TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/29 W125 2227112-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2020
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Entscheidungsdatum

29.01.2020

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5 Satz 1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §61

Spruch

W125 2227112-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Filzwieser über die Beschwerde von XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Libyen, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I.

Die Beschwerde wird gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als unbegründet abgewiesen.

II.

Gemäß § 21 Abs. 5 Satz 1 BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Libyens, reiste am 26.11.2019 unrechtmäßig von Italien kommend nach Österreich ein, wo er in Grenznähe von Beamten des öffentlichen Sicherheitsdienstes kontrolliert wurde. Da er die für einen Aufenthalt in Österreich nötigen Reise- und Identitätsdokumente nicht vorweisen konnte, wurde er seitens der LPD XXXX festgenommen und zur weiteren Abklärung in das Polizeianhaltezentrum XXXX verbracht. Ein von ihm mitgeführtes Konvolut von italienischen Dokumenten wurde sichergestellt.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass der Beschwerdeführer bisher (zumindest) in fünf Ländern einen Antrag auf internationalen Schutz gestellte hatte, und zwar in Schweden, den Niederlanden, Finnland, der Schweiz und Dänemark. Dänemark wurde sodann auch am 27.11.2019 seitens des BFA um Wiederaufnahme des Beschwerdeführers nach der Dublin III-VO ersucht.

2. Am selben Tag wurde gegen den Beschwerdeführer seitens des BFA ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung eingeleitet und wurde zum Zwecke der Sicherung des Überstellungsverfahrens die Schubhaft gemäß Art. 28 Dublin III-VO angeordnet. (Zl. XXXX )

3. Am 28.11.2019 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz, woraufhin er am 29.11.2019 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich befragt wurde.

Im Rahmen dieser Erstbefragung führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, Libyen am 25.05.2011, wegen des dortigen Bürgerkriegszustandes, verlassen zu haben, um nach Europa zu flüchten. Er sei in der Folge in mehreren europäischen Staaten unrechtmäßig aufhältig gewesen, wobei er in den zum EURODAC-Treffer aufscheinenden Ländern jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt habe. Zuletzt sei er in Tschechien und Frankreich gewesen, bevor er schließlich über Italien kommend, nach Österreich eingereist sei. In Tschechien und Italien habe er auch behördlichen Kontakt gehabt. In Wahrheit habe er nach Deutschland weiterreisen wollen, aufgrund der Anhaltung und um einer Schubhaft zu entgehen, sei er aber gezwungen gewesen, in Österreich einen Asylantrag zu stellen.

4. Mit Schreiben vom 02.12.2019 lehnte Dänemark die Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ausdrücklich ab, und teilte mit, dass das dänische Immigrationsservice seinerseits bereits am 11.01.2018 Italien um eine Aufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO ersucht hatte. In Ermangelung einer Antwort habe Italien dem Aufnahmeersuchen durch Verfristung gemäß Art. 22 Abs. 7 Dublin III-VO am 12.03.2018 zugestimmt und sei der Beschwerdeführer daraufhin am 12.11.2018 unter Aufsicht der dänischen Polizei nach Rom transferiert worden.

5. Vor dem Hintergrund dieser Information stellte Österreich am 03.12.2019 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO an Italien. Nachdem Italien seine Antwortfrist (abermals) ungenützt verstreichen ließ, teilte das BFA dem mit, dass nunmehr Italien für die Durchführung des gegenständlichen Asylverfahrens zuständig sei.

6. Am 20.12.2019 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers und Rechtsberaters im Verfahren vor dem BFA einvernommen. Er gab insbesondere an, er fühle sich psychisch und physisch in der Lage, die gestellten Fragen wahrheitsgemäß zu beantworten und bestätigte er, dass auch seine bereits gemachten Angaben im Zuge der Erstbefragung der Wahrheit entsprochen hätten.

Ergänzend führte er aus, in Österreich keine Angehörige zu haben, jedoch einen Bruder in Frankreich, bei dem er drei Jahre lang gewesen sei, sowie entfernte Verwandte in Deutschland.

Im Hinblick auf seine geplante Ausweisung nach Italien - die ihm zuvor gemäß § 29 AsylG mitgeteilt worden war - führte der Beschwerdeführer aus, dass Italien nicht zuständig sei, da er sich dort nur zwei Tage lang aufgehalten hätte. Er sei die letzten sieben Monate in Tschechien gewesen und daraufhin in Frankreich zu Besuch beim Bruder. Danach sei er von Frankreich aus über Italien nach Österreich gelangt, wo er auf der Durchreise in XXXX von der Polizei betreten worden sei. In der Folge seien seine Fingerabdrücke genommen und sei dem Beschwerdeführer eine siebentägige Frist zur Ausreise erteilt worden. Da er bereits 2012 in der Schweiz einen Asylantrag gestellt hatte, verstehe er zudem nicht, warum nicht dieses Land für sein Verfahren zuständig sei.

7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 20.12.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art 18 Abs. 1 Dublin III-VO für die inhaltliche Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG seine Abschiebung nach Italien zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Italien traf das BFA folgende Feststellungen (ungekürzt wiedergegeben):

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" Allgemeines zum Asylverfahren

In Italien existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit gerichtlichen Beschwerdemöglichkeiten. Im Oktober 2018 gab es mit Einführung von Gesetzesdekret Nr. 113 vom 4.10.2018 (in Verbindung mit dem Umwandlungsgesetz Nr. 132 vom 1.12.2018 (auch als "Salvini-Dekret" bzw. "Salvini-Gesetz" bekannt) einige legislative Änderungen (siehe dazu insbesondere Abschnitte 6. und 7. in diesem LIB, Anm.):AIDA 4.2019; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle).

Mit Stand 27. September 2019 waren in Italien 49.014 Personen in einem Asylerfahren, davon haben 26.240 Personen ihren Asylantrag im Jahr 2019 gestellt (MdI 27.9.2019).

Im Jahre 2019 haben die italienischen Asylbehörden bis zum 7. Juni

42.916 Asylentscheidungen getroffen, davon erhielten 4.605 Personen Flüchtlingsstatus, 2.790 subsidiären Schutz, 672 humanitären Schutz,

2.340 waren unauffindbar und 32.304 wurden negativ entschieden (MdI 7.6.2019). Mit Anfang Oktober 2019 waren in Italien 50.298 Asylanträge anhängig (SN 2.10.2019).

Die Asylverfahren nehmen, inklusive Beschwerdephase, bis zu zwei Jahre in Anspruch (USDOS 13.3.2019).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

-

MdI - Ministero dell'Interno (27.9.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo, per E-Mail

-

MdI - Ministero dell'Interno (7.6.2019): Commissione Nazionale per il Diritto di Asilo,

https://www.camera.it/application/xmanager/projects/leg18/attachments/upload_file_doc_acquisiti/pdfs/000/001/795/REPORT_FINO_AL_07.06.2019_.pdf, Zugriff 24.9.2019

-

SN - Salzburger Nachrichten (2.10.2019): Zahl der Migrantenankünfte in Italien 2019 stark rückläufig, https://www.sn.at/politik/weltpolitik/zahl-der-migrantenankuenfte-in-italien-2019-stark-ruecklaeufig-77097958, Zugriff: 9.10.2019

-

USDOS - US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices 2018 - Italy, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004308.html, Zugriff 23.9.201 "

1. Dublin-Rückkehrer

Wenn Italien einer Überstellung ausdrücklich zustimmt, wird der Flughafen angegeben, welcher der für das konkrete Asylverfahren zuständigen Quästur am nächsten liegt. Wenn Italien durch Fristablauf zustimmt, landen Rückkehrer üblicherweise auf den Flughäfen Rom-Fiumicino und Mailand-Malpensa. Ihnen wird am Flughafen von der Polizei eine Einladung (verbale di invito) ausgehändigt, der zu entnehmen ist, welche Quästur für ihr Asylverfahren zuständig ist. Mit dieser ist dann ein Termin zu vereinbaren. Die Quästuren sind oft weit von den Ankunftsflughäfen entfernt und die Asylwerber müssen auf eigene Faust und oft auch auf eigene Kosten innerhalb weniger Tage dorthin reisen, was bisweilen problematisch sein kann (AIDA 4.2019).

Die Situation von Dublin-Rückkehrern hängt vom Stand ihres Verfahrens in Italien ab:

1. Wenn ein Rückkehrer noch keinen Asylantrag in Italien gestellt hat, kann er dies tun, so wie jede andere Person auch. Der Rückkehrer könnte aber auch als illegaler Migrant betrachtet und mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung konfrontiert werden. Derartige Fälle wurden 2018 vom Flughafen Mailand Malpensa berichtet (AIDA 4.2019).

2. Wenn das Verfahren eines Antragstellers suspendiert wurde, weil er sich dem Verfahren vor dem Interview entzogen hat, kann der Rückkehrer binnen 12 Monaten ab Suspendierung einen neuen Interviewtermin beantragen. Sind mehr als 12 Monate vergangen und das Verfahren wurde beendet, kann nur ein Folgeantrag gestellt werden, für den seit Oktober 2018 verschärfte Regelungen gelten (AIDA 4.2019).

3. Wurde das Verfahren des Antragstellers in der Zwischenzeit negativ entschieden und ihm dies zur Kenntnis gebracht, ohne dass er Beschwerde eingelegt hätte, ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich. Wenn dem Antragsteller die negative Entscheidung nicht zur Kenntnis gebracht werden konnte, gilt diese seit Oktober 2018 nach 20 Tagen als zugestellt und ist für den Rückkehrer eine Anordnung zur Außerlandesbringung und Schubhaft möglich (AIDA 4.2019). (Für weitere Informationen, siehe Kapitel 6.2. "Dublin-Rückkehrer", Anm.)

Mit Gesetz 132/2018 wurde der humanitäre Schutzstatus stark überarbeitet und der Zugang zu dieser Schutzform eingeschränkt. Abgelaufene (alte) Aufenthaltstitel aus humanitären Gründen, werden nicht erneuert (VB 22.2.2019) und können auch nicht mehr verlängert werden. Sie können jedoch bei rechtzeitiger Antragstellung und Erfüllung der Voraussetzungen in einen anderen Titel umgewandelt werden (Aufenthaltstitel für Arbeit, Familienzusammenführung, etc. oder in einen humanitären Titel neuer Rechtslage) (VB 25.2.2019). Ansonsten läuft der Titel ab und der Aufenthalt in Italien ist nicht mehr rechtmäßig (VB 22.2.2019). (für nähere Informationen zu diesem Thema siehe Abschnitt 7. "Schutzberechtigte", Anm.) Wenn Dublin-Rückkehrer im Besitz eines humanitären Aufenthaltes waren, der nicht fristgerecht in einen der neuen Aufenthaltstitel umgewandelt wurde, sind sie zum Aufenthalt in Italien nicht mehr berechtigt und damit von der Versorgung ausgeschlossen (SFH 8.5.2019).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (4.2019): Association for Legal Studies on Immigration (ASGI) / European Council on Refugees and Exiles (ECRE): Country Report: Italy, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_it_2017update.pdf, Zugriff 27.8.2019

-

SFH - Schweizerische Flüchtlingshilfe (8.5.2019): Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien, https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pdf, Zugriff 25.9.2019

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VB des BM.I Italien (25.2.2019): Auskunft des VB, per E-Mail

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VB des BM.I Italien (22.2.2019): Bericht des VB, per E-Mail

Begründend führte das BFA zusammengefasst aus, dass gemäß Art. 18 Abs. 1 Dublin III-VO Italien für die inhaltliche Prüfung des gestellten Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei.

Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung des Beschwerdeführers ernstlich für möglich erscheinen ließe, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Es seien auch weder schützenswerte familiäre, noch besondere private Anknüpfungspunkte in Österreich gegeben, weshalb die Außerlandesbringung keinen ungerechtfertigten Eingriff in das Grundrecht nach Art. 8 EMRK darstelle.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht am 23.12.2019 durch seine Vertretung gemäß § 52 BFA-VG das Rechtsmittel der Beschwerde und stellte gleichzeitig den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Inhaltlich wurde im Wesentlichen geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer in Italien keinen Asylantrag gestellt habe. Ebenso verharmlose die den Bescheid erlassene Behörde die aktuelle Kritik am italienischen Asylsystem und übersehe sie, dass Italien keinerlei Interesse am Verbleib von Flüchtlingen habe. Bei vollständiger Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes hätte die Behörde zum Schluss kommen müssen, dass Österreich bei einer Art. 3 und 8 EMRK konformen Auslegung, von den Bestimmungen der Dublin III-VO Gebrauch machen und die Zuständigkeit für sein Asylverfahren übernehmen hätte müssen.

9. Die Beschwerdevorlage langte am 02.01.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

10. Betreffend der unter 1. der Verfahrenserzählung erwähnten sichergestellten Dokumente, welche der Beschwerdeführer bei seiner Einreise ins österreichische Bundesgebiet mit sich führte, veranlasste das Bundesverwaltungsgericht eine Übersetzung durch eine geeignete Dolmetscherin, welche am 09.01.2020 beim zuständigen Gericht einlangte. Aus dieser konnte im Wesentlichen Folgendes entnommen werden:

Es handelt sich dabei um - echt scheinende - behördliche Entscheidungen des Präfekten bzw. Polizeipräsidenten der Provinz XXXX . Daraus geht insbesondere hervor, dass der Beschwerdeführer am 01.11.2017 das italienische Hoheitsgebiet (Grenze XXXX ) betreten hat. Am 22.11.2019 sei er seitens der tschechischen Behörde zurück nach Italien überstellt worden, wo er ordnungsgemäß über die Möglichkeiten zur Stellung eines Antrags auf internationalen Schutz gemäß den geltenden Rechtsvorschriften unterrichtet worden war. Da der Beschwerdeführer gegenüber Beamten ausdrücklich erklärt habe, einen internationalen Schutz nicht zu beantragen, wurde mangels sonstiger Aufenthaltsberechtigung seine Ausweisung aus Italien angeordnet, wobei ihm eine siebentägige Frist für die Ausreise eingeräumt wurde. Es ergibt sich auch ein anderes Geburtsdatum, nämlich der XXXX .

11. Laut Bericht der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 28.01.2020 wurde der Beschwerdeführer am gleichen Tag auf dem Luftweg nach XXXX überstellt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer, ein volljähriger Staatsangehöriger aus Libyen, stellte am 28.11.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

Er war am 26.11.2019 unrechtmäßig von Italien kommend nach Österreich eingereist.

Eine EURODAC-Abfrage ergab, dass er (zumindest) in Schweden, den Niederlanden, Finnland, der Schweiz und Dänemark einen Asylantrag gestellt hatte.

Seine erste Antragstellung erfolgte in der Schweiz und datiert auf den 09.01.2012. In der Folge blieb der Aufenthalt des Beschwerdeführers unbekannt, er hat jedoch jedenfalls die Europäische Union verlassen.

Am 01.11.2017 betrat der Beschwerdeführer erneut aus einem Drittstaat kommend unrechtmäßig das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und zwar in Italien (Grenze XXXX ). Von dort aus reiste er auf unbekannten Wegen weiter nach Dänemark, wo er am XXXX12.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Wegen festgestellter Zuständigkeit Italiens gemäß Art. 13 Dublin III-VO wurde er am 12.11.2018 von Dänemark zurück in sein Ankunftsland Italien überstellt. In der Folge kam es zu weiteren Antragstellungen auf internationalen Schutz, am XXXX 12.2018 in den Niederlanden, am XXXX 03.2019 in Schweden und am XXXX 03.2019 in Finnland. Später hielt sich der Beschwerdeführer in Tschechien auf, von wo aus er am 22.11.2019 zurück nach Italien (Flughafen XXXX ) überstellt wurde.

Es liegen keine Anhaltspunkte vor, dass einer der zuletzt genannten Mitgliedstaaten, die Verantwortung für die Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz übernommen hätte.

Dass der Beschwerdeführer während des Zeitraums von 01.11.2017 bis 22.11.2019 zwischenzeitig jemals das Hoheitsgebiet der EU-Mitgliedstaaten verlassen hätte, konnte ebenso wenig festgestellt werden.

Zurück in Italien wurde der Beschwerdeführer auf die Möglichkeit zur Beantragung von internationalem Schutz hingewiesen, was dieser jedoch ausdrücklich ablehnte. Er erklärte gleichwohl nicht in sein Heimatland zurückkehren zu wollen und nicht zur freiwilligen Ausreise bereit zu sein. Da er über keine sonstigen Aufenthaltsberechtigungen verfügte, wurde ihn betreffend eine Ausweisung binnen siebentägiger Frist angeordnet, gegen die ein Rechtsmittel zulässig wäre.

In weiterer Folge reiste der Beschwerdeführer über Italien kommend am 26.11.2019 nach Österreich ein, wo er am 28.11.2019 den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Österreich richtete schließlich am 03.12.2019 ein Wiederaufnahmeersuchen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO an Italien, dem Italien durch Verfristung zustimmte.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den wiedergegebenen Feststellungen des angefochtenen Bescheides zur Allgemeinsituation im Mitgliedstaat Italien an.

Konkrete, in der Person des Beschwerdeführers gelegene Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung nach Italien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen akuten oder lebensbedrohenden Erkrankungen, welche in Italien nicht behandelbar sind.

Besondere private, familiäre oder berufliche Bindungen des Beschwerdeführers bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der letzten irregulären Einreise des Beschwerdeführers in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten am 01.11.2017 sowie der erkennungsdienstlichen Behandlungen und der Antragstellungen auf internationalen Schutz in anderen Mitgliedstaaten ergeben sich aus den EURODAC-Treffermeldungen und den im Akt liegenden italienischen und dänischen behördlichen Dokumenten. Damit standen die Angaben des Beschwerdeführers nicht grundsätzlich in Widerspruch. Hinsichtlich der von ihm nicht ausgeführten Ausreise aus der EU vor 2017 steht dem seine Ankunft in einem sizilianischen Hafenort XXXX (wie von der italienischen Behörde festgestellt) klar entgegen, der eine Ankunft am Seeweg nahelegt.

Dass der Beschwerdeführer, trotz eingeräumter Möglichkeit, in Italien keinen Antrag auf internationalen Schutz stellte, ist ebenfalls aus dem gegenständlichen italienischen Dokument zu entnehmen und deckt sich eine dahingehende Feststellung mit den vom Beschwerdeführer gemachten Angaben.

Die Feststellung betreffend den Verfahrensgang in Österreich, insbesondere das durchgeführte Konsultationsverfahren mit Italien und die erfolgte Zustimmung Italiens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers, beruht auf dem diesbezüglichen, dokumentierten Akteninhalt.

Aus den Länderfeststellungen des angefochtenen Bescheides ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das italienische Asylwesen grobe systematische Mängel aufwiese. Sofern in den behördlichen Feststellungen zum Teil kritisch auf das sogenannte "Salvini- Gesetz" hingewiesen wird, ist notorisch, dass es zwischenzeitig zu einem Regierungswechsel in Italien gekommen ist und der seinerzeitige italienische Innenminister nicht mehr im Amt ist.

Da der Beschwerdeführer offenkundig bei seiner letzten Dublin-Überstellung aus der Tschechischen Republik die Möglichkeit hatte, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen, besteht kein Anlass anzunehmen, dass dies bei einer neuerlichen Überstellung nicht mehr der Fall sein würde, woraus sich nach der zitierten Quelle der Schweizer Flüchtlingshilfe (14ff) auch das Recht auf Unterbringung ergibt. Allfällige (temporäre) Unterbringungsprobleme würden den Beschwerdeführer als jungen nicht-vulnerablen Mann (auch unter Berücksichtigung seiner verschiedenen Reisebewegungen in den letzten Jahren) im Übrigen weniger stark treffen. Diese Bewertungen der aktuellen Lage in Italien entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (siehe etwa BVwG 07.10.2019, W144 2224022-1; 18.09.2019, W165 2214983-1; 31.01.2019, W192 2213702-1)

Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen in Italien konnte der Beschwerdeführer nicht substantiiert vorbringen. Er hatte lediglich nicht in Italien bleiben wollen. Auch die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde sind unsubstantiiert.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinem Gesundheitszustand ergeben sich aus dessen eigenen Angaben und der Aktenlage. Insbesondere hat der Beschwerdeführer keine akuten oder lebensbedrohenden Erkrankungen, welche in Italien nicht behandelbar sind, dargetan.

Die Feststellungen des Nichtvorliegens besonderer privater, familiärer oder beruflicher Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich basieren auf seinen eigenen Angaben bzw. auf der vorliegenden Aktenlage und ist Gegenteiliges aufgrund des nur kurzen Aufenthaltes in Österreich zum Zwecke der Weiterreise nach Deutschland auch nicht anzunehmen.

Sofern der Beschwerdeführer auf seinen Bruder in Frankreich im behördlichen Verfahren verwies, war diese Angabe vage und jedenfalls nicht geeignet, ein allfällig relevantes außerordentliches Abhängigkeitsverhältnis (zwischen Erwachsenen) zu begründen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die maßgeblichen Bestimmungen des nationalen Rechts sind §§ 5 und 10 Abs 1 Z 2 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und § 61 FPG; unionsrechtlich sind primär Art 3, 7, 13, 16, 17, 18, 21 und 22, 25 Dublin III-VO relevant.

3.1. Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Zurückweisung des Antrags auf internationalen Schutz):

3.1.1. In materieller Hinsicht ist die Zuständigkeit Italiens zur Prüfung des gegenständlichen Antrags auf internationalen Schutz in Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO begründet, da der Beschwerdeführer aus einem Drittstaat kommend am 01.11.2017 die italienische Grenze XXXX überschritt.

Die Verpflichtung Italiens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers ist in Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO begründet: Nachdem der Beschwerdeführer in Dänemark einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte, richtete die dänische Dublin-Behörde am 11.01.2018 ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch an Italien, dem Italien durch Verfristung zustimmte. Aufgrund dieser Zustimmung ging Österreich in der Folge mit Recht von einer Verpflichtung Italiens zur Wiederaufnahme des Beschwerdeführers gemäß Art. 18 1 lit. b Dublin III-VO aus und richtete fristgerecht ein entsprechendes Gesuch. Da es die italienische Dublin-Behörde verabsäumte, binnen Frist zu antworten, stimmte Italien der Wiederaufnahme zu und liegt die Zuständigkeit für das gegenständliche Verfahren sohin weiterhin klar bei Italien.

Dass der Beschwerdeführer in Italien keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte und dies - seinen eigenen Aussagen zufolge - auch nicht vorhat, ist bezugnehmend auf die nachstehende Rechtsprechung für die Zuständigkeit Italiens und das Vorliegen eines für die Dublin III-VO relevanten Sachverhalts unbeachtlich: Im Konkreten ist dabei auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.03.2013, 2011/21/0128 zu verweisen. Demnach ist die Prüfpflicht des nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-Verordnung zu ermittelnden zuständigen Staates an keine weiteren Voraussetzungen geknüpft. Sie wird mit der Stellung eines Asylantrages im Sinn des Art. 2 lit. c iVm Art. 4 Abs. 2 Dublin II-Verordnung ausgelöst und bedeutet, dass die Prüfung des Antrags durch den zuständigen Mitgliedstaat nach allfälliger Überstellung in sein Territorium zum Abschluss zu bringen ist. Die Dublin-Verordnung geht demnach vom Konzept eines einzigen Antrags aus, der auch von einem einzigen Mitgliedsstaat, ohne dass es dort im Fall einer Überstellung noch einer weiteren "Antragstellung" bedürfe - zu erledigen ist.

Der VwGH sprach in seiner Entscheidung vom 03.07.2018, Ra 2018/21/0025 zudem aus, dass ein Asylantrag auch dann als gestellt anzusehen ist, wenn sich die Republik Österreich im Hinblick auf die ihr nach der Dublin II-VO zukommenden Zuständigkeit zur (Wieder-)Aufnahme des Fremden bereit erklärt hat und wenn der Fremde gemäß den einschlägigen Überstellungsmodalitäten nach Österreich gelangt ist. Diesfalls ist er - ohne dass es eines nochmaligen Schutzersuchens in Österreich bedarf - als Fremder zu betrachten, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

Betreffend den vorliegenden Fall war sohin davon auszugehen, dass es keines nochmaligen Schutzersuchens des Beschwerdeführers in Italien bedarf, um die Prüfpflicht Italiens zu begründen, da diese bereits daraus resultiert, dass der Beschwerdeführer einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und Italien gemäß Art. 13 Dublin III-VO zur Prüfung des gegenständlichen Antrages (neuerlich) zuständig ist.

Allfällige Beschwerden gegen in Italien getätigte verwaltungsbehördliche Entscheidungen sind nach italienischen Verfahrensregeln zu führen. Diesbezüglich ergibt sich sowohl aus den verwaltungsbehördlichen Feststellungen als auch aus der beim Beschwerdeführer vorgefundenen Entscheidung der italienischen Behörde erster Instanz, dass gegebenenfalls gerichtlicher Rechtsschutz möglich wäre.

Für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates als Italien finden sich keine Anhaltspunkte. Die Zuständigkeit Italiens ist auch nicht etwa zwischenzeitig wieder erloschen.

Auch aus Art. 16 (abhängige Personen) und Art. 17 Abs. 2 (humanitäre Klausel) Dublin III-VO ergibt sich mangels familiärer Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet und sonstiger diesbezüglicher Hinweise keine Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung des Antrags des Beschwerdeführers.

Nach der Rechtsprechung der Höchstgerichte ist aus innerstaatlichen verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben, sofern die innerstaatliche Überprüfung der Auswirkungen einer Überstellung ergeben sollte, dass Grundrechte des betreffenden Asylwerbers bedroht wären.

Das BFA hat von der Möglichkeit der Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO keinen Gebrauch gemacht. Es ist daher zu prüfen, ob von diesem im gegenständlichen Verfahren ausnahmsweise zur Vermeidung einer Verletzung der EMRK oder GRC zwingend Gebrauch zu machen wäre:

3.1.2. Mögliche Verletzung von Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK:

Gemäß Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK darf niemand Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat als unzulässig erscheinen zu lassen. Wenn keine Gruppenverfolgung oder sonstige amtswegig zu berücksichtigenden notorischen Umstände grober Menschenrechtsverletzungen in Mitgliedstaaten der EU in Bezug auf Art. 3 EMRK vorliegen (VwGH 27.09.2005, 2005/01/0313), bedarf es zur Glaubhaftmachung der genannten Bedrohung oder Gefährdung konkreter, auf den betreffenden Fremden bezogene Umstände, die gerade in seinem Fall eine solche Bedrohung oder Gefährdung im Fall seiner Abschiebung als wahrscheinlich erscheinen lassen (VwGH 09.05.2003, 98/18/0317; 26.11.1999, 96/21/0499; vgl. auch 16.07.2003, 2003/01/0059). "Davon abgesehen liegt es aber beim Asylwerber, besondere Gründe, die für die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, vorzubringen und glaubhaft zu machen. Dazu wird es erforderlich sein, dass der Asylwerber ein ausreichend konkretes Vorbringen erstattet, warum die Verbringung in den zuständigen Mitgliedstaat gerade für ihn die reale Gefahr eines fehlenden Verfolgungsschutzes, insbesondere einer Verletzung von Art. 3 EMRK, nach sich ziehen könnte, und er die Asylbehörden davon überzeugt, dass der behauptete Sachverhalt (zumindest) wahrscheinlich ist." (VwGH 23.01.2007, 2006/01/0949).

Die Vorlage allgemeiner Berichte ersetzt dieses Erfordernis in der Regel nicht (vgl. VwGH 17.02.1998, 96/18/0379; EGMR 04.02.2005, 46827/99 und 46951/99, Mamatkulov und Askarov/Türkei Rz 71-77), eine geringe Anerkennungsquote, eine mögliche Festnahme im Falle einer Überstellung, ebenso eine allfällige Unterschreitung des verfahrensrechtlichen Standards des Art. 13 EMRK, sind für sich genommen nicht ausreichend, die Wahrscheinlichkeit einer hier relevanten Menschenrechtsverletzung darzutun. Relevant wäre dagegen etwa das Vertreten von mit der GFK unvertretbaren rechtlichen Sonderpositionen in einem Mitgliedstaat oder das Vorliegen einer massiv rechtswidrigen Verfahrensgestaltung im individuellen Fall, wenn der Asylantrag im zuständigen Mitgliedstaat bereits abgewiesen wurde. Eine ausdrückliche Übernahmeerklärung des anderen Mitgliedstaates hat in die Abwägung einzufließen (VwGH 25.04.2006, 2006/19/0673; 31.05.2005, 2005/20/0025; 31.03.2005, 2002/20/0582), ebenso weitere Zusicherungen der europäischen Partnerstaaten Österreichs (zur Bedeutung solcher Sachverhalte Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung³, K13 zu Art. 19).

Der EuGH sprach in seinem Urteil vom 10.12.2013, C-394/12, Shamso Abdullahi/Österreich Rz 60, zur Dublin II-VO aus, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO festgelegten Kriteriums zugestimmt hat, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, welche ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC ausgesetzt zu werden.

3.1.2.1. Mit der Frage, ab welchem Ausmaß von festgestellten Mängeln im Asylsystem des zuständigen Mitgliedstaates der Union ein Asylwerber von einem anderen Aufenthaltsstaat nicht mehr auf die Inanspruchnahme des Rechtsschutzes durch die innerstaatlichen Gerichte im zuständigen Mitgliedstaat und letztlich den EGMR zur Wahrnehmung seiner Rechte verwiesen werden darf, sondern vielmehr vom Aufenthaltsstaat zwingend das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO auszuüben ist, hat sich der EuGH in seinem Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, N.S. ua./Vereinigtes Königreich, befasst und - ausgehend von der Rechtsprechung des EGMR in der Entscheidung vom 02.12.2008, 32733/08, K.R.S./Vereinigtes Königreich, sowie deren Präzisierung mit der Entscheidung vom 21.01.2011 (GK), 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - ausdrücklich ausgesprochen, dass nicht jede Verletzung eines Grundrechtes durch den zuständigen Mitgliedstaat, sondern erst systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat die Ausübung des Selbsteintrittsrechtes durch den Aufenthaltsstaat gebieten. Somit ist zum einen unionsrechtlich zu prüfen, ob im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylwerber vorherrschen, und zum anderen aus verfassungsrechtlichen Erwägungen, ob die beschwerdeführende Partei im Falle der Zurückweisung ihres Antrages auf internationalen Schutz und ihrer Außerlandesbringung gemäß §§ 5 AsylG und 61 FPG - unter Bezugnahme auf ihre persönliche Situation - in ihren Rechten gemäß Art. 3 und/oder Art. 8 EMRK verletzt werden würde, wobei der Maßstab des "real risk" anzulegen ist. (vgl dazu auch näher Baumann/Filzwieser in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Asyl- und Fremdenrecht - Jahrbuch 2018, Seiten 213ff.). Der angefochtene Bescheid enthält für den gegenständlichen Fall hinreichende Feststellungen zum italienischen Asylwesen. Diese stammen von der Staatendokumentation, die zur Objektivität verpflichtet ist und der Beobachtung eines Beirates unterliegt. Sie stützen sich auf verlässliche und unzweifelhafte aktuelle Quellen von angesehenen staatlichen und nicht staatlichen Einrichtungen, und wurden ausgewogen zusammengestellt. Dass in den im Bescheid angeführten Länderberichten keine spezifischen Angaben zur Unterbringungs- und medizinischen Versorgungslage Italiens enthalten sind, ist im Hinblick auf die in der Beweiswürdigung erwähnte Rechtsprechung, wonach betreffend nicht-vulnerablen Personen regelmäßig keine Bedenken für eine Überstellung nach Italien gelten, nicht entscheidend. Auch geht aus dem im Bescheid angeführten Link: SFH -Schweizerische Flüchtlingshilfe: Aktuelle Situation für Asylsuchende in Italien,

https://www.ecoi.net/en/file/local/2008993/190508-auskunft-italien.pfd, in dem umfassende Informationen zum italienischen Asylsystem zu finden sind, hervor, dass aus Sicht jener Hilfsorganisation, insbesondere verletzliche Asylsuchende nicht nach Italien transferiert werden sollten. Gegenständlich war aber Vulnerabilität des Beschwerdeführers klar zu verneinen (siehe näher Beweiswürdigung); In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass - wie beweiswürdigend ausgeführt - vom Beschwerdeführer kein glaubhaftes konkretes Vorbringen erstattet wurde, das geeignet wäre anzunehmen, dass der rechtliche und faktische Standard des italienischen Asylverfahrens eine Verletzung fundamentaler Menschenrechte erkennen ließ. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher nicht davon aus, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr einer Gefährdung nach Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

Das Asyl- und Refoulementschutzverfahren in Italien und die Situation von Asylwerbern dort geben im Ergebnis verfahrensgegenständlich keinen Anlass, ein "real risk" einer Verletzung von Art. 3 EMRK zu befürchten. Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer einem realen Risiko einer sogenannten Kettenabschiebung von Italien in seinen Herkunftsstaat ausgesetzt wäre, was eine Verletzung seiner Rechte gemäß Art. 3 EMRK im Falle seiner Überstellung nach Italien darstellen würde, sind nicht gegeben.

3.1.2.2. Nach der Rechtsprechung von EGMR, VfGH und VwGH zu Art. 3 EMRK im Zusammenhang mit der Abschiebung von Kranken hat im Allgemeinen kein Fremder das Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder selbstmordgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art 3 EMRK. Solche würden etwa vorliegen, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt werden würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. Bei der Ausweisung und Abschiebung Fremder in einen Mitgliedstaat der Europäischen Union ist auch zu berücksichtigen, dass dieser Mitgliedstaat zur Umsetzung der Aufnahmerichtlinie verpflichtet ist. Nach Art 15 dieser Richtlinie haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass Asylwerber die erforderliche medizinische Versorgung, welche zumindest die Notversorgung und die unbedingt erforderliche Behandlung von Krankheiten umfasst, erhalten beziehungsweise dass Asylsuchende mit besonderen Bedürfnissen die erforderliche medizinische oder sonstige Hilfe erlangen. Dennoch könnte der Transport vorübergehend oder dauerhaft eine Verletzung des Art 3 EMRK darstellen, etwa bei fortgeschrittener Schwangerschaft oder der Erforderlichkeit eines ununterbrochenen stationären Aufenthalts (grundlegend: EGMR 13.12.2016, 41738/10, Paposhvili/Belgien; vgl. ferner EGMR 22.6.2010, 50068/08, Al-Zawatia/Schweden; 27.5.2008, 26565/05, N./Vereinigtes Königreich; 3.5.2007, 31246/06, Goncharova und Alekseytsev/Schweden; 7.11.2006, 4701/05, Ayegh/Schweden; 4.7.2006, 24171/05, Karim/Schweden; 10.11.2005, 14492/03, Paramsothy/Niederlande; siehe auch VwGH 8.8.2017, Ra 2017/19/0082; 10.8.2017, Ra 2016/20/0105).

Wie festgestellt, sind beim Beschwerdeführer im gesamten Verfahren keinerlei Hinweise auf das Vorliegen einer Erkrankung hervorgekommen; vielmehr wurde von ihm verneint, in ärztlicher Behandlung zu stehen oder an Krankheiten zu leiden.

Es liegt daher jedenfalls keine Krankheit von jener Schwere vor, die nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes zu Art 3 EMRK eine Abschiebung nach Italien als eine unmenschliche Behandlung erscheinen ließe. Nachdem keine aktuelle, dringende Behandlung des Beschwerdeführers notwendig ist und allfällige gesundheitliche Probleme im Bedarfsfall auch in Italien zu behandeln sind, ist für das erkennende Gericht kein Überstellungshindernis des Beschwerdeführers nach Italien erkennbar.

Auch im Übrigen konnte der Beschwerdeführer keine auf sich selbst bezogenen besonderen Gründe, welche für eine reale Gefahr einer Verletzung des Art. 3 EMRK sprechen würden, glaubhaft machen, weshalb die Rechtsvermutung des § 5 Abs 3 AsylG zur Anwendung kommt, wonach ein Asylwerber im zuständigen Mitgliedstaat Schutz vor Verfolgung findet.

Jedenfalls hat der Beschwerdeführer die Möglichkeit, etwaige konkret drohende oder eingetretene Verletzungen in seinen Rechten, etwa durch eine unmenschliche Behandlung im Sinn des Art. 3 EMRK, bei den zuständigen Gerichten in Italien und letztlich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, insbesondere auch durch Beantragung einer vorläufigen Maßnahme gemäß Art. 39 EGMR-VerfO, geltend zu machen.

3.1.3. Mögliche Verletzung von Art 7 GRC beziehungsweise Art 8 EMRK:

Nach Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in Ausübung dieses Rechts ist gemäß Art 8 Abs 2 EMRK nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl EGMR 13.6.1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Der Beschwerdeführer hat seinen eigenen Angaben zufolge keinerlei Familienangehörigen im Bundesgebiet. Es liegen auch keine Hinweise auf eine bereits erfolgte außergewöhnliche Integration im Bundesgebiet vor, und ist eine solche, aufgrund des sehr kurzen Aufenthaltes in Österreich, zum Zwecke der Weiterreise nach Deutschland, auch nicht anzunehmen. Eine Überstellung nach Italien verletzt folglich weder Art. 16 Dublin III-VO, noch stellt sie einen unzulässigen Eingriff in das durch Art. 8 EMRK verfassungsrechtlich gewährleistete Recht dar. Hinsichtlich des Bruders in Frankreich liegt kein relevanter Anknüpfungspunkt an diesen Mitgliedstaat dar (siehe Beweiswürdigung).

3.1.4. Das Bundesverwaltungsgericht gelangt daher insgesamt zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall keine Verletzung von Bestimmungen der GRC oder der EMRK zu befürchten ist. Daher bestand auch keine Veranlassung, von dem in Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO vorgesehenen Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen und eine inhaltliche Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz vorzunehmen.

3.2. Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG):

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 61 Abs. 1 FPG ist eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz mit einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird und kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt. Wie bereits ausgeführt, stellt die Anordnung zur Außerlandesbringung keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Achtung seines Privat- und Familienlebens dar, sodass die Anordnung gemäß § 9 BFA-VG zulässig ist. Die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 61 Abs. 2 FPG ist gegeben, da oben festgestellt wurde, dass dadurch keine Verletzung von Art. 3 EMRK bewirkt wird, und auch sonst keinerlei Hinweise auf eine Bedrohungssituation im Sinne des § 50 FPG vorliegen.

3.3. Da der Beschwerdeführer am 28.01.2020 nach Italien überstellt wurde, war gemäß § 21 Abs 5 Satz 1 BFA-VG festzustellen, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides rechtmäßig war.

3.4. Nach § 21 Abs. 6a und 7 BFA-VG konnte eine mündliche Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; die dort genannten Kriterien für die Auslegung des § 21 Abs. 7 BFA-VG sind gegenständlich erfüllt). Es ergab sich kein Hinweis auf die Notwendigkeit, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer zu erörtern (vgl. VwGH 23.01.2003, 2002/20/0533, VwGH 01.04.2004, 2001/20/0291).

3.5. Eine gesonderte Erwägung bezüglich einer allfälligen Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 17 BFA-VG konnte angesichts der erfolgten Sachentscheidung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des VwGH abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH nicht einheitlich beantwortet wurde.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Die tragenden Elemente der Entscheidung liegen in der Bewertung der Asyl- und Aufnahmesituation im Mitgliedstaat in Bezug auf den Beschwerdeführer, sowie in klaren Zuständigkeitsregeln der Dublin

III-VO.

Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht insbesondere auf die Rechtsprechung der Höchstgerichte, des EUGH und des EGMR bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den rechtlichen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Außerlandesbringung rechtmäßig, medizinische Versorgung, real risk,
Rechtsschutzstandard, Versorgungslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W125.2227112.1.00

Zuletzt aktualisiert am

30.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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