TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/5 W278 1423015-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2019
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Entscheidungsdatum

05.08.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z4
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §9 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9

Spruch

W278 1423015-3/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Habitzl als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren XXXX , staatenlos (Herkunftsstaat: Libanon), vertreten durch XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin reiste gemeinsam mit ihren Eltern und Geschwistern am XXXX .1993 in das Bundesgebiet ein und stellte ihre Mutter am XXXX .1993 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX .1993, Zl XXXX wurde der Antrag der Mutter der Beschwerdeführerin zunächst abgewiesen. In der Folge erhob die Mutter der Beschwerdeführerin Berufung, welcher mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres, vom XXXX .1994 Zl. XXXX stattgegeben und der Beschwerdeführerin, ihrer Mutter, ihrer Schwester und ihrem Bruder gemäß § 3 AsylG 1991 Asyl gewährt wurde.

Mit Urteil des XXXX vom XXXX .2001, Zl. XXXX , wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Raubes (§§ 142 Abs. 1, 15 StGB), des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 1. Fall StGB) und des gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 148 1. Fall StGB) sowie des Vergehens der Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt, wobei es sich um eine Jugendstraftat handelte.

Mit Urteil des XXXX vom XXXX 2003, Zl. XXXX , wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je EUR 2,00, insgesamt sohin EUR 100,00 verurteilt, wobei die Beschwerdeführerin die Straftat als junge Erwachsene begangen hat.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2004, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 2. Fall StGB), des versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall StGB) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2009, Zl. XXXX , wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB) sowie des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 2. Fall StGB), zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2009, Zl. XXXX , wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 8 Wochen verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2011, Zl. XXXX , wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 1. und 4. Fall, Abs. 2, 148 2. Fall, 15 StGB), des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall, 15, 12 3. Fall StGB), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs. 1 und 2 StGB) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) und des Gebrauchs fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt.

Am XXXX .2011 wurde gegen die Beschwerdeführerin ein Aberkennungsverfahren eingeleitet und ihr mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX .2011 der Status der Asylberechtigten aberkannt und festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Der Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde der Beschwerdeführerin nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung in den Libanon unzulässig sei (Spruchpunkt III.)

Infolge dagegen erhobener Beschwerde wurde dieser Bescheid mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom XXXX 2012, Zl. XXXX behoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens und Erlassung eines Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Mit Urteil des schwedischen Gerichts XXXX vom XXXX .2016, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen schwerem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2017, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin rechtskräftig wegen der Vergehen des Diebstahls (§ 127 StGB) sowie der Hehlerei (§ 164 Abs. 2 und 3 StGB) unter Bedachtnahme auf die Verurteilung in Schweden zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt.

Mit Aktenvermerk des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2018 wurde gegen die Beschwerdeführerin neuerlich ein Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten wegen wiederholter Straffälligkeit eingeleitet.

Mit Schreiben vom selben Tag forderte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführerin schriftlich auf, zu den Länderfeststellungen sowie zu den übermittelten Fragen hinsichtlich ihrer privaten und familiären Verhältnisse Stellung zu nehmen und entsprechende Belege dafür zu übermitteln und räumte dafür eine Frist von zwei Wochen ein.

Mit schriftlicher Stellungnahme vom XXXX 2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie derzeit in der Justizanstalt Josefstadt inhaftiert sei. Ihre Eltern, ihr Ehemann und ihre Tochter seien österreichische Staatsbürger, sonst habe sie keine Familienangehörigen innerhalb der EU. Im Libanon sei sie seit 1994 nicht mehr gewesen, sie kenne niemanden dort und spreche sehr schlecht Arabisch. Sie sei im neunten Monat schwanger. Nach ihrer Haft wolle sie für ihre Kinder sorgen und arbeiten. Sie wisse, dass sie Fehler gemacht habe und würde derzeit ihre Strafe dafür erhalten.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2018, Zl. XXXX wurde die Beschwerdeführerin erneut rechtskräftig wegen der Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 2 1. Fall, 15 StGB) und der Verleumdung (§ 297 Abs. 1 2. Fall StGB) sowie des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten verurteilt.

Mit Schreiben vom XXXX 2018 ersuchte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Beschwerdeführerin um ergänzende Stellungnahme zu ihren persönlichen Verhältnissen sowie entsprechende Belege und räumte dafür eine Frist von zwei Wochen ein.

Mit Stellungnahme vom XXXX .2018 brachte die Beschwerdeführerin vor, dass sie für ihren Sohn selbst obsorgeberechtigt sei, die Obsorge für ihre Tochter sei ihrer Schwiegermutter übertragen worden. Mit ihren Familienangehörigen habe sie Kontakt.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 2019, Zl. XXXX wurde der der Beschwerdeführerin zuerkannte Status der Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt und gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 festgestellt, dass ihr die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Weiters wurde ihr der Status einer subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.), ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gegen die Beschwerdeführerin gemäß § 52 Abs. 2 Z 3 FPG 2005 iVm § 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG derzeit unzulässig sei.

Begründend führte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Wesentlichen aus, die von der Beschwerdeführerin begangenen Delikte seien besonders schweren Delikten gleichzusetzen, weshalb ihre Handlungen geeignet seien, das ordentliche und sichere Zusammenleben der Gemeinschaft zu gefährden. Aufgrund der zahlreichen Verurteilungen in Zusammenschau mit der geringfügigen Berufstätigkeit der Beschwerdeführerin sei von einer negativen Zukunftsprognose auszugehen. Die Rückkehrentscheidung könne nicht durchgesetzt werden, weil die Beschwerdeführerin für ihren Sohn obsorgeberechtigt sei. Dies sei aber nur vorübergehend, bis zum Erreichen des dritten Lebensjahres ihres Sohnes der Fall.

Mit Schriftsatz vom XXXX 2019 erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde gegen diesen Bescheid wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften (insbesondere mangelhaft durchgeführtes Ermittlungsverfahren, Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs und mangelhafte Länderberichte), mangelhafter Beweiswürdigung und inhaltlicher Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides.

Mit Schreiben vom XXXX .2019 übermittelte die Beschwerdeführerin einen Versicherungsdatenauszug sowie ein Zeugnis der Landesärztekammer Wien vom XXXX .2007 über den erfolgreichen Abschluss des Kurses für Anlernlinge zu Ordinationshilfen.

Am XXXX .2019 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung über die Teilnahme an einer klinisch-psychologischen Behandlung.

Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 verwies die Beschwerdeführerin auf die Entscheidung des EuGH vom XXXX .2018, XXXX , wonach das ausschließliche Abstellen auf den nationalen Strafrahmen bei der Beurteilung, ob eine schwere Straftat im Sinne der Anerkennungsrichtlinie vorliege, nicht unionsrechtskonform sei.

Am XXXX .2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerin ausführlich zu ihren strafrechtlichen Verurteilungen, einer möglichen Rückkehr in den Libanon und ihrer Integration in Österreich befragt wurde.

Mit Schriftsatz vom XXXX .2019 nahm die Beschwerdeführerin Stellung zum aktuellen Länderinformationsblatt des Libanon.

2. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungs- sowie des Gerichtsakts der Beschwerdeführerin; durch Einsichtnahme in die vorgelegten Unterlagen; durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR und Strafregister und schließlich durch Einsichtnahme in das aktuelle Länderinformationsblatt zum Libanon. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin führt den Namen XXXX und ist am XXXX in XXXX im Libanon geboren. Ihre Identität steht fest. Sie ist staatenlos.

Im Libanon besuchte die Beschwerdeführerin bis zu ihrer Ausreise eine amerikanische Schule, in welcher sie in Englisch und Französisch unterrichtet wurde. Die Beschwerdeführerin spricht Deutsch auf muttersprachlichem Niveau sowie Englisch. Außerdem verfügt sie über mäßige Kenntnisse in Arabisch. Die Beschwerdeführerin hat im Libanon Verwandte, zu denen kein Kontakt besteht.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig.

2.2. Zum (Privat-)Leben der Beschwerdeführerin in Österreich:

Die Beschwerdeführerin reiste am XXXX .1993 mit ihren Eltern und ihren Geschwistern in das Bundesgebiet ein und erhielt mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom XXXX .1994, Zl. XXXX Asyl gemäß § 3 AsylG 1991. Zum Zeitpunkt der Einreise war ihr Vater staatenlos und ihre Mutter libanesische Staatsangehörige.

Sie besuchte in Österreich die Volksschule, die Mittelschule und die AHS. Anschließend absolvierte die Beschwerdeführerin eine Ausbildung zur Zahnarztassistentin und besuchte mehrere Kurse, etwa einen Nageldesignerkurs sowie einen Mundhygienekurs. Die Beschwerdeführerin arbeitete immer wieder zumindest auf geringfügiger Basis, zuletzt etwa im Zeitraum XXXX .2014 bis XXXX .2015, weist aber auch zahlreiche Zeiten des Arbeitslosengeldbezugs auf und konnte sie denselben Arbeitsplatz jeweils nur für kurze Zeit durchgehend, nämlich maximal ein Jahr und vier Monate, halten.

Die Beschwerdeführerin ist seit XXXX .2014 mit XXXX verheiratet. Aus dieser Ehe stammen die am XXXX geborene Tochter XXXX und der am XXXX geborene Sohn XXXX . Der Ehemann sowie die Kinder der Beschwerdeführerin sind österreichische Staatsbürger.

Die Beschwerdeführerin verbüßt derzeit eine Haftstrafe in der Justizanstalt XXXX und wird voraussichtlich am XXXX .2021 entlassen. Sie ist für ihren Sohn obsorgeberechtigt, der aktuell bei ihr in der Justizanstalt lebt. Die Beschwerdeführerin kann ihren Sohn allerdings längstens bis zur Vollendung seines dritten Lebensjahres, sohin maximal bis XXXX .2021, bei sich behalten. Die Obsorge für ihre Tochter wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2016 auf die Schwiegermutter der Beschwerdeführerin übertragen. Der Ehemann der Beschwerdeführerin verbüßt aktuell ebenfalls eine Haftstrafe. Die Beschwerdeführerin erhält dreimal pro Quartal für 24 Stunden Freigang und besucht im Zuge dessen ihre Familie, ihre Schwiegereltern und ihre Tochter sowie ihren Ehemann. Die Beschwerdeführerin nimmt in der Justizanstalt XXXX regelmäßig an einer klinisch-psychologischen Behandlung teil und beginnt im August 2019 eine Einzelpsychotherapie.

Weiters hat die Beschwerdeführerin ihre Eltern, ihre Schwester sowie ihre Schwiegereltern in Österreich, zu denen regelmäßiger Kontakt besteht und die ebenfalls österreichische Staatsbürger sind. Zu ihrem Bruder besteht kein Kontakt.

Die Beschwerdeführerin wurde in Schweden mit Urteil des Gerichts XXXX vom XXXX .2016, Zl. XXXX rechtskräftig wegen schwerem Betrug zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die sie bis zum XXXX .2017 verbüßte.

Darüber hinaus wurde sie in Österreich insgesamt acht Mal rechtskräftig wie folgt verurteilt:

-

Mit Urteil des XXXX vom XXXX .2001, Zl. XXXX , wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Raubes (§§ 142 Abs. 1, 15 StGB), des gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 130 1. Fall StGB) und des gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 148 1. Fall StGB) sowie des Vergehens der Nötigung (§ 105 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen, wobei es sich um eine Jugendstraftat handelte;

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mit Urteil des XXXX vom XXXX .2003, Zl. XXXX , wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je EUR 2,00, insgesamt sohin EUR 100,00, wobei die Beschwerdeführerin die Straftat als junge Erwachsene begangen hat und die Probezeit für den bedingt nachgesehenen Teil der mit Urteil vom XXXX .2001, Zl. XXXX verhängten Freiheitsstrafe auf fünf Jahre verlängert wurde;

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mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2004, Zl. XXXX wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 2, 148 2. Fall StGB), des versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 15, 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall StGB) sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren, wobei die Beschwerdeführerin unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde;

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mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2009, Zl. XXXX wegen der Verbrechen des schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, 148 2. Fall StGB) sowie des schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 2. Fall StGB), zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren;

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mit Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX .2009, Zl. XXXX wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von acht Wochen;

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mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2011, Zl. XXXX , wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Betrugs (§§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 1. und 4. Fall, Abs. 2, 148 2. Fall, 15 StGB), des teils vollendeten, teils versuchten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 4, 130 1. Fall, 15, 12 3. Fall StGB), der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs. 1 und 2 StGB) sowie der Vergehen der Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs. 1 StGB) und des Gebrauchs fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren, wobei die Beschwerdeführerin unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wurde;

-

mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX 2017, Zl. XXXX wegen der Vergehen des Diebstahls (§ 127 StGB) sowie der Hehlerei (§ 164 Abs. 2 und 3 StGB) unter Bedachtnahme auf die Verurteilung in Schweden zu einer Zusatzfreiheitsstrafe von drei Monaten sowie schließlich

-

mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2018, Zl. XXXX wegen der Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren gewerbsmäßigen Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 130 Abs. 2 1. Fall, 15 StGB) und der Verleumdung (§ 297 Abs. 1 2. Fall StGB) sowie des Vergehens des Gebrauchs fremder Ausweise (§ 231 Abs. 1 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 6 Monaten.

2.3. Zur Rückkehr der Beschwerdeführerin in den Libanon:

Der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom XXXX 1994 aufgrund der Verfolgung ihrer Eltern im Libanon Asyl gemäß § 3 AsylG 1991 gewährt.

Es wird festgestellt, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Rückkehr in den Libanon keiner realen Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention ausgesetzt ist oder die Rückkehr für die Beschwerdeführerin als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung ihres Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

2.4. Zur maßgeblichen Situation im Libanon:

Im Folgenden werden die wesentlichen Feststellungen aus dem vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 12.09.2018 wiedergegeben:

Politische Lage

Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Politische Parteien sind zugelassen; sie sind jedoch in der Praxis meist Zweckbündnisse, die vor allem auf der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe basieren. Die Verfassung des Landes schreibt eine Trennung der Gewalten vor. Parlamentswahlen sollen alle vier Jahre abgehalten werden; der Staatspräsident wird von den Abgeordneten für sechs Jahre gewählt. Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen religiösen Gruppen getragen; daneben spielen Familien- und regionale Interessen eine große Rolle (AA 1.3.2018).

Das politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 1943 und dem im Gefolge der Taif-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten "Dokument der Nationalen Versöhnung" (AA 1.3.2018). In diesem sogenannten Taif-Abkommen wurde festgelegt, dass die drei wichtigsten Ämter im Land auf die drei größten Konfessionen verteilt werden:

* Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein

* Der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein

* Der Regierungschef muss sunnitischer Muslim sein

Dieser Proporz bestimmt die gesamte Verwaltung und macht auch vor der Legislative nicht halt. Das Parlament mit seinen 128 Mitgliedern setzt sich nach dem Grundsatz der konfessionellen Parität wie folgt zusammen: 34 Maroniten, 27 Schiiten, 27 Sunniten, 14 griechisch-orthodoxe Christen, 8 Drusen, 8 melikitische/griechisch-katholische Christen, 5orthodoxe Armeniern, 2 Alewiten, 1 armenischer Katholik, 1 Protestant und 1 weitere Minderheit (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018). Bei der im Abkommen von Taif vorgesehenen allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es bisher keine Fortschritte (AA 1.3.2018).

Das Parlament des Libanon ist konfessionsübergreifend in zwei politische Blöcke gespalten, die einander im Libanon unversöhnlich gegenüberstehen:

* die von der schiitisch geprägten und vom Iran beeinflussten Hisbollah angeführte 8.März-Koalition und

* die eher westlich orientierte, sunnitisch geprägte und von Saad Hariri (Future Movement; arab.: (al-)Mustaqbal) angeführte 14. März-Bewegung (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Die traditionelle Feindschaft zwischen diesen beiden Blöcken wurde durch den Konflikt im benachbarten Syrien zusätzlich vertieft, als schiitische Hisbollah-Kämpfer sich auf die Seite der syrischen Regierung stellten, während die 14. März-Bewegung die syrischen Rebellen unterstützte (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Diese Polarisierung lähmt das Land politisch und ökonomisch, verstärkt konfessionelle Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten und erschwert bzw. verhindert außerdem die Erarbeitung notwendiger Lösungen für die ökonomischen, sozialen und politischen Herausforderungen (GIZ 6/2018).

Aufgrund schwer erzielbarer Mehrheiten war es auch jahrelang nicht möglich, ein Wahlgesetz zu verabschieden. Dies führte dazu, dass die Parlamentswahl 2013 ausgesetzt und das Mandat der Abgeordneten mehrfach verlängert wurde (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Am 31. Oktober 2016 wurde nach zweieinhalb Jahren und 45 gescheiterten Versuchen ein neuer Präsident gewählt. Mit der Wahl des maronitischen Christen Michel Aoun kam Bewegung in die stark polarisierte libanesische Politik. Da Aoun als Kandidat der schiitischen Hisbollah für das Amt des Präsidenten galt, wurde er zunächst von Premierminister Saad Hariri abgelehnt. Seine Wahl wurde schließlich erst durch eine überraschende Kehrtwende Hariris ermöglicht. Im Gegenzug beauftragte Aoun Hariri, eine neue Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Zwei Monate nach der Präsidentschaftswahl wurde am 19. Dezember 2016 eine neue Regierung vereidigt (GIZ 6/2018).

Im Juni 2017 konnte sich das politische Establishment schließlich auf ein neues Wahlrecht einigen. Dieses sieht unter anderem vor, das Mehrheitswahlrecht durch das Verhältniswahlrecht abzulösen. Hierdurch sollten kleinere Parteien und Wählergruppen gestärkt werden, doch das von den Regierungsparteien außerhalb des Parlaments verhandelte Wahlgesetz enthält zahlreiche Einschränkungen der Verhältniswahl wie beispielsweise eine sehr hohe Einzugshürde bei zehn Prozent.

Positiv ist jedoch, dass die Parteien faktisch gezwungen werden, konfessionsübergreifende Listen zu bilden. Wenn es in einem Wahlkreis die Festlegung gibt, dass hier zwei Sitze für Christen und drei Sitze für Muslime vergeben werden, müssen hier die Parteien eine gemeinsame Liste bilden, um antreten zu dürfen. Im neuen Wahlgesetz werden Jugendliche unter 21 ausgeschlossen. Auch wurde keine Quote für weibliche Parlamentsabgeordnete eingeführt, obwohl der Libanon eines der Länder mit der niedrigsten Zahl an weiblichen Abgeordneten ist. Der christlich-muslimische Proporz des Parlaments wird durch das Gesetz nicht berührt (GIZ 6/2018).

Am 6. Mai 2018 fanden nach jahrelanger Pattstellung schließlich erstmals seit 2009 erneut Parlamentswahlen statt. 77 Listen mit insgesamt 597 Kandidaten waren für die Wahl um 128 Parlamentssitze in 26 Distrikten registriert. Die Anzahl der weiblichen Kandidaten nahm gegenüber der letzten Wahl auf 86 zu und betrug somit nun 14,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 49,2 Prozent, nach 53,37 Prozent im Jahr 2009. Die offiziellen Ergebnisse weisen die Sitze wie folgt zu: Future Movement [Anm.: arab. - (al-)Mustaqbal], 21; Free Patriotic Movement, 20; Amal, 17; Libanese Forces, 15; Hisbollah, 12; Progressive Socialist Party, 8; die "Determination (Azem)" Bewegung des ehemaligen Premierministers Mikati, 4; Marada, die Syrian Social Nationalist Party, Kataeb und Tashnaq, jeweils 3 Sitze. Zum ersten Mal gewann ein Kandidat der Zivilgesellschaft einen Sitz durch die Wahlliste "Koulouna Watani" in Beirut. Die Zahl der gewählten Frauen im Parlament stieg von vier auf sechs (UN 13.7.2018; vgl. USDOS 29.5.2018).

Die Hisbollah und ihre politischen Verbündeten (darunter auch das Free Patriotic Movement FPM, eine christliche Partei unter der Führung von Präsident Michel Aoun, die wie 2009 knapp zwanzig Sitze erringen konnte), gewannen somit mit 65 knapp die Hälfte der 128 Sitze im Parlament, während der vom Westen unterstützte sunnitische Premierminister Saad al-Hariri zwar mehr als ein Drittel seiner Sitze verlor, aber mit 21 Parlamentsmitgliedern immer noch Führer des größten politischen Blocks ist. Zu diesem Block gehört auch die christliche, gegen die Hisbollah auftretende anti-syrische Partei "Libanese Forces", die als zweiter großer Sieger bei dieser Wahl ihre Mandate gegenüber der Wahl 2009 beinahe verdoppelte. Insgesamt betrachtet haben somit die vom Iran unterstützte Hisbollah und ihre politischen Verbündeten bei den Parlamentswahlen etwas an Einfluss gewonnen (RFE 7.5.2018, vgl. ICG 9.6.2018), wenngleich sich an der grundsätzlichen Machtstruktur nichts geändert hat. Der bisherige Premier Hariri wurde trotz der Wahlverluste neuerlich damit beauftragt, eine Regierung zu bilden (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 29.5.2018).

Im Libanon leben schätzungsweise zwischen 4,5 und 6,2 Millionen Menschen, je nachdem, inwieweit die große Zahl von Flüchtlingen mitberücksichtigt wird oder nicht (CIA 14.8.2018, vgl. GIZ 6/2018). Neben etwa 450.000 [Anm.: bei der UNRWA registrierten] palästinensischen Flüchtlingen - die Zahl der derzeit tatsächlich im Libanon aufhältigen palästinensischen Flüchtlinge beläuft sich laut einer aktuellen Volkszählung auf 174.422 Personen (Daily Star 21.12.2017) - sind im Libanon laut UNHCR etwa eine Million syrische Flüchtlinge registriert, was mehr als 25% der Wohnbevölkerung des Landes entspricht. Der Libanon beherbergt somit mehr syrische Flüchtlinge als jedes andere Land der Region. Der Krieg in Syrien hat nicht nur durch die große Flüchtlingswelle enorme Auswirkungen auf den Libanon, vielmehr droht der Konflikt das sensible Gefüge der libanesischen Gesellschaft zu zerreißen. Während die Hisbollah und ihre Anhänger den syrischen Präsidenten Baschar alAssad unterstützen, sympathisieren die Anhänger des Lagers 14. März mit den syrischen Rebellen, die Assad bekämpfen. Seit Beginn des militärischen Engagements der Hisbollah in Syrien zugunsten des Assad-Regimes hat sich die politische Spaltung des Libanon vertieft und führt zunehmend zu einem gewalttätigen konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Gleichzeitig - und obwohl die Hisbollah das Hariri-Bündnis beschuldigt, die radikalen Sunniten zu decken und im Gegenzug das Hariri-Bündnis wiederum die Hisbollah beschuldigt, den Libanon in den Krieg in Syrien hineinzuziehen - bilden beide Kontrahenten derzeit mit anderen politischen Kräften eine zwar konfliktreiche, aber durchaus funktionierende Regierung der nationalen Einheit, die es tatsächlich geschafft hat, ein Überschwappen des Bürgerkrieges aus Syrien zu verhindern (GIZ 6/2018, vgl. AA 1.3.2018).

Geschwächt durch die sich vertiefenden Gräben zwischen und innerhalb der Gemeinschaften [Anm.: Konfessionen] hat der libanesische Staat schrittweise seine Hauptaufgabe der Regierung und als Manager repräsentativer Politik aufgegeben und stützt sich vermehrt auf Sicherheitsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Stabilität und des Status Quo (ICG 23.2.2016).

Der Libanon ist kein funktionierender Staat, deshalb haben sich die Menschen im Libanon immer mehr auf Klientelismus, anstatt auf den Staat verlassen. Politiker benutzen Geld, Ressourcen und Dienstleistungen, um sich eine Basis in der Bevölkerung zu schaffen. Diese Entwicklung in Kombination mit den konfessionellen Spannungen sowie den Auswirkungen von der Syrienkrise steht ernstzunehmenden Entwicklungsprozessen entgegen (Daily Star 30.12.2014).

Sicherheitslage

Die wichtigsten religiösen Hauptgruppen im Libanon sind Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen. Die sich daraus ergebenden Spannungen sind die Ursache für die meisten der internen Konflikte im Libanon, und andere Staaten der Region haben diese internen Konflikte regelmäßig als Vorwand genutzt, um in dem Land einzugreifen. Darüber hinaus hat insbesondere die Präsenz der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge immer wieder zu Konflikten Anlass gegeben. Von 1975 bis 1990 herrschte im Libanon Bürgerkrieg, in dem die regionalen Mächte, insbesondere Israel, Syrien und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) das Land als Schlachtfeld für ihre eigenen Konflikte benutzten (BBC 4.11.2014).

Anschließend kam es von 1992 bis 2004 zu einer Phase der Entspannung. Im Februar 2005 fiel der damalige Premierminister Rafik Hariri einem Attentat zum Opfer. Als Folge brach die sogenannte Zedernrevolution aus, die als Hauptforderung den Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon postulierte. Die sogenannte 14. März-Bewegung machte Syrien direkt für die Ermordung Hariris verantwortlich, zumal dieser zuvor die Stationierung syrischer Truppen im Libanon kritisiert und die Umsetzung der UN-Resolution 1559 gefordert hatte. Diese sieht den Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon und die Entwaffnung und Auflösung der im Libanon aktiven Milizen vor, womit insbesondere die Hisbollah gemeint ist. Tatsächlich zog Syrien noch im April 2005 seine Truppen aus dem Libanon ab.

Die zivilen Behörden übten zwar weiterhin die Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte aus, gleichzeitig operierten aber palästinensische Sicherheits- und Milizkräfte, die Hisbollah und andere extremistische Elemente außerhalb der Leitung oder Kontrolle der Regierung (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2013 hatte die EU die Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt; im Gegensatz zu den USA allerdings nur deren militärischen Arm und nicht den im Parlament vertretenen politischen Arm (SpiegelOnline 22.7.2013).

Trotz aller Spannungen konnte ein Übergreifen des Syrienkonflikts, in dem sich die libanesische Hisbollah-Miliz seit Frühjahr 2013 auf Seiten des syrischen Regimes beteiligt, auf libanesisches Territorium in den vergangenen Jahren weitgehend verhindert werden. Allerdings befanden sich bis August 2017 in der Gegend um den Grenzort Arsal aus Syrien eingedrungene Kämpfer auf libanesischem Staatsgebiet. Nach länger andauernden Kämpfen, in die auf libanesischer Seite neben den Streitkräften auch die Hisbollah-Miliz verwickelt war, verließen die eingekesselten IS-Kämpfer mit ihren Familien im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung mit Bussen die umkämpfte Gegend (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018). Bei einem Antiterroreinsatz der libanesischen Armee in der Gegend von Arsal am 30.06.2017 wurden 350 Personen vorübergehend festgenommen, mindestens vier starben im Gewahrsam der Armee, nach Armeeangaben in Folge bereits bestehender gesundheitlicher Probleme. Menschenrechtsgruppen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Der Fall soll militärgerichtlich aufgearbeitet werden (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018).

Grundsätzlich ist es im Libanon so, dass die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff haben. Dies gilt insbesondere für die meisten palästinensischen Flüchtlingslager. Die Sicherheitslage dort blieb im Allgemeinen stabil. Im Lager Ein El Helweh bei Sidon kam es allerdings zu einigen gewalttätigen Zwischenfällen und Schießereien. Bei Zusammenstößen im März und April 2018 zwischen extremistischen Gruppen und palästinensischen Streitkräften wurden vier Menschen getötet und elf verletzt (UN 13.7.2018).

Weiters sind die Zugriffsmöglichkeiten der libanesischen Staatsorgane insbesondere auch in den südlichen Vororten Beiruts und in den schiitischen Siedlungsgebieten im Süden des Landes eingeschränkt (AA 1.3.2018, vgl. USDOS 29.5.2018). Diese werden weitgehend von der Hisbollah kontrolliert, die der Bevölkerung auch grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Bildung, Lebensmittelhilfe, innere Sicherheit und Erhaltung der Infrastruktur zur Verfügung stellt (USDOS 29.5.2018). Bei der von der UN geforderten Abrüstung aller bewaffneten Gruppen einschließlich der palästinensischen Milizen und dem militärischen Flügel der Hisbollah konnten bislang keine Fortschritte erzielt werden. Die Hisbollah bestätigte weiterhin öffentlich, über entsprechende militärische Kapazitäten zu verfügen. Somit ist die libanesische Regierung weiterhin nicht in der Lage, die volle Souveränität und Autorität über ihr Territorium auszuüben (UN 13.7.2018).

Am 5. und 23. April 2018 inhaftierten die libanesischen Streitkräfte 15 der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe verdächtigte syrische Staatsangehörige, und beschlagnahmten während einer Razzia in einer informellen syrischen Flüchtlingssiedlung in Arsal Waffen und Munition. Am 14. Mai verhaftete die libanesische General Security in Al-Hirmil zwei syrische Staatsangehörige wegen ihrer Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen. Am 17. Mai 2018 wurde ein angeblicher Waffenhändler in Akkar im Nordlibanon von den Streitkräften der Internen Sicherheit verhaftet (UN 13.7.2018).

Das österreichische Außenministerium hat für das gesamte syrische Grenzgebiet, die Bekaa-Ebene nördlich von Baalbek und für die Palästinenserlager und deren Umgebung, insbesondere Ein Al-Hilweh und Mieh Mieh bei Saida (Sidon) und Nahr al Bared und Beddawi bei Tripoli Reisewarnungen ausgesprochen. Ein hohes Sicherheitsrisiko wird allgemein für die Provinzen Tripoli und Akkar, die südlichen Vororte Beiruts (Dahiye), die südlichen Stadtränder von Sidon/Saida (Ein El-Hilweh), das israelische Grenzgebiet und die restliche Bekaa-Ebene, einschließlich Baalbek ausgewiesen (BMeiA 11.7.2018).

Das Schweizer Außenministerium warnt vor zahlreichen nicht explodierten Bomben und Minen in der Bekaa-Ebene. Es sind bewaffnete Gruppierungen aktiv, und Grenzüberschreitungen durch Kämpfer sind häufig. In und um die Stadt Arsal (Anmerkung: auch Ersal, Irsal, Aarsal geschrieben) sowie um Ras Baalbek und Qaa kommt es regelmäßig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und militanten Gruppierungen. Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, aber auch innerhalb einzelner Gemeinschaften, können sich in bewaffnete Konfrontationen oder Anschlägen entladen. Im Juni 2016 forderten Selbstmordanschläge in Qaa mehrere Todesopfer und Verletzte. Im März 2011 wurde in der Nähe von Zahlé in der südlichen Bekaa-Ebene eine Gruppe ausländischer Touristen entführt und mehrere Monate lang festgehalten. Seither sind mehrere Entführungen bekannt geworden. Besonders die Zahl von Entführungen mit hohen Lösegeldforderungen hat zugenommen (EDA 5.12.2017).

Die Spannungen in den Flüchtlingslagern sind groß und können sich auch aus geringen Anlässen in Gewalttaten entladen. In Saïda (Sidon) kommt es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Im Südlibanon finden laufend Truppenverschiebungen statt. Insbesondere im libanesisch-israelischen Grenzgebiet und nochmal verstärkt südlich des Litani-Flusses bis zur israelischen Grenze sind die Spannungen sehr hoch (EDA 5.12.2017). Auch das Britische Außenministerium betont die permanente Gefahr von Terroranschlägen (gov.uk o.D.).

Ende März 2018 verabschiedete das libanesische Kabinett eine nationale Strategie zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus - eine Initiative, die der inzwischen geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri im Rahmen eines globalen Aktionsplans der Vereinten Nationen vorangetrieben hat. Es wird geschätzt, dass der Prozess weitere acht Monate [Anm: bis Anfang 2019] dauern wird, bis die Bürger ihn in ihren Gemeinden umsetzen werden. Neben Tunesien und Marokko ist der Libanon einer der Pioniere in der Region, der eine solche Strategie umsetzt (Daily Star 27.6.2018).

Rechtsschutz/Justizwesen

Die Verfassungsinstitutionen, insbesondere Parlament, Regierung und Justizwesen, funktionieren im Prinzip nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, sind aber in ihrer tatsächlichen Arbeit politischen Einflussnahmen ausgesetzt. Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung zwar festgeschrieben, wird in der Praxis aber nur eingeschränkt respektiert; insbesondere in politisch brisanten Ermittlungsverfahren kommt es zu Versuchen der Einflussnahme auf die Justiz, z.B. bei der Ernennung von Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern oder zum Schutz politischer Parteigänger vor Strafverfolgung. Personen, die an zivil- und strafrechtlichen Routineverfahren beteiligt waren, baten manchmal um die Unterstützung prominenter Personen, um den Ausgang ihrer Verfahren zu beeinflussen. Die Einhaltung der in der Verfassung garantierten richterlichen Unabhängigkeit ist in der praktischen Durchführung durch verbreitete Korruption, chronischen Mangel an qualifizierten Richtern und zum Teil auch politische Einflussnahme eingeschränkt (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Angeklagte gelten als unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen ist. Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich, die Richter können aber geschlossene Gerichtsverhandlungen anordnen. Angeklagte haben das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein, sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten, Zeugen zu befragen, Beweise vorzulegen und in Berufung zu gehen (USDOS 20.4.2018).

Eine Strafverfolgungs- und Strafbemessungspraxis, die nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität diskriminiert, ist im Libanon nicht gegeben. Allgemeine kriminelle Delikte werden im Rahmen feststehender straf- bzw. strafprozessrechtlicher Vorschriften nach insgesamt weitgehend rechtsstaatlichen Prinzipien verfolgt und geahndet. Die Strafprozessordnung stattet die Ermittlungsbehörden mit weitreichenden Vollmachten aus, schreibt aber auch Rechte des Beschuldigten fest, z. B. das Recht auf unverzügliche Kontaktaufnahme zu Rechtsanwälten, Ärzten und Familienangehörigen. Angeklagte haben weiters das Recht auf rechtlichen Beistand; allerdings existiert kein staatlich finanziertes System der Pflichtverteidigung. Die Anwaltskammer stellt bei Bedarf Pflichtverteidiger zur Verfügung. Dolmetscher müssen in der Regel durch den Angeklagten selbst gestellt werden (AA 1.3.2018).

Neben den in mehrere Instanzen gegliederten Zivilgerichten existieren im Libanon konfessionelle Gerichtsbarkeiten, in deren Zuständigkeit die familien- und erbrechtlichen Verfahren fallen (USDOS 20.4.2018; vgl.: AA 1.3.2018). Der Libanon verfügt über 15 separate Personenstandsgesetze für seine offiziell anerkannten Religionen, es gibt jedoch kein bürgerliches Gesetzbuch, das Themen wie Scheidung, Eigentumsrecht oder Kindersorgerecht behandelt. Darüber hinaus werden die religiösen Gerichte kaum vom Staat kontrolliert; die Rechte von Frauen sind in den genannten Personenstandsgesetzen oftmals stark eingeschränkt (Daily Star 19.1.2015, vgl. HRW 18.1.2018).

Das Rechtssystem unterscheidet im Strafrecht zwischen Zivil- und dem Verteidigungsministerium unterstellten Militärgerichten. Letztere haben die Rechtsprechung inne über Fälle, die das Militär betreffen, bzw. in welchen Militärs oder Zivilisten der Spionage, des Hochverrats, des Waffenbesitzes, der Wehrdienstverweigerung und Delikten gegen die Staatssicherheit, gegen das Militär oder deren Angehörige bezichtigt werden. Dabei werden die Zuständigkeiten der Militärgerichtsbarkeit vor allem beim Vorwurf des Terrorismus bzw. bei terroristischen Delikten mit islamistischem Hintergrund oftmals sehr extensiv ausgelegt. Militärgerichte verhandeln sicherheitsrelevante Straftaten auch dann, wenn sie von Zivilisten begangen wurden, oftmals in Schnellverfahren und ohne ausreichenden Rechtsbeistand (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Menschenrechtsorganisationen zeigten sich besorgt über die Praxis, Zivilisten vor Militärgerichten anzuklagen, über das Maß an Prozessrechten für Angeklagte sowie die fehlende Überprüfung der Urteilssprüche durch reguläre Gerichte (USDOS 20.4.2018).

Seit Jahren wird - wenn bislang auch ohne greifbare Fortschritte - erwogen, alle Militärverfahren ordentlichen Gerichten zu übertragen (AA 1.3.2018).

In den palästinensischen Flüchtlingslagern betreiben palästinensische Gruppen nach eigenem Ermessen eine autonome Rechtsprechung abseits der Kontrolle des Staates (USDOS 20.4.2018).

Sicherheitsbehörden

Die führenden Positionen in den Sicherheitsbehörden werden u.a. nach konfessionellem Proporz vergeben. Die Forces de Sécurité Intérieure (FSI) [auch "Internal Security Force" - ISF] ist die allgemein zuständige Polizei des Staates und gleichzeitig Hilfsorgan der Justiz (z.B. zum Führen des Kriminalregisters). Sie wird durch einen sunnitischen General geleitet und steht dem ebenfalls sunnitischen Innenminister nahe. Die demgegenüber schiitisch geprägte Sûreté Générale (SG) hat neben Fragen der Ein- und Ausreisekontrollen auch eine nachrichtendienstliche Funktion inne. Ihr Leiter wird der AMAL-Partei von Parlamentspräsident Berri zugeordnet. Ein Polizeigesetz im engeren Sinne gibt es nicht (AA 1.3.2018).

Die LAF [Lebanese Armed Forces] unter der Führung des Verteidigungsministeriums sind für die externe Sicherheit verantwortlich, haben aber aus Gründen der Staatssicherheit auch die Befugnis, Verdächtige zu verhaften (USDOS 20.4.2018). Im Gegensatz zu den anderen Sicherheitskräften gilt die Armee trotz eines stets christlichen Oberbefehlshabers und zahlreicher christlicher Generäle als parteipolitisch und konfessionell weitgehend neutral und genießt grundsätzlich hohes Ansehen in allen Bevölkerungsteilen. Sie nimmt - beispielsweise durch die weit verbreiteten Kontrollpunkte - auch Aufgaben der inneren Sicherheit wahr (AA 1.3.2018).

Daneben gibt es noch mehrere vorwiegend nachrichtendienstlich tätige Sicherheitsbehörden (Amn ad-Daula - Staatssicherheit; Amn al-Dschaisch - militärische Sicherheit; Sicherheitsdienst der Quwat al-Amn ad-Dakhili - Polizeikräfte; Nachrichtendienstliche Abteilung der Sûreté Générale). Alle genannten Institutionen und Dienste arbeiten seit Frühjahr 2014 zwar verstärkt zusammen, auch wenn nicht immer eine klare Abgrenzung ihrer Kompetenzen gegeben ist. Ihre Professionalisierung wird auch deutlich dahingehend beschränkt, dass bestimmte Institutionen einer bestimmten Konfession und somit dem entsprechenden politischen Lager zuzuordnen sind. Die daraus resultierenden Loyalitäten beeinflussen teilweise spürbar deren Arbeit (AA 1.3.2018).

Das General Directorate for State Security, das an den Premierminister berichtet, und das Directorate of General Security - DGS [auch "Sûreté Générale - SG] unter der Führung des Innenministeriums sind verantwortlich für die Grenzsicherung (USDOS 20.4.2018).

Sowohl das General Directorate for State Security als auch das DGS sammeln Informationen über potentiell die Staatssicherheit gefährdende Gruppen. Jeder Sicherheitsapparat hat seine eigenen internen Mechanismen, um Fälle von Missbrauch und Fehlverhalten zu untersuchen. Verhaltensvorschriften der ISF definieren die Pflichten der ISF-Mitglieder sowie die verpflichtenden gesetzlichen und ethischen Standards. Verschiedene Sicherheitskräfte erhielten Training zur Umsetzung des Verhaltenskodex. Trotz effektiver Kontrolle ziviler Behörden über die Sicherheitskräfte genießen letztere Berichten zufolge ein gewisses Maß an Straflosigkeit, nicht zuletzt weil es an öffentlich zur Verfügung stehenden Informationen über den Ausgang von Verfahren fehlt. Außerdem fehlen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Misshandlungen und Korruption (USDOS 20.4.2018).

Zudem haben die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff. Die Hisbollah bildet zumindest in ihren Hochburgen, d.h. in Teilen der Bekaa-Ebene, in südlichen Beiruter Vororten und Teilgebieten des Südens weiterhin eine Art Staat im Staate und übernimmt dort neben sozialen und politischen faktisch auch Aufgaben der Sicherheitsbehörden. Parallel bestehen kleinere bewaffnete Milizen der AMAL-Partei des Parlamentspräsidenten Nabih Berri, drusische Bürgerwehren sowie christliche Milizen (etwa in Nähe zur Kataeb-Partei oder zur griechisch-orthodoxen Kirche), die sich zuletzt im Spätsommer 2015 auch an Kampfhandlungen gegen aus Syrien einsickernde sunnitische Extremisten beteiligt haben (AA 1.3.2018).

Trotz der Anwesenheit von libanesischen Sicherheitskräften und UNO-Einheiten behielt die Hisbollah signifikanten Einfluss über Teile des Landes und die Regierung machte keinen konkreten Fortschritt, um die bewaffneten Milizen aufzulösen und zu entwaffnen. Palästinensische Flüchtlingslager stellen [Anm.: mit Ausnahme des Lagers Nahr el-Bared] weiterhin sich selbst regierende Einheiten dar und betreiben Sicherheits- und Militärkräfte, die nicht unter der Kontrolle von Regierungsbeamten stehen (USDOS 20.4.2018).

Folter und unmenschliche Behandlung

Das Strafgesetzbuch verbietet die Anwendung von Gewalt, um ein Geständnis oder Informationen über eine Straftat oder andere Personen zu erhalten. Trotzdem verweisen einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) auf Berichte über misshandelte Häftlinge. Die Justiz hat solche Vorwürfe nur selten untersucht oder verfolgt. Die Regierung leugnete die systematische Anwendung von Folter, obwohl die Behörden bestätigten, dass es bei Voruntersuchungen auf Polizeistationen, in militärischen Einrichtungen bzw. in Untersuchungshaft, wo Beamte Verdächtige ohne Anwalt verhört haben, manchmal zu gewaltsamen Übergriffen kam. Solche Missbräuche fanden angeblich in mehreren Einheiten statt, obwohl die nationalen Gesetze es den Richtern verbieten, unter Zwang gewonnene Geständnisse anzunehmen. Es gab Berichte, dass die ISF (Internal Security Force) Drogenkonsumenten, an der Prostitution beteiligte Personen und LGBTI-Personen in ihrem Gewahrsam bedroht und misshandelt hat; gleichzeitig haben Menschenrechtsorganisationen und Rechtsexperten allerdings auch auf Verbesserungen bei der Behandlung von Häftlingen im Laufe des Jahres hingewiesen. Ehemalige Gefangene, Häftlinge und lokale Menschenrechtsgruppen berichteten unter anderem von physischen und psychischen Druck, erzwungenen HIV-Tests und Drohungen mit längerer Haft (USDOS 20.04.2018).

Am 4. Juli 2017 gab die libanesische Armee eine Erklärung heraus, dass vier Syrer in Arsal, einem Sperrgebiet im Nordosten des Libanon, in dem viele syrische Flüchtlinge leben, in deren Gewahrsam gestorben waren. HRW zur Verfügung gestellte Fotos der Opfer belegen laut HRW die Vorwürfe des Missbrauchs und der Folter (HWR 7.8.2018; vgl. AA 1.3.2018). HRW verweist weiters auf den Fall des Schauspielers Ziad Itani, der laut detaillierten Berichten unter Verhör gefoltert worden ist. Dies zeigt, dass trotz des neu verabschiedeten Anti-Folter-Gesetzes anhaltende Probleme hinsichtlich der Behandlung von Gefangenen bestehen (Daily Star 17.7.2018).

Im Mai 2017 trat der Libanon erstmals vor dem UN-Ausschuss gegen Folter auf, nachdem das UN-Übereinkommen gegen Folter und sein Fakultativprotokoll im Jahr 2000 bzw. 2008 ratifiziert worden waren (AI 22.2.2018). Zu deren Umsetzung wurde im Oktober 2017 das oben bereits erwähnte neue Anti-Folter-Gesetz ratifiziert, womit das libanesische Strafgesetzbuch nun erstmals eine Definition von Folter vorsieht und diese Folter sowie andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlungen unter Strafe stellt (AI 26.6.2018, vgl. HRW 18.1.2018; USDOS 20.4.2018).

Ermittlungs- oder Strafverfahren wegen Foltervorwürfen sind dennoch bisher nur in drei Einzelfällen bekannt geworden (drei Mitarbeiter der Sicherheitskräfte des Gefängnisses Roumieh wurden diesbezüglich angeklagt). Jedwede Form "systematischer Folter" streitet die Regierung aber ab. Es handle sich um Exzesse Einzelner, gegen die man auf strafrechtlicher Grundlage vorgehen werde.

Menschenrechtsorganisationen haben (anders als das IKRK seit 2007) keinen Zutritt zu den Militärgefängnissen und zum Verhörzentrum im Verteidigungsministerium (AA 1.3.2018).

Neben der Kriminalisierung der Folter legt das neue Gesetz die Unzulässigkeit von Folteraussagen fest, fordert die Staatsanwaltschaft auf, innerhalb von 48 Stunden auf Beschwerden oder Folterbescheide zu reagieren, begründet das Recht auf Rehabilitation und erklärt Folter als Verbrechen, das nicht durch Notwendigkeit oder nationale Sicherheitsanforderungen gerechtfertigt ist (AI 26.6.2018).

Trotz aller positiven Aspekte weist das Gesetz eine Reihe von Mängeln auf. So hat sich der UN-Menschenrechtsausschuss besorgt gezeigt, weil das Gesetz (a) die Definition von Folter auf Ermittlungen, Verhöre, gerichtliche Ermittlungen, Gerichtsverfahren und Strafen beschränkt; (b) grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlungen oder Strafen nicht kriminalisiert; (c) eine Verjährungsfrist für die Verfolgung von Folter einschließt; (d) Strafen vorschreibt, die nicht die Schwere der Straftat widerspiegeln; und (e) keine wirksamen Rechtsmittel und Wiedergutmachung vorsieht (UN 9.5.2018, vgl. AI 26.6.2018). Darüber hinaus enthält das Gesetz keine Bestimmungen, wonach sich der Folter beschuldigte Armeeoffiziere vor zivilen Gerichten verantworten müssen (AI 22.2.2018).

Korruption

Gemäß Transparency International's Corruption Perceptions Index (2017) hat sich der Libanon in Bezug auf Korruption seit 2015 um 20 Plätze auf Platz 143 (von 169 bzw. 180 untersuchten Ländern/Territorien) verschlechtert (TI 2017, vgl. TI 2015).

Korruption und Vetternwirtschaft sind im Libanon weit verbreitet. Selbst unter führenden Politikern sind Bestechungen in großem Stil keine Seltenheit. In ihrem Schutz bildeten sich weit verästelte Netzwerke organisierter Korruption. Mangelnde Transparenz und Korruption sind laut der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit die Ursache für die missliche Lage des Landes und hemmen überdies die wirtschaftliche Entwicklung (GIZ 6/2018).

Zu den hauptsächlichen Korruptionsformen gehörten systematischer Klientelismus, richterliche Unterlassung (insbesondere bei Untersuchungen von politisch motivierten Morden), Wahlbetrug (erleichtert durch das Fehlen von vorgedruckten Stimmzetteln) und Bestechung. Die parlamentarische bzw. prüfungsbehördliche Kontrolle über Einnahmen und Ausgaben ist nicht in ausreichendem Maße gegeben (USDOS 20.4.2018).

Unternehmen zahlen regelmäßig Bestechungsgelder und pflegen Beziehungen zu Politikern, um Aufträge zu erhalten. Auch die Flüchtlingshilfe vor Ort ist nicht frei von Korruption. Berichten zufolge haben einige Nichtregierungsorganisationen (NGOs) - in Zusammenarbeit mit korrupten libanesischen Beamten - Gelder von internationalen Organisationen abgezweigt oder Ressourcen für überhöhte Gehälter und Leistungen für leitende Angestellte verschwendet. Die Besorgnis der Geber über vorhandene Korruption gilt als einer der Gründe für die chronischen Defizite bei der finanziellen Unterstützung für syrische Flüchtlinge (FH 1.2017).

Ex lege sind zwar strafrechtliche Sanktionen für offizielle Korruption vorgesehen; eine effiziente und wirkungsvolle Umsetzung solcher Sanktionen erfolgt aber nicht. Die staatliche Korruptionskontrolle wird von Beobachtern als unzureichend eingestuft (USDOS 20.4.2018). Der Präsident der Republik, die Präsidenten der Abgeordnetenkammer und des Ministerrates sowie Minister, Abgeordnete und Richter, Gemeindevorsteher und Beamte sind zwar gesetzlich verpflichtet, ihr Finanzvermögen bei Amtsantritt und auch wieder bei Ausscheiden aus dem Amt bekanntgeben, aber diese Informationen sind nicht öffentlich zugänglich. Wird der Staatsrat wegen Nichterfüllung angerufen, verhängt der Staatsrat verwaltungsrechtliche Sanktionen, die darin bestehen, die Amtszeit des Amtsinhabers zu beenden (USDOS 20.4.2018). In diesem Kontext werden immer wieder Journalisten wegen Recherchen über Korruption zu Geldstrafen verurteilt (GIZ 6/2018).

Der Leiter des Supreme Disciplinary Boards hat die grassierende Korruption unter den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes massiv kritisiert und gemeint, dass die Hälfte von ihnen entlassen werden sollte. Er erklärte, dass sein Vorstand für die Durchführung von Prozessen gegen korrupte Mitarbeiter für Verstöße wie Bestechung oder Veruntreuung öffentlicher Gelder verantwortlich sei, stellte aber gleichzeitig klar, dass er keine Maßnahmen ergreifen könne, wenn das Zentralkontrollamt kaum Beschwerden gegen Arbeitnehmer untersucht und einreicht (Daily Star 12.9.2018).

Eine von der Konrad Adenauer Stiftung in Auftrag gegebene Umfrage unter 21-29 jährigen Libanesen untersuchte unter anderem, welche Themen die Jugendlichen vor allem beschäftigen: Dies ist neben der wirtschaftlichen Situation (45%) und der hohen Arbeitslosigkeit (43%) vor allem auch die Korruption (27%) (KAS 1.5.2018).

NGOs, Menschenrechtsaktivisten

Im Libanon sind zahlreiche lokale und internationale, im öffentlichen Leben deutlich wahrnehmbare Menschenrechtsorganisationen tätig, die häufig offiziell mit staatlichen Stellen, Sicherheitskräften und anderen Staatsbediensteten bei der Aus- und Fortbildung in Menschenrechtsfragen zusammenarbeiten. Die Anwaltskammer Beirut veranstaltet regelmäßig öffentliche Seminare zum Schutz der Menschenrechte. Seit 2005 können Menschenrechtsorganisationen grundsätzlic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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