TE Bvwg Beschluss 2019/12/6 W237 2166077-2

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Veröffentlicht am 06.12.2019
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Entscheidungsdatum

06.12.2019

Norm

AsylG 2005 §9 Abs4
AVG §18 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W237 1426884-3/8E

W237 2166085-2/8E

W237 2166077-2/8E

W237 2166082-2/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , und 4.) XXXX , geb. XXXX , alle StA. Somalia, alle vertreten durch XXXX , gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2019, 1.) Zl. 811496701-190017584, 2.) Zl. 1079500905-190017649, 3.) Zl. 1123109800-190017711 und 4.) Zl. 1123109506-190017673:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG iVm § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz wurden im Wege des Säumnisbeschwerdeverfahrens mit mündlich verkündetem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.02.2018 hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten abgewiesen und den Beschwerdeführern zugleich der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt; unter einem erteilte ihnen das Bundesverwaltungsgericht befristete Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte.

2. Aufgrund der Anträge der Beschwerdeführer auf Verlängerung dieser Aufenthaltsberechtigungen vom 04.01.2019 nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Prüfung auf, ob die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten infolge geänderter Verhältnisse im Herkunftsstaat nicht mehr vorliegen. In diesem Zusammenhang wurden der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin am 05.02.2019 vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen.

Mit Bescheiden vom 22.05.2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern jeweils ihren Status von subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), entzog ihnen ihre damit zusammenhängenden befristeten Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.), wies die Anträge der Beschwerdeführer auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 ab (Spruchpunkt III.), erteilte weiters keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt IV.), erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung im Sinne des § 52 Abs. 2 Z 4 FPG iVm § 9 BFA-VG (Spruchpunkt V.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 iVm § 46 FPG die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Somalia fest (Spruchpunkt VI.) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage (Spruchpunkt VII.).

Gegen sämtliche Spruchpunkte dieser Entscheidungen erhoben die Beschwerdeführer am 14.06.2019 durch ihren zur Vertretung im weiteren Verfahren bevollmächtigten Rechtsberater Beschwerde. Diese wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 25.06.2019 samt den gegenständlichen Verwaltungsakten vorgelegt. Die Beschwerdesachen wurden der Gerichtsabteilung W237 mit Entscheidung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2019 endgültig zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführer sind somalische Staatsangehörige; bei dem Erstbeschwerdeführer und der Zweitbeschwerdeführerin handelt es sich um die Eltern der minderjährigen, gleichaltrigen Dritt- und Viertbeschwerdeführer.

Die Zweitbeschwerdeführerin brachte im Zuge ihres Antrags auf internationalen Schutz unter anderem vor, gegen ihren Willen in Somalia zwangsverheiratet worden zu sein. Die Anträge auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten wurden vom Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 01.02.2018 deshalb abgewiesen, weil das "sehr vage und widersprüchliche Vorbringen" des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin unglaubhaft gewesen sei; den Beschwerdeführern wurde allerdings der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, weil sie sich in Hinblick auf die in Somalia herrschende humanitäre Situation nicht den notdürftigsten Lebensunterhalt erwirtschaften könnten.

Im Verfahren zur Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde die Zweitbeschwerdeführerin durch die belangte Behörde am 05.02.2019 persönlich einvernommen und dabei näher über ihre Verwandtschaftsverhältnisse, ihre Lebensumstände in Österreich, ihren Gesundheitszustand, ihren persönlichen Hintergrund in Somalia sowie vorhandene Kontakte dorthin befragt.

1.2. Mit jeweils als Bescheid bezeichneten Erledigungen vom 22.05.2019 (im Folgenden als Bescheide bezeichnet) erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern ihren Status von subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen ab, entzog ihnen ihre damit zusammenhängenden befristeten Aufenthaltsberechtigungen, wies die Anträge der Beschwerdeführer auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigungen ab, erteilte weiters keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ jeweils eine Rückkehrentscheidung, stellte die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer nach Somalia fest und sprach aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidungen betrage. In Bezug auf die Statusaberkennung sind die Bescheide im Wesentlichen damit begründet, dass sich die Versorgungslage in Somalia nachhaltig gebessert habe.

1.2.1. Die in den Verwaltungsakten befindlichen Urschriften der die Beschwerdeführer jeweils betreffenden Bescheide bezeichnen auf ihrer letzten Seite den Nachnamen " XXXX " in einwandfrei leserlicher Druckschrift als genehmigende Person (im Folgenden auch: Genehmiger). In allen angefochtenen Bescheiden ist über diesem Namen ein kurzes, in einem Schwung mit blauem Kugelschreiber zu Papier gebrachtes Schriftzeichen von derselben Person angebracht. Die Form des Schriftzeichens ist dabei dergestalt, dass vom Kugelschreiberansatz eine längere gerade Linie senkrecht nach unten verläuft, sodann ein kurz geschwungener Bogen nach rechts erfolgt, der in einen zunächst nach rechts angesetzten, dann aber nach links verlaufenden - über den senkrechten Eröffnungsstrich reichenden - Hacken übergeht, welcher wiederum durch eine schräg nach rechts oben auslaufende Linie abgeschlossen wird. Sonstige Hinweise bzw. Vermerke enthalten die Urschriften nicht.

In allen Verwaltungsakten ist den Urschriften die jeweilige Zustellverfügung unmittelbar angeschlossen, die ebenso in einem Textverarbeitungsprogramm abgefasst wurde. Die Zustellverfügungsseiten enthalten rechts unten die Wortfolge "Unterschrift Referent" mit einer darüber befindlichen Punktlinie; über dieser Punktlinie befindet sich jeweils ein mit blauem Kugelschreiber geschriebener Schriftzug, aus dem die Buchstabenfolge " XXXX " sowie eine aus dem letzten Buchstaben "g" nach rechts oben auslaufende Linie erkennbar ist.

1.2.2. In den die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Dritt- und Viertbeschwerdeführer betreffenden Verwaltungsakten liegen jeweils Aktenvermerke vom 25.04.2019 auf, wonach "die ursprünglich vermuteten Voraussetzungen zur Aberkennung des Status derzeit [...] nicht mit der gebotenen Wahrscheinlichkeit" vorlägen. Die Aktenvermerke enden jeweils mit den folgenden Zeilen:

"Der Aktenvermerk wurde TL XXXX (4-Augen-Prinzip) vorgelegt und von ihr abgezeichnet.

Teamleiter und Paraphe: XXXX

Für den Direktor des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl

XXXX "

Über dem gedruckten Namen " XXXX " befindet sich auf allen Aktenvermerken das gleiche Schriftzeichen wie auf den letzten Seiten der Urschriften der angefochtenen Bescheide; diese wurden von derselben Person geschrieben, die auch die Schriftzeichen auf den Urschriften der Bescheide anfertigte.

1.3. Die Zweitbeschwerdeführerin machte weder in der gegen die Aberkennungsbescheide erhobenen Beschwerde vom 14.06.2019 noch zu einem früheren Zeitpunkt geltend, dass die Beschwerdesache von einem männlichen Richter entschieden werden solle.

Die Beschwerde wurde am 25.06.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung W237 zugewiesen. Der Vorsitzende dieser Gerichtsabteilung erklärte sich für die Behandlung der Beschwerde der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 20 AsylG 2005 für unzuständig, weil sie ihren ursprünglichen Antrag auf internationalen Schutz durch die behauptete Zwangsverheiratung mit einem Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung begründet habe. Für die Behandlung der Beschwerde betreffend die übrigen Beschwerdeführer erklärte sich der Vorsitzende der Gerichtsabteilung W237 infolge Annexität zur Beschwerdesache der Zweitbeschwerdeführerin im Sinne des § 24 Abs. 2 Z 3 der Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts für das Geschäftsverteilungsjahr vom 01.02.2019 bis 31.01.2020 (im Folgenden: GV 2019) ebenso für unzuständig.

Die Beschwerde betreffend die vier Beschwerdeführer wurde daraufhin der Gerichtsabteilung W254 zugewiesen. Die Vorsitzende dieser Gerichtsabteilung erklärte sich am 01.08.2019 ebenso für die Behandlung der Beschwerde unzuständig, weil das Vorbringen der Zwangsverheiratung lediglich im "Erstverfahren" erstattet worden und für die Frage der Aberkennung des subsidiären Schutzes irrelevant sei. Eine Furcht vor Verfolgung im Sinne § 20 AsylG 2005 sei nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, weshalb diese Bestimmung auch nicht anzuwenden sei.

Der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts entschied am 29.08.2019, dass die Beschwerderechtssachen endgültig der Gerichtsabteilung W237 zuzuweisen seien. Dies begründete er damit, dass die Zweitbeschwerdeführerin ihren behaupteten Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung lediglich im bereits abgeschlossenen Verfahren über ihren Antrag auf internationalen Schutz geltend gemacht habe. Die Angaben seien nicht im Rahmen der gegenständlichen Rechtssache getätigt worden, weshalb - ungeachtet der Frage, ob diese Behauptungen überhaupt einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung darstellen - sie schon "dem Grunde nach nicht geeignet" seien, zu einer Unzuständigkeit gemäß § 20 AsylG 2005 zu führen.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus den die Beschwerdeführer betreffenden Verfahrensakten bzw. den darin aufliegenden Urschriften der angefochtenen Bescheide. Die Verlaufsform der Schriftzeichen auf den letzten Seiten der Bescheide war dabei nach der erkennbaren Linienführung des Kugelschreibers festzustellen. Da die Verlaufsform bei allen vier Schriftzeichen gleich ist und diese im Wesentlichen ident sind, war auch festzustellen, dass sie von derselben Person stammen, zumal keine Anhaltspunkte bestehen, dass die Schriftzeichen von unterschiedlichen Personen geschrieben worden sein könnten. Der jeweilige Schriftzug auf den Zustellverfügungen lässt die festgestellte Buchstabenfolge sowie die abschließende Linie deutlich erkennen. Dass es sich bei den Schriftzeichen auf den Aktenvermerken um die gleichen Schriftzüge wie auf den letzten Seiten der Urschriften der Bescheide handelt, ergibt sich aus einer vergleichenden Zusammenschau; insofern war auch festzustellen, dass diese ebenso von derselben Person stammen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Die angefochtenen Bescheide wurden dem Rechtsanwalt der Beschwerdeführer am 28.05.2019 durch persönliche Übernahme eines Angestellten zugestellt. Die am 14.06.2019 erhobene Beschwerde ist somit gemäß § 7 Abs. 4 VwGVG rechtzeitig.

Der den vorliegenden Beschluss fassende Richter entscheidet nunmehr über die gegenständlichen Beschwerde aufgrund der endgültigen Entscheidung des Präsidenten des Bundesverwaltungsgerichts vom 29.08.2019 über die Zuständigkeit zur Erledigung der Rechtssachen (§ 17 Abs. 5 Geschäftsordnung des Bundesverwaltungsgerichts).

Zu A)

1. Im Anwendungsbereich des § 18 AVG wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes der Grundsatz aufgestellt, dass jede Erledigung zu genehmigen ist, und zwar durch die Unterschrift eines (hiezu berufenen) Organwalters. Damit wird der wichtige Grundsatz zum Ausdruck gebracht, dass die Identität des Menschen, der eine Erledigung getroffen und daher zu verantworten hat, für den Betroffenen erkennbar sein muss. Die "Urschrift" einer Erledigung muss also das genehmigende Organ erkennen lassen (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat (externe Erledigung), muss daher die - interne - Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion innehat, oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein. Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018).

Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten. Im vorliegenden Fall wurde kein derartiges Verfahren nach E-GovG durchgeführt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Unterschrift im Sinn dieser Vorschrift ein Gebilde aus Buchstaben einer üblichen Schrift, aus der ein Dritter, der den Namen des Unterzeichneten kennt, diesen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann; eine Unterschrift muss nicht lesbar, aber ein "individueller Schriftzug" sein, der entsprechend charakteristische Merkmale aufweist. Die Anzahl der Schriftzeichen muss der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen (vgl. für viele VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 20.04.2017, Ra 2017/20/0095 mwN). Der Verwaltungsgerichtshof hielt aber wiederholt fest, dass eine Paraphe keine Unterschrift ist (vgl. VwGH 07.11.2019, Ra 2019/14/0389; 04.09.2000, 98/10/0013 und 0014; s. auch Hengstschläger/Leeb, AVG § 18, Rz 23 mwH).

2. Der Schriftzug auf den im Verwaltungsakt aufliegenden Urschriften der angefochtenen Bescheide erfüllt die Merkmale einer Unterschrift nicht:

2.1. Zwar muss die Anzahl der Schriftzeichen einer Unterschrift der Anzahl der Buchstaben des Namens nicht entsprechen, doch besteht der Nachname des Genehmigers im vorliegenden Fall aus zwei Wortstämmen (" XXXX " und " XXXX ") und insgesamt 13 Buchstaben. Die Urschriften sind hingegen mit einem kurzen Schriftzug abgezeichnet, dem keine irgendwie geartete Buchstabenfolge zu entnehmen ist. Selbst wenn dem Zeichen - in Kenntnis des Nachnamens des Genehmigers und größtmöglicher Abstrahierungstoleranz - die Ansätze des Buchstabens "W" entnommen werden könnten, liegt jedenfalls kein Buchstabengebilde vor, aus dem der Name des Genehmigers auch in Kenntnis desselben noch in irgendeiner Form herauslesbar wäre.

2.2. Damit unterscheidet sich dieses Zeichen auch maßgeblich von jenem Schriftzug, den der zuständige Referent der Behörde auf den Zustellverfügungen anbrachte. Dabei handelt es sich unzweifelhaft um Unterschriften, weil der erste Wortstamm des Namens des Genehmigers einwandfrei lesbar ist und der zweite durch den Anfangsbuchstaben "g" sowie eine infolge eines starken Abschleifungsprozesses abstrahierende Linie gebildet wird, aus der - in Namenskenntnis und in Zusammenschau mit dem ersten Wortstamm - auf weitere Buchstaben geschlossen werden kann (vgl. dazu VwGH 19.02.2018, Ra 2017/12/0051). Dieselbe Unterschrift ist auch auf Aktenvermerken vom 07.01.2019 in den Verwaltungsakten des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin enthalten.

2.3. Daraus erhellt umso mehr, dass es sich bei dem Schriftzeichen auf den Bescheiden eindeutig um eine bloße Paraphe (also ein auf wenige Zeichen verkürztes Namenszeichen bzw. -kürzel) handelt. Ob diese von der namentlich als genehmigende Person " XXXX " stammt oder die Bescheide überhaupt von einer anderen Bediensteten des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl abgezeichnet wurden - wofür in Ansehung der Aktenvermerke vom 25.04.2019 in den die Zweitbeschwerdeführerin sowie die Dritt- und Viertbeschwerdeführer betreffenden Verfahrensakten Indizien bestehen (vgl. die Feststellung unter Pkt. II.1.2.2.) -, kann dahingestellt bleiben, weil bereits die bloße Paraphe der namentlich als Genehmiger angeführten Person nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Unterschrift darstellt.

An dieser Beurteilung ändert auch nichts, dass die Zustellverfügung durch den "Referent[en]" unterschrieben wurde, weil es sich dabei - bereits dem Namen nach - um eine eigene behördliche Verfügung handelt, die die Zustellung eines separat davon zu genehmigenden Behördenaktes betrifft. So kann eine Zustellverfügung (§ 5 ZustG) auch von einer von dem den behördlichen Akt - sei es eine Ladung, ein Bescheid oder sonstiges - genehmigenden Organwalter verschiedenen Person getroffen werden und muss mit der Genehmigung dieses Behördenakts auch zeitlich nicht zusammenfallen. Im vorliegenden Fall können die Zustellverfügungen auch nicht als Teile der angefochtenen Bescheide gelesen werden, sodass die darauf befindlichen Unterschriften dem auf der letzten Seite der Bescheide namentlich ausgewiesenen Genehmiger (allenfalls) zugerechnet werden könnten: So datieren die Zustellverfügungen zwar ebenso auf den 22.05.2019 und bilden sie in allen Verwaltungsakten die jeweils den Urschriften der Bescheide unmittelbar nachfolgenden Aktenseiten. Sie sind aber bereits ausweislich der - bei den Zustellverfügungen nicht vorhandenen - Seitennummerierungen der Bescheide (besonders deutlich bei den die Erst- und Drittbeschwerdeführer betreffenden Bescheiden) erkennbar kein Teil derselben; die Zustellverfügungen samt Referentenunterschriften wurden - obwohl dies möglich gewesen wäre - auch nicht auf den abschließenden Leerseiten der Bescheide angebracht, was eine Zurechnung der Unterschriften ermöglichen hätte können.

3. Den (als Bescheid bezeichneten) Erledigungen der belangten Behörde vom 22.05.2019 fehlt es mangels Unterschrift des Genehmigers sohin jeweils an der Bescheidqualität, weshalb sich die Beschwerde gegen Nichtbescheide richtet. Dies hat den Mangel der Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zu einem meritorischen Abspruch über das Rechtsmittel zur Folge; die Verfahren über die Aberkennung des den Beschwerdeführern zukommenden Status von subsidiär Schutzberechtigten ist stattdessen nach wie vor vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Die Beschwerde ist daher spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

1. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2. Im vorliegenden Fall ist die Revision in zweifacher Hinsicht zulässig:

2.1. Zum einen ist angesichts der Bestimmung des § 20 AsylG 2005 fraglich, ob der beschlussfassende Richter zur Entscheidung über die Beschwerde gesetzlich zuständig war:

2.1.1. Inwieweit diese Zuständigkeitsbestimmung auch in Verfahren über die Aberkennung eines Schutzstatus (sei es der Status des Asylberechtigten oder jener des subsidiär Schutzberechtigten) gilt - insbesondere, wenn nur im Statuszuerkennungsverfahren ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung behauptet wurde -, ist bislang durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht geklärt.

2.1.2. Gerade die vorliegende Fallkonstellation - in der im Aberkennungsverfahren betreffend den (bloß wegen der humanitären Lage in Somalia zuerkannten) Status der subsidiär Schutzberechtigten der vormals von der Zweitbeschwerdeführerin im rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz behauptete Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung nicht ansatzweise mehr Thema war - scheint für die von der Vorsitzenden der Gerichtsabteilung W254 vertretene Ansicht, dass eine "Furcht vor Verfolgung" im Sinne des § 20 AsylG 2005 nicht Gegenstand des Aberkennungsverfahrens ist, zu sprechen.

2.1.3. Die Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 2005 dient allerdings dem Abbau von Hemmschwellen bei der Schilderung von Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung (vgl. VwGH 06.11.2018, Ra 2017/01/0363 mwN). Derartige Hemmschwellen können ebenso in einem Statusaberkennungsverfahren bestehen, zumal in diesen oftmals das Weiterbestehen der Verfolgung behauptet wird bzw. typischerweise das Fortbestehen einer derartigen Gefahr Gegenstand der inhaltlichen Prüfung ist. In diesem Zusammenhang kann es auch nicht darauf ankommen, ob es um eine Aberkennung des Status des Asylberechtigten oder jenes des Status des subsidiär Schutzberechtigten geht, weil die Statuszuerkennung von der (bloßen) Subsumtion des Vorbringens abhing und nur auf dieses in § 20 AsylG 2005 abgestellt wird.

Zu beachten ist dabei auch, dass der Europäische Gerichtshof (im Folgenden: EuGH) bereits aussprach, ein Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft stehe inhaltlich "in symmetrischer Weise" zu deren Zuerkennung (vgl. EuGH 02.03.2010, Rs. C-175/08 ua., Abdulla, Rz 68). In diesem Sinne sprach folgend auch das deutsche Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 01.06.2011, 10 C 25/10, von "der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist".

Insofern ist die in der endgültigen Zuweisungsentscheidung vom 29.08.2019 vertretene Ansicht, wonach die Angaben der Zweitbeschwerdeführerin betreffend einen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung bereits "dem Grunde nach nicht geeignet" seien, eine Unzuständigkeit im Sinne des § 20 AsylG 2005 zu begründen, zumindest fraglich.

2.1.2. Der Wortlaut des § 20 AsylG 2005 legt zwar nahe, dass die Regelung nur für Antragsverfahren gilt (arg.: "Asylwerber"), doch scheint eine darüber hinausgehende, extensive Interpretation im Sinne einer Anwendung auch auf solchen Antragsverfahren (also jene, in denen ein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung geltend gemacht wurde) nachfolgende Statusaberkennungsverfahren angesichts des Schutzzwecks dieser Norm sowie der bisherigen - weitgehenden - Judikatur sowohl des Verwaltungs- als auch des Verfassungsgerichtshofes zu Eingriffen in die sexuelle Selbstbestimmung nicht ausgeschlossen.

2.1.3. Dies könnte auch die Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (im Folgenden: Verfahrensrichtlinie) bedingen: Diese sieht in Art. 15 näher bestimmte "Anforderungen an die persönliche Anhörung" in Verfahren über Anträge auf internationalen Schutz vor. Gemäß Art. 15 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie "sehen die Mitgliedstaaten, soweit möglich, vor, dass die Anhörung des Antragstellers von einer Person gleichen Geschlechts durchgeführt wird, wenn der Antragsteller darum ersucht, es sei denn, die Asylbehörde hat Grund zu der Annahme, dass das Ersuchen auf Gründen beruht, die nicht mit den Schwierigkeiten des Antragstellers in Verbindung stehen, die Gründe für seinen Antrag umfassend darzulegen". Art. 45 Abs. 1 lit. b Verfahrensrichtlinie legt diese Verfahrensgarantie auch als Vorschrift im Verfahren zur Aberkennung des internationalen Schutzes fest ("... gemäß den Artikeln 14 bis 17 ...").

Ob diese Anforderung der Verfahrensrichtlinie für einen Fall wie den vorliegenden, in dem im Aberkennungsverfahren selbst kein Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung behauptetet wurde, sondern dies nur im Zuerkennungsverfahren der Fall war, gilt, ist dabei ebenso unklar wie die Frage, ob diesfalls Art. 15 Abs. 3 lit. b iZm Art. 45 Abs. 1 lit. b Verfahrensrichtlinie auch dann gälte, wenn der Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung im Verfahren über den Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes geltend gemacht wurde, der Antrag aber (hier wegen Unglaubhaftigkeit des Vorbringens) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen, jedoch der Status des subsidiär Schutzberechtigten aus anderen als mit dem behaupteten sexuellen Eingriff in Zusammenhang stehenden Gründen zuerkannt wurde und nunmehr ein Aberkennungsverfahren (lediglich) des subsidiären Schutzstatus erfolgt. Damit in Zusammenhang steht die - durch den Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, noch offen gelassene - Frage, ob Art. 15 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie überhaupt für das Rechtsmittelverfahren gilt.

Diese Fragen wären allenfalls durch den Europäischen Gerichtshof im Wege eines Vorabentscheidungsverfahrens zu klären. Eine Vorlage an den EuGH hängt allerdings von der durch den Verwaltungsgerichtshof (vorangehend) zu beurteilenden Frage ab, ob die Auslegung der nationalen Zuständigkeitsvorschrift des § 20 AsylG 2005 - die ja bereits die Zuteilung einer Beschwerdesache an eine/n Richter/in desselben Geschlechts ohne Rücksicht darauf, ob eine mündliche Verhandlung erfolgt bzw. zu erfolgen hat, verbindlich festlegt - überhaupt von der Auslegung der Richtlinienbestimmungen zu persönlichen Anhörungen abhängt (diese Frage stellt sich gerade im vorliegenden Fall, in dem eine bloße Formalerledigung der Beschwerde erfolgt). Abgesehen davon ließ der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 10.08.2018, Ra 2018/20/0314, die Frage, ob Art. 15 Abs. 3 lit. b Verfahrensrichtlinie für das Rechtsmittelverfahren gilt, deshalb offen, weil der damalige Mitbeteiligte ein Verlangen im Sinn dieser Bestimmung nicht gestellt hatte; wie festgestellt, war dies auch in der vorliegenden Rechtssache nicht der Fall (anders als im Anlassverfahren zur angeführten Entscheidung erklärte sich die Beschwerdeführerin umgekehrt aber auch nicht mit einem männlichen Richter ausdrücklich einverstanden; außerdem liegt es wiederum am Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen, ob er die in der Entscheidung getroffene Aussage auch in Zusammenhang mit der vorliegenden Auslegungsfrage als maßgeblich erachtet).

2.1.4. Die Revision ist somit bereits in Hinblick auf die Frage der Auslegung der Zuständigkeitsbestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 2005 zulässig.

2.2. Von der Bejahung der Frage der Zuständigkeit des erkennenden Richters abgesehen (bzw. allenfalls damit zusammenhängend), erweist sich die Revision auch aus folgendem Grund als zulässig:

Wie in der vorliegenden Entscheidung festgehalten, tragen die unmittelbar den bekämpften Bescheiden angeschlossenen Zustellverfügungen die Unterschrift jener Person, die auf den Bescheiden in Druckschrift als Genehmiger ausgewiesen ist. Das Bundesverwaltungsgericht geht allerdings begründend davon aus, dass die Zustellverfügung - im Sinne der bisherigen Rechtsprechung und Lehre (vgl. Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10, 108, Rn. 198) - einen eigenen, von der Urschrift des Bescheids getrennten Verfahrensakt bildet, weshalb die auf den Zustellungen enthaltene Unterschrift deren Mangel auf den Bescheidurschriften nicht saniert.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung der Zustellverfügung aber bereits zu einem anderen Aspekt "wesentliche Bedeutung" dergestalt zugemessen, dass die Zustellverfügung in Zusammenhang mit dem Bescheid zu lesen ist: So bedeutet es keinen Verstoß gegen die Vorschrift des § 59 Abs. 1 AVG, wenn eine Behörde im Spruch ihres Bescheids zwar den Verpflichteten zunächst abstrakt bezeichnet, dann aber in der Zustellverfügung diejenige Person benennt, auf welche sich der Spruch bezieht, weil durch eine solche Erfassung der Person des zu einer Leistung Verpflichteten das im Spruch des Bescheids genannte konkrete Rechtsverhältnis klar zum Ausdruck kommt. Wird also im Spruch eine Person nur abstrakt bezeichnet, kommt der Zustellverfügung, in der sie dann namentlich bezeichnet ist, wesentliche Bedeutung zu, weil dadurch erst die notwendige Individualisierung bewirkt wird (vgl. VwGH 26.06.2013, 2011/05/0102; 16.02.2017, Ro 2014/05/0018).

Angesichts dieser Rechtsprechung scheint es dem Bundesverwaltungsgericht nicht ausgeschlossen, dass eine erst auf der Zustellverfügung erfolgende Unterschrift des Genehmigers in Zusammenschau mit der Urschrift des Bescheids zu lesen ist und der Zustellverfügung damit auch insoweit eine "wesentliche Bedeutung" zukommt. Erst wenn man dies bejahte, käme im konkreten Fall der Frage, ob die auf den letzten Seiten der Urschriften der Bescheide gesetzte Paraphe überhaupt von dem namentlich ausgewiesenen Genehmiger stammt - woran Zweifel bestehen -, allenfalls Relevanz zu.

Soweit ersichtlich, besteht zur aufgezeigten Frage bislang noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung, weshalb die Revision auch in dieser Hinsicht zulässig ist.

Schlagworte

Bescheid, Genehmigung, Mangelhaftigkeit, Revision zulässig,
Unterschrift, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W237.2166077.2.00

Zuletzt aktualisiert am

21.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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