TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/24 96/01/0582

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.11.1999
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

AVG §67c Abs3;
B-VG Art129a Abs1 Z1;
SPG 1991 §31;
SPG 1991 §88 Abs1;
SPG 1991 §89 Abs1;
SPG 1991 §89 Abs2;
SPG 1991 §89;
SPG RichtlinienV 1993 §5 Abs1;
StPO 1975 §177 Abs1 Z2;
VwGG §55 Abs1;

Beachte

Nachstehende Beschwerde(n) wurde(n) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden 96/01/0583, 0584, 0765, 0919, 0920, 0921

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerden 1. der S O in W, 2. der S Y in W, und 3. der M GesmbH in G, gegen den Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich (weitere Partei: Bundesminister für Inneres)

1. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über die am 22. Dezember 1995 eingebrachte Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt

Spruch

1.1. den Beschluss gefasst:

Die Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin wird zurückgewiesen.

Die Drittbeschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1.2. gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG zu Recht erkannt:

Der von der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vorgebrachte Umstand, dass der des Vergehens der Zuhälterei verdächtige A. die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin von Aussagen abzuhalten versucht hat, rechtfertigt nicht den Verdacht der Mittäterschaft dieser beiden Beschwerdeführerinnen und daher auch nicht deren Festnahme gemäß § 177 Abs. 1 Z. 2 StPO sowie die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin.

Der belangten Behörde wird aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Bindung an diese Rechtsansicht zu erlassen.

Der Bund hat der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von insgesamt

S 12.780,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

2. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht über den am 8. März 1996 eingebrachten Antrag auf Feststellung von Richtlinienverletzungen gemäß § 89 Abs. 4 SPG

2.1. soweit dieser Antrag die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin betrifft gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG zu Recht erkannt:

Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Festnahme und die Durchsuchung ihrer Tasche sowie die Zweitbeschwerdeführerin ihre Festnahme als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bekämpften, steht der Einbringung einer Beschwerde gemäß § 89 SPG ("Richtlinienbeschwerde") wegen desselben Handelns dieser Organe nicht entgegen.

Der belangten Behörde wird aufgetragen, den versäumten Bescheid unter Bindung an diese Rechtsansicht zu erlassen.

2.2. soweit dieser Antrag die Drittbeschwerdeführerin betrifft gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz VwGG zu Recht erkannt:

Der am 8. März 1996 eingebrachte Antrag auf Feststellung von Richtlinienverletzungen durch das Verhalten der am 12. Dezember 1995 in G, S-Straße 4 ("Villa R"), einschreitenden Beamten der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich wird gemäß § 89 SPG

und § 67d Abs. 2 Z. 1 AVG

zurückgewiesen.

2.3. Der Bund hat den drei Beschwerdeführerinnen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

S O (Erstbeschwerdeführerin), S Y (Zweitbeschwerdeführerin) und die M GesmbH (Drittbeschwerdeführerin) brachten am 22. Dezember 1995 beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land Niederösterreich eine Beschwerde gegen das "Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich" ein, welche folgende Sachverhaltsdarstellung enthält:

"Die umseits angeführten Erst- und Zweitbeschwerdeführerinnen arbeiten in der Villa R, S-Straße 4, G. Die Drittbeschwerdeführerin ist Inhaberin der dort befindlichen Betriebsräumlichkeiten.

Am 12.12.1995 gegen 22.00 Uhr betraten zwei Männer die Betriebsräume und gaben sich den Anschein, interessierte Gäste zu sein. Nach einiger Zeit bezahlten sie ihre Konsumation und verließen das Lokal.

Etwas später läutete es neuerlich und als Frau P.-M., ebenfalls in diesem Lokal beschäftigt, die Türe öffnete, traten einige Männer ein und riefen: 'Polizei!'.

Frau P.-M. meinte: 'Moment, ich hole den Chef', doch die Herren ignorierten die Dame und öffneten alle Türen des Hauses.

Im Studio 2 befand sich Herr A., Geschäftsführer der Drittbeschwerdeführerin. Zwei der eingetretenen Herren teilten ihm mit: 'Sie brauchen wir auch noch, denn wir machen eine Hausdurchsuchung'.

Auf Frage von A. nach einem Hausdurchsuchungsbefehl wurde dieser vorgewiesen und Herrn A. ausgehändigt.

Die Beamten durchsuchten die Handtasche der Erstbeschwerdeführerin. Unmittelbar nach Übergabe des Durchsuchungsbefehls forderte der Leiter der Amtshandlung, der Kriminalbeamte P., die vier anwesenden Damen, nämlich die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie Frau P.-M. und Frau I., auf, sich anzuziehen und mitzukommen.

Auf die Frage nach dem Grund hiefür, erklärte er: 'Zur Einvernahme!'.

Auf Vorhalt von A., dass ohne Vorladung niemand nur Einvernahme gezwungen werden könne, nahm der amtshandelnde Leiter, der Kriminalbeamte P., die vier Damen mit den Worten fest: 'Sie sind festgenommen!'.

A. wies daraufhin, dass die Festnahme von Zeugen gesetzwidrig sei. P. antwortete darauf: ' Ich weiss schon, was ich tue und tun darf'.

Nachdem A. eine Verfassungsbeschwerde ankündigte, nahm Herr P. die Erstbeschwerdeführerin am Arm und führte sie aus dem Haus zum Dienstwagen.

Von dort rief er dann per Funktelefon den Journalstaatsanwalt und telefonierte mit diesem.

Nach dem Gespräch mit der Staatsanwaltschaft hob der Beamte die Festnahme wieder auf.

Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie Frau P.-M. lehnten es ab, der Aufforderung der Beamten, zur Einvernahme mitzukommen, Folge zu leisten.

Dasselbe tat I., als die Beamten feststellten, dass Frau I. in B. wohnhaft ist, nötigten sie diese, mit ihnen mitzukommen. Der Beamte P. drohte ihr für den Fall der Weigerung an, die s. Behörden über ihre Tätigkeit als Prostituierte in Österreich zu informieren. Daraufhin leistete Frau I. aus Angst vor Repressalien in ihrem Heimatland der Aufforderung der belangten Behörde Folge."

(Abkürzungen durch den VwGH).

Die Beschwerde wendet sich gegen

"a) rechtswidrige Festnahme;

b)

rechtswidrige Taschendurchsuchung;

c)

Verletzung der Menschenwürde durch Verhalten und Aussagen, die geeignet sind, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken"

Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin seien rechtswidrig festgenommen worden, weil sie keiner strafbaren Handlung verdächtig gewesen seien. Die Festnahme von Zeugen sei gesetzlich nicht vorgesehen. Ebenso habe für die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin keine gesetzliche Grundlage bestanden. Diese Maßnahme sei vom Hausdurchsuchungsbefehl nicht umfasst. Die Beamten hätten durch ihre, für die an der Amtshandlung beteiligten Personen deutlich erkennbare Verachtung gegenüber den Betroffenen diese "nicht nur subjektiv, sondern darüber hinaus auch objektiv entwürdigt und gedemütigt und sie dadurch zum bloßen Objekt ihrer Amtshandlungen reduziert, ohne Rücksicht auf deren Personsqualität, Autonomie und Menschenwürde". Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin seien daher insbesondere in ihren Rechten auf Freiheit, Achtung des Privatlebens und Freiheit von erniedrigender Behandlung verletzt worden.

Unter Punkt "C) Beschwerdepunkte" enthält die Beschwerde folgende Passage:

"3. Verletzung der Menschenwürde

Die Richtlinienverordnung (RLV) ist im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Justiz erlassen worden und bindet sohin das Verhalten der Sicherheitsorgane, sowohl im Zuge der Sicherheitspolizei als auch im Dienste der Strafjustiz.

§ 5 Abs. 1 RLV bestimmt unter der Überschrift 'Achtung der Menschenwürde':

'Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken'.

Die einschreitenden Beamten haben durch ihr Verhalten, insbesondere die im Sachverhalt geschilderten rechtswidrigen Festnahmen, die rechtswidrige Taschendurchsuchung und insbesondere die rechtswidrige Nötigung von I., eine verächtliche Haltung gegenüber der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sowie gegenüber I. zum Ausdruck bringendes Gesamtverhalten den Eindruck von Voreingenommenheit erweckt."

Zur Beschwerdelegitimation der Drittbeschwerdeführerin führt die Beschwerde aus, dass die "unter C) gerügte Verletzung der Menschenwürde (§ 5 Richtlinienverordnung)" nicht nur in die Interessenssphäre der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sondern auch in jene der Drittbeschwerdeführerin eingreife. Verletzungen der Menschenwürde von Bediensteten bzw. Geschäftspartnern der Drittbeschwerdeführerin störten nämlich deren Geschäftsbetrieb. Eine solche Vorgangsweise führe dazu, dass es für die Drittbeschwerdeführerin zunehmend schwieriger werde, Personal bzw. Geschäftspartner zu finden. Diese würden dann andere, ruhigere Lokale bevorzugen. Eine Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Entwicklung, der Reputation und des Goodwill seien die Folgen. Die Handlungen der Beamten gegen die Bediensteten bzw. Geschäftspartner seien daher auch "gegenüber (§ 89 SPG)" der Drittbeschwerdeführerin gesetzt worden. Ein anderes Verständnis des § 89 SPG ließe Lokalinhaber schutzlos gegenüber "regelmäßigen, rechtswidrigen Amtshandlungen, die den wirtschaftlichen Ruin bedeuten können". Eine solche Interpretation wäre mit dem Grundrecht auf Freiheit der Berufsausübung und auf Unverletzlichkeit des Eigentums unvereinbar. Die Drittbeschwerdeführerin sei daher zur Erhebung der vorliegenden Beschwerde "hinsichtlich Punkt 3." legitimiert.

Schließlich enthält die Beschwerde den Antrag festzustellen, dass die Festnahme der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin sowie die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin rechtswidrig gewesen seien, sowie den Antrag, hinsichtlich der unter C) 3. gerügten Verletzung der Richtlinienverordnung gemäß § 89 Abs. 1 Sicherheitspolizeigesetz vorzugehen.

Die belangte Behörde übersandte am 27. Dezember 1995 zu den Geschäftszahlen Senat-B-95-036 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), Senat-B-95-037 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) und Senat-B-95-038 (betreffend die Drittbeschwerdeführerin) je eine Ausfertigung der Beschwerde an die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich, welcher in Verfahren vor dem unabhängigen Verwaltungssenat über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des Landesgendarmeriekommandos gemäß § 7 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz grundsätzlich die Stellung als belangte Behörde zukommt (dass dies auch vorliegend der Fall ist, wird von den Parteien nicht in Zweifel gezogen), zur Stellungnahme und zum Anschluss der Verwaltungsakten. Zu den Geschäftszahlen Senat-VB-95-005 (betreffend die Erstbeschwerdeführerin), Senat-VB-95-006 (betreffend die Zweitbeschwerdeführerin) und Senat-VB-95-007 (betreffend die Drittbeschwerdeführerin), übersandte sie gleichzeitig je eine Ausfertigung der Beschwerde dem gemäß § 10 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz als Dienstaufsichtsbehörde zuständigen Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich mit dem Bemerken, dass die Richtlinienbeschwerde zuständigkeitshalber weitergeleitet werde.

Die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich erstattete am 21. März 1996 drei gleich lautende Gegenschriften mit folgendem wesentlichen Inhalt:

Aufgrund von Erhebungen der Kriminalabteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich habe der Verdacht bestanden, dass in der "Villa R" in G illegal ein Bordellbetrieb geführt werde. Nach Anzeigeerstattung sei vom Landesgericht Korneuburg in der Strafsache gegen A. wegen des Verdachtes des Vergehens der Zuhälterei ein Hausdurchsuchungsbefehl für das gesamte Anwesen ausgestellt worden. Diese Hausdurchsuchung sei von Beamten der Gruppe "Sexualdelikte" mit Beamten aus anderen Gruppen am 12. Dezember 1995 durchgeführt worden. Im Zuge der Hausdurchsuchung habe A. versucht, die im Lokal anwesenden Frauen von Aussagen abzuhalten, "weshalb mit Begründung angenommen werden musste, dass es sich nicht um Zeuginnen sondern um Mittäterinnen handelt". Deshalb sei gemäß § 177 Abs. 1 Z. 2 StPO die sofortige Festnahme der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin wegen Gefahr in Verzug notwendig geworden. Aus der Tatsache, dass die anwesenden, der Prostitution verdächtigen Frauen festgenommen worden seien, habe sich auch die Notwendigkeit der Durchsuchung der Handtasche der Erstbeschwerdeführerin ergeben, weil bei einer Festnahme auch eine Durchsuchung der Effekten der festgenommenen Person stattzufinden habe. Dies sei auch aus dem Grund des Eigenschutzes erforderlich, weil nicht von der Hand gewiesen werden könne, dass die Festgenommene gefährliche Gegenstände und sogar Waffen, die sie gegen die Beamten oder sich selbst richten könne, bei sich habe. Die Festnahme sei nach Rücksprache mit dem Journal-Staatsanwalt aufgehoben worden. Die Gründe für die Erhebung der Beschwerde durch die Drittbeschwerdeführerin könnten nicht nachvollzogen werden, weil dieser Beschwerdeführerin nur die Gewerbeberechtigung für die Vermittlung von Begleitpersonen und Fotomodellen, nicht aber für die Führung eines Bordells zukomme.

Das Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich teilte den Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 29. Februar 1996, zugestellt am 5. März 1996, gemäß § 89 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz den als erwiesen angenommenen Sachverhalt mit und äußerte sich dahin, dass seiner Meinung nach keine Richtlinienverletzung vorliege.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen daraufhin am 8. März 1996 bei der belangten Behörde die Feststellung, dass "durch das in der Beschwerde geschilderte Verhalten" der Organe des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich die Richtlinienverordnung verletzt worden sei.

Bei der mündlichen Verhandlung vor der belangte Behörde am 21. März 1997 führte der Vertreter der Beschwerdeführerinnen aus, dass "drei Maßnahmenbeschwerden und drei Richtlinienbeschwerden" vorlägen. In all diesen Verfahren seien Säumnisbeschwerden beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht worden. Die vom Verwaltungsgerichtshof gesetzte dreimonatige Frist zur Nachholung der versäumten Bescheide sei bereits abgelaufen. Es werde daher beantragt, "den Übergang der Zuständigkeit wahrzunehmen und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung vorzulegen". Daraufhin wurde die Verhandlung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens geschlossen.

Die Beschwerdeführerinnen erhoben am 25. Juni 1996 (Postaufgabe) die zu den hg. Zlen. 96/01/0582, 0583 und 0584 protokollierte Säumnisbeschwerde gegen die Nichterledigung der am 22. Dezember 1995 bei der belangten Behörde eingebrachten Beschwerde "gemäß § 67a Abs. 1 AVG und §§ 88f SPG" und am 12. September 1996 (Postaufgabe) die zu den hg. Zlen. 96/01/0765, 96/01/0919, 0920, 0921 protokollierte Säumnisbeschwerde gegen die Nichterledigung des am 8. März 1996 bei der belangten Behörde gestellten Antrages auf Feststellung von Richtlinienverletzungen.

Diese Beschwerden werden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die wesentlichen hier maßgeblichen gesetzlichen

Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:

Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 - VwGG, BGBl. Nr. 10 i.d.g.F.

"§ 27. (1) Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Säumnisbeschwerde) nach Art. 132 B-VG kann erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, oder der unabhängige Verwaltungssenat, der nach Erschöpfung des Instanzenzuges, sei es durch Berufung oder im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten, wenn aber das das einzelne Gebiet der Verwaltung regelnde Gesetz für den Übergang der Entscheidungspflicht eine kürzere oder längere Frist vorsieht, nicht binnen dieser in der Sache entschieden hat. Die Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

...

§ 42. ...

(4) In den Fällen des Art. 132 B-VG kann der Verwaltungsgerichtshof sein Erkenntnis vorerst auf die Entscheidung einzelner maßgebender Rechtsfragen beschränken und der Behörde auftragen, den versäumten Bescheid unter Zugrundelegung der hiemit festgelegten Rechtsanschauung binnen bestimmter, acht Wochen nicht übersteigender Frist zu erlassen. Macht der Verwaltungsgerichtshof von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch oder kommt die belangte Behörde dem Auftrag nicht nach, so entscheidet er über die Säumnisbeschwerde durch Erkenntnis in der Sache selbst, wobei er auch das sonst der Verwaltungsbehörde zustehende freie Ermessen handhabt."

Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991 i.d.g.F.

"§ 88. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate erkennen über Beschwerden von Menschen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden zu sein (Art. 129a Abs. 1 Z. 2 B-VG).

...

§ 89. (1) Insoweit mit einer Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat die Verletzung einer gemäß § 31 festgelegten Richtlinie behauptet wird, hat der unabhängige Verwaltungssenat sie der zur Behandlung einer Aufsichtsbeschwerde in dieser Sache zuständigen Behörde zuzuleiten.

(2) Menschen, die in einer binnen sechs Wochen, wenn auch beim unabhängigen Verwaltungssenat (Abs. 1), eingebrachten Aufsichtsbeschwerde behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 erlassene Richtlinie verletzt worden, haben Anspruch darauf, dass ihnen die Dienstaufsichtsbehörde den von ihr schließlich in diesem Punkte als erwiesen angenommenen Sachverhalt mitteilt und sich hiebei zur Frage äußert, ob eine Verletzung vorliegt.

...

(4) Jeder, dem gemäß Abs. 2 mitgeteilt wurde, dass die Verletzung einer Richtlinie nicht festgestellt worden sei, hat das Recht, binnen 14 Tagen die Entscheidung des unabhängigen Verwaltungssenates zu verlangen, in dessen Sprengel das Organ eingeschritten ist; dasselbe gilt, wenn eine solche Mitteilung (Abs. 2) nicht binnen drei Monaten nach Einbringung der Aufsichtsbeschwerde ergeht. Der unabhängige Verwaltungssenat hat festzustellen, ob eine Richtlinie verletzt worden ist.

..."

Verordnung des Bundesministers für Inneres, mit der Richtlinien für das Einschreiten der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erlassen werden (Richtlinien-Verordnung - RLV), BGBl. Nr. 266/1993

"§ 5. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben bei der Erfüllung ihrer Aufgaben alles zu unterlassen, das geeignet ist, den Eindruck von Voreingenommenheit zu erwecken oder als Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes, der Rasse oder Hautfarbe, der nationalen oder ethnischen Herkunft, des religiösen Bekenntnisses, der politischen Auffassung oder der sexuellen Orientierung empfunden zu werden.

..."

Strafprozessordnung 1975, BGBl. Nr. 631/1975 i.d.g.F. (StPO)

"§ 177. (1) Ausnahmsweise kann die vorläufige Verwahrung des eines Verbrechens oder Vergehens Verdächtigen zum Zweck der Vorführung vor den Untersuchungsrichter auch durch Organe der Sicherheitsbehörden ohne schriftliche Anordnung vorgenommen werden:

1. in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 1 (Betretung auf frischer Tat; Anmerkung durch den VwGH) sowie

2. in den Fällen des § 175 Abs. 1 Z. 2 bis 4 und Abs. 2 (Fluchtgefahr, Ausführungsgefahr, Verdunkelungsgefahr und Verdacht der Begehung eines mit mindestens zehnjähriger Freiheitsstrafe bedrohten Verbrechens; Anmerkung des VwGH), wenn die Einholung des richterlichen Befehls wegen Gefahr im Verzug nicht tunlich ist.

..."

2. Zu der am 25. Juni 1996 zur Post gegebenen, zu den hg. Zlen. 96/01/0582, 0583 und 0584 protokollierten Säumnisbeschwerde (Punkt 1. des Spruches):

Diese Beschwerde macht die Säumnis der belangten Behörde mit der Entscheidung über die am 22. Dezember 1995 bei ihr eingebrachte Beschwerde geltend, soweit sich diese Beschwerde gegen die Rechtsverletzung der Beschwerdeführerinnen durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Maßnahmenbeschwerde) richtet.

Die Drittbeschwerdeführerin hat in dieser an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde - anders als die Erst- und Zweitbeschwerdeführerin - nicht den Antrag gestellt, festzustellen, dass sie durch Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in ihren Rechten verletzt worden sei, sondern nur den Antrag "hinsichtlich der gerügten Verletzung der Richtlinienverordnung ... gemäß § 89 Abs. 1 SPG vorzugehen". Auch zur Dartuung ihrer Beschwerdelegitimation hat sie sich nur darauf berufen, dass sie von der geltend gemachten, als "Verletzung der Menschenwürde (§ 5 RLV)" bezeichneten Richtlinienverletzung, welche auch "gegenüber (§ 89 SPG)" ihr gesetzt worden sei, betroffen sei.

Die Drittbeschwerdeführerin erhob daher am 22. Dezember 1995 nach dem eindeutigen Inhalt des Beschwerdeschriftsatzes keine Maßnahmenbeschwerde, sondern nur eine Beschwerde gemäß § 89 SPG (Richtlinienbeschwerde). Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass der Beschwerdevertreter bei der Verhandlung vor der belangten Behörde am 21. März 1997 - ohne jede nähere Erörterung - ausführte, es seien "drei Maßnahmenbeschwerden" eingebracht worden.

Hinsichtlich der von der Drittbeschwerdeführerin geltend gemachten Richtlinienverletzung wurde die Entscheidungspflicht der belangten Behörde aber nicht bereits durch die Beschwerde vom 22. Dezember 1995, sondern gemäß § 89 Abs. 4 SPG erst durch das Verlangen auf Entscheidung der belangten Behörde über die Mitteilung der Dienstaufsichtsbehörde vom 8. März 1996 ausgelöst (siehe unten 3.).

Die Drittbeschwerdeführerin hat somit am 22. Dezember 1995 keinen Antrag, der die Entscheidungspflicht der belangten Behörde ausgelöst hätte, eingebracht. Die am 25. Juni 1996 zur Post gegebene Säumnisbeschwerde war daher, soweit sie von der Drittbeschwerdeführerin erhoben wurde, wegen Fehlens der Voraussetzungen gemäß § 27 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Die Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin bekämpfen dagegen mit der bei der belangten Behörde am 22. Dezember 1995 eingebrachten Beschwerde ihre Verhaftung und die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt. Die belangte Behörde hat darüber nicht binnen sechs Monaten entschieden und auch die gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzte dreimonatige Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides verstreichen lassen. In der Gegenschrift führt sie dazu lediglich aus, dass ihr eine fristgerechte Entscheidung "nicht möglich" gewesen sei. Die Voraussetzungen gemäß § 27 Abs. 1 VwGG liegen daher vor.

Infolge der Säumnis der belangten Behörde entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz VwGG über die maßgebende Rechtsfrage, ob der - in der von der Sicherheitsdirektion Niederösterreich im Verfahren vor der belangten Behörde erstatteten Gegenschrift als einzige Begründung hiefür angegebene - Umstand, dass der des Vergehens der Zuhälterei verdächtige A. die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin von Aussagen abzuhalten versucht hat, den Verdacht der Mittäterschaft dieser beiden Beschwerdeführerinnen an der dem A. vorgeworfenen Zuhälterei und somit deren Festnahme gemäß § 177 Abs. 1 Z. 2 SPO sowie im Zuge dessen die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin rechtfertigt.

Dies ist nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes nicht der Fall.

Voraussetzung für die Festnahme aufgrund dieser Bestimmung ist das Bestehen eines konkreten Tatverdachtes, dass also bestimmte Tatsachen bekannt sind, aus denen mit gutem Grund, also in vertretbarer Weise, ein Tatverdacht abgeleitet werden kann (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 7. Oktober 1991,

B 1838, 1849/88, Slg. Nr. 12.849, mwN). Die nach dem Vorbringen der Sicherheitsdirektion einzige den einschreitenden Beamten bekannte Tatsache war, dass der der Zuhälterei verdächtige A. versucht hat, die Beschwerdeführerinnen von Aussagen in dieser Angelegenheit abzuhalten. Dies reicht jedoch nicht aus, den konkreten Verdacht zu begründen, die Beschwerdeführerinnen seien Mittäterinnen in Bezug auf das dem A. vorgeworfene Delikt (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 13. Juni 1989, B 142/88, Slg. Nr. 12.050, in welchem dieser Gerichtshof das Vorbringen der dort belangten Behörde, die Beschwerdeführerin sei deswegen verdächtig mit dem ihrem Lebensgefährten vorgeworfenen Suchtgifthandel "in Verbindung zu stehen", weil ihr der Lebensgefährte anlässlich seiner Verhaftung mehrere Worte in türkischer Sprache zugerufen habe, als bloße "Schutzbehauptung" bezeichnete).

3. Zu der am 12. September 1996 zur Post gegebenen, zu den hg. Zlen. 96/01/0765, 0919, 0920, 0921 protokollierten Säumnisbeschwerde (Punkt 2. des Spruches):

Mit dieser Beschwerde machen die drei Beschwerdeführerinnen geltend, dass die belangte Behörde nicht binnen sechs Monaten über ihre gemäß § 89 Abs. 4 SPG am 8. März 1996 eingebrachten Anträge entschieden habe.

Die Beschwerdeführerinnen haben in der an die belangte Behörde gerichteten Beschwerde ausdrücklich (auch) die Verletzung von § 5 RLV durch das Vorgehen des Gendarmeriebeamten bei der Festnahme der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin und der Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin geltend gemacht; die Drittbeschwerdeführerin hat sich auch auf die Richtlinienverletzung anlässlich der "Nötigung" von Frau I. gestützt. Insoweit wurde die Beschwerde von der belangten Behörde zu Recht gemäß § 89 Abs. 1 SPG dem gemäß § 10 SPG zur Behandlung derartiger Aufsichtsbeschwerden zuständigen Landesgendarmeriekommando für Niederösterreich zugeleitet. (Es sei darauf hingewiesen, dass nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Jänner 1999, Zl. 98/01/0169, eine Zurückweisung der auf eine Richtlinienverletzung gestützten Beschwerde in diesem Verfahrensstadium nicht in Betracht gekommen wäre.) Die Beschwerdeführerinnen haben nach Erhalt der Mitteilung des Landesgendarmeriekommandos für Niederösterreich gemäß § 89 Abs. 2 SPG am 5. März 1996 fristgerecht am 8. März 1996 eine Entscheidung der belangten Behörde gemäß § 89 Abs. 4 SPG beantragt. Die belangte Behörde hat darüber nicht binnen sechs Monaten entschieden und die gemäß § 36 Abs. 2 VwGG gesetzte dreimonatige Frist zur Nachholung des versäumten Bescheides verstreichen lassen. Auch dazu führt sie lediglich aus, dass ihr die rechtzeitige Entscheidung "nicht möglich" gewesen sei. Die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 VwGG sind daher gegeben.

Hinsichtlich der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin entscheidet der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 erster Satz über eine maßgebende Rechtsfrage wie folgt:

Diese beiden Beschwerdeführerinnen bringen vor, dass die einschreitenden Beamten durch die als Maßnahmen bekämpften Handlungen (Festnahme, Taschendurchsuchung) auch Richtlinien verletzt hätten. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Richtlinienbeschwerde wegen eines bestimmten Handelns von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erhoben werden kann, wenn wegen desselben Handelns auch eine Maßnahmenbeschwerde erhoben wird.

Eine Beschwerde gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 129a Abs. 1 Z. 1 B-VG und § 88 Abs. 1 SPG zielt darauf ab, angefochtene Verwaltungshandlungen als rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls den der Entscheidung entsprechenden Rechtszustand wiederherzustellen (siehe § 67c Abs. 3 AVG).

Bei einer "Richtlinienbeschwerde" gemäß § 89 SPG handelt es sich hingegen um den Sonderfall einer Dienstaufsichtsbeschwerde, in der die Verletzung einer Richtlinie nach der Richtlinienverordnung, welche einen Verhaltenskodex für Exekutivorgane bei der Ausübung von Befugnissen festlegt, durch die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bei Erfüllung ihrer Aufgaben - insbesondere jener, die durch Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt zu besorgen sind - geltend gemacht wird. Eine gesetzliche Regelung, wonach eine Richtlinienbeschwerde wegen eines bestimmten Handelns von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes nur erhoben werden kann, wenn nicht wegen desselben Handelns eine Beschwerde wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt möglich ist, existiert nicht. Auch die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (148 Blg NR, 18. GP, Seite 54) nennen als Voraussetzung für eine Richtlinienbeschwerde nur, dass eine Richtlinienverletzung behauptet wird und die Dienstaufsichtsbeschwerde binnen sechs Wochen eingebracht oder der Behörde vom unabhängigen Verwaltungssenat gemäß § 89 Abs. 1 SPG zugeleitet wurde (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 2. Juni 1998, Zlen. 97/01/0278, 0279).

Die bekämpften Festnahmen und die Durchsuchung einer Tasche stellen zweifellos Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt dar, die dabei gewählte Vorgangsweise der ausführenden Organe kann aber auch den Eindruck von Voreingenommenheit erwecken oder als Diskriminierung aus den in § 5 Abs. 1 RLV angeführten Gründen empfunden werden. Der Umstand, dass die Erstbeschwerdeführerin ihre Festnahme und die Durchsuchung ihrer Tasche sowie die Zweitbeschwerdeführerin ihre Festnahme als Akte unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes bekämpfen, steht somit der Einbringung einer Beschwerde gemäß § 89 SPG (Richtlinienbeschwerde) wegen desselben Handelns dieser Organe nicht entgegen.

Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin entscheidet der Verwaltungsgerichtshof über die Richtlinienbeschwerde gemäß § 42 Abs. 4 zweiter Satz in der Sache selbst.

Die Drittbeschwerdeführerin wendet sich gegen die Verletzung von § 5 Abs. 1 RLV anlässlich der Festnahme der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin und von Frau I., sowie die Durchsuchung der Tasche der Erstbeschwerdeführerin. Sie vermeint dazu, dass sie von diesen Handlungen auch im Sinn des § 89 Abs. 2 SPG betroffen sei, weil derartige rechtswidrige Amtshandlungen gegen Gäste und Bedienstete im Wiederholungsfall den "wirtschaftlichen Ruin des Lokalinhabers" bedeuten könnten.

Eine Beschwerde an den unabhängigen Verwaltungssenat nach § 89 SPG ist immer dann zurückzuweisen, wenn der Beschwerdeführer in seinen Rechten gar nicht verletzt sein konnte. Es genügt zwar bereits die Behauptung der Verletzung eines subjektiven Rechtes, doch muss diese gegenüber dem Beschwerdeführer wenigstens möglich sein, ansonsten die Beschwerde mangels Legitimation zurückweisen ist. In einer derartigen Beschwerde muss zur Einleitung des Verfahrens die Verletzung einer Richtlinie behauptet werden. Die Beschwerde kann von Menschen erhoben werden, die behaupten, beim Einschreiten eines Organs des öffentlichen Sicherheitsdienstes, von dem sie betroffen waren, sei eine gemäß § 31 SPG erlassene Richtlinie verletzt worden (§ 89 Abs. 2 SPG). Diese Betroffenheit ist nach dem Kreis der Menschen zu bestimmen, deren Interessen von der jeweils in Frage stehenden Richtlinie geschützt werden.

Wenn es um die hier gegenständliche Frage der Verletzung von § 5 Abs. 1 RLV geht, ist jeder "betroffen", der zum Adressaten einer beliebigen Amtshandlung wird. Adressaten der Amtshandlung waren aber andere Personen als die Drittbeschwerdeführerin. Sohin steht die Geltendmachung der behaupteten Richtlinienverletzung der Drittbeschwerdeführerin nicht zu. Die eventuell durch das bekämpfte Handeln der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes nur mittelbar bewirkte Rufschädigung des Lokales der Drittbeschwerdeführerin kann daran nichts ändern (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1998, Zl. 96/01/0609, welches ein gleich lautendes Vorbringen betreffend die Beschwerdelegitimation eines Lokalinhabers bei Amtshandlungen gegen Gäste betraf).

Die an die belangte Behörde gerichtete Richtlinienbeschwerde der Drittbeschwerdeführerin war daher - gemäß § 67d Abs. 2 Z. 1 ohne Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung - zurückzuweisen.

Eine Entscheidung über den Aufwandersatz im Verfahren über diese Richtlinienbeschwerde konnte unterbleiben, weil das obsiegende Landesgendarmeriekommando vor der belangten Behörde keine Kosten verzeichnet hat (§ 89 Abs. 5 SPG iVm § 79a Abs. 6 AVG).

4. Zur Entscheidung über den Aufwandersatz:

Diese Entscheidung gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Da die Säumnisbeschwerde der Drittbeschwerdeführerin wegen Nichterledigung einer Maßnahmenbeschwerde zurückgewiesen wurde, hat diese Beschwerdeführerin im hg. Verfahren, Zl. 96/01/0582, 0583, 0584, der belangten Behörde einen Betrag von S 4.565,-- für den Schriftsatz- und den Vorlageaufwand zu ersetzen. In allen übrigen Fällen war die belangte Behörde aufgrund ihrer Säumnis zum Aufwandersatz zu verpflichten. Entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerinnen steht ihnen der Ersatz für den Schriftsatzaufwand für jede Beschwerde insgesamt nur einmal zu, wenn sie auch mit jeder Beschwerde die Verletzung der Entscheidungspflicht über einen Antrag geltend machen, über den die belangte Behörde auch mit mehreren Bescheiden hätte absprechen können (vgl. die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 712 angeführte hg. Judikatur).

Hinsichtlich der zu den hg. Zlen. 96/01/0582, 0583, 0584 protokollierten Beschwerde gebührt der Erst- und Zweitbeschwerdeführerin daher gemeinsam ein Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- sowie zwei Drittel der verzeichneten Stempelgebühren von S 420,--, das sind S 280,-- (weil sich - mangels Anhaltspunkten für eine andere Aufteilung - ein Drittel dieser Gebühren auf die zurückgewiesene Beschwerde der Drittbeschwerdeführerin bezieht), insgesamt somit ein Betrag von S 12.780,--. Hinsichtlich der zu den hg. Zlen. 96/01/0765, 0919, 0920, 0921 protokollierten Beschwerde gebührt den drei Beschwerdeführerinnen zusammen der Schriftsatzaufwand von S 12.500,-- und die verzeichneten Stempelgebühren von S 420,--, insgesamt somit ein Betrag von S 12.920,--. Das darüber hinausgehende Kostenbegehren war abzuweisen.

Wien, am 24. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996010582.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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