TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/9 W192 1424659-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.01.2020
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Entscheidungsdatum

09.01.2020

Norm

BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52
FPG §54
FPG §55

Spruch

W192 1424658-3/9E

W192 1424659-3/8E

W192 1424660-3/8E

W192 1424661-3/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ruso als Einzelrichter über die Beschwerden von XXXX , StA. Russ. Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.10.2018, Zahlen 1.) 810826704-180438817, 2.) 561837603-180438884,

3.) 561837908-180439058, 4.) 810827004-180438990 nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 08.01.2020 zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I. Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 Absatz 3 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 wird

XXXX , der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung plus" erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, die weiteren Beschwerdeführer sind ihre nunmehr volljährigen Söhne. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation, waren zuletzt in Moskau wohnhaft und bekennen sich zum jüdischen Glauben. Sie reisten am 31.07.2011 mittels eines Reisepasses und jeweils einem Schengen-Visum legal am Luftweg in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am 02.08.2011 Anträge auf internationalen Schutz.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 25.01.2012 wurden Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz vom 02.08.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkte I.), weiters gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 die Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkte II.) und alle vier Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkte III.).

Das Bundesasylamt traf in diesen Bescheiden umfassende Länderfeststellungen zur Lage in der Russischen Föderation unter besonderer Berücksichtigung der Situation der jüdischen Volksgruppe, stellte die Identität der Beschwerdeführer fest und gelangte in Bezug auf das individuelle Vorbringen der Beschwerdeführer (Bedrohung auf Grund ihrer religiösen Überzeugung durch "Skinheads") beweiswürdigend zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführer eine ihnen in der gesamten Russischen Föderation aktuell drohende individuelle Gefahr einer asylrechtlich relevanten Verfolgung nicht glaubhaft gemacht hätten.

Gegen diese Bescheide des Bundesasylamtes vom 25.01.2012, den Beschwerdeführern zugestellt am 27.01.2012, wurden fristgerecht Beschwerden an den Asylgerichtshof erhoben; diese Beschwerden wurden mit rechtskräftigen Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom 22.06.2012 gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1 und 10 Abs. 1 Z. 2 AsylG 2005 abgewiesen, wobei bestätigt wurde, dass die vorgebrachten Verfolgungsbehauptungen der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gewesen sind.

1.2. Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 16.05.2013 wurden Anträge der beschwerdeführenden Parteien vom 17.12.2012 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen. Die Behörde erachtete angesichts der vorgebrachten Argumente eine Neubeurteilung im Sinn des Art. 8 EMRK als geboten. Eine positive Erledigung der Anträge sei aber - insbesondere im Hinblick auf die kurze Aufenthaltsdauer von weniger als zwei Jahren, die fehlende Integration am Arbeitsmarkt und den fehlenden Nachweis von Sprachkenntnissen - nicht gerechtfertigt.

Mit dem Erkenntnis vom 02.04.2014 behob das Landesverwaltungsgericht Steiermark diesen Bescheid, gab den Anträgen der beschwerdeführenden Parteien statt und erteilte ihnen jeweils für zwölf Monate einen Aufenthaltstitel, konkret dem Erstbeschwerdeführer eine Niederlassungsbewilligung gemäß § 43 Abs. 3 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) und den zweit- bis viertbeschwerdeführenden Partei jeweils einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" gemäß § 41a Abs. 9 NAG. Die ordentliche Revision wurde gemäß § 25a VwGG für unzulässig erklärt.

Das Landesverwaltungsgericht Steiermark verwies auf die vorgelegten Sprachdiplome der erst- und zweitbeschwerdeführenden Parteien sowie auf deren Mitarbeit bei der Caritas bzw. beim Roten Kreuz. Die Zweitbeschwerdeführerin habe eine verbindliche Einstellungszusage der Israelitischen Kultusgemeinde vorgelegt. Hinsichtlich der damals minderjährigen dritt- und viertbeschwerdeführenden Parteien verwies das Verwaltungsgericht auf die vorgelegten Schulnachrichten, die daraus ableitbaren verbesserten schulischen Leistungen und auf die Stellungnahmen der jeweiligen Klassenvorstände. Der Drittbeschwerdeführer leide an einer juvenilen Depression und absolviere seit September 2013 eine Psychotherapie. Die Einvernahme der mitbeteiligten Parteien im Zuge der mündlichen Verhandlung habe ergeben, dass diese die deutsche Sprache beherrschten.

In seinen Erwägungen führte das Landesverwaltungsgericht Steiermark aus, dass der Auffassung der belangten Behörde nur insoweit zuzustimmen sei, als der Aufenthalt der beschwerdeführenden Parteien als nicht sehr lang anzusehen sei. Allerdings sei den beschwerdeführenden Parteien im Hinblick auf ihre Deutschkenntnisse und ihre soziale Integration, die Tätigkeit des Erstbeschwerdeführers für die Caritas, die verbindliche Einstellungszusage der Zweitbeschwerdeführerin und ihre Kontakte zum Roten Kreuz sowie die äußerst positiven Schulnachrichten der dritt- und viertbeschwerdeführenden Partei ein hohes Maß an Integration zuzugestehen.

Hinsichtlich der dritt- und viertbeschwerdeführenden Partei ging das Landesverwaltungsgericht davon aus, dass sich diese (zum Zeitpunkt der Entscheidung 14 bzw. zwölf Jahre alten Kinder) nicht mehr in einem anpassungsfähigen Alter befänden. Zudem verwies das Landesverwaltungsgericht auf die Erkrankung und die laufende Therapie des Drittbeschwerdeführers. Laut psychotherapeutischer Stellungnahme sei der Zustand derzeit stabil, allerdings sei eine weiterführende Psychotherapie sinnvoll und notwendig.

Im Ergebnis hielt das Landesverwaltungsgericht Steiermark fest, dass die kurze Aufenthaltsdauer, der illegale Aufenthalt und die nicht vollständige berufliche Integration grundsätzlich gegen die Erteilung der Aufenthaltstitel sprechen würden. Auf Grund der Unterstützung durch die Israelitische Kultusgemeinde, der ausgezeichneten Sprachkenntnisse, der sozialen Kontakte und des Umstandes, dass sich die beiden Kinder nicht mehr in einem Alter befänden, in dem ihnen eine Reintegration zumutbar wäre, sowie angesichts der Erkrankung der drittmitbeteiligten Partei sei die Abwägung nach Art. 8 EMRK bzw. § 11 Abs. 3 NAG zugunsten der mitbeteiligten Parteien vorzunehmen.

Gegen dieses Erkenntnis erhob die Bundesministerin für Inneres Amtsrevision gemäß § 3a NAG. Das angefochtene Erkenntnis wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes mit nachstehender Begründung aufgehoben:

"Vorauszuschicken ist zunächst, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht verkennt, dass der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks - wie vorliegend durch die Vernehmung der mitbeteiligten Parteien im Zuge der vom Verwaltungsgericht durchgeführten Verhandlung - bei der Bewertung der integrationsbegründenden Umstände im Rahmen der Interessenabwägung eine besondere Bedeutung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. März 2015, Ra 2014/22/0154, mwN). Das Verwaltungsgericht konnte daher, neben den vorgelegten Unterlagen (Sprachzeugnisse, Einstellungszusage, Schulnachrichten, Empfehlungsschreiben und Stellungnahmen Dritter wie der Klassenvorstände) auch die Schilderungen der einvernommenen mitbeteiligten Parteien - wie auch der einvernommenen Zeugin - etwa über den großen Freundes- und Bekanntenkreis sowie über die ehrenamtliche Tätigkeit der zweitmitbeteiligten Partei in ihre Abwägungsentscheidung einfließen lassen.

Zur Aufenthaltsdauer der mitbeteiligten Parteien in Österreich ist Folgendes anzumerken: Entgegen der in der Revision zum Ausdruck kommenden Auffassung kann nicht gesagt werden, dass eine in drei Jahren erlangte Integration keine außergewöhnliche, die Erteilung eines Aufenthaltstitels rechtfertigende Konstellation begründen "kann" und somit schon allein auf Grund eines Aufenthaltes von weniger als drei Jahren von einem deutlichen Überwiegen der öffentlichen gegenüber den privaten Interessen auszugehen ist. Da es sich bei der Aufenthaltsdauer um einen von mehreren im Zuge der Interessenabwägung zu berücksichtigenden Umständen handelt, ist die Annahme eines "Automatismus", wonach ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bei Vorliegen einer Aufenthaltsdauer von nur drei Jahren jedenfalls abzuweisen wäre, verfehlt. Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof bereits zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. das Erkenntnis vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0026 und 0027). Die hier zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht vorliegende Aufenthaltsdauer von knapp unter drei Jahren konnte daher für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen der mitbeteiligten Parteien an einer Titelerteilung bewirken.

Weiters fällt in diesem Zusammenhang ins Gewicht, dass sich die mitbeteiligten Parteien im Hinblick auf ihre nur vorläufige Aufenthaltsberechtigung während der Dauer der Asylverfahren sowie angesichts des Umstandes, dass das Erkenntnis des Asylgerichtshofes in diesen Verfahren bereits in weniger als einem Jahr nach Antragstellung ergangen ist, zum Zeitpunkt des Entstehens der integrationsbegründenden Umstände ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten und somit nicht damit rechnen durften, dauerhaft in Österreich bleiben zu können (siehe dazu etwa das Erkenntnis vom 19. Jänner 2012, 2011/22/0295 bis 0298).

Zu der vom Verwaltungsgericht ins Treffen geführten Erkrankung der drittmitbeteiligten Partei ist auf Folgendes hinzuweisen: Nach der - vom Verwaltungsgerichtshof übernommenen - Rechtsprechung des EGMR hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in seinem aktuellen Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet. Dass die Behandlung im Zielstaat nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, fällt nicht entscheidend ins Gewicht, solange es grundsätzlich Behandlungsmöglichkeiten im Zielland gibt. Der Verwaltungsgerichtshof hat diesbezüglich auch schon ausgesprochen, dass es einem Fremden obliegt, substanziiert darzulegen, auf Grund welcher Umstände eine bestimmte medizinische Behandlung für ihn notwendig sei und dass diese nur in Österreich erfolgen könnte. Denn nur dann wäre ein sich daraus (allenfalls) ergebendes privates Interesse im Sinn des Art. 8 EMRK an einem Verbleib in Österreich - auch in seinem Gewicht - beurteilbar (vgl. etwa das - eine aufenthaltsbeendende Maßnahme betreffende - Erkenntnis vom 21. Februar 2013, 2011/23/0516, mwN). Das Verwaltungsgericht weist zwar auf die dargestellte Rechtsprechung hin, hält aber lediglich fest, dass der vorliegende Fall anders zu bewerten sei, weil es sich um ein schwer traumatisiertes Kind handle. Die für eine derartige Beurteilung erforderlichen Feststellungen über die Behandlungsmöglichkeiten für die drittmitbeteiligte Partei in ihrem Heimatstaat werden im angefochtenen Erkenntnis hingegen nicht getroffen.

Vor allem aber rügt die Revision zu Recht die Ausführungen des Verwaltungsgerichtes zum nicht mehr vorliegenden anpassungsfähigen Alter der beiden Kinder. Das Verwaltungsgericht hat die Erteilung der Aufenthaltstitel maßgeblich auch damit begründet, dass den beiden Kindern eine Reintegration in ihrem Heimatstaat auf Grund ihres Alters nicht mehr zumutbar sei. Diese Auffassung vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht zu teilen. Es ist zwar richtig, dass in der Rechtsprechung für Kinder im Alter von sieben und elf Jahren eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit angenommen wurde. Es kann dahinstehen, ob dies für Kinder im Alter von - wie vorliegend - 14 und zwölf Jahren nicht (mehr) gilt. Das Verwaltungsgericht hat nämlich nicht darauf Bedacht genommen, dass die beiden Kinder ihre Heimat erst im Alter von zwölf bzw. zehn Jahren verlassen haben und demnach ihre grundsätzliche Sozialisierung bereits im Herkunftsland erfahren haben, was eine Wiedereingliederung jedenfalls zumutbar erscheinen lässt (vgl. zu all dem die hg. Erkenntnisse vom 19. September 2012, 2012/22/0143 bis 0146, und vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0026, 0027).

Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung über die Erteilung der beantragten Aufenthaltstitel somit auf eine Begründung gestützt, die nicht mit den vom Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen in Einklang steht."

Im fortgesetzten Verfahren hat das Landesverwaltungsgerichts Steiermark mit Erkenntnis vom 28.10.2016 die Beschwerden der Beschwerdeführer gegen die Bescheide des Amtes der steiermärkischen Landesregierung vom 16.05.2013 insbesondere unter Stützung auf die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 sowie im Hinblick auf den Umstand, dass die Beschwerdeführer in der Zeit, als sie über eine Rot-Weiß-Rot - Karte plus bzw. eine Niederlassungsbewilligung verfügten, entgegen ihrem eigenen Vorbringen nicht selbsterhaltungsfähig gewesen seien, als unbegründet abgewiesen.

Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 14.03.2018 die Behandlung von Beschwerden der Beschwerdeführer gegen dieses Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 28.10.2016 abgelehnt.

1.3. Aufgrund von fristgerechten Verlängerungs- bzw. Zweckänderungsanträgen war zwischenweilig dem Erstbeschwerdeführer vom Magistrat der Stadt Wien eine Rot-Weiß-Rot - Karte plus mit Gültigkeit vom 02.04.2015 bis 02.04.2016 sowie den weiteren Beschwerdeführern vom Amt der steiermärkischen Landesregierung jeweils eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus mit Gültigkeit vom 02.04.2015 bis 01.04.2016 erteilt worden. Diese Entscheidungen blieben unangefochten.

In Entsprechung zu einem Schreiben des Amts der steiermärkischen Landesregierung vom 20.08.2015, mit welchem die Zweitbeschwerdeführerin und der Dritt- und Viertbeschwerdeführer unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 aufgefordert wurden, die zuletzt erteilten Aufenthaltstitel zu retournieren, haben diese die entsprechenden Karten zurückgegeben.

2.1. Am 08.05.2018 brachten die Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat und Familienlebens" gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ein. Sie begründeten diese Anträge mit der belegten sprachlichen Integration aller Beschwerdeführer, dem erfolgreichen Schulbesuch des Drittbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers, der sozialen und gesellschaftlichen Integration der Beschwerdeführer im Rahmen ihrer Glaubensgemeinschaft, ihren gemeinnützigen Aktivitäten und der Beteiligung an sportlichen Aktivitäten. Im Hinblick auf den Drittbeschwerdeführer und den Viertbeschwerdeführer wurden Empfehlungsschreiben von Lehrern und Mitschülern vorgelegt. Für den Erstbeschwerdeführer und den Zweitbeschwerdeführer erfolgte eine Vorlage von unbefristeten Arbeitsverträgen mit Gültigkeit ab Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung für Tätigkeiten im Bereich der Gebäudereinigung bzw. in einer Friedhofsgärtnerei.

Bei ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 22.06.2018 stellten die Beschwerdeführer die erreichte sprachliche und gesellschaftliche Integration in Österreich dar und gaben auf Befragen an, dass der Erstbeschwerdeführer in der Zeit, als er über einen Aufenthaltstitel verfügt hatte, in Wien in einem Geschäft an der Kasse gearbeitet habe. Die Beschwerdeführer würden nunmehr ihren Lebensunterhalt durch regelmäßige Unterstützung seitens der israelitischen Kultusgemeinde bestreiten, die auch die Kosten ihrer Krankenversicherung tragen würde. Die Beschwerdeführer brachten vor, dass sie auch in den letzten drei Jahren, als sie keinen Aufenthaltstitel gehabt hatten, stets selbsterhaltungsfähig gewesen seien.

2.2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels jeweils gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen, gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen, festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 52 Abs. 9 FPG i.V.m. § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung bestimmt. Die Behörde begründete ihre Entscheidung mit dem Umstand, dass die vorgelegten Beweismittel zum Nachweis des bestehenden Privatlebens in Österreich nicht maßgeblich relevant seien, da diese zu einem Zeitpunkt geschaffen wurden, zu dem die Beschwerdeführer bereits mit ihrer Ausreiseverpflichtung konfrontiert waren und nicht mit einem Bleiberecht rechnen durften.

2.3. Mit Schriftsätzen ihrer Rechtsvertretung vom 09.11.2018 erhoben die Beschwerdeführer die vorliegenden Beschwerden an das Bundesverwaltungsgericht, worin unter Hinweis auf das von den Beschwerdeführern erreichte Maß an Integration der Begründung der angefochtenen Entscheidung entgegengetreten wurde.

3. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 13.05.2019 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W182 abgenommen und der Gerichtsabteilung W192 neu zugewiesen.

Mit Eingabe vom 02.01.2020 erstatteten die Beschwerdeführer ein aktualisiertes Vorbringen über ihre sprachliche und soziale Integration und legten entsprechende Bescheinigungen vor.

Am 08.01.2020 fand eine mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, an welcher die beschwerdeführenden Parteien, deren bevollmächtigte Vertreterin, das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie eine Dolmetscherin für die russische Sprache teilgenommen haben. Dabei machten die Beschwerdeführer auf Befragen Angaben zu ihren persönlichen Verhältnissen in Österreich und im Herkunftsstaat und legten weitere Belege vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die unbescholtenen Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der russischen Föderation und Angehörige der israelitischen Kultusgemeinde; ihre Identität steht fest.

Der Erstbeschwerdeführer ist der Ehemann der Zweitbeschwerdeführerin, die Drittbeschwerdeführer und Viertbeschwerdeführer sind ihre nunmehr volljährigen ehelichen Kinder. Die Beschwerdeführer befinden sich nach Einreise mit Reisepässen und Schengen-Visa seit Juli 2011 im Bundesgebiet.

Ihr Aufenthalt gründete sich zunächst auf eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber bis zur mit Ausweisungen verbundenen rechtskräftigen Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz durch Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 22.06.2012.

Den Beschwerdeführer wurde aufgrund entsprechender Anträge auf Grundlage einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts Steiermark Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte plus bzw. Niederlassungsbewilligung mit Befristung vom 02.04.2014 bis 01.04.2015 erteilt, die in weiterer Folge durch Stattgebung einer Amtsrevision der Bundesministerin für Inneres durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 behoben wurden, wobei in weiterer Folge im fortgesetzten Verfahren die entsprechenden Anträge der Beschwerdeführer durch Erkenntnisse des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28.10.2016 abgewiesen wurden.

Dem Erstbeschwerdeführer war zwischenweilig vom Magistrat der Stadt Wien eine Rot-Weiß-Rot Karte plus mit Gültigkeit vom 02.04.2015 bis 02.04.2016 sowie den weiteren Beschwerdeführern vom Amt der steiermärkischen Landesregierung jeweils eine Rot-Weiß-Rot Karte plus mit Gültigkeit vom 02.04.2015 bis 01.04.2016 erteilt worden. Diese Entscheidungen blieben unangefochten. Die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführer haben die entsprechenden Karten im Spätsommer 2015 gemäß einer Aufforderung durch ein Schreiben des Amts der steiermärkischen Landesregierung vom 20.08.2015 dieser Behörde zurückgegeben.

Nach Wegfall der Gültigkeit der genannten Aufenthaltstitel der Beschwerdeführer sind gegen diese zunächst keine aufenthaltsbeendenden Maßnahmen eingeleitet worden.

Die Beschwerdeführer haben nach Ablehnung der Behandlung ihrer Beschwerde gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 28.10.2016 durch den Beschluss des Verfassungsgerichtshofs vom 14.03.2018 die vorliegenden Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln "Aufenthaltsberechtigung plus "eingebracht.

Während des Vorliegens der genannten Aufenthaltstitel war der Erstbeschwerdeführer etwa ein Jahr lang geringfügig beschäftigt, die Zweitbeschwerdeführerin konnte keine Erwerbstätigkeit aufnehmen. Die Beschwerdeführer haben seit Juli 2014 keine Leistungen des Grundversorgungssystems in Anspruch genommen. Sie haben ihren Lebensunterhalt primär aus Zuwendungen der jüdischen Kultusgemeinde und einer hebräischen Wohltätigkeitsorganisation bestritten. Nunmehr hat die jüdische Kulturstiftung für die Steiermark, Kärnten und das südliche Burgenland mit der Zweitbeschwerdeführerin einen unbefristeten Arbeitsvertrag beginnend mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung für Tätigkeiten im Bereich der Gebäudereinigung und mit dem Erstbeschwerdeführer einen unbefristeten Arbeitsvertrag beginnend mit Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung als Gartenarbeiter abgeschlossen.

Der Drittbeschwerdeführer hat wegen unzureichender schulischer Leistungen eine Ausbildung an einer HTL abgebrochen und strebt eine Berufstätigkeit im technischen Bereich an. Der Viertbeschwerdeführer besucht erfolgreich eine HTL für Elektrotechnik und befindet sich bei der Ablegung der Reifeprüfung. Er ist gemäß vorgelegten Zeugnissen und Empfehlungsschreiben seiner Lehrer als guter Schüler anzusehen.

Der Erstbeschwerdeführer hat ein Sprachzertifikat für Deutsch auf Niveau A2, die Zweitbeschwerdeführerin ein solches auf Niveau B2 erworben. Die Beschwerdeführer sind in der israelitischen Kultusgemeinde aktiv und verrichten dort auch ehrenamtliche Tätigkeiten. Die Zweitbeschwerdeführerin hat Kurse und Praktika im Gesundheitsbereich absolviert und war beim roten Kreuz ehrenamtlich tätig.

Die Beschwerdeführer haben einen Freundeskreis und pflegen Kontakte in ihrem sozialen Umfeld.

2. Beweiswürdigung:

Aufgrund der vorgelegten Reisepässe steht die Identität der Beschwerdeführer fest.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführer ergibt sich aus einer Einsichtnahme in das Strafregister. Die Feststellungen über ihre Lebensumstände in Österreich, ihre Kenntnisse der deutschen Sprache und Integrationsbemühungen ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführer in Zusammenschau mit den in Vorlage gebrachten Unterlagen zum Beleg ihrer Integrationsbemühungen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Materiengesetzen (BFA-VG, AsylG 2005, FPG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A) Stattgebung der Beschwerde:

3.2.1. Das AsylG 2005 regelt in seinem 7. Hauptstück die Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen sowie das Verfahren zur Erteilung derselben. Die darin enthaltenen Bestimmungen lauten auszugsweise:

"Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus' zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG) erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine ‚Aufenthaltsberechtigung' zu erteilen.

[...]

Antragstellung und amtswegiges Verfahren

§ 58. (1) ...

(13) Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 begründen kein Aufenthalts- oder Bleiberecht. Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 und 57 stehen der Erlassung und Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht entgegen. Sie können daher in Verfahren nach dem 7. und 8. Hauptstück des FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten. Bei Anträgen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 hat das Bundesamt bis zur rechtskräftigen Entscheidung über diesen Antrag jedoch mit der Durchführung der einer Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung zuzuwarten, wenn

1. ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung erst nach einer Antragstellung gemäß § 56 eingeleitet wurde und

2. die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 56 wahrscheinlich ist, wofür die Voraussetzungen des § 56 Abs. 1 Z 1, 2 und 3 jedenfalls vorzuliegen haben.

(14) [...]

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn

1. gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder

2. gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) ...

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn

1. dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder

2. im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. [...]"

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 idgF ist, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Die maßgeblichen Bestimmungen des 7. und 8. Hauptstücks des FPG lauten:

"Rückkehrentscheidung

§ 52. (1) - (2) [...]

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) - (8) [...]

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) - (11) [...]

[...]"

§ 9 BFA-VG lautet wie folgt:

"§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(4) - (6) [...]"

3.2.2. Voraussetzung für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 ist, dass dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iSd Art. 8 EMRK geboten ist.

3.2.2.1. Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffs; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Ausweisung - nunmehr Rückkehrentscheidung - nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind - wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird - die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

3.2.2.2. Das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK schützt das Zusammenleben der Familie. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundene Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt (EGMR 27. 10. 1994, Kroon u.a. gg. die Niederlande, ÖJZ 1995, 296; siehe auch VfGH 28. 6. 2003, G 78/00).

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8. 4. 2008, Nnyanzi gg. das Vereinigte Königreich, Appl. 21.878/06; 4. 10. 2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9. 10. 2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16. 6. 2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Die Beschwerdeführer haben keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Eine aufenthaltsbeendigende Maßnahme würde daher nicht in ihr Recht auf Achtung des Familienlebens eingreifen, da sie alle in der Kernfamilie gleichermaßen davon betroffen wären.

3.2.2.3.1. Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen eines Menschen zu verstehen (vgl. EGMR 15.01.2007, Sisojeva ua. gegen Lettland, Appl. 60654/00). In diesem Zusammenhang kommt dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst der verstrichene Zeitraum im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art 8 MRK, ÖJZ 2007, 852 ff). Die zeitliche Komponente ist insofern wesentlich, als - abseits familiärer Umstände - eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen ist (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541). Der Verwaltungsgerichtshof geht in seinem Erkenntnis vom 26.06.2007, 2007/01/0479, davon aus, dass "der Aufenthalt im Bundesgebiet in der Dauer von drei Jahren [...] jedenfalls nicht so lange ist, dass daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abgeleitet werden könnte". Darüber hinaus hat der Verwaltungsgerichthof bereits mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl. VwGH 30.07.2015, Ra 2014/22/0055, mwH).

Zur Gewichtung der öffentlichen Interessen ist insbesondere das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. 3. 2005, G 78/04, zu erwähnen. Demnach ist das Gewicht der öffentlichen Interessen im Verhältnis zu den privaten Interessen bei der Ausweisung von Fremden, die sich etwa jahrelang legal in Österreich aufgehalten haben, und Asylwerbern/ Asylwerberinnen, die an sich über keinen Aufenthaltstitel verfügen und denen bloß während des Verfahrens Abschiebeschutz zukommt, unterschiedlich zu beurteilen. Es ist auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VwGH 17.12.2007, 2006/01/0216, mwH).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.08.2011, 2008/21/0605; E 14.04.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; E 30.06.2016, Ra 2016/21/0165).

3.2.2.3.2. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) zwar grundsätzlich ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VfGH 1. 7. 2009, U992/08 bzw. VwGH 17. 12. 2007, 2006/01/0216; 26. 6. 2007, 2007/01/0479; 16. 1. 2007, 2006/18/0453; 8. 11. 2006, 2006/18/0336 bzw. 2006/18/0316; 22. 6. 2006, 2006/21/0109; 20. 9. 2006, 2005/01/0699), im gegenständlichen Fall überwiegen aber aufgrund der vorliegenden Umstände in einer Gesamtabwägung aller Umstände - insbesondere im Hinblick auf die lange - etwa achteinhalb jährige Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich - dennoch die privaten Interessen der beschwerdeführenden Partei an einem Verbleib in Österreich das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung.

Insgesamt kann im Falle der Beschwerdeführer von einer - wenn auch in unterschiedlicher Intensität - gelungenen Integration ausgegangen werden. Dies gilt zunächst in besonderem Maße für die als noch Minderjährige nach Österreich eingereisten Dritt- und Viertbeschwerdeführer. Diese haben zwar ihre erste sprachliche und soziale Prägung im Herkunftsstaat erhalten, sich jedoch angesichts des hier erfolgten Eintritt in das österreichische Bildungssystem sich sprachlich und ausbildungstechnisch von den Gegebenheiten in ihrem Herkunftsstaat entfernt und hier diesbezüglich - auch unabhängig vom in unterschiedlichem Maß erreichten Schulerfolg - ein hohes und im Falle des Viertbeschwerdeführers zweifellos sehr hohes Maß an Integration erreicht. Dies wird im Falle des Viertbeschwerdeführers durch die vorgelegten Zeugnisse und die Empfehlungsschreiben von Lehrern betont, in denen Begabung und Talent des Viertbeschwerdeführers hervorgehoben worden. Im Falle des Drittbeschwerdeführers ist zu berücksichtigen, dass eine Minderung seiner Leistungsfähigkeit durch die im Verfahren geltend gemachte gesundheitliche Beeinträchtigung vorgelegen ist.

Den Beschwerdeführern ist auch zugute zu halten, dass sie nach Abweisung ihrer Anträge auf internationalen Schutz keine unberechtigten Folgeanträge gestellt haben, sondern bemüht waren, den angestrebten weiteren Aufenthalt durch Erlangung von Aufenthaltstiteln zu legalisieren. Weiters ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass sie seit Sommer 2014 keine Leistungen des Grundversorgungssystems mehr in Anspruch genommen haben und es ihnen - wenn auch mit offenkundig maßgeblicher Unterstützung durch die israelische Kultusgemeinde - trotz nur vorübergehender geringfügiger Beschäftigung des Erstbeschwerdeführers vom April 2014 bis April 2015 möglich war, ihren Lebensunterhalt ohne Beanspruchung weiterer öffentlicher Mittel in Österreich zu decken.

Darüber hinaus haben sich die Beschwerdeführer im vorliegenden Fall in der Zeit vom April 2014 bis April 2016 in der Situation befunden, dass für sie Aufenthaltstitel erteilt wurden, von denen die ersten in der Folge durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 wieder beseitigt wurden. Es konnte den Beschwerdeführern in dieser Situation allerdings auch nicht vorgeworfen werden, dass sie angesichts der ihnen erteilten Titel nicht damit rechnen hätten können, dass ihnen ein weiterer Aufenthalt in Österreich gewährt würde und dergestalt ihre Integrationsbemühungen somit eine erhebliche Minderung erfahren würden. Die diesbezüglichen Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden sind nicht zutreffend, da die angefochtenen Bescheide den Umstand, dass für die Beschwerdeführer im April 2015 jeweils die Aufenthaltstitel bis April 2016 verlängert worden sind, ausgeblendet haben. Auch nach Wegfall dieser Aufenthaltstitel sind gegen die Beschwerdeführer keine Schritte zur Erlassung von aufenthaltsbehinderten Maßnahmen gesetzt worden. Somit kann auch den in dieser Zeit bis zur Stellung der vorliegenden Anträge gezeigten Integrationsbemühungen der Beschwerdeführer nicht die Berücksichtigung abgesprochen werden.

Die dargestellte Integration der Beschwerdeführer in Österreich und der damit verbundene Rückgang der Intensität ihrer Bindungen zum Herkunftsstaat ist gerade beim Dritt- und Viertbeschwerdeführer wegen des nunmehr schon beträchtlichen Anteils ihres Lebensalters, den sie im Bundesgebiet verbracht haben, auf Umstände zurückzuführen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

Da die Beschwerdeführer sich aus ihrer subjektive Sicht zumindest während der Gültigkeit der für sie erteilten Aufenthaltstitel hier legal aufgehalten haben, ist das Interesse an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens der beschwerdeführenden Parteien als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor.

Gegenüber der behebenden Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 30.07.2015 hat sich die Situation der Beschwerdeführer somit in mehrfacher Hinsicht maßgeblich geändert: Die Dauer ihres Aufenthalts von nunmehr achteinhalb Jahren ist als relativ lange anzusehen, das Entstehen (weiterer) integrationsbegründenden Umstände ist nicht durchgehend während einer Zeit erfolgt, als sich die Beschwerdeführer ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst sein mussten, da für sie zunächst von April 2014 bis April 2016 gültige Aufenthaltstitel erteilt wurden und auch nach deren Wegfall keine behördlichen Schritte zur Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gesetzt wurde. Auch die im seinerzeitigen Erkenntnis vom 30.07.2015 angesprochene Zumutbarkeit der Wiedereingliederung des Drittbeschwerdeführers und des Viertbeschwerdeführers im Herkunftsstaat ist angesichts der mit ihrem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet eingetretenen verstärkten Integration und der Minderung der Bindungen zum Herkunftsstaat nicht mehr gegeben.

3.3.1. Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist gemäß § 9 Abs. 4 Integrationsgesetz (IntG), idgF, erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

2. einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder

5. als Inhaber eines Aufenthaltstitels "Niederlassungsbewilligung - Künstler" gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

In seinem Erkenntnis vom 04.08.2016, Ra 2016/210203, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass hinsichtlich der Beurteilung der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG (nunmehr §§ 9 ff Integrationsgesetz) eine formalistische Sichtweise anzuwenden sei und die Vorlage eines der in § 9 der Integrationsvereinbarungs-Verordnung (aF) aufgezählten Zertifikate nicht im Rahmen der freien Beweiswürdigung ersetzt werden könne.

3.3.2. Gemäß § 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) idgF gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Integrationsgesetzes haben vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 nach den einschlägigen Regelungen im NAG wie folgt gelautet:

"Integrationsvereinbarung

§ 14. (1) Die Integrationsvereinbarung dient der Integration rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassener Drittstaatsangehöriger (§ 2 Abs. 2). Sie bezweckt den Erwerb von vertieften Kenntnissen der deutschen Sprache, um den Drittstaatsangehörigen zur Teilnahme am gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und kulturellen Leben in Österreich zu befähigen.

(2) Die Integrationsvereinbarung besteht aus zwei aufeinander aufbauenden Modulen:

1. das Modul 1 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur vertieften elementaren Sprachverwendung;

2. das Modul 2 dient dem Erwerb von Kenntnissen der deutschen Sprache zur selbständigen Sprachverwendung.

(3) Die näheren Bestimmungen zu den Inhalten der Module 1 und 2 der Integrationsvereinbarung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 14a. (1) ...

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Deutsch-Integrationskurs besucht und einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über den erfolgreichen Abschluss des Deutsch-Integrationskurses vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 1 vorlegt,

3. über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht oder

4. einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 besitzt.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 14b) beinhaltet das Modul 1.

...

Modul 2 der Integrationsvereinbarung

§ 14b. (1) ...

(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

1. einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,

2. einen allgemein anerkannten Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß § 14 Abs. 2 Z 2 vorlegt,

3. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Primarschule (§ 3 Abs. 3 des Schulorganisationsgesetzes, BGBl. Nr. 242/1962) besucht oder im vorangegangenen Semester besucht hat,

4. minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 des Schulorganisationsgesetzes) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand "Deutsch" durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

5. einen mindestens fünfjährigen Besuch einer Pflichtschule in Österreich nachweist und das Unterrichtsfach "Deutsch" positiv abgeschlossen hat oder das Unterrichtsfach "Deutsch" auf dem Niveau der 9. Schulstufe positiv abgeschlossen hat,

...

Die maßgeblichen Bestimmungen der Integrationsvereinbarungs-Verordnung - IV-V der Bundesministerin für Inneres haben vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2017 wie folgt gelautet:

"Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse

§ 9. (1) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse im Sinne des § 14a Abs. 4 Z 2 und § 14b Abs. 2 Z 2 NAG gelten allgemein anerkannte Sprachdiplome oder Kurszeugnisse, insbesondere von folgenden Einrichtungen:

1. Österreichisches Sprachdiplom Deutsch;

2. Goethe-Institut e.V.;

3. Telc GmbH.

(2) Jede Einrichtung hat in dem von ihr auszustellenden Sprachdiplom oder Kurszeugnis gemäß Abs. 1 schriftlich zu bestätigen, dass der betreffende Fremde über Kenntnisse der deutschen Sprache zumindest

1. auf A2-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder

2. auf B1-Niveau des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen

verfügt.

(3) Fehlt eine Bestätigung nach Abs. 2, gilt der Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse auf der entsprechenden Niveaustufe als nicht erbracht.

(4) Als Nachweis über ausreichende Deutschkenntnisse gemäß §§ 14a Abs. 4 Z 2 oder 14b Abs. 2 Z 1 gelten Zeugnisse des ÖIF nach erfolgreichem Abschluss einer Prüfung auf

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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