TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/16 W226 1314156-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.12.2019
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Entscheidungsdatum

16.12.2019

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §7 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W226 1314156-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. WINDHAGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA.:

Russische Föderation, vertreten durch die ARGE RECHTSBERATUNG - DIAKONIE FLÜCHTLINGSDIENST gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.10.2019, Zl., 740160803-180154304, zu Recht erkannt:

A)

I.Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. wird mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt I. zu lauten hat: "Der Ihnen mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 06.12.2010, Zahl: D7 314 156-1/2008/10E zuerkannte Status des Asylberechtigten wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK und § 7 Abs. 1 Z 1 iVm § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 aberkannt. Gemäß § 7 Absatz 4 AsylG wird festgestellt, dass Ihnen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt."

Im Übrigen wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass das Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG auf 5 Jahre herabgesetzt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich folgender Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer reiste im Jahr 2004 im Alter von XXXX Jahren mit seiner Mutter und seinen Geschwistern in das Bundesgebiet ein. Er stellte - vertreten durch seine Mutter - am 01.02.2004 bei der Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Mutter des damals erst XXXX Jahre alten Beschwerdeführers begründete die Asylantragstellung im Wesentlichen dahingehend, dass nach ihrem Ehegatten (dem Vater des Beschwerdeführers) gesucht werde, deshalb befürchte sie, dass man über sie und die gemeinsamen Kinder versuchen könnte, die Rückkehr des gesuchten Ehemannes zu erzwingen.

Mit Entscheidung des Asylgerichtshofs vom 06.12.2010 wurde im Rechtsmittelverfahren sowohl der Mutter des Beschwerdeführers als auch diesem selbst und seinen Geschwistern gemäß § 7 AsylG der Asylstatus zuerkannt und wurde diese Entscheidung damit begründet, dass unverändert in der Russischen Föderation nach dem Vater des Beschwerdeführers gesucht werde, diesem sei mit Bescheid des Deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge im Jahr 2007 Asyl gewährt worden.

Der Asylgerichtshof stellte fest, dass dem Beschwerdeführer, seiner Mutter und den Geschwistern wegen der Probleme des Vaters Gefahr drohe, von den Mitarbeitern von Kadyrov und den russischen Behörden, die mit Kadyrov zusammenarbeiten, verfolgt zu werden. Auf Grund der aktuellen Lage in der Russischen Föderation sei - so der Asylgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.12.2010 - derzeit nicht mit der erforderlichen Sicherheit auszuschließen, dass die Mutter des Beschwerdeführers und ihre Kinder auf Grund des Ehemannes im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat körperliche Misshandlungen von russischen oder pro-russischen tschetschenischen Kräften ausgesetzt wäre. Eine innerstaatliche Fluchtalternative habe im konkreten Fall in Verbindung mit den Länderfeststellungen auf Grund der konkreten Gefährdung nicht ermittelt werden können.

1.2. Der Beschwerdeführer wurde in weiterer Folge - nach Erreichen der Strafmündigkeit - im Bundesgebiet mehrfach straffällig, über ihn scheinen im Strafregister der Republik Österreich fünf strafrechtliche Verurteilungen auf, nämlich:

01) Landesgericht XXXX , XXXX vom XXXX , wegen § 142 (1) StGB, Freiheitsstrafe 6 Monate bedingt (Jugendstraftat);

02) Landesgericht XXXX , XXXX vom XXXX wegen § 107 (1) StGB, (Keine Zusatzstrafe gemäß §§ 31 und 40 StGB unter Bedachtnahme auf LG für Strafsachen Wien, 162 Hv 66/2016p, Jugendstraftat);

03) Landesgericht XXXX , XXXX vom XXXX , wegen §§ 142 (1), 143 (1),

2. Fall StGB; Freiheitsstrafe 7 Monate bedingt (Jugendstraftat);

04) Landesgericht XXXX , XXXX vom XXXX , § 84 Absatz 4 und 5 Z 2 StGB, § 83 Absatz 1 StGB, Freiheitsstrafe 18 Monate, davon Freiheitsstrafe 12 Monate bedingt (Jugendstraftat);

05) Landesgericht XXXX , XXXX vom XXXX , §§ 83 (1) StGB, 15 StGB; §§ 83 (1), 84 (5) Z 2 StGB, Freiheitsstrafe 2 Monate, sowie Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB (Jugendstraftat);

Dem letzten Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX lässt sich folgender Schuldspruch entnehmen: Der Beschwerdeführer habe das Verbrechen der schweren Körperverletzung wegen §§ 83 Absatz 1, 84 Absatz 5 Ziffer 2 StGB sowie das Vergehen der Körperverletzung nach den §§ 83 Absatz 1, 15 Absatz 1 StGB dadurch begangen, dass er teils im Zusammenwirken mit anderen Mittätern zwischen Oktober 2016 und Jänner 2017, teils in verabredeter Verbindung einer Person einen Stoß versetzt und dem Opfer einen Schlag mit der flachen Hand versetzt, ein unbekannter Mittäter habe gleichzeitig dem Opfer einen Faustschlag versetzt habe, wodurch dieser eine Prellung samt Bluterguss und eine Rissquetschwunde über dem linken Auge erlitten habe; weiters der Beschwerdeführer einer anderen Person durch eine Ohrfeige und einen Faustschlag ins Gesicht, wobei es beim Versuch blieb, er darüber hinaus einer dritten weiblichen Person durch mehrere Faustschläge und einem gezielten Tritt gegen den Oberkörper, wodurch diese eine Prellung im Bereich des Brustkorbs erlitt, Verletzungen zugefügt.

In dieser Verhandlung wurde der Beschwerdeführer weiters vom Vorwurf, er habe einen österreichischen Bundesminister (angemerkt: XXXX ) mit dem Tod und mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung, nämlich des fortlaufenden sexuellen Missbrauchs von dessen Mutter als Prostituierte gefährlich bedroht, um diesen in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er auf seinem öffentlichen Facebook-Profil Postings veröffentlicht habe, freigesprochen. Das Landesgericht XXXX führte in den Entscheidungsgründen aus, dass der Beschwerdeführer bis zu seinem vierten Lebensjahr mit seinen Geschwistern und seinen Eltern in Tschetschenien aufgewachsen sei, die Mutter des Beschwerdeführers sei schließlich mit den Kindern nach Österreich geflüchtet, der Vater des Beschwerdeführers habe seinen neuen Lebensmittelpunkt damals in Deutschland begründet. Der Beschwerdeführer habe in Österreich ein Jahr lang die Volksschule und sieben Jahre lang eine sonderpädagogische Schule besucht, mit einer Berufsausbildung habe der Beschwerdeführer bisher nicht begonnen, er strebe aber eine Ausbildung zum KFZ-Mechaniker an.

Der Beschwerdeführer leide an einer Intelligenzminderung in Kombination mit einer schweren Persönlichkeitsstörung, wobei die Störung als geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades einzustufen sei. Zum Zeitpunkt der beschriebenen Tathandlung habe der Beschwerdeführer zwar unter dem Einfluss dieser geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades gelitten, sei aber dennoch jeweils in der Lage gewesen, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Auf Grund der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, die geprägt sei von einem explosiv-aggressivem Charakter mit einer Neigung zur erheblichen Gewaltdelinquenz, fehlender sozialer und beruflicher Perspektive sowie fehlender sozialer Kontrollmöglichkeiten, sei zu befürchten, dass der Beschwerdeführer unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades erneut einschlägige strafbare Handlungen mit schweren Folgen, wie etwa absichtliche schwere Körperverletzung oder schwere Raubüberfälle begehen werde.

Der Freispruch im Hinblick auf die Bedrohungen des österreichischen Bundesministers wurde vom Landesgericht XXXX in diesem Urteil dahingehend begründet, dass nicht festgestellt habe werden können, dass der Beschwerdeführer beim Verfassen und Veröffentlichen dieser Postings tatsächlich beabsichtigt habe, dass deren Inhalt dem Opfer tatsächlich zur Kenntnis gelangen würde, noch dass es ihm gerade darauf angekommen sei, das Opfer durch seine Äußerungen in Furcht und Unruhe zu versetzen. Es könne auch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer es zumindest ernstlich für möglich gehalten habe und sich damit abgefunden habe, beim Opfer den Eindruck einer ernstgemeinten Ankündigung eines Übels zu erwecken.

Die Feststellungen zur psychischen Erkrankung des Beschwerdeführers und seiner Zurechnungsfähigkeit sowie zur Gefährlichkeitsprognose ergaben sich laut Urteil aus einem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des im Ermittlungsverfahren beigezogenen medizinischen Sachverständigen. Als erschwerend wurde die einschlägige Vorstrafe, das Zusammentreffen von mehreren Verbrechen und Vergehen, sowie die Tatbegehung innerhalb offener Probezeit gewertet, als mildernd die überwiegend geständige Verantwortung, sowie die schwierige Kindheit, weiters die herabgesetzte Steuerungsfähigkeit und dass es teilweise beim Versuch geblieben sei.

Die Einweisung nach § 21 Abs. 2 StGB wurde vom Landesgericht XXXX somit mit der festgestellten seelischen und geistigen Abnormität im Sinne des § 21 Absatz 2 StGB begründet. Der Beschwerdeführer sei trotz vorliegender Intelligenzminderung und schwerer Persönlichkeitsstörung in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen und nach seinen Taten zu handeln. Wie festgestellt, sei auf Grund der Persönlichkeit des Beschwerdeführers, die geprägt sei von einem explosiv-aggressiven Charakter mit einer Neigung zur erheblichen Gewaltdelinquenz, der nicht vorhandenen sozialen und beruflichen Perspektive, sowie fehlender sozialer Kontrollmöglichkeiten zu befürchten, dass dieser unter dem Einfluss seiner geistigen und seelischen Abartigkeit höheren Grades erneut einschlägige strafbare Handlungen mit schweren Folgen, wie etwa absichtliche schwere Körperverletzungen oder schwere Raubüberfälle begehen werde. Demzufolge sei der Beschwerdeführer in Ermangelung bestehender alternativer Behandlungsweisen unbedingt in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen gewesen.

Dem Urteil vom XXXX liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit drei weiteren unbekannten Tätern einer Person unter Verwendung einer Waffe, nämlich zweier Messer und durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben ein Mobiltelefon im Wert von 250 Euro mit dem Vorsatz abgenötigt habe, sich durch dessen Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem das Opfer verfolgt, vom Beschwerdeführer gegen eine Hauswand gedrückt worden sei und zwei weitere maskierte unbekannte Täter dem Opfer Messer gegen die Rippen gehalten haben. Der Beschwerdeführer selbst habe das Opfer aufgefordert, den Rucksack zu übergeben, welchen er zuvor durchsucht habe, sodann das Mobiltelefon aus der Hosentasche genommen und in seine eigene Jackentasche gesteckt habe, wobei ein weiterer maskierter unbekannter Täter Aufpasserdienste geleistet habe. Damit sei das Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Absatz 1, 143 Absatz 1, zweiter Fall StGB verwirklicht. In diesem Urteil wurde der Beschwerdeführer von einem anderen Vorwurf, er habe das erwähnte Opfer durch gefährliche Drohung zu einer Unterlassung, nämlich der Abstandnahme einer Anzeigenerstattung zu nötigen versucht, indem er nach der obgenannten Handlung zu ihm gesagt habe: "Wenn du zur Polizei gehst, breche ich dir alle Knochen", freigesprochen.

Mit dem genannten Urteil vom XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Absatz 4 und 5 Ziffer 2 StGB und wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Absatz 1 StGB verurteilt. Auch diesem Urteil lag zugrunde, dass der Beschwerdeführer gemeinsam mit anderen Mittätern mehrfach Körperverletzungen begangen hat, wobei der Beschwerdeführer dem Opfer Ohrfeigen versetzte, in den Bauch trat und die Tat zum Teil mitfilmte.

Dem Urteil vom XXXX liegt zugrunde, dass der Beschwerdeführer eine Person gefährlich bedroht hat, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, indem er ihr im Zuge einer wechselseitigen Beschimpfung über Facebook-Messenger angedroht habe, sie niederzustechen. Bereits in diesem Urteil wird vom erkennenden Gericht festgehalten, dass der Beschwerdeführer "zwar Probleme mit Aggressionsdurchbrüchen habe, aber in der Lage sei, das Unrecht seiner Taten einzusehen und dieser Einsicht nach zu handeln.

Der Beschwerdeführer wurde am XXXX infolge der erfolgten Einweisung in der Justizanstalt XXXX , übernommen, laut Aktenlage befindet sich der Beschwerdeführer unverändert in dieser Vollzugsstelle der Justizanstalt XXXX .

1.3. Am 22.01.2018 leitete die belangte Behörde ein Aberkennungsverfahren gegen den Beschwerdeführer ein. Am 13.02.2019 wurde dieser im Verfahren betreffend Aberkennung des Internationalen Schutzes durch die belangte Behörde persönlich einvernommen.

Der Beschwerdeführer führte bei dieser Einvernahme an, ledig zu sein und keine Kinder zu haben, er gehöre der Volksgruppe der Tschetschenen an und sei muslimischen Glaubens. Fast alle seine Verwandten, drei Brüder und zwei Schwestern und seine Eltern würden hier leben, im Heimatland habe er noch die Großeltern mütterlicherseits und väterlicherseits, sowie Tanten.

Auf die konkrete Frage, ob die Familie noch Kontakt zu Angehörigen in der Russischen Föderation habe bzw. ob seine Eltern oder Geschwister noch Angehörige im Heimatland hätten, vermeinte der Beschwerdeführer, dass die Familie noch Kontakt zu diesen Angehörigen in Tschetschenien habe, diese würden in XXXX leben.

Zum Leben in Österreich befragt führte der Beschwerdeführer aus, dass er die Schule besucht habe, als er in Freiheit gewesen sei. Er habe sonst von seinen Eltern gelebt. Sein Vater würde in Deutschland leben und wohne der Vater auch dort. Seine Mutter sei in Österreich Hausfrau und mache hier einen Kurs.

Sein Vater habe seit der Flucht in Deutschland gelebt, er sei gleich nach Deutschland gegangen. Die Eltern würden seitdem getrennt leben, sie seien nicht mehr zusammen.

In Österreich sei er nicht Mitglied in einem Verein, einer Gruppierung oder sonstigen Organisation, er habe auch noch nie gearbeitet, er habe nur die Schule besucht.

Auf die Frage, ob er persönliche Bindungen zu Österreichern oder Personen mit einem dauernden Aufenthaltsrecht in Österreich habe, vermeinte der Beschwerdeführer einzig wie folgt: "Ich hatte schon Freunde, der Kontakt ist aber jetzt abgebrochen." In Tschetschenien sei er seit der Ausreise nicht mehr gewesen, er habe in Österreich die Pflichtschule abgeschlossen, habe einen Polytechnischen Lehrgang besucht, aber nicht abgeschlossen. Hier in der Justizanstalt mache er eine "Ergo-Therapie", das helfe ihm bei seinem psychischen Zustand. Seine Freizeit habe er in Österreich dahingehend verbracht, dass er "mit Freunden im Einkaufszentrum" gewesen sei.

Der Beschwerdeführer wurde im Zuge der Einvernahme durch die belangte Behörde nunmehr gefragt, was gegen eine Rückkehr in das Heimatland spreche. Die Antwort lautete: "Es geht mir besser hier in der Umwelt, ich bin weniger in Gefahr."

Auf die Frage, ob er konkrete Befürchtungen hinsichtlich einer Rückkehr nach Tschetschenien bzw. Russische Föderation hege, vermeinte der Beschwerdeführer wie folgt: "Weil ich hier meine ganze Familie habe. Es wäre ein Problem, meine Familie hier zu lassen, das könnte ich nicht durchstehen." Auf Nachfrage, ob er gemeinsam mit der Familie zurückkehren könnte, ob er denn da Befürchtungen habe, führte der Beschwerdeführer wie folgt aus: "Mit der Familie würde ich schon zurückkehren, aber wir wissen nicht, wie es mit dem Krieg ist. Es könnte sein, dass wieder ein Krieg beginnt, deshalb weiß ich nicht, ob es gut wäre, zurückzukehren." Auf die Frage, ob er sich vorstellen könne, in einem anderen Landesteil der Russischen Föderation zu leben und ob er denn dort in anderen Landesteilen Verwandte habe, vermeinte der Beschwerdeführer, dass er Verwandte in anderen Landesteilen nicht habe. Er wisse auch gar nicht, wie es dort sein würde und was ihn dort erwarten würde. Auf Vorhalt seiner Straftaten vermeinte der Beschwerdeführer, dass es ihm leid tue, er bereue seine Taten. Dem Beschwerdeführer wurden weiters aktuelle Länderfeststellungen zur Russischen Föderation übermittelt, verbunden mit der Einladung, dazu eine schriftliche Stellungnahme zu erstatten.

Mit Schreiben vom 14.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer eine weitere Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zum Fragenkomplex Sippenhaftung übermittelt und erging die Einladung, auch dazu eine Stellungnahme vorzulegen.

Stellungnahmen sind in weiterer Folge vom Beschwerdeführer nicht erfolgt:

1.4. Mit Bescheid vom 03.10.2019, dem Beschwerdeführer zugestellt am 16.10.2019, erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.12.2010 rechtskräftig zuerkannten Status des Asylberechtigen gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass dem Beschwerdeführer die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zu kommt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 erkannte das Bundesamt dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu (Spruchpunkt II.). Es erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 und erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG (Spruchpunkt IV.). Das Bundesamt stellte fest, dass gemäß § 52 Abs. 9 FPG die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die RUSSISCHE FÖDERATION zulässig ist (Spruchpunkt V.). Unter einem stellte es fest, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt VII.) und erließ gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte die Identität des Beschwerdeführers fest und dass er im Jahr 2004 im Beisein seiner Mutter und seiner Geschwister in das Bundesgebiet eingereist sei. Er habe am 01.02.2004 einen Asylantrag gestellt und ihm sei mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 06.12.2010 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden. Im Bundesgebiet würden die Mutter sowie die Geschwister des Beschwerdeführers leben. Der Beschwerdeführer sei ledig und ohne Sorgepflichten. Er sei gesund und leide an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung. Er habe in Österreich die Pflichtschule besucht. Der Vater lebe in Deutschland.

Aufgrund der strafgerichtlichen rechtskräftigen Verurteilungen des Beschwerdeführers liege ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG 2005 vor, auf Grund der Verurteilungen und der Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei von einer erheblichen Gefahr auszugehen, die Zukunftsprognose sei negativ.

Im Rahmen der Beweiswürdigung beurteilte die belangte Behörde die allfällige Situation des Beschwerdeführers im Fall einer Rückkehr und führte dazu wie folgt aus: Der Asylgerichtshof sei im Jahr 2010 von der Gefahr einer Sippenhaftung ausgegangen, dies, da der Vater die Russische Föderation verlassen habe. Der Beschwerdeführer sei aber zum Zeitpunkt der Ausreise erst XXXX Jahre alt gewesen und sein Aussehen als Erwachsener sowie sein zwischenzeitiger Lebenswandel sei in der Russischen Föderation bzw. in Tschetschenien niemandem bekannt. Der Beschwerdeführer würde auch den Nachnamen seiner Mutter und nicht jenen seines Vaters tragen. Das Bundesamt verkenne dabei nicht, dass es in der Vergangenheit zu Repressalien gegen Familienangehörige von Personen gekommen sei, welche sich dem Islamischen Staat angeschlossen hätten. Beim Vater handle es sich aber nicht um einen Unterstützer des Islamischen Staates, der Beschwerdeführer gehöre weder dem Islamischen Staat, noch einer anderen Islamistischen Organisation an. Sein Vater sei bereits seit Jahren in Deutschland aufhältig und es sei auch nicht davon auszugehen, dass im Fall des Beschwerdeführers eine Sippenhaftung zu befürchten sei. Eine konkrete Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat sei vom Beschwerdeführer auch nicht vorgebracht worden. Auch der Umstand, dass sich noch Familienangehörige im Heimatland befinden und dort, ohne entsprechenden Repressalien ausgesetzt zu sein, leben, lasse davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer eine Rückkehr jedenfalls zugemutet werden könne. Es könne somit nicht angenommen werden, dass der Beschwerdeführer, der den Herkunftsstaat bereits vor 15 Jahren im Kindesalter verlassen habe, einer gezielt gegen seine Person gerichteten staatlichen Verfolgung ausgesetzt sei. Auch der Beschwerdeführer selbst habe im nunmehrigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt konkrete Befürchtungen in diese Richtungen geäußert. Er habe einzig angegeben, dass der einzige Grund zum Verbleib in Österreich darin gelegen sei, dass sich seine Familienmitglieder hier aufhalten würden. Gemeinsam mit diesen würde nichts gegen eine Rückkehr in die Russische Föderation sprechen.

In der rechtlichen Begründung stützte das Bundesamt die Asylaberkennung auf den Asylausschlussgrund des § 7 Abs. 1 AsylG 2005, und führte dazu zur Judikatur zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 leg.cit. aus. Auf Grund der Schwere der Taten und der Strafdrohung, sowie angesichts der dargestellten Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei ein Ausschlussgrund gegeben, der Beschwerdeführer sei als gemeingefährlich einzustufen.

Zur Nichtgewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten führte das Bundesamt aus, dass laut den Länderberichten die elementare Grundversorgung jedenfalls anzunehmen sei. Durch seinen unbedenklichen Gesundheitszustand und die Kenntnis der landestypischen Verhältnisse sei in Verbindung mit seinem verwandtschaftlichen Umfeld und den damit verbundenen ökonomischen Verhältnissen jedenfalls gewährleistet, dass er seinen Lebensunterhalt aus eigenem bestreiten werde können.

Der Beschwerdeführer beherrsche die in der RUSSISCHEN FÖDERATION unter anderem übliche Landessprachen kenne und die dortigen Gepflogenheiten. Der Beschwerdeführer sei ein arbeitsfähiger Mann, weshalb davon auszugehen sei, dass er auch in Hinkunft, erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme des Familienverbandes, in der Lage sein werde, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es würden keine individuellen Umstände vorliegen, die dafür sprechen, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine derart extreme Notlage gelangen würde, die eine unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen würde. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens haben sich keine Hinweise für die Gewährung von subsidiärem Schutz ergeben.

Es liege auch kein Grund für die Gewährung eines humanitären Aufenthaltstitels vor: Während seines Verfahrens habe sich kein Sachverhalt ergeben, der ihn als Opfer von Gewalt zeige und es bestehe auch keine Notwendigkeit, eine Aufenthaltsbewilligung zum Schutz vor weiterer Gewalt zu erteilen.

Die Rückkehrentscheidung greife nicht in das Recht des Beschwerdeführers auf Familienleben ein: Er habe seine Mutter und Geschwister im Bundesgebiet. Von der Mutter sei anzunehmen, dass auch diese in Deutschland lebe, allerdings in Österreich Sozialhilfe empfange, diesbezüglich würden Ermittlungen laufen.

Der Beschwerdeführer beherrsche zwar die deutsche Sprache, habe sonst jedoch keinerlei Integrationsbemühungen ins Treffen geführt und sei mehrfach straffällig geworden.

Seine Abschiebung in die Russische Föderation sei aus den in der Begründung zu den Spruchpunkten I. und II. dargelegten Gründen zulässig. Die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, die der Abschiebung entgegenstehen würde, gebe es für die Russische Föderation nicht.

Die Frist für die freiwillige Ausreise betrage 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt werde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Reglung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen habe, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben überwiegen. Im Fall des Beschwerdeführers haben keine derartigen Gründe festgestellt werden können, weshalb er zur freiwilligen Ausreise binnen 14 Tagen ab der Rechtskraft der Rückkehrentscheidung durch Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts verpflichtet sei.

Zum Einreiseverbot führte die Behörde aus, dass aufgrund der Strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers jedenfalls die Voraussetzung des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG vorliege.

Die Behörde verwies auf das Gutachten, das dem Beschwerdeführer eine Intelligenzminderung in Kombination mit einer schweren Persönlichkeitsstörung bescheinige, seine Persönlichkeit sei geprägt von Neigungen zu erheblicher Gewaltdelinquenz sowie einem explosiv-aggressiven Charakter.

Mit Verfahrensanordnung vom 14.10.2019 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE Rechtsberatung als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

1.5. Mit Schriftsatz vom 08.11.2019 erhob der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 03.10.2019 in vollem Umfang und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Behebung des angefochtenen Bescheides.

Nach Wiedergabe des Verfahrensganges führt der Beschwerdeführer aus, dass er bis zum Jahr 2016 unbescholten gewesen sei, er bereue seine Taten und sei aktiv durch die Teilnahme am Therapieangebot in der Justizanstalt um eine Besserung bemüht. Der Beschwerdeführer verwies weiters darauf, dass es sich beim zweiten, dritten und fünften Urteil um Straftaten gehandelt habe, die nach der Zeit ihrer Begehung schon in den früheren Verfahren hätten abgeurteilt werden können. Dieser Umstand ändere nichts an der Verwerflichkeit und Häufung der begangenen Straftaten, es solle aber bedacht werden, dass es sich in diesen Fällen auf Grund des Tatzeitpunkts um keine weiteren Rückfälle im eigentlichen Sinne handle. Im Falle einer bedingten Entlassung aus dem Maßnahmenvollzug würde der Beschwerdeführer nach fachärztlicher Begutachtung und nach Absolvierung einer Probezeit in eine Einrichtung für betreutes Wohnen ziehen können.

Zudem sei der Beschwerdeführer seit seiner Einreise in das Bundesgebiet nie mehr in Russland aufhältig gewesen, er wäre auf Grund der politischen Verfolgung seines Vaters unverändert asylrelevanter Verfolgung ausgesetzt.

Die belangte Behörde habe sich nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob der Beschwerdeführer als Sohn seines Vaters, dem von der Bundesrepublik Deutschland Asyl auf Grund von politischer Verfolgung gewährt wurde, nicht mit ebensolcher Verfolgung rechnen müsse. Außerdem habe die belangte Behörde zu wenige Feststellungen zum tatsächlichen Familienleben getroffen. Zudem habe die Behörde nicht berücksichtigt, dass betreffend den Vater mit Beschluss des OLG XXXX vom XXXX eine Auslieferung (nach Voruntersuchung im Strafverfahren) für nicht zulässig erachtet worden sei, da der Vater des Beschwerdeführers auf Grund seiner aktiven Zugehörigkeit zum Volk der Tschetschenen schwerwiegende Nachteile zu erwarten gehabt hätte. Ein weiterer Onkel des Beschwerdeführers sei in Russland in Haft, andere Onkel des Beschwerdeführers seien verschollen bzw. ermordet worden.

Zudem werde auf das Abhängigkeitsverhältnis des psychisch kranken Beschwerdeführers zu seiner Mutter und seinen Geschwistern nicht eingegangen. Bei einem rechtmäßigen Ermittlungsverfahren hätte die Behörde festgestellt, dass der Beschwerdeführer an einer psychischen Erkrankung leide und ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Mutter und seinen Geschwistern bestehe. Es könne nicht nachvollzogen werden, wie die Behörde zur Feststellung gelangen könne, dass der Beschwerdeführer gesund sei, sei für diesen doch eine psychische Erkrankung im Strafverfahren attestiert worden.

In rechtlicher Hinsicht vermeint die Beschwerde, dass der Verwaltungsgerichtshof selbst in Fällen von sexuellem Missbrauch von Minderjährigen nicht von einem besonders schweren Verbrechen ausgehe, erst bei versuchtem Mord und Ausbleiben der Geständigkeit sei aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs von einem besonders schweren Verbrechen auszugehen.

Die Notwendigkeit einer mündlichen Beschwerdeverhandlung wird in der Beschwerde damit begründet, dass der persönliche Eindruck von der Person des Beschwerdeführers zu machen sei, dies zur Beurteilung der Frage, ob dieser eine Gefahr für die Sicherheit der Republik Österreich darstelle.

Zur Rückkehrentscheidung wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer doch keine Verwandten in Russland mehr habe. Sofern der Beschwerdeführer in der Einvernahme angegeben habe, über seine Großeltern zu verfügen, so "müsse nun bekannt gegeben werden, dass diese Information gar nicht richtig" sei. Auf Nachfrage bei der Mutter des Beschwerdeführers habe diese mitgeteilt, dass die Großeltern "gar nicht mehr am Leben" wären. Dagegen würde den Beschwerdeführer zu seiner Mutter ein sehr enges Abhängigkeitsverhältnis verbinden, diese würde ihn beinahe wöchentlich in der Justizanstalt besuchen. Auch eine Schwester würde den Beschwerdeführer regelmäßig dort besuchen. Die Mutter und die Schwester sollten auch als Zeugen zum Privat- und Familienleben, der psychischen Verfassung des Beschwerdeführers, sowie den Fluchtgründen der Familie aus Tschetschenien befragt werden.

Der Beschwerde beigelegt war ein Psychiatrischer Facharztbrief der Justizanstalt XXXX wonach der Beschwerdeführer unter einer Störung des Sozialverhaltens mit impulsiven Persönlichkeitsbezügen, leichter Intelligenzminderung, Zustand nach depressiver Anpassungsstörung und Zustand nach Polytrauma leide, er bekomme das Medikament Sertralin 50mg, sowie Abilifiy 10 mg, einmal täglich. Der Beschwerdeführer arbeite zudem in der Ergotherapie der Justizanstalt XXXX und sei dort im Ausmaß von rund 30 Wochenstunden beschäftigt, er arbeite an Produkten, welche für den Verkauf bei Oster- und Weihnachtsmärkten, sowie für hausinterne Zwecke produziert würden. Beigelegt war auch eine teilweise Kopie des Beschlusses des OLG XXXX betreffend Unzulässigkeit der Auslieferung des Vaters des Beschwerdeführers im Jahre 2008.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität des Beschwerdeführers kann festgestellt werden. Er ist russischer Staatsangehöriger und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Falle der Rückkehr drohen würde. Es kann nicht mehr festgestellt werden, dass ihm im Falle der Rückkehr eine Verfolgung aus asylrelevante oder ethnischen Gründen aktuell drohen würde.

Der Beschwerdeführer ist muslimischen Glaubens und es kann nicht festgestellt werden, dass er im Verdacht steht, dem fundamentalistischen Islam nahezustehen. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm Verfolgung aus religiösen Gründen drohte oder im Falle der Rückkehr drohen würde.

Er ist weder politisch noch exilpolitisch aktiv. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm Verfolgung aus politischen Gründen drohte oder im Falle der Rückkehr drohen würde. Es kann nicht festgestellt werden, dass ihm im Falle der Rückkehr Verfolgung wegen unterstellter politischer Gesinnung drohen würde.

Er ist XXXX geboren und lebte mit seiner Familie zunächst in XXXX , Tschetschenien, im Alter von XXXX Jahren verließ er den Herkunftsstaat. Seine Mutter - die zumindest seit 2004 getrennt vom Vater lebt, begründete im Jahr 2004 die Ausreise mit der Furcht vor Repressalien, um damit die Rückkehr des Vaters des Beschwerdeführers zu erzwingen.

Festgestellt wird weiters, dass der Beschwerdeführer die bereits mehrfach ausgeführten Straftaten im Bundesgebiet begangen hat und sich derzeit unverändert in einer Justizanstalt für Jugendliche als Untergebrachter aufhält.

Festgestellt wird, dass der Vater des Beschwerdeführers, der einen anderen Familiennamen als der Beschwerdeführer trägt, im Bundesgebiet laut aktuellem Auszug aus dem zentralen Melderegister niemals gemeldet war, offensichtlich seit dem Jahr 2004 durchgehend in Deutschland lebt und somit niemals ein gemeinsamer Wohnsitz mit dem Beschwerdeführer bestanden hat.

Der Beschwerdeführer leidet unter leichter Intelligenzminderung, sowie unter Störung des Sozialverhaltens mit impulsiven Persönlichkeitsbezügen, bei ihm liegt wie dargestellt eine schwere Persönlichkeitsstörung vor, laut Gutachten im letzten Strafverfahren ist diese Störung als geistige und seelische Abartigkeit höheren Grades einzustufen. Der Beschwerdeführer ist in der Lage, das Unrecht seiner Taten einzusehen, er leidet jedoch unter einem explosiv-aggressiven Charakter mit einer Neigung zu erheblicher Gewaltdelinquenz.

Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet der Schulpflicht folgend die Pflichtschule besucht, den Polytechnischen Lehrgang zwar begonnen, jedoch niemals abgeschlossen und auch sonst niemals irgendeine Art von beruflicher Ausbildung begonnen. Der Beschwerdeführer ist jedoch erkennbar in der Lage, Hilfstätigkeiten auszuüben, laut vorgelegtem "Ergotherapie- Nachweis der Justizanstalt für Jugendliche XXXX " ist er derzeit für rund 30 Wochenstunden in der Justizanstalt beschäftigt und arbeitet an Produkten, welche für den Verkauf von Oster- und Weihnachtsmärkten, sowie für hausinterne Zwecke produziert werden. Nach eigenen Angaben des Beschwerdeführers, sowohl vor der belangten Behörde, als auch im Strafverfahren, hat dieser darüber hinaus den Wunsch, eine Ausbildung als Mechaniker irgendwann zu beginnen und in einem solchen Beruf zu arbeiten, sodass von einer grundsätzlichen Bereitschaft und Möglichkeit, einen Beruf zu erlernen und durch diesen Beruf auch ein eigenes Einkommen zu erzielen, auszugehen ist.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet in irgendeiner Form in Vereinen oder sonstigen Organisationen teilnimmt, er ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgepflichten.

Vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer, wie dargestellt, zumindest seit seinem vierten Lebensjahr getrennt vom eigenen Vater lebt, einen völlig anderen Familiennamen als dieser trägt und der Beschwerdeführer nicht einmal ansatzweise schildern kann, aus welchen Gründen die Familie überhaupt die Russische Föderation verlassen hat, kann nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit daraus geschlossen werden, dass im Jahr 2019 - somit beinahe 16 (!) Jahre nach Ausreise ein wie immer geartetes Interesse der russischen Justiz oder irgendwelcher Sicherheitsbehörden bestehen könnte, gegen den Beschwerdeführer vorzugehen oder in irgendeiner Weise auf diesen einzuwirken, um damit die Rückkehr des Vaters aus der Bundesrepublik Deutschland zu erzwingen. Nach dem Akteninhalt und den Beschwerdeausführungen ist offensichtlich, dass die russische Justiz bereits vor mehr als einem Jahrzehnt die Auslieferung des Vaters wegen strafrechtlicher Vorwürfe beantragt hat, das OLG XXXX hat für Österreich eine Unzulässigkeit der Auslieferung erklärt, dies wurde mit der damaligen aktuellen Lage und aktuellen Entscheidungen des Unabhängigen Bundesasylsenates zur Lage der tschetschenischen Volksgruppe begründet. Dass im Jahre 2019 eine auch nur ansatzweise vergleichbare Situation wie in den Jahren 2004 und 2010 bestünde, kann keinesfalls festgestellt werden, hat sich doch die allgemeine Lage im Herkunftsstaat weitestgehend verändert. Der Beschwerdeführer, der unwidersprochen die im Herkunftsstaat üblichen Landessprachen spricht, ist somit in der Lage, im Falle der Rückkehr nach Tschetschenien selbst oder aber auch in anderen Landesteilen Aufenthalt zu nehmen und aus einer eigenen Erwerbstätigkeit den Lebensunterhalt zu bestreiten.

Dem Beschwerdeführer droht keine Gefahr als ehemaliger Asylberechtigter oder Angehöriger von Asylberechtigten.

Dem Beschwerdeführer drohen im Falle der Rückkehr in die Russische Föderation weder die Todesstrafe noch eine Haftstrafe unter unmenschlichen Bedingungen, Folter oder unmenschliche Behandlung.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar, sich in der Russischen Föderation niederzulassen und anzumelden, z.B. in Tschetschenien, wo er aufgewachsen ist, oder in einer der Städte in der Russischen Föderation, von denen viele über eine große tschetschenische Diaspora verfügen. Die wirtschaftlich stärkeren Metropolen und Regionen Russlands bieten bei vorhandener Arbeitswilligkeit auch Chancen für russische Staatsangehörige aus den Kaukasusrepubliken. Der Beschwerdeführer hat auch Zugang zu Sozialbeihilfen, Krankenversicherung und medizinischer Versorgung.

Der Beschwerdeführer stellt weiterhin eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Es kann nicht festgestellt werden, dass tatsächlich ein Lebenswandel stattfand.

Die Lage in der Russischen Föderation stellt sich im Allgemeinen dar wie folgt:

Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weitreichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt.

Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

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CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

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EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-stateactors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

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FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

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OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

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Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volkschliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

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Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018

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Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin,

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https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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