TE Lvwg Erkenntnis 2015/2/3 LVwG-12/16/9-2015, LVwG-12/17-18/10-2015, LVwG-12/19/11-2015

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.02.2015
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Entscheidungsdatum

03.02.2015

Index

40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §35
VStG §36
VwGVG 2014 §28 Abs6

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat durch den Richter Ing.Mag. Dionysius Viehhauser über die Beschwerden des Mag. Johannes A., der Mag. Marlies B., des Dipl.Ing.(FH) Florian C. und der Mag. Ines D. gegen deren Festnahme und Anhaltung am 25.07.2014, das jeweilige Erstellen eines Lichtbildes von den Beschwerdeführern und das Anlegen von Handfesseln im Rahmen dieser Amtshandlung durch Organe der Landespolizeidirektion Salzburg

zu Recht e r k a n n t :

1.     Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG wird den Beschwerden insofern Folge gegeben, als die weitere Anhaltung der Beschwerdeführer nach deren jeweiligen Identitätsfeststellung in den Räumlichkeiten der PI Rathaus sowie das jeweilige Anfertigen von Lichtbildern und das Anlegen von Handfesseln für rechtswidrig erklärt wird. Die Beschwerden in Bezug auf die Festnahme der Beschwerdeführer und deren Anhaltung bis zu deren jeweiligen Identitätsfeststellung werden als unbegründet abgewiesen.

2.     Gemäß § 35 Abs 1 VwGVG wird der Antrag der Beschwerdeführer sowie der belangten Behörde auf Zuerkennung von Kostenersatz abgewiesen.

3.     Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Von den vier Beschwerdeführern wurde im Zusammenhang mit der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der Landespolizeidirektion Salzburg am 25.07.2014 im Wesentlichen – von geringfügigen verfahrensunwesentlichen Sachverhaltsunterschieden – gleichlautende Beschwerden, wie eine nachstehend wiedergegeben, eingebracht:

"Gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Organe der LPD Salzburg in Salzburg am 25.7.2014 erhebe ich hiermit binnen offener Frist nachstehende

B E S C H W E R D E

wegen Verletzung subjektiver Rechte gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG, § 88 Abs 1 (ev. Abs 2) SPG durch die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt.

I. Zulässigkeit der Beschwerde

Gemäß § 87 Sicherheitspolizeigesetz (SPG) haben alle BürgerInnen Anspruch darauf, dass ihm/ihr gegenüber sicherheitspolizeiliche Maßnahmen nur in den Fällen und in der Art ausgeübt werden, die dieses Bundesgesetz vorsieht. Diese Bestimmung räumt den Betroffenen ein einklagbares Recht auf Gesetzmäßigkeit sicherheitspolizeilicher Maßnahmen ein. Dieses Recht wird durch § 88 SPG umgesetzt, wonach das Landesverwaltungsgericht über Beschwerden von Menschen erkennt, die darlegen, durch die Ausübung unmittelbarer sicherheitspolizeilicher Befehls- und Zwangsgewalt sowie auf andere Weise durch die Besorgung der Sicherheitsverwaltung in ihren Rechten verletzt worden zu sein. Das Landesverwaltungsgericht Salzburg ist örtlich gern § 3 Abs 2 Z 2 VwGVG zuständig, da die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Salzburg stattgefunden hat.

II. Sachverhalt

Am 25.7.2014 nahm ich an der Demonstration für das Selbstbestimmungsrecht der Frau als Protest gegen den"1000-Kreuze"-Marsch teil, der sich gegen die gegenwärtige Fristenlösung richtete. Nach dem Ende der angemeldeten "Pro choice"- Demonstration befand ich mich gegen 17 Uhr 30 zusammen mit anderen Personen auf der Staatsbrücke. als dort der sog. "Gebetszug" der "Pro Life"- AktivistInnen eintraf.

Als sich die Abtreibungsgegnerlnnen der Brücke näherten, bildete sich eine spontane Protestkundgebung mit Sprechchören. Unser Protest richtete sich gegen die geplante Zeremonie des "1000-Kreuze"-Marschs auf der Staatsbrücke, bei der Schwangerschaftsabbruch als Mord dargestellt wird. Die Polizei begann uns am Gehsteig auf der Brücke von der Seite Hanuschplatz in Richtung anderes Salzachufer zu drängen. Ein Polizist warf uns einen Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung vor und drohte mir und drei anderen DemonstrantInnen eine Festnahme an. Daraufhin setzte ich mich mit drei weiteren DemonstrantInnen auf den Boden am Gehsteig. Derselbe Polizist forderte uns auf, aufzustehen. Als wir sitzenblieben, ordnete der Polizist unsere Festnahme an. PolizistInnen kesselten uns zunächst ein, fotografierten mich und trugen uns dann einzeln von der Brücke.

Ebenso wie die drei anderen DemonstrantInnen wurde ich in die Polizeiinspektion Rathaus getragen. Dort musste ich zuerst abwarten, da ich als letztes aufgefordert wurde ins angrenzende Zimmer zu kommen. Mir wurden all meine Gegenstände abgenommen und meine Personalien überprüft. Ich führte zu diesem Zeitpunkt einen Lichtbildausweis mit, welchen ich den Beamten aushändigte. Darauf wurde mir befohlen ein mit Zahlen bzw. Buchstabenkombinationen beschriftetes Blatt Papier zu halten. Als ich dies in Händen hielt, sollte ich mich zur Seite umdrehen. Noch bevor ich erkennen konnte was geschah - es befanden sich zu diesem Zeitpunkt mindestens ein halbes Duzend PolizeibeamtInnen im Raum - wurde ohne meine Zustimmung ein Foto von mir angefertigt. Ich wurde nicht gefragt, ob ich mit der Aufnahme eines Fotos einverstanden sei. Auf die Frage was mit meinen mit abgenommenen Gegenständen sowie mit meinem Reisepass geschehe, wurde mir erklärt, dass ich selbige später zurückerhalten würde.

Anschließend wurden mir vor dem Körper Handschellen angelegt und ich wurde von mehreren Beamten aus dem Zimmer geleitet. Vom Vorraum aus wurde ich von einem einzelnen Beamten zurück ins Erdgeschoß und dann in einen vor der Polizeiinspektion abgestellten Arrestantenwagen geleitet. Die anderen drei Personen, mit welchen ich mich zuvor auf der Staatsbrücke befunden hatte, befanden sich zu diesem Zeitpunkt bereits in diesem Fahrzeug. Es vergingen noch einige Minuten, bevor das Fahrzeug abfuhr.

Wir wurden ins Polizeianhaltezentrum geführt. Erst nach der Ankunft dort, als wir vor dem Arrestantenwagen warteten, nahm uns ein Polizist mit der Erklärung, dass wir uns "ja eh völlig ruhig verhalten" die Handfesseln ab. Im Polizeianhaltezentrum wurde ich gemeinsam mit einem anderen der Festgenommenen in einen Raum gesperrt, jedoch nicht mehr befragt. Auch wurde ich nicht darüber in Kenntnis gesetzt, weshalb ich im Anhaltezentrum fesgehalten wurde. Die Forderung nach einem erfolgreichen Telefonat mit einem Rechtsbeistand wurde uns beiden mit den Worten, dass unser Fall eh bald an der Reihe wäre, verweigert.

Die Gegenstände die ich zum Zeitpunkt meiner Festnahme bei mir trug, wurden retouniert. Sie befanden sich in einem dunklen Kunststoffsack. Darauf lag der ein Blatt welches mit einer Nummer bedruckt war. Ich konnte nicht feststellen, ob es die selbe Nummer war, welche ich zuvor aufgefordert worden war, mir vor die Brust zu halten. Ich wurde nocheinmal nach meinen Personalien befragt, welche eine Beamtin mit meinem Ausweis abgeglichen. Ohne eine weitere Amtshandlung seitens der Polizei wurde ich um ca. 19 Uhr 30 freigelassen.

Ich wurde durch die Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in meinen subjektiven Rechten, unter anderem in meinen Grundrechten, verletzt.

III. Maßnahmen der Sicherheitsbehörden

Zu den Maßnahmen der Sicherheitsbehörden im Einzelnen führe ich aus:

1)    Durch die Festnahme auf der Staatsbrücke im Rahmen einer friedlichen Demonstration wurde ich in meinem verfassungsmäßigen Grundrecht auf Versammlungsfreiheit verletzt.

2)    Durch die Verbringung ins Polizeianhaltezentrum wurde ich in meinem verfassungsmäßigen Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

3)    Durch das Anlegen der Handfesseln wurde ich ebenso in meinem verfassungsmäßigen Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

4)    Durch das Anfertigen des Fotos (erkennungsdienstliche Behandlung) wurde ich in meinen Persönlichkeitsrechten gemäß Art. 8 E.MRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienleben) verletzt.

IV. Gründe für die Beschwerde

Ad 1) Festnahme auf der Staatsbrücke im Rahmen einer friedlichen Versammlung

Unsere Zusammenkunft am 25. Juli 2014 auf der Staatsbrücke in Salzburg um ca. 17 Uhr 30 war eine Versammlung im Sinne des VersG. Nach der ständigen Judikatur des VfGH ist eine Zusammenkunft mehrerer Menschen dann als Versammlung im Sinne des Versammlungsgesetzes zu werten, wenn sie in der Absicht veranstaltet wird, die Anwesenden zu einem gemeinsamen Wirken (Debatte, Diskussion, Manifestation usw.) zu bringen, so dass eine gewisse Assoziation der Zusammengekommenen entsteht. Vergl. VfGH Erkenntnis vom 12.3.1988: "Eine Versammlung ist das Zusammenkommen von Menschen zum gemeinsamen Zweck der Erörterung von Meinungen oder der Kundgabe von Meinungen an andere." Unsere Zusammenkunft, die aus mehr als zwei Personen bestand, war durch ihre Artikulation (Sprechchöre gegen den Aufmarsch der radikalen AbtreibungsgegnerInnen) durch ihre äußeren Erscheinungselemente (Demonstrationsgruppe) und durch den unmittelbaren Zusammenhang, aus dem sie entstand (Spontanprotest angesichts der Kundgebung des "1000-Kreuze"-Marschs), eindeutig als Versammlung in Sinne des VersG erkennbar.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes genießen auch nicht in Entsprechung des VersG angezeigte, spontan zusammengekommene Versammlungen wie die unsrige grundrechtliehen Schutz (vergl. VwGH Erkenntnis vom 29.3.2004 GZ 98/01/0213), solange sie friedlich verlaufen. Selbst die Behörde behauptet nicht, dass von unserer symbolischen Protestaktion Gewalt ausging, und da wir uns ausschließlich am Gehweg aufhielten, war der Großteil der Staatsbrücke für den "1000-Kreuze"-Marsch frei passierbar. Unser Verhalten war daher in keiner Weise geeignet, uns den grundrechtliehen Schutz abzuerkennen. Selbst wenn wir durch den Aufenthalt im Gehsteig gegen die StVO verstoßen hätten, so sind nach höchstgerichtlicher Rechtsprechung Übertretungen von "eher unbedeutenden Vorschriften" (etwa der StVO) gerechtfertigt bzw. ist ansonsten verwaltungsstrafrechtlich relevantes Verhalten dann nicht strafbar, wenn sie bzw. es im Rahmen einer Versammlung gesetzt worden ist bzw. sind (vgl. etwa VfSlg. 11.866/1988 und 12.116/1989, VwGH 2007/09/0307-6).

Ein Aufenthalt am Gehsteig im Rahmen einer friedlichen, grundrechtlieh geschützten Versammlung bildet jedenfalls keine Grundlage für eine Anzeige, erst recht nicht für eine Festnahme nach § 35 VStG. Die Festnahme durch die Organe der LPD Salzburg stellt daher eine massive Verletzung meines Rechts auf Versammlungsfreiheit und auf persönliche Freiheit dar.

Ad 2) Verbringung ins Polizeianhaltezentrum

Selbst wenn die Behörde vor Ort davon ausging, dass ich durch mein Verweilen am Gehsteig möglicherweise eine Übertretung von § 78 StVO setzte und durch mein Verharren in dieser Handlung ein Festnahmegrund nach § 35 VStG vorlag, so war die Verbringung ins Polizeianhaltezentrum rechtswidrig und durch keine gesetzliche Grundlage mehr gedeckt.

Nach § 36 VStG ist "jeder Festgenommene" "unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher weg fällt, freizulassen."

Bereits nachdem mich die PolizistInnen von der Staatsbrücke weggebracht hatten, aller spätestens aber, als ich mich in der PI Rathaus befand, war der Grund meiner Festnahme nicht mehr vorhanden. Das mir vorgeworfene Verharren in der strafbaren Handlung war durch meine zwangsweise Entfernung vom Ort der Demonstration beendetet worden und eine Wiederholung durch die vollständige Abriegelung der Staatsbrücke durch Polizei ketten nicht mehr möglich. In der PI Rathaus war es auch möglich, zum Zweck der Anzeigenerstattung meine Personalien aufzunehmen und ist dies auch geschehen. Die Verbringung ins Polizeianhaltezentrum nach der Entfernung vom Demonstrationsort. nach einem ¾ stündigen Aufenthalt in der PI Rathaus, und nach der Aufnahme der Personalien war überschießend und durch das VStG oder ein anderes Gesetz nicht mehr gedeckt. Die Verbringung ins Polizeianhaltezentrum stellt daher eine Verletzung meines Rechts auf persönliche Freiheit dar.

Ad 3) Anlegen der Handfesseln

Eine Fesselung mit Handschellen ist laut § 26 Anhalteordnung nur rechtmäßig, wenn "auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Betroffene werde sich selbst oder andere gefährden; fremde Sachen nicht nur geringen Wertes beschädigen; flüchten; eine Amtshandlung, an der er mitzuwirken hat, zu vereiteln versuchen."

Gemäß höchstgerichtlicher Judikatur muss bei der Anwendung exekutiver Zwangsbefugnisse dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprochen werden und darf nur das gelindeste Mittel, das zum Erfolg führt, angewandt werden. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Sinn wiederholt (z.B. in seinem Erkenntnis vom 8. August 2002, GZ 99/11/0327), ausgeführt, dass die Fesselung mit Handschellen im Rahmen einer Amtshandlung eine Vorgangsweise ist, die nur dann gerechtfertigt ist, wenn sie "unbedingt erforderlich ist".

Ich versuchte weder zu flüchten, noch beschädigte ich irgendwelche Sachen oder setzte gar eine aggressive Handlung gegen Personen. Nicht einmal die Polizei behauptet in ihrer Anzeige, dass ich auch nur irgendein Verhalten gesetzt hätte, dass das Anlegen von Handfesseln rechtfertigt.

Das Anlegen der Handschellen, noch dazu über einen Zeitraum von 30 - 45 Minuten, war somit gesetzlich nicht gedeckt und stellt ebenfalls eine Verletzung meines Rechts auf persönliche Freiheit dar.

Ad 4) Anfertigen eines Fotos

Die behördliche Anfertigung eines Fotos ist auf jeden Fall als erkennungsdienstliche Behandlung zu werten, wozu auf das Erkenntnis des VwGH vom 7.10.2003 GZ 2002/01/0271 verwiesen wird.

Gemäß § 65 SPG setzt die Ermächtigung zur Vornahme der erkennungsdienstlichen Behandlung jedoch voraus, dass der Betroffene in einer kriminellen Verbindung tätig wurde oder "dies sonst auf Grund von Umständen in der Person des Betroffenen oder nach der Art der begangenen mit Strafe bedrohten Handlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint."

Der VwGH hat ergänzend wiederholt festgestellt, dass Voraussetzung für eine erkennungsdienstliehe Behandlung nach § 65 SPG nicht nur ist, dass der Betroffene einen gefährlichen Angriff begangen haben muss, sondern auch, dass die erkennungsdienstliehe Behandlung "zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint" und auf diese spezifische Notwendigkeit "zur Verhinderung weiterer gefährlicher Angriffe durch das Wissen um die Möglichkeit einer Wiedererkennung abzustellen" ist (vergl. VwGH vom 16.7.2003 GZ 2002/01/0592). Dazu VwGH vom 27.2.2007 GZ 2005/01/0803: "Zu diesem Zweck [Anm.: ED-Behandlung nach § 65 SPG] hat die Behörde eine konkrete fallbezogene Prognose zu treffen, bei der sie sich mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Verdachtes, mit der Art des dadurch verwirklichten Deliktes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des Betroffenen zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer ,Vorbeugung' durch eine erkennungsdienstliche Behandlung auseinander zu setzen hat."

Ich hatte durch den möglichen Verstoß gegen die StVO noch nicht einmal einen gefährlichen Angriff gesetzt, erst recht fehlten die anderen, durch das Gesetz vorgeschriebenen Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit einer erkennungsdienstliehen Behandlung bei mir völlig.

Bezugnehmend auf die zitierte höchstgerichtliche Judikatur war die an mir vorgenommene erkennungsdienstliche Behandlung somit rechtswidrig. Sollte die Behörde zum Schluss kommen, dass das Anfertigen des Fotos keine erkennungsdienstliche Behandlung darstellte, so greift das "behördliche" Anfertigen eines Fotos ohne Zustimmung des Abgebildeten in jedem Fall in dessen Persönlichkeitsrechte ein (vergl. VwGH vom 7.10.2003 GZ 2002/01/0271). Die Anfertigung des Fotos gegen meinen Willen stellte daher immer eine Verletzung meines Rechts auf Privatleben dar.

Insgesamt erweist sich die gesamte Behördenreaktion als völlig überschießend: Aufgrund eines möglichen Verstoßes gegen die StVO wurde ich festgenommen, gegen meinen Willen fotografiert, in Handschellen ins Polizeianhaltezentrum verbracht und insgesamt 1 ½ Stunden festgehalten. Das behördliche Handeln erweist sich auch deshalb als so unverhältnismäßig, da ich mich während der gesamten Protestaktion und während der Anhaltung völlig gewaltfrei verhielt, von mir weder eine verbale noch eine nonverbale Aggression ausging, ich bereitwillig meine Identität bekanntgab und auch keinen Versuch unternahm, mich der Amtshandlung zu entziehen. Dabei wäre gerade in Hinblick auf das Spannungsfeld zum verfassungsmäßigen Recht auf Versammlungsfreiheit die Behörde zu einer besonders sorgfältigen Güterabwägung und Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit verpflichtet gewesen.

V. Anträge

Aus den dargestellten tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen erstatte ich daher die

A N T R Ä G E

das Landesverwaltungsgericht Salzburg wolle

1)    eine mündliche Verhandlung durchführen,

2)    feststellen, dass ich im Zuge der gegenüber meiner Person am 25.7.2014 angewandten sicherheitspolizeiliehen Maßnahmen in meinen Rechten verletzt wurde und die diesbezüglichen Amtshandlungen rechtswidrig waren,

3)    sowie die belangte Behörde zum Ersatz der Kosten des Verfahrens im gesetzlichen Ausmaß verhalten."

Zu diesen Beschwerden wurden durch das Landesverwaltungsgericht Gegenschriften der belangten Behörde (Landespolizeidirektion Salzburg) eingeholt und eine öffentliche mündliche Verhandlung mit der zeugenschaftlichen Einvernahme der für die Amtshandlung hauptverantwortlichen Organe der Landespolizeidirektion Salzburg durchgeführt. Von den Beschwerdeführern wie auch der Landespolizeidirektion Salzburg wurden Lichtbilder sowie Videoaufzeichnungen in Vorlage gebracht.

Die Zeugen haben die nachstehenden Aussagen abgegeben:

Obstlt H. H.:

"Es war an diesem 25.07. der Prozessionsmarsch unterwegs und hat es diesem gegenüber schon mehrere Störversuche gegeben und musste dieser aufgrund derer schon öfters umgeleitet werden. Dieser Gebetsmarsch hatte als Zwischenstation die Staatsbrücke geplant, wobei geplant war, dort zu beten bzw Blumen in die Salzach zu werfen. Uns sind dann im dortigen Bereich mehrere Personen von der entsprechenden Gegendemo aufgefallen, die dort Position bezogen hatten. Ich habe mehrere Personen in diesem Zusammenhang aufgefordert, diesen Bereich des Gehsteiges der Staatsbrücke zu verlassen. Einige sind dieser Aufforderung nachgekommen. Vier sind dieser Aufforderung nicht nachgekommen. Sie haben sich eingehängt und habe ich ihnen angekündigt für den Fall des Verharrens, dass ich die Festnahme aussprechen würde. Die Gegendemo hatte bereits einige Stunden zuvor geendet. Es waren nur mehr einige Personen davon im Bereich der Staatsbrücke aufhältig. Es ist richtig, dass es dort Rufe gegeben hat, die allerdings von anderen Personen gekommen sind. Die Beschwerdeführer hatten sich ruhig verhalten. Wenn mir ein entsprechendes Luftbild von der Örtlichkeit vorgehalten wird, gebe ich an, dass die gegenständliche Amtshandlung im Bereich des südlichen Drittels der Staatsbrücke vonstatten gegangen ist. Es war ursprünglich geplant, dass der Gebetszug seine Zeremonie auf jener Seite der Staatsbrücke abhält, auf der die Festnahmen dann vorgenommen wurden. Es war konkret so, dass die festgenommenen Personen sich ursprünglich weiter südlich der Staatsbrücke aufgehalten haben, dann kurz von uns zurückgedrängt wurden und es dann zur Situation gekommen ist, dass von mir die Festnahme ausgesprochen wurde. Ich habe den Personen zuvor angekündigt, dass es zur Festnahme kommen würde, falls sie an ihrem Verhalten weiter festhalten würden. Es waren weitere Personen vor Ort, die jedoch meine Aufforderung, die Örtlichkeit zu verlassen, befolgt haben. Nur die vier haben sich letztlich dann auf den Gehsteig gesetzt. Ich habe die Festnahme angedroht und letztlich dann auch ausgesprochen, konkret durchgeführt wurde sie dann von meinen Einsatzkräften. Ich habe von der weiteren Beamtshandlung der Personen im Bereich der PI Rathaus überhaupt nichts mehr mitbekommen. Ich bin vor Ort auf der Staatsbrücke geblieben. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob der Gebetszug vor dem Abtransport der Beschwerdeführer oder nach diesem Vorgang den entsprechenden Staatsbrückenkopf gequert hat. Der Gebetszug ist letztlich auf die andere Staatsbrückenseite ausgewichen, um weitere Konfrontation zu vermeiden. Bevor ich zum Staatsbrückenkopf gekommen bin bzw die Passanten und auch die Beschwerdeführer dort zurückzudrängen versucht habe, kann ich mich nicht erinnern, ob es dort Sprechchöre gegeben hat; ich habe diesbezüglich keine Wahrnehmung bzw Erinnerung. In der Zeit, als ich mich auf der Staatsbrücke befunden habe, habe ich von den Beschwerdeführern jedenfalls keine Sprechchöre gehört. Ob solche zuvor gesetzt worden sind, weiß ich nicht. Meiner Wahrnehmung nach war die Intention der Beschwerdeführer die Behinderung des Gebetszuges. Eine ausdrückliche Äußerung ihrerseits mir gegenüber, eine Versammlung zu bilden oder dergleichen, ist nicht gesetzt worden. Ich habe im Bereich der Staatsbrücke seinerzeit von den Beschwerdeführern keine Wahrnehmungen in Bezug auf eine gerichtlich strafbare Handlung gemacht. Die Frage in Bezug auf eine Identitätsfeststellung vor Ort beantworte ich dahingehend, dass es im gegenständlichen Zusammenhang eine arbeitsteilige Vorgangsweise polizeilicherseits gegeben hat und diese als solche eben nicht vorgesehen war.

Die Frage in Bezug auf die technischen Möglichkeiten einer Identitätsfeststellung vor Ort wird seitens des Gerichtes nicht zugelassen.

Den Festnahmezeitpunkt von 17.48 Uhr kann ich deshalb so genau angeben, da unsere arbeitsteilige Vorgangsweise eben vorgesehen hat, diese Umstände sofort über Funk durchzugeben und so auch eine diesbezügliche Dokumentation erfolgt ist. Meinen Informationen nach waren mehr als 100 Personen Teilnehmer des Gebetszuges. Dieser Demonstrationszug hat letztlich dann auf der anderen Straßenseite auch die gesamte Breite des dortigen Gehsteiges in Anspruch genommen. Ich kann unsere Videodokumentation in Bezug auf die Dokumentation der gegenständlichen Amtshandlung heute in Vorlage bringen.

Vor der Verhandlung wird in das Video Nr 22 eingesehen und wird dieses als Beilage zur Verhandlungsschrift genommen.

Seitens des Beschwerdeführers C. wird ausdrücklich festgehalten, dass auf dem Video eindeutig zu erkennen ist, dass der Gehweg als solcher "ausreichend" frei und passierbar bleibt, dass zu erkennen ist, dass über den gesamten Verlauf der Staatsbrücke sich der Demonstrationszug zieht und dass zu erkennen ist, dass er unmittelbar vor der Festnahme Sprechchöre von sich gegeben habe.

Der Zeuge weiter auf Befragen der Beschwerdeführerin D.:

Außer den gegenständlichen Festnahmen hat es im seinerzeitigen Bereich der Staatsbrücke keine solche gegeben."

BI P. P.:

"Meine Aufgabe war seinerzeit die Übernahme der Festgenommenen und die Aufnahme von Vorname, Nachname und Geburtsdatum und eine Durchsuchung der betreffenden Personen. Es hat seinerzeit geheißen, dass die Festgenommenen zur PI Rathaus gebracht werden und wurde die konkrete Aufnahme der von mir beschriebenen Daten eben dort durchgeführt. Es hat seinerzeit mehrere, konkret drei Aufnahmeteams gegeben. Wir waren das 5/21, glaublich, soweit ich mich heute diesbezüglich noch erinnern kann. Wenn ich in meinen Unterlagen nachsehe, war es 5.22, wurden in diesem Zusammenhang auch Lichtbilder von den festgenommenen Personen angefertigt, dies eben mit der Voranstellung dieser von mir erwähnten Nummer des Aufnahmeteams und danach folgend die entsprechende Nummer der betroffenen Person. Dies, um allfällige Verwechslung der Personen bzw Effekten zu vermeiden. Die von mir beschriebene Aufnahme der Personalitäten hat hintereinander individuell in Bezug auf die festgenommenen Personen stattgefunden. Mir ist in Erinnerung, dass einige Personen im Zusammenhang mit der Anfertigung von Lichtbildern sich weggedreht haben und dann derartige Fotos erstellt worden sind. Ich habe das Anlegen der Handfesseln den Beschwerdeführern gegenüber zwar mitbekommen, war diesbezüglich allerdings nicht mehr involviert bzw zuständig.

Es ist richtig, dass ich von ihnen amtliche Lichtbildausweise erhalten habe. Ob in dieser Zeit auch andere festgenommene Personen sich im Bereich der PI Rathaus aufgehalten haben, weiß ich nicht. Ich war nur mit den vier betroffen. Aufgabe des Aufnahmeteams ist die Übernahme des Festgenommenen. Uns war bereits der Grund der Festnahme als solcher bekannt bzw bekannt gegeben gewesen. Aufgabe wäre auch gewesen, die Dokumentation allfälliger Maßnahmen, bspw das Anlegen von Handfesseln oder dergleichen. Es wurde noch dokumentiert, dass die Personen tragend zu uns gebracht worden sind, Dokumentation des Nationale, Durchsuchung nach Effekten, persönlichen Gegenständen und Depositen in Bezug auf strafbare Tatbestände. Letztlich war unsere Aufgabe die Übergabe der betroffenen Personen an den Arrestantenwagen zur Verbringung derer an das PAZ. Meine Ablaufvorgaben haben vorgesehen, eine entsprechende Erstellung eines Lichtbildes, dies unabhängig, ob ein Ausweis vorgelegt wird oder nicht. Mir war von Verletzungen der Beschwerdeführer gegenüber nichts bekannt. Mir gegenüber war vorgegeben, ein Foto zu erstellen von der Person, wie sie eben uns gegenüber übergeben wird. Es wäre seinerzeit auch vor Ort im Bereich der PI Rathaus möglich gewesen, eine EKIS-Abfrage durchzuführen.

Die Frage, wie viele weitere Arrestierungen an diesem Tage vorgenommen wurden, wird vom Gericht nicht zugelassen.

Ich war an diesem Tag mit keinen anderen Festnahmen befasst.

Einwand des Vertreters der Landespolizeidirektion:

Es hat am gegenständlichen Tag insgesamt sieben Festnahmen gegeben. Vier nach den Bestimmungen des VStG und drei nach der StPO.

Der Zeuge weiter:

Im Zusammenhang mit der Erstellung der Fotos wurde unsererseits keine Zwangsgewalt angewendet. Die Ausweise wurden unsererseits nur entgegen genommen. Eine weitere Verifizierung der Papiere hat es unsererseits nicht gegeben."

GI J. H.:

"Von meiner Funktion war ich seinerzeit Begleiter des Arrestantenwagens. Wir wurden über Funk verständigt, dass vier Festgenommene von der PI Rathaus in das Polizeianhaltezentrum zu bringen seien. Ich habe mich zur PI und in diese begeben und habe dann die Personen nacheinander übernommen. Ich habe den Personen die Handfesseln angelegt und sie zum Arrestantenwagen begleitet. Aus meiner Sicht war wegen Fluchtgefahr die Notwendigkeit zum Anlegen der Handfesseln gegeben. Ich habe die vier Personen hintereinander aus der PI geholt. Der Zweite war der Arrestantenwagenfahrer, der ist allerdings dort geblieben, da genug Personen um diesen herum waren. Ich habe den Personen in der PI Rathaus die Handfesseln angelegt und dann im Bereich der Schleuse des PAZ ihnen diese wieder abgenommen. Die Handfesseln dort abgenommen habe nicht ich, sondern ein Kollege meinerseits. Ich hatte den Eindruck, dass die Personen grundsätzlich wenig kooperativ waren, sie sind jedoch von sich aus mit mir zum Arrestantenwagen gegangen.

Ich habe die Begleitung der betroffenen Personen aus der PI zum Arrestantenwagen alleine gemacht. Die von mir gewählte Vorgangsweise ist die so gewohnte übliche derartige. Ich kann mich noch an eine Person erinnern, die auf meine Aufforderung die Hände nach vorne zu geben, um ihnen Handfesseln anzulegen, ausdrücklich die Hände rückwärts gegeben hat und von sich gegeben hat, dass ich mir dies alleine machen solle. Ich kann mich an keinen Fluchtversuch der Beschwerdeführerin D. erinnern. Ich bin seit 34 Jahren im Polizeidienst und seit 20 Jahren im PAZ und sind mir viele Amtshandlungen bekannt, in denen Festgenommene Fluchtversuche gesetzt haben. Ich kann mich in Bezug auf die Beschwerdeführerin D. an keinen konkreten Fluchtversuch oder Absicht erinnern. Es ist generell so üblich, dass bei der Verbringung von Festgenommenen Handschellen angelegt werden.

Die Situation seinerzeit in der Gegend rund um die PI Rathaus war so, dass sich eine Mehrzahl an Personen und Sympathisanten der Beschwerdeführer aufgehalten haben. Es hat eine insgesamt unübersichtliche Situation aufgrund der Gesamtumstände der abgelaufenen Demonstration geherrscht.

Ich kann nicht sagen, welche Personen zu welcher Gruppe der dort abgehaltenen Demonstration bzw Gegendemonstration gehört haben. Der Arrestantenwagen ist seinerzeit unmittelbar vor der Tür der PI Rathaus gestanden. Die Personen mussten nur über den Gehsteig zum Arrestantenwagen gebracht werden. Ich könnte mich nicht daran erinnern, dass irgendwer versucht hätte, in die Amtshandlung zu intervenieren."

BI J. H.:

"Ich war im gegenständlichen Fall Leiter des Erhebungsdienstes und bin als solcher im Polizeianhaltezentrum stationiert gewesen. Vorgesehen ist die Situation in der Weise, dass von den eingelieferten Personen ich die Daten und Unterlagen übernehme und diese dann zur entsprechenden Überprüfung an meine Mitarbeiter übergebe. Ich übernehme den mit den Festgenommenen mitgelieferten Akt und überprüfe diesen. Diese mir übergebenen Daten sollten den Ort der Festnahme, die Personalien und dergleichen enthalten. Im gegenständlichen Fall hat es sich meines Wissens um Festnahmen im Zusammenhang mit Verwaltungsdelikten gehandelt, hat es dazu zwei Akten gegeben, die ich meinen Mitarbeitern übergeben habe. Ich habe die Personen im Haus des Polizeianhaltezentrums übernommen. Ich kann heute nicht mehr sagen, ob sie seinerzeit in diesem Stadium noch Handschellen anhatten. Die Personen habe ich als nicht besonders gesprächig in Erinnerung. Es ist jedoch die Amtshandlung völlig ruhig abgelaufen. Mit den jeweiligen Personen ist ein entsprechender handschriftlicher Vermerk über die Festnahmegründe, Festnahmeort, wer die Festnahme durchgeführt hat und dergleichen miteingehend. Ich hatte seinerzeit von den vier Festgenommenen jeweils den gleichen Informationsstand in Bezug auf Personalien und dergleichen.

Es ist nicht meine Aufgabe, die Daten in Bezug auf Personalien und dergleichen noch einmal zu überprüfen. Seinerzeit haben zwei Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin und ein Mitarbeiter die Aufgabe gehabt, die Festgenommenen in Bezug auf ihre Personalien noch einmal zu überprüfen. Die Überprüfung der entsprechenden Daten und Ausweise und dergleichen erfolgt von meinen Mitarbeitern. Es wird bei uns so gehandhabt, dass von den Festgenommenen ein Lichtbild erstellt wird, dies in Verbindung mit einem DIN A4-Blatt, auf dem eine Zahl angebracht ist, bspw L 521/1 und der Jahreszahl, dann bedeutet dies, dass von einer bestimmten Einheit diese Person als erste festgenommen und beamtshandelt wurde. Diese "Zahl" zieht sich durch unsere gesamte Erhebungstätigkeit. Ich weiß, dass die entsprechend von mir erwähnten Fotos gelöscht werden, die konkrete Löschung dieser ist nicht meine Aufgabe.

Einwurf des Vertreters der Landespolizeidirektion:

Grundsätzlich ist es so, dass diese Fotos unmittelbar nach der Amtshandlung gelöscht wurden. Im gegenständlichen Fall ist es auch so, dass derzeit diese Fotos nicht mehr zur Verfügung sind.

Der Zeuge weiter:

Die Überprüfung der Personalien erfolgt nach den üblichen, der Polizei zur Verfügung stehenden Systemen EKIS, Meldedaten und dergleichen. Soweit ich mich erinnern kann, waren am gegenständlichen Tag 14 Personen im PAZ zu beamtshandeln. Ich kann heute nicht sagen, ob die gegenständlichen Personen seinerzeit im PAZ einvernommen worden sind. Üblicherweise ist es so, dass der Behördenverantwortliche die entsprechende Haft aufhebt. Es gibt keinen unmittelbaren Kontakt zwischen dem Behördenverantwortlichen und dem Festgenommen. Diese Informationen laufen normalerweise telefonisch. Es ist nicht üblich, dass den betroffenen Personen eine Bestätigung über ihre Haft bzw Haftdauer ausgefolgt wird. Die von mir erwähnten Kollegen, die im konkreten Fall die Amtshandlung mit den Betroffenen geführt haben, waren Herr Insp H. F. und Insp I. G., jeweils PI Alpenstraße."

Das Landesverwaltungsgericht hat hiezu in einer gemäß § 2 VwGVG durch einen Einzelrichter zu treffenden Entscheidung erwogen:

Auf Basis des Beschwerdevorbringens sowie der aufgenommenen Beweise in Form der vorstehend wiedergegebenen Zeugenaussagen sowie der vorgelegten Foto- und Videodokumentationen ist von folgendem entscheidungswesentlichem Sachverhalt auszugehen:

Am 25.07.2014 haben in Salzburg zwei Demonstrationen zur Thematik Schwangerschaftsabbruch stattgefunden. Die Beschwerdeführer haben an der Demonstration für das Selbstbestimmungsrecht der Frau als Protest gegen den "1000 Kreuze"-Marsch teilgenommen. Nach dem Ende der angemeldeten "Pro Choice"-Demonstration (gegen 14.30 Uhr am Platzl – rund 100 Meter entfernt von der verfahrensgegenständlichen Örtlichkeit) befanden sich die Beschwerdeführer gegen 17.30 Uhr im Bereich des rechten Gehsteiges der Staatsbrücke (in Fahrtrichtung Rudolfskai). In diesem Bereich war im Rahmen der ebenfalls angemeldeten Versammlung der Gebetsprozession "1000 Kreuze für das Leben" eine "Zeremonie" vorgesehen. Die den Gebetszug voraus eskortierenden Polizeikräfte versuchten die in diesem Bereich sich befindlichen Passanten, darunter die vier Beschwerdeführer, in Richtung nördlichen Staatsbrückenkopf "zu drängen". Im gesamten Bereich des rechten Gehsteiges der Staatsbrücke haben sich weitere 10 bis 15 Personen befunden, die aus den vorgelegten Videoaufzeichnungen als protestausübende Personen gegenüber dem Gebetszug auszumachen sind. Im übrigen haben unbeteiligte Passanten den Gehsteig frequentiert.

Die Situation auf der Staatsbrücke - Ausschnitt aus „Beschwerdeführer-Video“:

 

Die vier Beschwerdeführer unmittelbar vor der Festnahme - Ausschnitt aus „Polizeivideo“:

„Abbildung der 4 Beschwerdeführer“ entfernt

Akustische Unmutsäußerungen sind vor allem von der rund 10-15-köpfigen Personengruppe gekommen, die sich auf der Staatsbrücke rund 30 Meter von den Beschwerdeführern entfernt (nördlich) aufgehalten hat. Von den Beschwerdeführern selbst ist aus den Videoaufzeichnungen (mit Ausnahme einer kurzen Einzelartikulation des Herrn C.) eine verbale Artikulation nicht auszumachen. Die Beschwerdeführer sind den eskortierenden Polizeibeamten nur wenige Meter gewichen, sie wurden vom Kommandanten der dortigen polizeilichen Einsatzkräfte aufgefordert, den Gehsteig frei zu machen und wurde ihnen im Falle des Verharrens im Hinblick auf die Bestimmung des § 78 lit c StVO die Festnahme angedroht. Die Beschwerdeführer haben sich letztlich an den Armen eingehängt (siehe Bild oben), so zwischen einem Drittel bis die Hälfte der dortigen Gehsteigbreite blockiert und sich letztlich dort niedergesetzt. Gegenüber den Beschwerdeführern wurde daraufhin die Festnahme ausgesprochen. Aufgrund des passiven Widerstandes wurden sie vom Festnahmeort weg in die rund 50 bis 60 m entfernt situierte PI Rathaus getragen. Dort wurden sie einzeln, in der Reihenfolge C., D., B. und A., einer Durchsuchung und "groben" Identitätsfeststellung (Aushändigung von Ausweispapieren) unterzogen, wurde von ihnen ein Lichtbild angefertigt. Zum Zwecke des Transportes der Beschwerdeführer im Arrestantenwagen in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) wurden ihnen Handfesseln angelegt und sie in der vorhin beschriebenen Reihenfolge in den Arrestantenwagen, der vor der PI Rathaus positioniert war, eskortiert und letztlich in das PAZ gebracht. Nach dortiger endgültiger Abklärung der Identität wurde den Beschwerdeführern gegenüber um 19.15 Uhr die Festnahme aufgehoben und sie entlassen.

Rechtliche Würdigung:

Gemäß § 35 Z 3 VStG dürfen die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes, außer den gesetzlich besonders geltenden Fällen, Personen, die auf frischer Tat betreten werden zum Zwecke ihrer Vorführung vor die Behörde festnehmen, wenn der Betretene trotz Abmahnung in der Fortsetzung der strafbaren Handlung verharrt oder sie zu wiederholen versucht. Gemäß § 36 Abs 1 VStG ist jeder Festgenommene unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Gemäß Satz 3 leg cit hat die Behörde den Angehaltenen unverzüglich zu vernehmen.

Gemäß § 78 lit c StVO ist auf Gehsteigen und Gehwegen in Ortsgebieten verboten, den Fußgängerverkehr insbesondere durch den Verkauf oder die Verteilung von Programmen oder Eintrittskarten vor Theatern und Vergnügungsstätten durch das Verstellen des Weges, durch das Tragen von Reklametafeln sowie durch den Verkauf von Druckschriften, durch das Mitführen von Tieren oder durch unbegründetes Stehenbleiben zu behindern.

Allein ausgehend von objektiven Tatgeschehen, wie es von den Beschwerdeführern gesetzt wurde, ist im vorliegenden Fall von einem derartigen unbegründeten Stehenbleiben am Gehsteig der Staatsbrücke auszugehen. Dies unabhängig von der Beurteilung, ob es sich im gegenständlichen Fall, wie von den Beschwerdeführern ausgeführt, um eine "Versammlung" gehandelt hat, die einen diesbezüglichen Rechtfertigungsgrund in Bezug auf die StVO-Übertretung darstellen könnte.

Selbst für den Fall des Vorliegens eines derartigen Versammlungstatbestandes erfordert in diesem Zusammenhang die diesbezügliche Rechtsprechung eine entsprechende Abwägung. Demnach sind Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Versammlungsfreiheit (wie auch in die damit untrennbar zusammenhängende Meinungsäußerungsfreiheit) nur zulässig, soweit dies zum Schutz eines der Rechtsgüter notwendig ist, die in Art 11 Abs 2 bzw Art 10 Abs 2 EMRK aufgezählt sind. In diesem Zusammenhang hat der Verfassungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen, dass an sich verwaltungsbehördlich strafbares Handeln im Sinne des § 6 VStG dann gerechtfertigt ist, wenn es im Zusammenhang mit einer Versammlung gesetzt wird und zur Durchführung der Versammlung erforderlich ist.

In diesem Zusammenhang ist bezogen auf die vorliegende Beschwerdeentscheidung nicht erkennbar, dass das Verharren der Beschwerdeführer und letztlich deren Niedersetzen am Gehsteig für die Kundgabe ihres "Unverständnisses" gegenüber der angemeldeten Veranstaltung zwingend notwendig war. Auf dieser Linie liegt auch die Rechtsprechung des EGMR, der bei nicht nach dem nationalen Recht ordnungsgemäß angemeldeten Versammlungen eine Bestrafung wegen dabei begangener Delikte nur dann als zulässig ansieht, wenn sich aufgrund einer Abwägung ergibt, dass damit kein unverhältnismäßiger Eingriff der Versammlungsfreiheit erfolgt (vgl VwGH vom 15.10.2009, 2007/09/0307). Im vorliegenden Fall ist mit dem Versuch der Freihaltung eines entsprechenden Teiles des Staatsbrückengehsteiges für die Abhaltung der (angemeldeten) Kundgebung und der damit verbundenen Aufforderung gegenüber den Beschwerdeführern, den Gehsteig für diesen Bereich freizuhalten, kein unverhältnismäßiger Eingriff in deren allenfalls anzunehmenden Versammlungsfreiheit zu erkennen.

Im Übrigen erscheint es als grundrechtsbedenklich, wenn eine Gruppe in der Ausübung ihres Grundrechtes der Versammlungsfreiheit durch die konsenslose faktische Herstellung eines gesetzwidrigen Zustandes in ihrer Grundrechtsausübung eingeschränkt wäre und letztlich der konsenswidrige Zustand unter Berufung auf die Ausübung entsprechender Freiheitsrechte privilegiert würde.

Der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 19.06.2008, B1011/07, festgehalten, dass im Hinblick auf die verfassungsgesetzlich gewährleistete Versammlungsfreiheit davon auszugehen ist, dass ein Verhalten, das an sich dem Tatbestand einer Verwaltungsübertretung entspricht, von der Rechtsordnung erlaubt und damit gemäß § 6 VStG dann gerechtfertigt sein kann, wenn es unbedingt notwendig ist, um die Versammlung in der beabsichtigten Weise durchzuführen. Auch in diesem Sinn kann im hier verfahrensgegenständlichen Verhalten der Beschwerdeführer, dem schlichten Verharren derer auf dem Gehsteig der Staatsbrücke nicht der Sinn beigemessen werden, dass dieses Verhalten im vorstehenden Sinne unbedingt notwendig war, um ihren Widerspruch gegenüber dem "Gebetszug" zum Ausdruck zu bringen. Im Übrigen ist aus den Videoaufzeichnungen in Bezug auf die Beschwerdeführer konkret keine ausdrückliche Artikulation, in welcher Form immer, gegenüber dieser Veranstaltung – abgesehen von deren schlichten Aufhältigkeit vor Ort (und einer kurzen Verbaläusserung eines Beschwerdeführers [C.]) – zu erkennen.

Der nur rd. 30 Meter weiter nördlich "versammelten" Gruppe war es auch unbehelligt möglich ihren Unmut gegenüber der konsensgemäß abgeführten Versammlung kundzutun.

Ein Rechtfertigungstatbestand im Sinne der Versammlungsfreiheit, wie es von den Beschwerdeführern ins Treffen geführt wird, ist daher nicht zu erkennen und somit vom Vorliegen einer entsprechenden Übertretung bzw dem Nichtvorliegen eines entsprechenden Rechtfertigungstatbestandes auszugehen. In Ansehung des unstrittigen und offenkundigen Verharrens in der verwaltungsstrafbaren Handlung ist damit die vorliegende Festnahme als rechtmäßig im Sinne der oben angeführten und der Festnahme zugrunde gelegten normativen Grundlage zu erkennen.

Aufgrund der konkreten örtlichen Gegebenheiten und sachlichen Notwendigkeit (Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes in Form der Freimachung des Gehsteiges) und der unmittelbar anrainend situierten PI Rathaus war die Verbringung der Festgenommenen dorthin zur weiteren rechtlichen Abhandlung (Identitätsfeststellung sowie Gewährleistung einer nicht möglichen Tatwiederholung) sachlich wie rechtlich "naheliegend".

Gemäß den Bestimmungen des § 36 VStG ist der Festgenommene unverzüglich der nächsten sachlich zuständigen Behörde zu übergeben, oder aber, wenn der Grund der Festnahme schon vorher wegfällt, freizulassen. Grundsätzlich wäre als Grund für die weitere Anhaltung im Sinne der gegenständlichen Bestimmung die behördliche Einvernahme eines Angehaltenen (§ 36 Abs 1 Satz 3 VStG) vorgesehen. Nach dem gegenständlichen Geschehensablauf hat es eine solche im gesamten weiteren Verlauf des Anhalteszenarios nicht gegeben. Nach den diesbezüglichen Ausführungen der belangten Behörde in der Gegenschrift war eine solche ursprünglich noch beabsichtigt und wurden die Beschwerdeführer zu diesem Zwecke in das Polizeianhaltezentrum gebracht, wurde letztlich dann doch aus nicht näher dargelegten Gründen auf diese Einvernahme verzichtet. Im Hinblick auf das Fehlen des grundsätzlich nach den gegenständlich normativen Grundlagen vorgesehenen finalen Zweckes einer Festnahme (der behördlichen Einvernahme) kann in der weiteren Aufrechterhaltung der Festnahme nach der ersten Identitätsfeststellung im Bereich der PI Rathaus ein Rechtmäßigkeitszusammenhang dieser Maßnahme nicht mehr erkannt werden und war die Anhaltung daher ab diesem Zeitpunkt als rechtswidrig festzustellen.

Im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bilden die zur Umsetzung einer ausgesprochenen Verhaftung gesetzten Maßnahmen mit der Verhaftung eine Einheit, was letztlich zu dem Ergebnis führt, dass im Falle einer von vornherein rechtswidrigen Festnahme auch alle nachfolgenden Akte zur Durchsetzung derselben (etwa auch das Anlegen von Handfesseln) rechtswidrig sein müssen (vgl VwGH vom 22.10.2002, 2001/01/0388). Angesichts der vorhin festgestellten Rechtswidrigkeit zur weiteren Aufrechterhaltung der Anhaltung der Beschwerdeführer ist somit unabhängig von der Beurteilung der Notwendigkeit der Anlegung von Handfesseln im vorliegenden Fall im Sinne der vorstehend zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Anlegen derer als rechtswidrig zu beurteilen.

Im Zusammenhang mit der Anfertigung der Lichtbilder ist aus den seitens der Beschwerdeführer geschilderten Gesamtumständen, wie sie im Übrigen auch im Wesentlichen von den polizeilichen Zeugen bestätigt wurden, dass dererseits keine Einwilligung zum Anfertigen solcher bestanden hat (die Beschwerdeführer haben sich abgewandt, haben zum Teil die Hände vor das Gesicht gehalten, wurden in unmittelbarer Anwesenheit polizeilicher Organe aufgefordert, sich entsprechend zu positionieren) und ergibt sich daraus unzweifelhaft ein entsprechender Befehls- und Zwangscharakter in Ausübung hoheitlicher Macht, sodass in der Aufforderung der Duldung bzw Positionierung zur Ermöglichung entsprechender Lichtbildaufnahmen ohne Zweifel das Vorliegen eines Befehls- und Zwangsaktes anzunehmen ist. Eine normative Grundlage zur "positiven" Gestattung eines derartigen Vorgehens kann nicht erkannt werden. Die schlichte polizeitaktische und unter Umständen auch im faktischen Interesse der Betroffenen (Beweissicherung) gelegene Zweckmäßigkeit einer solchen Vorgangsweise mag außer Diskussion stehen, eine normative Grundlage im Sinne der grundsätzlichen Zulässigkeit einer solchen für dieses behördliches Einschreiten ist nicht zu erkennen und war diese Maßnahme somit in Bezug auf jeden einzelnen Beschwerdeführer als rechtswidrig festzustellen.

Die Kostenentscheidung gemäß § 35 VwGVG geht von einem bloß teilweisen Obsiegen der jeweiligen Partei hinsichtlich der in Rede stehenden, als Einheit zu wertenden Amtshandlung aus. Ein Kostenersatz findet in diesem Fall nicht statt, weil eine Anwendung von § 35 Abs 2 und 3 nur bei gänzlichem Obsiegen in Frage kommt (vgl. bspw VwGH vom 31.01.2013, 2008/04/0216 mit weiteren dementsprechenden Judikaturhinweisen zur inhaltsgleichen "Vorgängerbestimmung", des § 79a AVG).

Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der oben angeführten höchstgerichtlichen Rechtsprechung ab, noch fehlt es an einer solchen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung in dem Sinn zukommt, dass die Entscheidungswirkung über den konkreten jeweiligen Einzelfall hinausginge (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/05/0004).

Schlagworte

Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt, Festnahme, Anhaltung, Anlegen von Handfesseln und Anfertigung von Lichtbildern, Versammlungsfreiheit

Anmerkung

VwGH vom 4.5.2015, Ra 2015/02/0070-4, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGSA:2015:LVwG.12.16.9.2015..LVwG.12.17.18.10.2015..LVwG.12.19.11.2015

Zuletzt aktualisiert am

07.03.2016
Quelle: Landesverwaltungsgericht Salzburg LVwg Salzburg, https://www.salzburg.gv.at/lvwg
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