinen Vater, der der Zweitvernehmung (beginnend um 06.36 Uhr) beiwohnte. Während der Amtshandlung wurde der Beschwerdeführer vom Zeugen I per „Du“ angesprochen. Eine Frage nach der Dienstnummer erfolgte weder seitens des Beschwerdeführers noch seines Vaters.

VI.      Diese Feststellungen gründen sich auf die oben angeführten Beweismittel. Dabei findet zunächst die Angabe des Zeugen I, der Beschwerdeführer habe in der *** eine Bewegung auf ihn zugemacht, sodass er sich angegriffen gefühlt und versucht habe, Distanz zu gewinnen, in den Schilderungen des Zeugen N eine Deckung, der ebenso das Wegstoßen des Beschwerdeführers mit den Armen wahrgenommen hat. Demgemäß kann den Schilderungen, dass der Zeuge einen bevorstehenden Angriff auf seine Person angenommen hat, nicht entgegengetreten werden. Gleiches gilt auch für die Ausführungen, er habe eine Bewegung mit der Hand des Beschwerdeführers wahrgenommen und auch daraus einen gleichartigen Schluss gezogen.

Entgegen den Ausführungen des Zeugen I geht das Landesverwaltungsgericht NÖ aber davon aus, dass dieser dem Beschwerdeführer daraufhin zwischen zwei und vier Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht („Ohrfeigen“) versetzt hat und der Gesichtsbereich des Beschwerdeführers nicht als Folge eines Blockierens seiner Hände unbeabsichtigt berührt wurde. Dafür sprechen nicht nur die Angaben des Beschwerdeführers und der mit ihm befreundeten bzw. bekannten Zeugen E, G, F, C und N, sondern insbesondere auch jene des unbeteiligten Zeugen P, der ein „Klatschen“ wahrgenommen hat. Ein solches lässt sich nämlich mit einer vom Zeugen I behaupteten Abwehrhandlung (Gewinnen von Distanz, Blockieren der Hände), die möglicherweise den Hals- oder Gesichtsbereich berührt haben konnte, nicht erklären. Hinzu tritt der Umstand, dass keiner der weiteren drei Beamten von den fraglichen Vorkommnissen in der *** etwas wahrgenommen haben will, sondern alle damit beschäftigt waren, die weiteren Jugendlichen von einer Störung derselben abzuhalten. Nicht nur, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es dreier Beamter bedurft hatte, die Jugendlichen „in Schach zu halten“, scheint es im höchsten Maße unglaubwürdig, dass keiner der beteiligten Beamten bei der Amtshandlung die Aufgabe eines Sicherungselements übernommen hat. Auch dieser Umstand, dass keiner der weiteren Beamten die Schilderungen des Zeugen I bestätigt noch dementieren wollte oder konnte, legt den Schluss nahe, dass die Schilderungen des Beschwerdeführers über die Schläge zutreffen. So scheint es im Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar, dass der Zeuge I, nachdem er Distanz zum Beschwerdeführer gewonnen hatte, in der geschilderten Weise auf den Beschwerdeführer eingewirkt hat.

Dass dieser daraufhin die *** Richtung Ausgang verlassen wollte, steht aufgrund der übereinstimmenden Angaben der vernommenen Personen unstrittig fest, ebenso, dass der Beschwerdeführer danach vom Zeugen I festgehalten, festgenommen, geschlossen und sodann auf die Polizeiinspektion *** verbracht wurde. Dort angekommen wurden die Schließmittel abgenommen. Dass die Erstvernehmung auf der Polizeiinspektion ohne Beiziehung des gesetzlichen Vertreters erfolgte, ergibt sich aus dem im Akt inneliegenden Vernehmungsprotokoll und wird durch die Angaben des Zeugen K bestätigt; dass der Beschwerdeführer auf die Beiziehung belehrt wurde und darauf verzichtet hätte, lässt sich dem Vernehmungsprotokoll hingegen nicht entnehmen. Soweit der Zeuge I ausführt, er habe den Beschwerdeführer danach gefragt, ob er ihn duzen dürfe, scheint dies nicht glaubwürdig. Zum einen wird dies vom Beschwerdeführer glaubhaft in Abrede gestellt, zum anderen räumt selbst die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Korneuburg) in ihrer Gegenschrift ein, dass eine Ansprache per „Du“ nicht ausgeschlossen werden könne. Unstrittig steht aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers fest, dass keine Information über die Dienstnummer begehrt wurde.

Das Landesverwaltungsgericht stellt dazu fest:

VII. a.)          Gegenstand der Beschwerde nach Art 130 Abs. 1 Z 2 B-VG sowie jener nach § 89 SPG sind einzelne Amtshandlungen, mithin Lebenssachverhalte. Im gegenständlichen Fall lassen sich dem Beschwerdevorbringen (präzisiert durch die Angaben des rechtsfreundlich vertretenen Beschwerdeführers in der öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht NÖ) sechs rechtlich gesondert zu beurteilende Amtshandlungen, nämlich die Versetzung von Schlägen mit der flachen Hand ins Gesicht („Ohrfeigen“), die Verwendung von Schließmitteln nach Ausspruch der Festnahme, die Unterlassung der Information, zur Vernehmung eine Vertrauensperson (den Vater) beiziehen zu können, und die sich als Folge daraus ergebende Unterlassung der Beiziehung einer Vertrauensperson (des Vaters) bei der Vernehmung, die unterlassene Bekanntgabe der Dienstnummer (hier einmal vor dem Hintergrund des § 30 Abs. 1 Z 2 SPG, einmal vor jenem des § 9 RLV) und die Anrede während der Amtshandlung per „Du“ ausmachen.

b.)      Während sich die Beschwerden hinsichtlich der Spruchpunkte I. 1 und 4 und II. 1. und 2. ausweislich des Beschwerdeschriftsatzes auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG stützen, sollen – ebenfalls dem Beschwerdeschriftsatz zufolge und präzisiert durch den ergänzenden Schriftsatz vom 18. September 2019 – die Beschwerden zu den Spruchpunkten I. 3 und 4 ihre Grundlage in § 89 SPG finden. Zumal bestimmte Handlungen sowohl i.S.d. Bestimmung an der RLV als auch (nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG [§ 88 Abs. 1 SPG; § 106 StPO] oder § 88 Abs. 2 SPG) an subjektive Rechte vermittelnden Bestimmungen etwa der StPO oder des SPG gemessen werden können, liegt es am Beschwerdeführer, die Rechtsgrundlage seiner Beschwerde mit hinreichender Deutlichkeit zu präzisieren. Finden sich entsprechende Normen ausnahmsweise sowohl in den genannten Gesetzen als auch in der RLV, kann dies sowohl nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG als auch nach § 89 SPG bekämpft werden und es zu einer Doppelgleisigkeit im Rechtsschutz kommen (VwSlg 15.488 A/2000).

Während die Beschwerdetypen nach § 88 Abs. 1 und 2 SPG eine rechtsschutztechnische Einheit bilden und so gesehen durchlässig sind (vgl. etwa VwGH 30.1.2001, 2000/01/0018), sodass es weder in der Beschwerde noch im Erkenntnis einer Festlegung bedarf (i.d.S. VwGH 16.6.1999, 98/01/0172; Wessely in Thanner/Vogl [Hrsg.], SPG2 [2013] § 88 Anm. 9 m.w.N.), trifft dies auf das Verhältnis zwischen den genannten Beschwerden und jener nach § 89 SPG nicht zu. Vielmehr liegt es alleine am Beschwerdeführer, die Weichenstellung zwischen den verschiedenen Beschwerdetypen vorzunehmen (VwGH 24.11.1989, 96/01/0582). Davon ausgehend hat auch im vorliegenden Fall die rechtliche Beurteilung gesondert zu erfolgen.

c.)       Weiters ergibt sich aus den Beweisergebnissen (den Ausführungen der belangten Behörde sowie dem Akt der Staatsanwaltschaft ***, namentlich dem inneliegenden Vernehmungsprotokoll), dass die gegenständlichen Amtshandlungen (wenn auch aus eigener Macht) im Dienste der Strafjustiz und sohin unter dem Titel der Kriminalpolizei durchgeführt wurden. Derartige Handlungen zählen weder zur Sicherheitspolizei noch zur Sicherheitsverwaltung (vgl. VwGH 21.3.2006, 2003/01/0596, 28.3.2017, Ra 2017/01/0059). Daraus ergibt sich, dass für als schlichtes Polizeihandeln zu qualifizierende Akte der Beschwerdetypus des § 88 Abs. 2 SPG nicht offensteht (VwGH 21.3.2006, 2003/01/0596). Demgegenüber ist die Richtlinienbeschwerde als Verhaltensbeschwerde auch bei Amtshandlungen im Dienste der Strafjustiz zulässig (vgl. VwGH 13.10.2015, Ra 2015/01/0166; 17.10.2017, Ra 2017/01/0309).

VIII. a.)  Wird gegen eine Amtshandlung Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG erhoben, ist sie vom Verwaltungsgericht auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen, wobei diese Prüfung – trotz der Gegenteiliges intendierenden Formulierung des § 27 VwGVG – unabhängig von den in der Beschwerde geltend gemachten Rechten in jede Richtung zu erfolgen hat (VfSlg 14.436/1996; VwGH 25.9.1996, 96/01/0286; 9.9.1997, 96/06/0096; 15.9.1997, 94/10/0027; 23.9.1998, 97/01/0407; vgl. insb. VwGH 30.3.2016, Ra 2015/09/0139, wonach eine Bindung an die Beschwerdegründe des § 27 VwGVG nicht besteht).

Den Beurteilungsmaßstab im Maßnahmenbeschwerdeverfahren bildet die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gesetzten Amtshandlung (VwGH 24.11.2015, Ra 2015/05/0063), näherhin jene Sachlage, wie sie dem eingeschrittenen Organ im Handlungszeitpunkt bekannt war bzw. (insbesondere im Hinblick auf den Zeitfaktor) bei zumutbarer Sorgfalt bekannt sein musste (VwSlg 14.706 A/1997; VwGH 6.8.1998, 96/07/0053; vgl. N.Raschauer/Wessely, Die abgestufte Gefährdungsprognose nach § 38a SPG, SIAK 2006, 22 ff). Im Ergebnis ist daher zu prüfen, ob das Organ vertretbarerweise das Vorliegen der Voraussetzungen für sein Einschreiten annehmen durfte (ex ante-Beurteilung; VwSlg 14.142 A/1994; 14.706 A/1997; VwGH 25.1.1990, 89/16/0163; 21.3.2006, 2006/11/0019).

b.) Voraussetzung für die Zulässigkeit einer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützten Beschwerde ist das Vorliegen eines Aktes unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Zentrales Merkmal derartiger Akte und damit Abgrenzungskriterium zu sog. schlicht-hoheitlichem Handeln ist nach h.M. (statt aller B.Raschauer, Allgemeines Verwaltungsrecht5 [2017] Rz 978 ff) die Normativität des Aktes. Diese ergibt sich bei Zwangsakten aus der physischen Einwirkung auf Personen oder Sachen. Bei Befehlsakten manifestiert sie sich nach stRsp darin, dass dem Befehlsadressaten eine bei Nichtbefolgung unverzüglich und ohne weiteres Verfahren einsetzende physische Sanktion angedroht wird (vgl. etwa VwSlg 14.948 A/1998); sei es, dass dies ausdrücklich erfolgt, sei es, dass dies bei objektivierter Betrachtungsweise aus der Art und Weise bzw. den Begleitumständen des Einschreitens erschlossen werden kann. Maßgeblich ist somit, mit welchen Worten und mit welcher „Bestimmtheit“ jemand aufgefordert wird und ob aus der Sicht des Betroffenen der objektive Eindruck entstehen muss, dass es nicht möglich ist, das verlangte Verhalten abzulehnen (VwGH 28.10.2003, 2001/11/0162, VfSlg 12.791/1991).

c.)     Um einen Zwangsakt im eben beschriebenen Sinn handelt es sich bei der Versetzung von Schlägen (VwSlg 16.688 A/2005). Insoweit verweist die belangte Behörde darauf, dass der Zeuge I im Hinblick auf angenommene Angriffe bloß Abwehrhandlungen gesetzt habe. Nun durfte der Zeuge I aufgrund der Vorinformationen über den Beschwerdeführer (Aggressionshandlung mit Körperverletzung in ***) bei bestimmten Bewegungen (Zubewegen auf den Zeugen, Heben der Hände) vertretbar von einem gegen ihn, näherhin seine körperliche Integrität gerichteten unmittelbar drohenden bzw. gefährlichen Angriff (i.S.d. § 3 StGB [RIS-Justiz RS0088776] bzw. des § 16 Abs. 2 und 3 SPG [vgl. dazu Giese in Thanner/Vogl [Hrsg.], SPG2 [2013] § 16 Anm. 6) ausgehen. Davon ausgehend durfte er sich zur Abwehr dieses Angriffs schon gemäß § 3 StGB (seine Anwendbarkeit auch auf hoheitliches Handeln ergibt sich ausdrücklich aus § 7 Z 1 WaffGG; vgl. VwGH 14.11.2006, 2004/01/0472) jenes Mittels bedienen, das notwendig war, den (unmittelbar drohenden) Angriff verlässlich, also sofort und endgültig, abzuwehren (RIS-Justiz RS0095986) bzw. dem gefährlichen Angriff (i.S.d. § 16 SPG) unverzüglich ein Ende zu setzen (§ 33 SPG). Die Rechtfertigung erstreckt sich daher im Anwendungsbereich des § 3 StGB auf das nach Art und Maß gelindeste zur Abwehr geeignete Mittel (i.d.S. Lewisch in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 3 [Stand 1.4.2003, rdb.at] Rz 86). Gleichermaßen ergibt sich aus dem bei der Befugnisausübung i.S.d. SPG anzuwendenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, dass das jeweilige Mittel geeignet sein muss, die Erreichung des gewünschten Erfolges spürbar, wenn auch nur in Teilbereichen zu fördern. Erweist sich die Handlung daher ex ante als zur Erreichung des angestrebten Ziels (hier: der Abwehr bzw. Beendigung des [unmittelbar drohenden bzw. gefährlichen] Angriffs) ungeeignet, scheidet eine Rechtfertigung aus (VfSlg 18.975/2009). Zumal die verabreichten Schläge mit der flachen Hand ins Gesicht objektiv ungeeignet sind, den vom Zeugen ins Treffen geführten Angriffen entgegenzuwirken, fehlt ihnen die rechtliche Deckung, sodass der Beschwerde insoweit Erfolg beschieden war.

d.) Das Anlegen von Schließmitteln rechtfertigten der Zeuge I sowie die belangte Behörde (Bezirkshauptmannschaft Korneuburg) mit der Eigensicherung des Zeugen angesichts der zuvor erfolgten (gefährlichen) Angriffe. Ausschlaggebend ist auch hier, dass der Zeuge zunächst schon aufgrund seiner Vorinformationen über die Vorfälle in *** (durch Mithören des Funkverkehrs bzw. durch andere Beamte) davon ausgehen durfte, dass ihm eine gewaltbereite Person gegenüberstand (der Beschwerdeführer stand im Verdacht, dem Opfer in *** einen gezielten Faustschlag ins Gesicht und einen weiteren Fausthieb in den Bauchbereich versetzt zu haben und von weiteren Angriffen gegen das Opfer nur durch seine Freunde abgehalten worden zu sein). Hinzu traten jene Bewegungen, die der Beschwerdeführer in der *** in Richtung des Zeugen I gemacht hatte und die mit Blick auf die Vorinformation vertretbar als Angriffe verstanden werden durften. Nach der stRsp des VfGH (vgl. VfSlg 9836/1983; 11.327/1987; 12.134/1989; 12.271/1990; 13.044/1992; weiters VwGH 8.8.2002, 99/11/0327) ist ein Schließen u.a. gerechtfertigt, wenn auf Grund der näheren Umstände eine konkrete Gefährdung der körperlichen Sicherheit der einschreitenden Behördenorgane ernstlich zu befürchten ist (9836/1983; 11.327/1987; 12.134/1989; 12.271/1990; 13.044/1992). Zumal der Beschwerdeführer in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Anlegen der Schließmittel Handlungen gesetzt hat, die vertretbar als Angriffe gegen den Zeugen I verstanden werden durften, durfte er von einer konkreten Gefährdung im Zuge der Verbringung des Beschwerdeführers zur Polizeiinspektion ausgehen, sodass sich die Verwendung von Schließmitteln als zulässig erweist (zur Bedeutung des zeitlichen Zusammenhangs mit vorhergehenden Gewalttaten vgl. VfSlg 12.134/1989). Zumal die Schließmittel dem Beschwerdeführer unstrittig nach dem Eintreffen auf der Polizeiinspektion abgenommen wurden, kann die Handlung auch nicht als unverhältnismäßig betrachtet werden. Der Beschwerde war daher kein Erfolg beschieden.

e.)      Seine Beschwerde, als Minderjähriger vor seiner Vernehmung nicht über die Möglichkeit der Beiziehung einer Vertrauensperson informiert und folglich auch ohne Anwesenheit derselben vernommen worden zu sein, stützt der Beschwerdeführer auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und macht damit eine Verletzung der entsprechenden, in § 37 Abs. 1 Satz 1 und 2 JGG eingeräumten Rechte geltend. Er bekämpft damit eine Handlung, die als schlicht-hoheitlich zu qualifizieren ist (zu Unterlassungen vgl. VwGH 28.3.2017, Ra 2017/01/0059). Gegen eine solche steht aber – anders als gegen Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt – kein verfassungsunmittelbares Rechtsmittel offen. Vielmehr liegt es insoweit gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 2 B-VG am einfachen Gesetzgeber, allenfalls ein solches Beschwerderecht einzuräumen. Während derartiges nach § 88 Abs. 2 SPG für den Bereich der Sicherheitsverwaltung erfolgte, trifft dies auf Akte der Kriminalpolizei nicht zu (VwGH 21.3.2006, 2003/01/0596). Werden (außerhalb des Anwendungsbereichs von Sonderregelungen wie § 88 Abs. 2 SPG) gegen schlichtes Polizeihandeln erhobene Beschwerden auf Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG gestützt, so sind sie mangels Vorliegen eines tauglichen Anfechtungsgegenstandes als unzulässig zurückzuweisen.

f.)     Weiters führt der Beschwerdeführer Beschwerde, dass ihm bzw. seinem Vater die Dienstnummer der einschreitenden Beamten nicht bekannt gegeben wurde. Die Beschwerde moniert hier ausdrücklich sowohl eine Verletzung des § 30 Abs. 1 Z 2 SPG als auch eine solche des § 9 RLV. Sie ist daher auch zweimal einer Beurteilung zu unterziehen (vgl. VwSlg 15.488 A/2000). Wendet man sich ersterem zu, so gilt das unter e.) Gesagte sinngemäß, sodass die Beschwerde schon aus diesem Grund zurückzuweisen ist. Mit Blick auf einen behaupteten Verstoß gegen § 9 RLV ist hingegen in eine inhaltliche Prüfung einzusteigen. Unstrittig (ebenso aufgrund seiner eigenen Angaben) wurde die Bekanntgabe der Dienstnummer nicht verlangt. Zumal die Dienstnummer nach § 9 Abs. 1 RLV nicht jedenfalls und automatisch, sondern nur auf Verlangen des Betroffenen bekanntzugeben ist, liegt eine Verletzung dieser Bestimmung nicht vor. Die diesbezügliche Beschwerde war daher abzuweisen.

g.)     Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens steht unbestrittenermaßen fest, dass der Zeuge I den Beschwerdeführer nicht während der gesamten Amtshandlung mit „Sie“ angesprochen hat. Nun besteht das Gebot einer Anrede mit „Sie“ nicht absolut, sondern zunächst dann, wenn dies dem üblichen Umgang entspricht, ohne dass der Betroffene dies ausdrücklich verlangen müsste (UVS Vbg 5.3.2001, 2-04/99). Dass es in Österreich im Allgemeinen dem üblichen Umgang entspricht, Erwachsene (nicht notwendig erst ab der Volljährigkeit) mit „Sie“ anzusprechen, kann dabei als notorisch gelten (vgl. VwGH 22.4.1998, 97/01/0630). Ausnahmen können sich zum einen dort ergeben, wo dies auf regionale Besonderheiten zurückzuführen ist (UVS Vbg 5.3.2001, 2-04/99), zum anderen aber auch in jenen Fällen, in denen sich das einschreitende Organ und der Betroffene bereits vor der Amtshandlung – einvernehmlich – per „Du“ angesprochen haben (UVS NÖ 15.12.2009, Senat-VB-09-2000). Liegt eine solche Ausnahmekonstellationen vor, liegt eine Verletzung der RLV solange nicht vor, als der Betroffene nicht nach § 5 Abs. 2 zweite Alternative RLV eine Ansprache mit „Sie“ verlangt. Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend von einer solchen Ausnahmesituation ausgegangen werden konnte, vermag das Landesverwaltungsgericht NÖ aber nicht zu erkennen, sodass eine Verletzung des § 5 Abs. 2 RLV zu konstatieren ist. Daran würde sich im Übrigen auch nichts ändern, wenn man den Schilderungen des Zeugen I Glauben schenken mag, wonach der Beschwerdeführer auf der Polizeiinspektion über entsprechende Nachfrage des Zeugen zugestimmt habe, mit „Du“ angesprochen werden zu dürfen. Zwar ist es nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene wirksam in diese Ansprache einwilligt, doch setzt dies die Freiwilligkeit des Handelns voraus. Von einer solchen kann aber nicht ausgegangen werden, wenn es bei objektiver Betrachtungsweise des Geschehens an einer realen Wahlmöglichkeit fehlt (VfSlg 18.836/2009). Von einer solchen konnte aber vorliegend schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der mutmaßlichen Einwilligung vom Zeugen I bereits festgenommen war und zuvor geschlossen wurde. Die Beschwerde war daher erfolgreich.

IX.         Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren nach Art. 130 Abs. 1 Z 2
B-VG obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn der angefochtene Verwaltungsakt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei (Abs. 2). Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die belangte Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei (Abs. 3).

Gemäß § 35 Abs. 6 VwGVG gelten die §§ 52 bis 54 VwGG auch für den Aufwandersatz nach Abs. 1.

Nach § 53 VwGVG gelten die genannten Regelungen, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts Anderes bestimmt ist, auch für Verfahren über Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG sinngemäß.

Im vorliegenden Fall ergibt sich, dass der Beschwerdeführer in vier Fällen als unterlegene Partei zu betrachten und zur Kostentragung zu verpflichten ist. Neben dem Vorlageaufwand (€ 57,40) war daher der Schriftsatz- (vierfach € 368,80) sowie der Verhandlungsaufwand (vierfach € 461,--) zuzuerkennen (zur Berechnung der Kosten vgl. VwGH 31.8.2017, Ro 2016/21/0014). Demgegen

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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