TE Bvwg Beschluss 2019/12/13 L511 2007589-1

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Veröffentlicht am 13.12.2019
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Entscheidungsdatum

13.12.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz 2

Spruch

L511 2007589-1/13E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Mag. KÖSTNER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse vom 28.05.2013, GZ XXXX , beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Salzburger Gebietskrankenkasse zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [SGKK]

1.1. Mit Schreiben vom 18.04.2013 teilte die SGKK dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX [im Folgenden: S GmbH] nach Aufhebung des Konkursverfahrens, der Bezahlung der Quote und der Zahlung aus dem Insolvenzentgelt-Fonds ein Rückstand in Höhe von insgesamt EUR 12.465,80 offen aufscheine, welcher im Wege der Ausfallshaftung nach § 67 Abs. 10 iVm 58 Abs. 5 ASVG geltend gemacht werde. Dem Schreiben war ein Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] I).

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, Gründe darzulegen, welche ihn ohne sein Verschulden an der Bezahlung der Sozialversicherungsbeiträge gehindert haben, sowie für die Zeit vom 31.07.2010 bis 31.07.2011 Unterlagen vorzulegen, welche die Prüfung der Gleichbehandlung der Sozialversicherung mit allen anderen Verbindlichkeiten ermöglichten.

1.2. Im weiteren Ermittlungsverfahren führte der Beschwerdeführer mit Schriftsätzen vom 02.05.2013 und vom 21.05.2013 aus, das Steuerberatungsunternehmen der S GmbH sei in Konkurs gegangen und er sei aufgrund eines Unfalls in einem schlechten Gesundheitszustand. Es sei zu keiner Bevorzugung eines Gläubigers gekommen. Ende Oktober 2011 sei die Konkurseröffnung erfolgt und die Buchhaltungsunterlagen befänden sich beim Masseverwalter. Die Beischaffung von Unterlagen sei daher nicht möglich (AZ II-IV).

1.3. Mit Haftungsbescheid vom 28.05.2013, Zahl: XXXX , zugestellt am 14.06.2013, verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 58 Abs. 5 ASVG als Geschäftsführer der S GmbH, zur Zahlung eines Rückstandes von EUR 12.503,36 innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer verpflichtet, ab 17.04.2013 bis zur Einzahlung Verzugszinsen in der Höhe von derzeit 8,38% p.a. von EUR 9.530,79 zu entrichten (AZ V, OZ 4).

Die Summe setze sich laut beigelegtem Rückstandsausweis vom 28.05.2013 zusammen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, der Beschwerdeführer sei ab dem 04.08.2010 Geschäftsführer der S GmbH gewesen. Die im Rückstandsausweis dargestellten Beträge seien bei der Primärschuldnerin uneinbringlich. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung vom 18.04.2013 keine Gründe vorgebracht, welche ihn ohne sein Verschulden daran gehindert hätten, die ihm obliegenden Verpflichtungen zu erfüllen und auch keine Gründe oder Beweisanbote für die Gleichbehandlung der Sozialversicherung beigebracht, weshalb von seinem Verschulden auszugehen und die persönliche Haftung auszusprechen gewesen sei.

1.4. Mit Schreiben vom 27.06.2013 erhob der Beschwerdeführer gegen oben bezeichneten Bescheid fristgerecht Berufung (nunmehr: Beschwerde) (AZ VII).

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammengefasst unter Verweis auf die bisherigen Stellungnahmen aus, es sei zu keinerlei Gläubigerbevorzugung gekommen und ihm könne keine schuldhafte Pflichtverletzung angelastet werden. Weiters wurde ein Antrag auf aufschiebende Wirkung gemäß § 412 Abs. ASVG gestellt.

1.5. Am 12.02.2014 stellte der rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführer einen Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit gemäß § 7 Abs. 4 EO. Begründend führte er aus, der Bescheid könne auf Grund des erhobenen Rechtsmittels nicht vollstreckbar sein. Vorgelegt wurde die Faxbestätigung bzw. Einschreibebestätigung der Berufungsschrift (AZ VI).

1.6. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 10.04.2014, Zahl: XXXX , bestätigte die SGKK gemäß § 14 VwGVG den Bescheid vom 28.05.2013 vollinhaltlich, und führte aus wie bereits im Bescheid (AZ VIII).

1.7. Mit Vorlageantrag vom 23.04.2014, beantragte der Beschwerdeführer die Vorlage seiner Beschwerde an das Verwaltungsgericht (AZ IX].

2. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 05.05.2014 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt, in elektronischer Form vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ I-IX]).

Im beiliegenden Vorlagebericht (datierend vom 13.03.2014 [sic!]) wird (ua) ausgeführt, dass der Einspruch (AZ VII) in der Poststelle der SGKK angenommen, jedoch nie an die richtige Abteilung weitergeleitet worden sei, weshalb die Beschwerdevorentscheidung erst im Jahr 2014 erging (OZ 1 S2).

2.1. Über Ersuchen des BVwG übermittelte die SGKK weitere Aktenteile, darunter die im Antrag vom 12.02.2014 erwähnten Faxbestätigung bzw. Einschreibebestätigung der Berufungsschrift, Zustellnachweise der jeweiligen Bescheide, sowie ein Schreiben, in dem mitgeteilt wurde, dass das handsignierte Original der Beschwerdevorentscheidung dem Beschwerdeführer zugestellt worden sei und einen Screenshot der Genehmigung des Bescheides (OZ 2-4, 9).

2.2. Über weiteres Ersuchen des BVwG um eine detaillierte Listung insbesondere im Hinblick auf den Entstehungsgrund der Beiträge und deren Fälligkeitseintritt, übermittelte die SGKK am 23.10.2015 den Kontoauszug der S GmbH sowie eine Liste der gemeldeten Dienstnehmer und verwies darauf, dass es sich bei der GmbH um einen selbstabrechnenden Betrieb gehandelt habe (OZ 5-6).

2.3. Der Rechtsanwalt übermittelte über Ersuchen des BVwG am 02.05.2016 einen Farbscan der bei ihm aufliegenden Beschwerdevorentscheidung, welche aus einer Akteneinsicht stammt (OZ 7, 8)

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer vertrat die S GmbH ab 29.11.2006 gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer, ab 04.08.2010 selbständig und ab 21.10.2010 als alleiniger Geschäftsführer. Mit Beschluss des LG Salzburg vom 10.10.2011, XXXX , wurde der Konkurs über die S GmbH eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss vom 11.02.2013 wurde der Konkurs nach Schlussverteilung aufgehoben und die Firma am 16.04.2013 gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

1.2. Die Summe der verfahrensgegenständlichen offenen Forderungen am Beitragskonto der S GmbH setzt sich laut Rückstandsausweis gemäß § 64 ASVG vom 28.05.2013 wie folgt zusammen:

Beiträge Rest für 03/2009-07/2010

EUR 3.430,37

Betrag GPLA Rest 08/2010

EUR 5.464,85

NB Beitrag 08/2102

EUR 117,18

Beiträge Rest für 06/20111-07/2011

EUR 518,39

Summe

EUR 9.530,79

Im Rückstandsausweis vom 18.04.2013 scheinen Verzugszinsen von EUR 1.699,60 auf, in jenem vom 28.05.2013 von EUR 1.737,16. Im gesamten Haftungsbetrag sind weiters ein Beitragszuschlag gemäß § 113 ASVG sowie Nebengbühren idHv 1.235,41 enthalten.

1.3. Aus dem übermittelten Kontoauszug vom 23.10.2015 ergibt sich für den Zeitraum 01.01.2009 bis 29.10.2013 ein Rückstand von 12.430,47, wobei in diesem Rückstand auch Gerichtsgebühren, Nebengebühren und Verzugszinsen insbesondere für die Jahre 2008 bis 2010 enthalten sind.

1.4. Bei der GmbH handelt es sich um einen selbstabrechnenden Betrieb gemäß § 58 Abs. 4 ASVG. Die "Beiträge Rest" beinhalten keine Dienstnehmeranteile (AZ I, OZ 6).

2. Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme, aus der sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt, erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen

* Rückstandsausweis vom 28.05.2013 (AZ V)

* Bescheid, Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag der SGKK (AZ V, VIII, IX)

* Berufung (AZ VII)

* Rückscheine (OZ 4)

* Firmenbuchauszug der GmbH (OZ 12)

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Der Zeitpunkt des Beginns der Geschäftsführertätigkeit sowie die Konkurseröffnung und -aufhebung ergeben sich aus dem österreichischen Firmenbuchauszug (OZ 12), an dessen Richtigkeit kein Anlass zu zweifeln bestand.

2.2.2. Die divergierende Höhe des Haftungsbetrages ergibt sich aus den Rückstandsausweisen vom18.04.2013 und vom 28.05.2013, sowie aus dem Kontoauszug

2.2.3. Dass die GmbH ein selbstabrechnender Betrieb ist ergibt sich aus der Auskunft der GKK im Verfahren, aus der sich auch ergibt, dass auf Grund von IEF-Zahlungen keine Dienstnehmeranteile (mehr) in den "Beiträgen Rest" enthalten sind (OZ 9).

3. Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1. Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 24 VwGVG) ist kein absoluter. Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung auch nach Art. 6 Abs. 1 EMRK oder Art. 47 GRC unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2. Im gegenständlichen Fall ergab sich klar aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten war. Der sich aus dem Akteninhalt ergebende Sachverhalt war weder ergänzungsbedürftig noch erschien er in entscheidenden Punkten als nicht richtig.

4. Rechtliche Beurteilung

4.1.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die SGKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2. Zur Beschwerdevorentscheidung der SGKK

4.2.1. Die Beschwerdevorentscheidung der SGKK vom 10.04.2014 wurde an den Beschwerdeführer persönlich adressiert, obwohl der SGKK auf Grund der Beschwerde vom 27.06.2013 und dem Antrag auf Aufhebung der Vollstreckbarkeit vom 12.02.2013 die rechtliche Vertretung des Beschwerdeführers bekannt war.

4.2.2. Im Einparteienverfahren ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an die Partei als erlassen anzusehen. Gemäß § 7 ZustG gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt, in dem das Dokument dem in der Zustellverfügung bezeichneten Empfänger tatsächlich zugekommen ist (vgl. VwGH 25.02.2019, Ra2017/19/0361). Ist wie verfahrensgegenständlich ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so ist gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG dieser als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

Verfahrensgegenständlich lag dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers lediglich eine Kopie der Beschwerdevorentscheidung aus dem Akt vor, da die dem Rechtsvertreter vorliegende (und von diesem dem BVwG übermittelte) Beschwerdevorentscheidung die interne handschriftliche Aktennummerierung der SGKK aufweist (OZ 7). Eine Heilung gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG erfordert aber ein tatsächliches Zukommen des Originals, die bloße Kenntnisnahme vom Inhalt der Entscheidung reicht nicht aus (VwGH 18.11.2015, Ra2015/17/0026 mwN).

Die Beschwerdevorentscheidung ist mangels rechtswirksamen Zustellung an den Rechtsvertreter daher als nicht erlassen anzusehen.

4.2.3. Vollständigkeitshalber wird festgehalten, dass die Erlassung der Beschwerdevorentscheidung mit 15.04.2014 darüber hinaus auch bereits verfristet war, da der belangten Behörde gemäß § 14 VwGVG nur innerhalb von zwei Monaten ab Einlangen einer Beschwerde, gegenständlich ab 01.07.2013, die Kompetenz zukommt, eine Beschwerdevorentscheidung zu erlassen. Die Zuständigkeit der SGKK zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung ging daher mit 01.09.2013 unter.

4.3. Behebung des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG

4.3.1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).

4.3.2. Die Vertreterhaftung ist jeweils zeitraumbezogen nach der im Beobachtungszeitraum geltenden Rechtslage zu beurteilen (VwGH 19.12.2012, 2011/08/0107). Im gegenständlichen Fall reichen die von der SGKK geltend gemachten ausständigen Beiträge bis März 2009 zurück, und resultieren somit aus Zeiträumen sowohl vor, als auch nach in Kraft treten der Novelle BGBl I 2010/62 (SRÄG 2010) mit 01.08.2010.

Bis zum SRÄG 2010, mit dem auch § 58 Abs. 5 ASVG (neu) eingeführt wurde (RV 785 BlgNR XXIV GP S4) enthielt das ASVG keine dem § 80 BAO entsprechende Bestimmung der Definition der sozialversicherungsrechtlichen Pflichten, für deren schuldhafte Verletzung Vertreter von juristischen Personen zu haften hatten. Der VwGH hatte daher in einem verstärkten Senat festgehalten, dass die Pflichten von Vertretern eines Dienstgebers aus dem Gesetz nur insoweit ableitbar waren, als sie in (Verwaltungs-)Strafbestimmungen ihren Ausdruck gefunden hatten, nämlich die in § 111 ASVG normierte Verpflichtung zur Erstattung der vorgeschriebenen Meldungen an den Versicherungsträger und die in § 114 ASVG normierte Verpflichtung zur Abfuhr der von den Dienstnehmern einbehaltenen Beiträgen (VwGH VS 12.12.2000, 98/08/01919). Haftungsbegründend waren bis zum SRÄG 2010 daher nur Beitragsausfälle, die auf schuldhafte Meldepflichtverletzungen und die Nichtabfuhr tatsächlich einbehaltener Dienstnehmerbeiträge zurückzuführen waren. Keine Haftung bestand hingegen für "normale Beitragsschulden", sowie für Beitragszuschläge und Verzugszinsen (vgl. VwGH 27.07.2001, 2001/08/0061).

Für Zeiträume ab dem 01.08.2010 ist die mit dem SRÄG 2010 neu eingeführte Bestimmung des § 58 Abs. 5 ASVG maßgeblich, welche neben den in § 67 Abs. 10 ASVG auferlegten Pflichten nunmehr (ausdrücklich) auch eine allgemeine, die Vertreter treffende Pflicht, aus den von ihnen verwalteten Mitteln für die Abfuhr der Beiträge zu sorgen, vorsieht. Damit tritt ab diesem Zeitpunkt eine Haftung wegen Ungleichbehandlung zu der vom VwGH bisher schon ausgemachten Haftung für nicht abgeführte DN-Beiträge und für Meldeverstöße (gleichrangig) hinzu (Sonntag, ASVG (2013) § 67 Rz 77a).

4.3.3. Die Haftung des Vertreters gemäß § 67 Abs. 10 ASVG setzt für Beitragsschulden vor dem SRÄG 2010 voraus, dass dieser tatsächlich eine schuldhafte Pflichtverletzung begangen hat. Ist diese aber nicht kausal für die Uneinbringlichkeit - beispielsweise wenn die Beiträge auch bei ordnungsgemäßer Meldung nicht hätten einbringlich gemacht werden können (vgl. VwGH 17.11.2004, 2002/08/0212) - ist auch eine Haftung gemäß § 67 Abs. 10 ASVG ausgeschlossen. Ob eine derartige Pflichtverletzung vorliegt, hat die belangte Behörde im Sinne des § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen zu prüfen (vgl. VwGH 14.04.2010, 2010/08/0001). Für Sachverhalte vor dem SRÄG 2010 ist daher zunächst von der Behörde festzustellen, welche Umstände zu welchem Zeitpunkt iSd §§ 33 ff ASVG hätten gemeldet werden müssen und dass diese Meldungen unterblieben sind bzw. dass es zu einer Nichtabführung von DN-Beiträgen gekommen ist. Erst wenn dies feststeht, liegt es beim Meldepflichtigen darzutun, dass ihn aus bestimmten Gründen kein Verschulden an der Pflichtverletzung trifft (vgl. dazu explizit VwGH 22.02.2012, 2010/08/0190 mwN).

4.3.4. Die SGKK hat jedoch weder in ihrer Entscheidung, noch auf Aufforderung des BVwG im Beschwerdeverfahren hin (OZ 5-6), Angaben gemacht, ob, wodurch und in welchem jeweiligen Ausmaß die Haftung des Beschwerdeführers durch welche Pflichtwidrigkeit begründet wurde. Zwar wies die SGKK in ihrem Schreiben vom 18.04.2013 auf die geänderte Rechtslage ab 01.08.2010 hin, war aber der Rechtsansicht, dass diese geänderte Rechtslage nunmehr auf den gesamten Sachverhalt anzuwenden sei (siehe dazu jedoch VwGH 19.12.2012, 2011/08/0107). Aus den von der SGKK übermittelten Unterlagen ergibt sich ergänzend, dass auch Verzugszinsen, Gerichtsgebühren und Nebengebühren, sowie (zumindest ein) Beitragszuschlag im Haftungsbetrag, enthalten sind, welche vor dem SRÄG 2010 aber zu keiner Haftung geführt haben (vgl. VwGH 27.07.2001, 2001/08/0061). Hinzu kommt, dass der Haftungsbetrag in den drei vorliegenden Dokumenten der SGKK jeweils divergiert.

4.3.5. Es handelt sich gegenständlich somit nicht um vorhandene Ermittlungsergebnisse, welche einer allfälligen Ergänzung durch das BVwG bedürften (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra2018/01/0368), sondern es wäre verfahrensgegenständlich das gesamte erforderliche Ermittlungsverfahren der belangten Behörde auf das BVwG übertragen. Die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe steht daher im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127), weshalb gegenständlich das dem BVwG gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an die SGKK zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen war.

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG und bewegt sich im vom VwGH eng gesetzten Rahmen der Zulässigkeit einer Zurückverweisung. Uur Zulässigkeit einer zurückverweisenden Entscheidung bei Fehlen jeglicher Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde VwGH 30.03.2017, Ra 2014/08/0050; 09.03.2016, Ra 2015/08/0025 und VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127 sowie grundlegend VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063. Zur Zeitraumbezogenheit der Haftung insbesondere VwGH 19.12.2012, 2011/08/0107; zum Haftungsumfang vor und nach dem SRÄG 2010 VwGH 17.11.2004, 2002/08/0212; 27.07.2001, 2001/08/0061; 07.10.2015, Ra2015/08/0040 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz, siehe dazu insbesondere VwGH 26.01.2017, Ra2016/07/0061 mwN, und es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Pflichtverletzung, Rechtslage

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L511.2007589.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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