TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/22 W272 2154428-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2020
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Entscheidungsdatum

22.01.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z5
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W272 2154428-2/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BRAUNSTEIN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Niederösterreich vom 07.11.2019, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG stattgegeben. Die Spruchpunkte I., III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

II. Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 26.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 stattgegeben und XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für zwei Jahre erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Vorverfahren:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 02.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (in der Folge AsylG).

1.2. Am 03.02.2016 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zunächst zu seinen persönlichen Verhältnissen angab, dass er afghanischer Staatsangehöriger sei, jedoch im Iran, wo auch seine Familienangehörigen, seine Eltern und seine Geschwister, drei Brüder und eine Schwester leben würden, geboren sei. Er spreche Farsi, gehöre der Volksgruppe der Hazara an und habe moslemischen Glauben (Schiit). Da er keinen iranischen Ausweis habe, habe er illegal im Iran gelebt. Er hätte nach Syrien oder Afghanistan müssen, was er nicht gewollt habe, da in Syrien Krieg herrsche und in Afghanistan viele Taliban seien.

1.3. Nach einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen am 20.09.2016 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit Bescheid vom 01.10.2016 ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass für die Prüfung des Antrags gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO Kroatien zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG eine Abschiebung nach Kroatien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

1.4. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.11.2016 wurde der Beschwerde stattgegeben, das Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz wurde zugelassen und der bekämpfte Bescheid behoben.

1.5. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 30.03.2017 gab der Beschwerdeführer an, im Iran geboren und aufgewachsen zu sein. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes verwies der Beschwerdeführer im Wesentlichen auf die allgemein schlechte Sicherheitslage in Afghanistan. Weiters erstattete er ein Vorbringen zu den schlechten Lebensbedingungen von illegal aufhältigen Afghanen im Iran.

1.6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.04.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Weiters wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

1.7. Gegen den genannten Bescheid erhob der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter mit Schreiben vom 21.04.2017 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.8. Nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 23.11.2018 wurde die Beschwerde mit schriftlicher Ausfertigung vom 17.12.2018, des am 23.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses, hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wurde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt und wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 23.11.2019 erteilt.

Darin wurde zur Person des Beschwerdeführers festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Iran geboren sei und sich bis zu seiner Reise nach Europa Anfang 2016 durchgehend im Iran aufgehalten habe. Der Beschwerdeführer sei noch nie in Afghanistan aufhältig gewesen. Er sei afghanischer Staatsangehöriger, sei gesund, arbeitsfähig, ledig und habe keine Kinder. Seine Muttersprache sei Farsi. Die Familie des Beschwerdeführers bestehend aus seinen Eltern, einer Schwester und drei Brüdern, seien weiterhin im Iran aufhältig. Der Beschwerdeführer stehe in Kontakt zu seiner Familie. Die wirtschaftliche Situation der Familie des Beschwerdeführers sei schlecht. Eine finanzielle Unterstützung des Beschwerdeführers durch seine Familie sei bei einer Ansiedelung des Beschwerdeführers in Afghanistan nicht zu erwarten. Der Beschwerdeführer verfüge über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan. Der Vater des Beschwerdeführers stamme aus der Provinz Sar-i-Pul. Er habe Afghanistan im Kindesalter verlassen und sich im Iran niedergelassen, wobei nicht festgestellt werden habe können, aus welchen Gründen die Eltern des Beschwerdeführers Afghanistan verlassen hätten. Die Mutter des Beschwerdeführers sei bereits im Iran geboren. Der Beschwerdeführer habe keine (emotionale, familiäre oder soziale) Bindung zur Herkunftsprovinz seines Vaters. Ein Nahebezug des Beschwerdeführers zu jenen Regionen im Herkunftsstaat, in der seine Eltern geboren worden seien, und eine Identifikation des Beschwerdeführers mit diesen sei aktuell schlichtweg nicht (mehr) vorhanden. Beim Beschwerdeführer handle es sich um einen Mann im erwerbsfähigen Alter mit siebenjähriger Schulbildung in einer inoffiziellen afghanischen Schule im Iran. Er verfüge über erste Berufserfahrung als Hilfsarbeiter; die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit am Erwerbsleben könne beim Beschwerdeführer vorausgesetzt werden. Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung folgerte das Gericht, nach Prüfung der maßgeblichen Kriterien, insbesondere unter Einbeziehung der EASO Country Guidance vom Juni 2018, dass der Beschwerdeführer aufgrund individueller Gefährdungsfaktoren, nämlich geringe Kenntnis der kulturellen Gepflogenheiten, fehlende Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten, fehlendes Unterstützungsnetzwerk, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, Exponiertheit als "Iran-Rückkehrer", geringe Bildung und Berufserfahrung, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sein werde, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen. Im Ergebnis vermochte das Bundesverwaltungsgericht daher keine Möglichkeit zu erkennen, den Beschwerdeführer auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Fall seiner erstmaligen Ansiedelung in Afghanistan zu verweisen. Der Beschwerdeführer würde vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht in Betracht komme. Es wurde damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art. 3 EMRK darstellen würde.

2. Gegenständliches Verfahren:

2.1. Am 26.09.2019 brachte der Beschwerdeführer fristgerecht einen Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ein.

2.2. In der Folge wurde der Beschwerdeführer am 05.11.2019 erneut vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen.

2.3. Mit gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA; in der Folge auch als belangte Behörde bezeichnet) vom 07.11.2019 wurde der dem Beschwerdeführer mit Erkenntnis vom 23.11.2018 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag vom 26.09.2019 auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG abgewiesen. Dem Beschwerdeführer wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 4 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass gemäß § 52 Absatz 9 FPG seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Ferner wurde unter Spruchpunkt VI. ausgesprochen, dass die gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

In diesem Bescheid stellte die belangte Behörde fest, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und Dari spreche. Er stamme aus Ghazni, sei schiitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung und sei arbeitsfähig sowie ledig und habe er keine Kinder. Des Weiteren stellte die Behörde fest, dass der Beschwerdeführer familiäre Anknüpfungspunkte im Iran habe. Er sei afghanisch sozialisiert und könne er auf die Unterstützung seiner Volksgruppe zählen. Er habe mit seiner Flexibilität sowie Aufgeschlossenheit überzeugt und sei anpassungsfähig sowie anpassungswillig und habe eine rasche Auffassungsgabe. In Österreich sei er nicht straffällig geworden. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und die Situation des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr folgerte die Behörde, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aktuell nicht mehr vorliegen würden. Es könne nicht festgestellt werden, dass er aktuell in seinem Herkunftsland Afghanistan einer Verfolgung ausgesetzt wäre. Es liege in seinem Fall eine Gefährdungslage in Bezug auf seine unmittelbare Heimatprovinz - nicht aber in Afghanistan allgemein - vor. Der Beschwerdeführer könnte jedoch eine innerstaatliche Fluchtalternative in die Städte Mazar-e-Sharif und Herat in Anspruch nehmen und würde eben dort Arbeitsmöglichkeiten vorfinden. Die genannten (positiven) persönlichen Eigenschaften seien bereits zum Zeitpunkt der Schutzgewährung vorgelegen, der Behörde allerdings nicht bekannt gewesen. In Österreich verfüge der Beschwerdeführer über keine familiären oder sozialen Anknüpfungspunkte und hätten keine besonderen sozialen Kontakte festgestellt werden können. Er spreche Deutsch, eine Integration habe jedoch nicht festgestellt werden können. Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und zur Situation im Fall der Rückkehr des Beschwerdeführers führte die Behörde im Wesentlichen aus, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht mehr vorliegen würden. Zwar sei laut den aktuellen Länderinformationen der Staatendokumentation vom 29.06.2018, letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019, die Herkunftsprovinz Ghazni nach wie vor als nicht ausreichend stabil zu bewerten, jedoch sei dem Beschwerdeführer sehr wohl eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif und Herat zuzumuten, zumal er ein gesunder Mann sei und sich im erwerbsfähigen Alter befinde. Er verfüge über eine Schulbildung, habe Arbeitserfahrung gesammelt und darüber hinaus in Österreich zusätzlich an Bildung dazugewonnen. Aus diesen Gründen sei festzustellen, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr für seine Existenzsicherung aufkommen könne. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat führe nicht zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten, umso mehr, da der Beschwerdeführer, als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO¿s) zurückgreifen könnte. Aufgrund der soeben genannten Gründe würden derzeit jene Voraussetzungen, die die Gewährung subsidiären Schutzes unabdingbar machen, nicht vorliegen. Bezugnehmend auf eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat sei anzumerken, dass dies - alleine gesehen - freilich nicht zur Feststellung führen könne, dass diese Orte nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage kämen, zumal nun gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben seien, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu komme, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar sei, sich in den Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Begebenheiten anzueignen, genauso wie er dies - wohl wesentlich komplizierter - im Ausland ohne Sprachkenntnisse zu erlangen in der Lage sein habe müsse. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan anzusiedeln, lasse sich kein Grund feststellen, der gerade im Fall des Beschwerdeführers eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr er diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt habe. Es könne somit auch davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr keine Bedrohung zu befürchten habe, da er eben nur aufgrund der damaligen Sicherheitslage sowie des Mangels an Netzwerken subsidiären Schutz bekommen habe, habe er keine Gefährdungslage in Afghanistan zu befürchten, außer eine solche würde sich aus seinen persönlichen Merkmalen ableiten lassen. Hierzu habe der Beschwerdeführer nichts angegeben, es sei demnach nicht ersichtlich, dass er irgendwelche Probleme in Afghanistan zu befürchten habe. Er habe somit absolut keine persönliche Gefährdungslage in Afghanistan zu befürchten. Die Behörde erkenne auch eine Änderung der subjektiven Lage zum damaligen Entscheidungszeitpunkt anhand folgender Fakten. Da es dem Beschwerdeführer gelungen sei, in Österreich Fuß zu fassen, sei es ihm freilich nun auch sehr wohl zuzumuten, in Afghanistan, speziell in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt zumutbar leben zu können. Dies alles spreche schließlich dafür, dass er nun in der Lage sein werde, sich auch aus eigenen Kräften ein Überleben in Afghanistan zu sichern, und somit sei davon auszugehen, dass er nun aufgrund seiner bisherigen Erfahrung über die hierfür erforderlichen Fertigkeiten verfüge. Deshalb ergebe sich in der Zusammenschau der Fakten eine eindeutige Änderung der subjektiven Lage. Somit sei eindeutig festzustellen, dass die Gründe für die damalige Schutzgewährung derzeit nicht bzw. nicht mehr vorliegen würden. Weiters führte das Bundesamt aus, dass mittlerweile als bewiesen angesehen werden könne, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr auch zumutbar auf die Unterstützung seiner Verwandtschaft zurückgreifen könne bzw. seien die Rückkehrprogramme, wie z.B. von IOM inzwischen derart manifestiert, dass er auch auf diese zurückgreifen könne. Dass der Beschwerdeführer den Lebensunterhalt in Kabul, Mazar-e Scharif, Herat bestreiten könne, habe aufgrund der entsprechenden Länderfeststellungen festgestellt werden können. Es bestehe kein Zweifel, dass der Beschwerdeführer als erwachsener, gesunder und arbeitsfähiger Mann im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan den Unterhalt für sich bestreiten könnte, umso mehr er die dortige Sprache spreche und auch mit der dort ansässigen Kultur vertraut sei. Es sei demnach nichts ersichtlich, was den Beschwerdeführer in eine ausweglose Situation bringen würde. Er könnte somit seinen Lebensunterhalt in Kabul, Mazar-e Scharif, Herat bestreiten, umso mehr da er diese Städte absolut sicher erreichen könne. Was die Lebenserfahrungen betreffe, sei insbesondere darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Aufenthalt in Österreich auch bereits unweigerlich von der Möglichkeit Gebrauch gemacht habe, auf bestehende Netzwerke zurückzugreifen, was er zweifelsohne im Falle einer Rückkehr in Anbetracht des damit gewonnenen Erfahrungsschatzes zugutekommen und entsprechend hilfreich sein werde. Wenn es um die Frage nach in Afghanistan bestehenden Netzwerken gehe, sei in seinem Fall auf die Existenz der Verbindungen der Volksgruppe der Hazara sowie auf internationale und auch nationale Unterstützungsmöglichkeiten für Rückkehrer nach Afghanistan hinzuweisen. Die breite Palette an solchen ermöglichte es dem Beschwerdeführer schon von Österreich aus, einen zumutbaren Weg und Ansatz für die Wiedereingliederung in die afghanische Gemeinschaft, insbesondere in Kabul, Mazar-e Scharif, Herat, zu ergreifen. Überdies wurde angemerkt, dass zum Zeitpunkt der Schutzgewährung davon ausgegangen worden sei, dass der Beschwerdeführer als ein alleinstehender Rückkehrer ohne familiären Background und ohne finanzielle Unterstützung vor eine ausweglose Situation gestellt gewesen wäre. Nunmehr habe sich jedoch insbesondere aufgrund der in Vorlage gebrachten Beweismittel und Aussagen seinerseits die damalige Ausgangslage zu den Merkmalen seiner Person gänzlich konträr dargestellt; wie dieser schließlich zu entnehmen sei, sei er äußerst zuverlässig, zeige große Einsatzbereitschaft, erledige sämtliche Arbeiten stets zur Zufriedenheit und zeichne sich weiters durch sein freundliches Verhalten aus; dies bringe nun klar und deutlich zum Ausdruck, dass er eine Person mit einer raschen Auffassungsgabe sei sowie mit seiner Flexibilität und Aufgeschlossenheit überzeuge. Die zuvor genannten positiven Attribute würden dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr freilich von hohem Nutzen sein. Der Beschwerdeführer habe schließlich während seines Aufenthaltes hier in Österreich gezeigt, dass er sich sogar in einem fremden Land, in welchem sich insbesondere die Kultur, die Sprache sowie auch die Religion von seinem Heimatland unterscheide, anpassen könne und zurechtfinden würde. Dies werde den Beschwerdeführer bei der Eingliederung in die afghanische Gesellschaft nützlich sein, und eine ausweglose Situation im Falle der Rückreise muss aus diesen Gründen - trotz eines fehlenden familiären Backgrounds in den als IFA geprüften Gebieten - ausgeschlossen werde. Rechtlich folgerte die Behörde unter Verweis auf die Beweiswürdigung, dass der Beschwerdeführer unter jene Personengruppe falle, der eine IFA in Mazar-e Sharif und auch Herat, offenstehe, weshalb in gegenständlichen Fall auch keinerlei besondere Gefährdungsfaktoren hervorgekommen seien. Überdies sei auch eine Aberkennung gem. zweiter Fall geboten, da wie in den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und die entsprechende Beweiswürdigung dargelegt worden sei, sei eine entsprechende Änderung der subjektiven Lage hervorgekommen.

2.4. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer durch seine Rechtsvertretung fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde, wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, beim Bundesverwaltungsgericht ein. Zusammengefasst wurde vorgebacht, dass hinsichtlich der von der Behörde angenommen Möglichkeit, dass sich der Beschwerdeführer in Herat oder Mazar-e Sharif niederlassen könne laut Länderberichten nicht von einer Verbesserung der allgemeinen Sicherheitslage ausgegangen werden könne. Ferner wurde auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2018 hingewiesen und moniert, dass die Behörde verkenne, dass dem Beschwerdeführer durch das Bundesverwaltungsgericht und nicht durch das Bundesamt der subsidiäre Schutz erteilt worden sei. Dabei wurde auszugsweise aus der betreffenden Entscheidung zitiert und angemerkt, dass die Behörde nicht zu erklären vermochte, inwiefern sich die Lage des Beschwerdeführers innerhalb eines Jahres geändert haben solle. Viele der Feststellungen würden zudem derer des Bundesverwaltungsgerichtes widersprechen. So sei argumentiert worden, dass der Beschwerdeführer afghanisch sozialisiert worden wäre, während das Gericht festgehalten habe, dass der Beschwerdeführer als Iran-Rückkehrer einer exponierten Lage ausgesetzt wäre. Auch aus der Einvernahme wären keine derartigen Schlüsse zu ziehen gewesen. Insgesamt hätten sich die Faktoren, weshalb dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, nicht geändert. Neben dem Hinweis auf weitere Berichte und einem Ausschnitt aus dem Gutachten von Friederike Stahlmann vom 28.03.2018 wurde gefolgert, dass der Beschwerdeführer angesichts der fehlenden Unterstützung und der prekären wirtschaftlichen Lage für Rückkehrer im Lichte der hohen Anzahl von Rückkehrern aus dem Iran und Pakistan Gefahr laufen würde seine grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befrieden zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. In Anbetracht der konkreten Umstände des Falles hätte die Behörde dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten verlängern, in eventu einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilen müssen.

2.5. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.12.2019 gab die Behörde zur Beschwerde vom 03.12.2019 eine Stellungnahme ab. Darin wurde ausgeführt, dass aus dem angefochtenen Bescheid klar und deutlich die Änderungen, welche zur nunmehrigen Aberkennung gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 2. Fall AsylG führten, hervorgehe, und dies in der Beweiswürdigung und der rechtlichen Beurteilung ausführlich angeführt sei. Zusammenfassend sei dem Vorhalt einer mangelhaften Beweiswürdigung sowie eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder falscher rechtlicher Würdigung somit entschieden entgegenzutreten, wie eine ganzheitliche und objektive Betrachtung des kompletten Verfahrens zeige. Das gesamte Vorbringen sei hinsichtlich seiner Glaubhaftigkeit und Plausibilität gewürdigt und demnach auch die konkreten Entscheidungen sowie Feststellungen vor dem Hintergrund der vorliegenden aktuellen Länderfeststellungen sowie der ständigen Judikatur getroffen worden und stellte die Behörde den Antrag die Beschwerde in allen Punkten als unbegründet abzuweisen.

2.6. Im Zuge des Vor- und gegenständlichen Verfahrens brachte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen in Vorlage:

* Deutschzertifikat Niveau A2 vom Juli 2019;

* Teilnahmebestätigung an einem Deutschkurs, Sprachniveau B1 vom 05.09.2019;

* Zeugnis zur Integrationsprüfung; Sprachkompetenz, Werte- und Orientierungswissen vom 09.07.2019;

* Teilnahmebestätigung Werte- und Orientierungskurs am 10.01.2019

2.7. Im Rahmen des Parteiengehörs vom 02.01.2020 wurde dem BF sowie dem Bundesamt die aktuelle Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation Afghanistan vom 13.11.2019 sowie weitere Berichte betreffend die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere Herat und Mazar-Sharif sowie die UNHCR-Richtlinie zu Afghanistan vom 30.08.2018 und die EASO-Guidelines Afghanistan vom Juni 2019, übermittelt. Der Beschwerdeführer ließ diese Möglichkeit ungenutzt verstreichen.

2.8. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2020 beantragte die Behörde erneut die unbegründete Abweisung aller Spruchpunkte und wies ergänzend darauf hin, dass die Beurteilung der Voraussetzung für den subsidiären Schutz zum Entscheidungszeitpunkt stattzufinden habe, unabhängig davon, wie alt das Verfahren bereits sei. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass auch bei einer Aberkennung wegen der Straffälligkeit eines Asylwerbers ebenso wenig ein Vergleich zum Gewährungszeitpunkt hergestellt werde, sondern einzig die aktuelle Situation betrachtet werde. Hinsichtlich der Länderberichte vom 13.11.2019, den UNHCR-Richtlinien bzw. der EASO-Guidelines führte die Behörde aus, dass keine Änderung der Lage hervorgekommen sei, dass nunmehr eine Rückkehr für völlig gesunde, arbeitsfähige Afghanen in Großstädten wie Kabul, Herat oder Mazar-e Sharif auszuschließen wären. Auch der ACCORD Bericht zur Lage in Herat oder Mazar-e Sharif schließe eine zumutbare Rückkehrmöglichkeit nicht aus.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie aus dem Akteninhalt (ua. der schriftlichen Ausfertigung des am 23.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnis vom 17.12.2018), der Niederschrift vor dem BFA am 05.11.2019, der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer führt den Namen XXXX , ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan am XXXX geboren, gehört der Volksgruppe der Hazara an und bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Er ist ledig, hat keine Obsorgeverpflichtungen, ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spricht Dari und Farsi.

Der BF ist im Iran geboren und hielt sich bis zu seiner Ausreise nach Europa im Iran auf. Seine gesamte Familie, Eltern und Geschwister, drei Brüder und eine Schwester, leben nach wie vor im Iran, Mashad, es besteht regelmäßiger Kontakt. Bereits die Eltern des BF sind im Iran aufgewachsen. Der Beschwerdeführer hat Kontakt zu seinen Angehörigen im Iran. Der Beschwerdeführer war noch nie in Afghanistan aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über keine familiären und sozialen Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

Der Beschwerdeführer hat im Iran sieben Jahre die Schule besucht; und hat als Hilfsarbeiter gearbeitet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in Afghanistan über ein familiäres Netz oder soziale Anknüpfungspunkte verfügt, dass den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr unterstützen würde. Die Kernfamilie des Beschwerdeführers lebte sowohl zum Zeitpunkt der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten als auch zum Zeitpunkt der Aberkennung des Schutzstatus im Iran. Die Familie kann den BF nicht unterstützen.

Der BF ist in seinem Herkunftsstaat nicht vorbestraft, war dort nie inhaftiert und hatte keine Probleme mit staatlichen Einrichtungen oder Behörden im Herkunftsland.

Der BF war zunächst, nach illegaler Einreise in das österreichische Staatsgebiet und Antragsstellung auf internationalen Schutz am 02.02.2016, als Asylwerber in Österreich aufhältig.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat mit Bescheid vom 03.04.2017 den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz in allen Spruchpunkten als unbegründet abgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit schriftlicher Ausfertigung des am 23.11.2018 mündlich verkündeten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.12.2018 hinsichtlich der Spruchpunkt I. als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. wurde stattgegeben und dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigten erteilt.

Seit der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts war der Beschwerdeführer als subsidiär Schutzberechtigter aufhältig und erhielt zunächst eine bis 23.11.2019 befristete Aufenthaltsberechtigung.

Ursächlich dafür war, dass der Beschwerdeführer aufgrund individueller Gefährdungsfaktoren (geringe Kenntnis der kulturellen Gepflogenheiten, fehlende Kenntnis der infrastrukturellen Gegebenheiten, fehlendes Unterstützungsnetzwerk, Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara, Exponiertheit als "Iran-Rückkehrer", geringe Bildung und Berufserfahrung) mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht in der Lage sei, nach anfänglichen Schwierigkeiten in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen. Hinsichtlich Kabul wurde ausgeführt, dass es dem BF -vor dem Hintergrund der Länderberichte und der von UNHCR vertretenen Auffassung - mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit noch weniger als in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif möglich sein werde, nach anfänglichen Schwierigkeiten dort Fuß zu fassen und ein relativ normales Leben ohne unangemessene Härten zu führen.

Ein Antrag auf Verlängerung des subsidiären Schutzes wurde am 26.09.2019 gestellt und dieser mit dem gegenständlichen Bescheid abgewiesen und der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt.

In Österreich ist der Beschwerdeführer unbescholten. Er ist nicht erwerbstätig und bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer besuchte Deutschkurse, absolvierte ein Deutschzertifikat A2, und nahm an Werte- und Orientierungskursen teil. Der Beschwerdeführer hat im Jahr für eine geringfügige Zuwendung bei der Kirche gearbeitet, Rasen gemäht und Obst geerntet.

Unter Berücksichtigung der individuellen Situation des Beschwerdeführers und der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan, insbesondere in der Herkunftsprovinz Ghazni sowie in den Städten Kabul, Mazar-e Sharif und Herat, kann nicht festgestellt werden, dass sich die Umstände, die zur Gewährung subsidiären Schutzes geführt haben, seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.11.2018 wesentlich und nachhaltig verändert haben.

1.2. Zum Herkunftsstaat:

Das BVwG trifft folgende Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat unter Auszug aus dem Länderinformationsblatt.

Politische Lage

Afghanistan ist ein Zentralstaat mit 34 Provinzen, die in Distrikte gegliedert sind (AA 15.4.2019). Auf einer Fläche von ca. 632.000 Quadratkilometern (CIA 24.5.2019) leben ca. 32 Millionen Menschen (CSO 2019).

Im Jahr 2004 wurde die neue Verfassung angenommen (BFA 7.2016; vgl. Casolino 2011), die vorsieht, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürgerinnen und Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015) und die Provinzvorsteher, sowie andere wichtige Verwaltungsbeamte, werden direkt vom Präsidenten ernannt und sind diesem rechenschaftspflichtig. Viele werden aufgrund persönlicher Beziehungen ausgewählt (EC 18.5.2019).

In Folge der Präsidentschaftswahlen 2014 wurde am 29.09.2014 Mohammad Ashraf Ghani als Nachfolger von Hamid Karzai in das Präsidentenamt eingeführt. Gleichzeitig trat sein Gegenkandidat Abdullah Abdullah das Amt des Regierungsvorsitzenden (CEO) an - eine per Präsidialdekret eingeführte Position, die Ähnlichkeiten mit der Position eines Premierministers aufweist. Ghani und Abdullah stehen an der Spitze einer Regierung der nationalen Einheit (National Unity Government, NUG), auf deren Bildung sich beide Seiten in Folge der Präsidentschaftswahlen verständigten (AA 15.4.2019; vgl. AM 2015, DW 30.9.2014). Bei der Präsidentenwahl 2014 gab es Vorwürfe von Wahlbetrug in großem Stil (RFE/RL 29.5.2019). Die ursprünglich für den 20. April 2019 vorgesehene Präsidentschaftswahl wurde mehrfach verschoben, da die Wahlbehörden auf eine landesweite Wahl so kurz nach der Parlamentswahl im Oktober 2018 nicht vorbereitet waren. Der Oberste Gerichtshof Afghanistans konnte die Herausforderungen für die Wahlkommission nachvollziehen und verlängerte die Amtszeit von Präsident Ashraf Ghani bis zu der auf den 28.9.2019 verschobenen Präsidentschaftswahl (DZ 21.4.2019).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus zwei Kammern: dem Unterhaus oder Volksvertretung (Wolesi Jirga) mit 250 Abgeordneten (für 5 Jahre gewählt), sowie dem Oberhaus oder Ältestenrat (Meschrano Jirga) mit 102 Abgeordneten (AA 15.4.2019).

Das Oberhaus setzt sich laut Verfassung zu je einem Drittel aus Vertretern der Provinz- und Distrikträte zusammen. Das letzte Drittel der Senatoren wird durch den Präsidenten bestimmt (AA 15.4.2019). Die Hälfte der vom Präsidenten entsandten Senatoren müssen Frauen sein. Weiters vergibt der Präsident zwei Sitze für die nomadischen Kutschi und zwei weitere an behinderte Personen. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 13.3.2019).

Die Sitze im Unterhaus verteilen sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 13.3.2019, Casolino 2011).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Ob das neue Parlament, das sich nach den Wahlen vom Oktober 2018 erst mit erheblicher Verzögerung im April 2019 konstituierte, eine andere Rolle einnehmen kann, muss sich zunächst noch erweisen. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist, doch nutzt das Parlament auch seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z.T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die Regierung der Nationalen Einheit als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leidet die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 2.9.2019).

Die Präsidentschaftswahlen und Parlamentswahlen finden gemäß Verfassung alle fünf Jahre statt (USIP 11.2013). Mit dreijähriger Verzögerung fanden zuletzt am 20. und 21. Oktober 2018 - mit Ausnahme der Provinz Ghazni - Parlamentswahlen statt (AA 15.4.2019; vgl. USDOS 13.3.2019). Die letzten Präsidentschaftswahlen fanden am 28. September 2019 statt; ein vorläufiges Ergebnis wird laut der unabhängigen Wahlkommission (IEC) für den 14. November 2019 erwartet (RFE/RL 20.10.2019).

Bei den Wahlen zur Nationalversammlung am 20. und 21.10.2018 gaben etwa vier Millionen der registrierten 8,8 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab. In der Provinz Kandahar musste die Stimmabgabe wegen eines Attentats auf den Provinzpolizeichef um eine Woche verschoben werden und in der Provinz Ghazni wurde die Wahl wegen politischer Proteste, welche die Wählerregistrierung beeinträchtigten, nicht durchgeführt (s.o.). Die Wahl war durch Unregelmäßigkeiten geprägt, darunter Betrug bei der Wählerregistrierung und Stimmabgabe, Einschüchterung der Wähler, und einige Wahllokale mussten wegen Bedrohungen durch örtliche Machthaber schließen. Die Taliban und andere Gruppierungen behinderten die Stimmabgabe durch Drohungen und Belästigungen. Durch Wahl bezogene Gewalt kamen 56 Personen ums Leben und 379 wurden verletzt. Mindestens zehn Kandidaten kamen im Vorfeld der Wahl bei Angriffen ums Leben, wobei die jeweiligen Motive der Angreifer unklar waren (USDOS 13.3.2019).

Wegen Vorwürfen des Betruges und des Missmanagements erklärte Anfang Dezember 2018 die afghanische Wahlbeschwerdekommission (ECC) alle in der Provinz Kabul abgegebenen Stimmen für ungültig (RFE/RL 6.12.2018). Die beiden Wahlkommissionen einigten sich in Folge auf eine neue Methode zur Zählung der abgegebenen Stimmen (TN 12.12.2018). Die Provinzergebnisse von Kabul wurden schließlich am 14.5.2019, fast sieben Monate nach dem Wahltag, veröffentlicht. In einer Ansprache bezeichnete Präsident Ghani die Wahl als "Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen als "ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Politische Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 29.5.2018). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004) oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011; vgl. MPI 27.1.2004, USDOS 29.5.2018). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (MPI 27.1.2004).

Das kaum entwickelte afghanische Parteiensystem weist mit über 70 registrierten Parteien eine starke Zersplitterung auf (AA 2.9.2019). Die politischen Parteien haben ihren Platz im politischen System Afghanistans noch nicht etablieren können (DOA 17.3.2019). Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien (AA 2.9.2019; vgl. AAN 6.5.2018, DOA 17.3.2019). Ethnische Zugehörigkeit, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen spielen traditionell eine größere Rolle als politische Organisationen (AA 2.9.2019).

Das derzeitige Wahlsystem ist personenbezogen, die Parteien können keine Kandidatenlisten erstellen, es sind keine Sitze für die Parteien reserviert und es ist den Parteien untersagt, Fraktionen im Parlament zu gründen. Der Parteivorsitz wird nicht durch parteiinterne Abläufe bestimmt, sondern wird eher wie ein partimoniales Erbgut gesehen, das von einer Generation an die nächste, vom Vater zum Sohn, übergeben wird. Die Menschen vertrauen den Parteien nicht und junge, gebildete Leute sind nicht gewillt, solchen Parteien beizutreten (DOA 17.3.2019).

Die Hezb-e Islami wird von Gulbuddin Hekmatyar, einem ehemaligen Warlord, der zahlreicher Kriegsverbrechen beschuldigt wird, geleitet. Im Jahr 2016 kam es zu einem Friedensschluss und Präsident Ghani sicherte den Mitgliedern der Hezb-e Islami Immunität zu. Hekmatyar kehrte 2016 aus dem Exil nach Afghanistan zurück und kündigte im Jänner 2019 seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen 2019 an (CNA 19.1.2019).

Im Februar 2018 hat Präsident Ghani in einem Plan für Friedensgespräche mit den Taliban diesen die Anerkennung als politische Partei in Aussicht gestellt (DP 16.6.2018). Bedingung dafür ist, dass die Taliban Afghanistans Verfassung und einen Waffenstillstand akzeptieren (NZZ 27.1.2019). Die Taliban reagierten nicht offiziell auf den Vorschlag (DP 16.6.2018; s. folgender Abschnitt, Anm.).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Hochrangige Vertreter der Taliban sprachen zwischen Juli 2018 (DZ 12.8.2019) - bis zum plötzlichen Abbruch durch den US-amerikanischen Präsidenten im September 2019 (DZ 8.9.2019) - mit US-Unterhändlern über eine politische Lösung des nun schon fast 18 Jahre währenden Konflikts. Dabei ging es vor allem um Truppenabzüge und Garantien der Taliban, dass Afghanistan nicht zu einem sicheren Hafen für Terroristen wird. Die Gespräche sollen zudem in offizielle Friedensgespräche zwischen der Regierung in Kabul und den Taliban münden. Die Taliban hatten es bisher abgelehnt, mit der afghanischen Regierung zu sprechen, die sie als "Marionette" des Westens betrachten - auch ein Waffenstillstand war Thema (DZ 12.8.2019; vgl. NZZ 12.8.2019; DZ 8.9.2019).

Präsident Ghani hatte die Taliban mehrmals aufgefordert, direkt mit seiner Regierung zu verhandeln und zeigte sich über den Ausschluss der afghanischen Regierung von den Friedensgesprächen besorgt (NYT 28.1.2019; vgl. DP 28.1.2019, MS 28.1.2019). Bereits im Februar 2018 hatte Präsident Ghani die Taliban als gleichberechtigten Partner zu Friedensgesprächen eingeladen und ihnen eine Amnestie angeboten (CR 2018). Ein für Mitte April 2019 in Katar geplantes Dialogtreffen, bei dem die afghanische Regierung erstmals an den Friedensgesprächen mit den Taliban beteiligt gewesen wäre, kam nicht zustande (HE 16.5.2019). Im Februar und Mai 2019 fanden in Moskau Gespräche zwischen Taliban und bekannten afghanischen Oppositionspolitikern, darunter der ehemalige Staatspräsident Hamid Karzai und mehreren Warlords, statt (Qantara 12.2.2019; vgl. TN 31.5.2019). Die afghanische Regierung war weder an den beiden Friedensgesprächen in Doha, noch an dem Treffen in Moskau beteiligt (Qantara 12.2.2019; vgl. NYT 7.3.2019), was Unbehagen unter einigen Regierungsvertretern auslöste und die diplomatischen Beziehungen zwischen den beiden Regierungen beeinträchtigte (REU 18.3.2019; vgl. WP 18.3.2019).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die "große Ratsversammlung" (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel, einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den innerafghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an, betonte aber dennoch, dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil (HE 16.5.2019).

Die Innenpolitik ist seit der Einigung zwischen den Stichwahlkandidaten der Präsidentschaftswahl auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) von mühsamen Konsolidierungsbemühungen geprägt. Nach langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Lagern der Regierung unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah sind kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 schließlich alle Ministerämter besetzt worden (AA 9.2016). Das bestehende Parlament bleibt erhalten (CRS 12.1.2017) - nachdem die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen wegen bisher ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden konnten (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017).

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor volatil (UNGASC 3.9.2019), nachdem im Frühjahr sowohl die Taliban als auch die afghanische Regierung neue Offensiven verlautbart hatten (USDOD 6.2019). Traditionell markiert die Ankündigung der jährlichen Frühjahrsoffensive der Taliban den Beginn der sogenannten Kampfsaison - was eher als symbolisch gewertet werden kann, da die Taliban und die Regierungskräfte in den vergangenen Jahren auch im Winter gegeneinander kämpften (AJ 12.4.2019). Die Frühjahrsoffensive des Jahres 2019 trägt den Namen al-Fath (UNGASC 14.6.2019; vgl. AJ 12.4.2019; NYT 12.4.2019) und wurde von den Taliban trotz der Friedensgespräche angekündigt (AJ 12.4.2019; vgl. NYT 12.4.2019). Landesweit am meisten von diesem aktiven Konflikt betroffen, waren die Provinzen Helmand, Farah und Ghazni (UNGASC 14.6.2019). Offensiven der afghanischen Spezialeinheiten der Sicherheitskräfte gegen die Taliban wurden seit Dezember 2018 verstärkt - dies hatte zum Ziel die Bewegungsfreiheit der Taliban zu stören, Schlüsselgebiete zu verteidigen und damit eine produktive Teilnahme der Taliban an den Friedensgesprächen zu erzwingen (SIGAR 30.7.2019). Seit Juli 2018 liefen auf hochrangiger politischer Ebene Bestrebungen, den Konflikt zwischen der afghanischen Regierungen und den Taliban politisch zu lösen (TS 22.1.2019). Berichten zufolge standen die Verhandlungen mit den Taliban kurz vor dem Abschluss. Als Anfang September der US-amerikanische Präsident ein geplantes Treffen mit den Islamisten - als Reaktion auf einen Anschlag - absagte (DZ 8.9.2019). Während sich die derzeitige militärische Situation in Afghanistan nach wie vor in einer Sackgasse befindet, stabilisierte die Einführung zusätzlicher Berater und Wegbereiter im Jahr 2018 die Situation und verlangsamte die Dynamik des Vormarsches der Taliban (USDOD 12.2018).

Die afghanische Regierung behält die Kontrolle über Kabul, die wichtigsten Bevölkerungszentren und Transitrouten sowie Provinzhauptstädte und die meisten Distriktzentren (USDOD 6.2019). Die afghanischen Kräfte sichern die Städte und andere Stützpunkte der Regierung; die Taliban verstärken groß angelegte Angriffe, wodurch eine Vielzahl afghanischer Kräfte in Verteidigungsmissionen eingebunden ist, Engpässe entstehen und dadurch manchmal auch Kräfte fehlen können, um Territorium zu halten (SIGAR 30.4.2019; vgl. NYT 19.7.2019). Kämpfe waren auch weiterhin auf konstant hohem Niveau. Die Ausnahme waren islamische Festtage, an denen, wie bereits in der Vergangenheit auch schon, das Kampfniveau deutlich zurückging, als sowohl regierungsfreundliche Kräfte, aber auch regierungsfeindliche Elemente ihre offensiven Operationen reduzierten. Im Gegensatz dazu hielt das Kampftempo während des gesamten Fastenmonats Ramadan an, da regierungsfeindliche Elemente mehrere Selbstmordattentate ausführten und sowohl regierungsfreundliche Truppen, als auch regierungsfeindliche Elemente, bekundeten, ihre operative Dynamik aufrechtzuerhalten (UNGASC 3.9.2019). Die Taliban verlautbarten, eine asymmetrische Strategie zu verfolgen: die Aufständischen führen weiterhin Überfälle auf Kontrollpunkte und Distriktzentren aus und bedrohen Bevölkerungszentren (UNGASC 7.12.2018). Angriffe haben sich zwischen November 2018 und Jänner 2019 um 19% im Vergleich zum Vorberichtszeitraum (16.8. - 31.10.2018) verstärkt. Insbesondere in den Wintermonaten wurde in Afghanistan eine erhöhte Unsicherheit wahrgenommen. (SIGAR 30.4.2019). Seit dem Jahr 2002 ist die Wintersaison besonders stark umkämpft. Trotzdem bemühten sich die ANDSF und Koalitionskräfte die Anzahl ziviler Opfer zu reduzieren und konzentrierten sich auf Verteidigungsoperationen gegen die Taliban und den ISKP. Diese Operationen verursachten bei den Aufständischen schwere Verluste und hinderten sie daran ihr Ziel zu erreichen (USDOD 6.2019). Der ISKP ist auch weiterhin widerstandsfähig: Afghanische und internationale Streitkräfte führten mit einem hohen Tempo Operationen gegen die Hochburgen des ISKP in den Provinzen Nangarhar und Kunar durch, was zu einer gewissen Verschlechterung der Führungsstrukturen der ISKP führt. Dennoch konkurriert die Gruppierung auch weiterhin mit den Taliban in der östlichen Region und hat eine operative Kapazität in der Stadt Kabul behalten (UNGASC 3.9.2019).

So erzielen weder die afghanischen Sicherheitskräfte noch regierungsfeindliche Elemente signifikante territoriale Gewinne. Das aktivste Konfliktgebiet ist die Provinz Kandahar, gefolgt von den Provinzen Helmand und Nangarhar. Wenngleich keine signifikanten Bedrohungen der staatlichen Kontrolle über Provinzhauptstädte gibt, wurde in der Nähe der Provinzhauptstädte Farah, Kunduz und Ghazni über ein hohes Maß an Taliban-Aktivität berichtet (UNGASC 3.9.2019). In mehreren Regionen wurden von den Taliban vorübergehend strategische Posten entlang der Hauptstraßen eingenommen, sodass sie den Verkehr zwischen den Provinzen erfolgreich einschränken konnten (UNGASC 7.12.2018). So kam es beispielsweise in strategisch liegenden Provinzen entlang des Highway 1 (Ring Road) zu temporären Einschränkungen durch die Taliban (UNGASC 7.12.2018; vgl. ARN 23.6.2019). Die afghanischen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte stellen erhebliche Mittel für die Verbesserung der Sicherheit auf den Hauptstraßen bereit - insbesondere in den Provinzen Ghazni, Zabul, Balkh und Jawzjan. (UNGASC 3.9.2019).

Für das gesamte Jahr 2018, registrierten die Vereinten Nationen (UN) in Afghanistan insgesamt 22.478 sicherheitsrelevante Vorfälle. Gegenüber 2017 ist das ein Rückgang von 5%, wobei die Anzahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle im Jahr 2017 mit insgesamt 23.744 ihren bisherigen Höhepunkt erreicht hatte (UNGASC 28.2.2019).

Abb. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle 2015-2018 in ganz Afghanistan gemäß Berichten des UN-Generalsekretärs (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UN-Daten (UNGASC 7.3.2016; UNGASC 3.3.2017; UNGASC 28.2.2018; UNGASC 28.2.2019))

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Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 registriert die Vereinten Nationen (UN) insgesamt 5.856 sicherheitsrelevanter Vorfälle - eine Zunahme von 1% gegenüber dem Vorjahreszeitraum. 63% Prozent aller sicherheitsrelevanten Vorfälle, die höchste Anzahl, wurde im Berichtszeitraum in den südlichen, östlichen und südöstlichen Regionen registriert (UNGASC 3.9.2019). Für den Berichtszeitraum 8.2-9.5.2019 registrierte die UN insgesamt 5.249 sicherheitsrelevante Vorfälle - ein Rückgang von 7% gegenüber dem Vorjahreswert; wo auch die Anzahl ziviler Opfer signifikant zurückgegangen ist (UNGASC 14.6.2019).

Für den Berichtszeitraum 10.5.-8.8.2019 sind 56% (3.294) aller sicherheitsrelevanten Vorfälle bewaffnete Zusammenstöße gewesen; ein Rückgang um 7% im Vergleich zum Vorjahreswert. Sicherheitsrelevante Vorfälle bei denen improvisierte Sprengkörper verwendet wurden, verzeichneten eine Zunahme von 17%. Bei den Selbstmordattentaten konnte ein Rückgang von 44% verzeichnet werden. Die afghanischen Sicherheitskräfte führen gemeinsam mit internationalen Kräften, weiterhin eine hohe Anzahl von Luftangriffen durch: 506 Angriffe wurden im Berichtszeitraum verzeichnet - 57% mehr als im Vergleichszeitraum des Jahres 2018 (UNGASC 3.9.2019).

Im Gegensatz dazu, registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) für das Jahr 2018 landesweit

29.493 sicherheitsrelevante Vorfälle, welche auf NGOs Einfluss hatten. In den ersten acht Monaten des Jahres 2019 waren es 18.438 Vorfälle. Zu den gemeldeten Ereignissen zählten, beispielsweise geringfügige kriminelle Überfälle und Drohungen ebenso wie bewaffnete Angriffe und Bombenanschläge (INSO o.D.).

Folgender Tabelle kann die Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen pro Jahr im Zeitraum 2016-2018, sowie bis einschließlich August des Jahres 2019 entnommen werden:

Tab. 1: Anzahl sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan lt. INSO 2016-8.2019, monatlicher Überblick (Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO-Daten (INSO o.D.))

 

2016

2017

2018

2019

Jänner

2111

2203

2588

2118

Februar

2225

2062

2377

1809

März

2157

2533

2626

2168

April

2310

2441

2894

2326

Mai

2734

2508

2802

2394

Juni

2345

2245

2164

2386

Juli

2398

2804

2554

2794

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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