TE Lvwg Beschluss 2019/12/9 LVwG-AV-1335/002-2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.12.2019
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Entscheidungsdatum

09.12.2019

Norm

VwGVG 2014 §28 Abs3
AVG 1991 §59 Abs1
StVO 1960 §91 Abs1

Text

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch seinen Einzelrichter Dr. Schwarzmann über die Beschwerde von A, vertreten durch C, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 16.9.2019, ***, betreffend einen Auftrag zur Entfernung von Bäumen nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 u.a., folgenden

B E S C H L U S S :

1.       Der Beschwerde wird insoferne stattgegeben, als die Spruchpunkte 1. und 2. des angefochtenen Bescheides aufgehoben werden und die Angelegenheit diesbezüglich an die belangte Behörde zurückverwiesen wird.

2.       Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Spruchpunkte 3. und 4. des angefochtenen Bescheides richtet, als unzulässig zurückgewiesen.

3.       Der Antrag, die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten, wird zurückgewiesen.

4.       Gegen diesen Beschluss ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§ 14, § 15, § 17, § 28 Abs. 1 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG
§ 91 Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 – StVO 1960

§ 59 Abs. 1, § 74 Abs. 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG

§ 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

B e g r ü n d u n g :

Mit dem angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Horn (im Folgenden: „belangte Behörde“) wurde

(1.) (gestützt auf § 91 Abs. 1 StVO 1960) die Beschwerdeführerin „als eingeantwortete Erbin des Grundstückes von Herrn B zur Entfernung der geschädigten Bäume auf dem Grundstück Nr. ***, KG ***, welche sich neben der Gemeindestraße, Wegparz. Nr. *** befinden und welche auf den 25 Fotos gemäß der angeschlossenen Beilage, welche einen Bestandteil dieses Bescheides darstellt, ersichtlich sind, innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheides“ beauftragt,

(2.) (gestützt auf § 13 Abs. 2 VwGVG) die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen Spruchpunkt 1. ausgeschlossen,

(3.) (gestützt auf § 14 Abs. 1 VwGVG) ihre „Berufung“ vom 31.5.2019 gegen die Handlungsanweisung vom 15.5.2019 mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen und

(4.) (gestützt auf § 14 Abs. 1 VwGVG) ihr „Einspruch“ vom 3.9.2019 gegen die Handlungsanweisung vom 13.8.2019 mangels Vorliegen eines Bescheides als unzulässig zurückgewiesen.

Die belangte Behörde begründete diesen der Beschwerdeführerin am 15.10.2019 zugestellten Bescheid im Wesentlichen wie folgt:

„Am 14.03.2019 wurde im Zuge eines Lokalaugenscheins anlässlich einer Verkehrsverhandlung bei der Gemeindestraße Wegparzelle Nr. ***, KG *** (in einer anderen Angelegenheit) durch den verkehrstechnischen Amtssachverständigen festgestellt, dass die Äste der Lindenbäume, welche sich auf dem Grundstück Nr. ***, KG *** befinden, einen schlechten Erhaltungszustand aufweisen und aus verkehrstechnischer Sicht jedenfalls das Lichtraumprofil der Straße, zumindest 45 cm außerhalb des Fahrbahnrandes bis auf eine Höhe von 4,50 m, von jedem Bewuchs freizuhalten ist, da ansonsten eine Gefährdung der Verkehrssicherheit vorliegt. (…) Mit Schreiben vom 15.05.2019 wurde die (…) Aufforderung zur Entfernung der Bäume, welche die Verkehrssicherheit beeinträchtigten, an Sie als Eigentümerin des Grundstückes Nr. ***, KG *** gerichtet und Ihnen eine Frist bis 10.06.2019 für die Entfernung gesetzt. (…) Daraufhin langte am 31.05.2019 ein Schreiben (…) ein mit welchem Sie (…) Berufung gegen das Schreiben der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 15.05.2019 erhoben und insbesondere vorbrachten, dass (…) Verfahrensvorschriften nicht eingehalten und das Parteiengehör nicht gewahrt wurde. Am 16.07.2019 teilte der Bürgermeister der Marktgemeinde *** der Bezirkshauptmannschaft Horn mit, dass beim letzten Sturmereignis von einem schadhaften Baum auf Grundstück Nr. ***, KG ***, ein Ast mit einem Durchmesser von ca. 50 cm auf die Gemeindestraße, Wegparzelle Nr. ***, KG ***, abgefallen ist (…). Der Amtssachverständige für Forstwesen führte am 17.07.2019 einen Lokalaugenschein durch und stellte dabei in seinem Befund vom 06.08.2019 fest, dass die Bäume aufgrund von sehr großen Astwunden mit sogenannten „Aufreiterungen“ reagierten. (…) In seinem Gutachten hielt der Amtssachverständige für Forstwesen fest, dass auf Grundlage einer rein optischen Ansprache eine Gefährdung der Sicherheit für sich in diesem Bereich aufhaltenden Personen und dort befindlichen Sachen nicht ausgeschlossen werden kann. Zudem geht er davon aus, dass die Bäume aufgrund ihrer Beeinträchtigungen eine verminderte Standfestigkeit und eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen. Aufgrund der abgebrochenen kleineren und größeren Äste bei den letzten Sturmereignissen, empfiehlt der Amtssachverständige für Forstwesen die Entfernung der Bäume dringendst. Der Befund und das Gutachten des Amtssachverständigen für Forstwesen wurde Ihnen mit ha. Schreiben vom 13.08.2019 (…) zur Kenntnis gebracht. Am 03.09.2019 langte Ihre als „Einspruch gegen die Handlungsanweisung“ vom 13.08.2019, ***, bezeichnete Eingabe bei der Bezirkshauptmannschaft Horn ein. Folgender Sachverhalt steht aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens fest: Sie sind Eigentümerin des Grundstückes Nr. ***, KG ***. Auf diesem Grundstück befinden sich Lindenbäume, die aufgrund ihrer vorliegenden Beeinträchtigungen eine geminderte Standfestigkeit sowie eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen, wodurch die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird. Trotz Aufforderungen der Bezirkshauptmannschaft Horn vom 15.05.2019 und 13.08.2019 kamen Sie als Eigentümerin der Entfernung dieser Bäume nicht nach. (…) Rechtsgrundlagen: (…) Die tatsächliche und konkret vorhandene Gefahr ergibt sich bereits aus den Vorkommnissen bei einem Sturmereignis im Juli 2019, bei welchem ein ca. 50 cm dicker Ast von dem Bäumen auf Ihrem Grundstück Nr. ***, KG ***, auf die Gemeindestraße, Wegparzelle Nr. ***, KG ***, gestürzt ist. Demnach liegt jedenfalls eine unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vor, da die Bäume aufgrund ihrer vorhandenen Beeinträchtigungen eine geminderte Standfestigkeit sowie eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen und dadurch ein jederzeitiges Umstürzen der Bäume auf die Gemeindestraße, Wegparzelle Nr. ***, KG ***, zu befürchten ist. (…) Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit ist auszuführen, dass nach Rücksprache mit dem Amtssachverständigen für Forstwesen das Umstürzen der gegenständlichen Lindenbäume durch keine andere, weniger in Ihr Eigentumsrecht eingreifende Maßnahme möglich ist, da die Beseitigung der unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit nur durch die Entfernung erreicht werden kann. (…) Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung war aufgrund des berührten öffentlichen Interesses der Verkehrssicherheit wegen Gefahr im Verzug dringend geboten, um eine Schädigung von Verkehrsteilnehmern durch die vorzeitige Vollstreckbarkeit dieses Bescheides zu verhindern. (…) Da Beschwerden nur gegen Bescheide von Verwaltungsbehörden und nicht gegen bloße Aufforderungsschreiben ohne normativer Aussage erhoben werden können, war aufgrund der fehlenden Bescheidqualität (…) Ihre als Beschwerde gewertete „Berufung“ (…) bzw. „Einspruch“ zurückzuweisen“.

In ihrer rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde vom 10.11.2019 beantragt die Beschwerdeführerin, die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auszusprechen, den angefochtenen Bescheid ersatzlos aufzuheben und die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten (wobei alle regelmäßig anfallenden Kosten begehrt werden), und zwar im Wesentlichen mit folgender Begründung: Am südlichen Ortseingang zur Gemeinde *** sei Ende des 19. Jahrhunderts die damalige *** beidseitig mit Lindenbäumen bepflanzt worden. Der Straßenverlauf habe einen Uferdamm zum Überschwemmungsgebiet des *** gebildet, und das beidseits angrenzende Gelände sei deutlich tiefer gelegen gewesen als das Straßenniveau. Mit Bescheid der NÖ Landesregierung vom 8.2.1952 sei der linke Teil der Lindenallee zum Naturdenkmal erklärt worden, wobei nicht angeführt gewesen sei, auf welchem Grundstück und in welcher Anzahl der Schutzgegenstand lokalisiert sei. Bescheidadressaten seien die Bundesstraßenverwaltung und Mitbeteiligte D „als Grundeigentümerin“ gewesen. D sei nie Eigentümerin der Böschung (GrstNr ***) zum *** (GrstNr ***) gewesen, sondern von 1925 bis 1989 die Familie E. 1989 sei GrstNr ***, nicht aber GrstNr *** verkauft worden. Ein Grenzverlauf zwischen dem um 1958 aufgelassenen Verlauf der ***, nunmehr Gemeindestraße (GrstNr ***), und der ***uferböschung (GrstNr ***) sei in der Natur nicht ersichtlich. Diese etwa 250 m lange Böschung sei jeweils spitz zulaufend nur etwa 2 bis 5 Meter breit. Für die Annahme der belangten Behörde, dass die zu fällenden Bäume auf dem Grundstück Nr. *** stockten, gäbe es keine Urkunden. Tatsächlich stockten die Lindenbäume am Bankett der damaligen Bundesstraße ***, jetzt Gemeindestraße (GrstNr ***). Das Bankett sei straßenbautechnisch zwingend für die Standsicherheit der Gemeindestraße erforderlich und zwingender Bestandteil der unbeschränkt befahrbaren Gemeindestraße. Es könne somit nicht einem anderen angrenzenden Grundstück zugezählt werden. Die Unterlassung eines Ermittlungsverfahrens im spruchentscheidenden Punkt sei so schwerwiegend, dass sie mit Gesetzlosigkeit gleichzusetzen sei. Die Bäume seien nicht von den Eigentümern des Grundstückes *** auf ihrem Grundstück gepflanzt worden, sondern von der damaligen Reichsstraßenverwaltung wie damals üblich am Straßenrand und nicht neben der Straße auf Fremdgrund. An der örtlichen Situation habe sich nichts geändert; geändert habe sich bloß die Höhenlage des Fahrbahnniveaus durch Anschüttungen. Als Straße sei nicht bloß die Fahrbahn, sondern auch die dazugehörigen Anlagen zu verstehen. Die zu fällenden Bäume stünden am Straßenrand und nicht neben der Straße, wie dies § 91 StVO insinuiere. Die bloße Einantwortung eines Grundstückes mache die Erbin nicht zur Grundeigentümerin im Sinne des § 91 StVO. Die Beschwerdeführerin könne über das Grundstück nicht frei wie eine Grundeigentümerin verfügen, da das Finanzamt seit mehr als einem Jahrzehnt die Ausstellung einer Freilassungserklärung verweigere; selbst das Bezirksgericht *** sei daran für eine zwangsweise Intabulierung gescheitert. § 21 Grundbuchsgesetz verhindere jegliche Veränderung am Gutsbestand. Ein eingeantwortetes, aber nicht intabuliertes Grundstück begründe bei einem aufrechten Eigentumsvorbehalt der Republik Österreich bei der Erbin kein Grundeigentum mit der innewohnenden freien Verfügbarkeit von Eigentum, sondern bloß eine bedingte Anwartschaft auf ein künftiges Grundeigentum. Im angefochtenen Bescheid fehle die Kennzeichnung des Spruches, weshalb nicht feststellbar sei, was von der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen werde. Ein sachlicher Grund für die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde, etwa Gefahr in Verzug oder sonstige öffentliche Interessen, bestehe nicht. Seit März 2019 habe es mehrere Sturmtage gegeben, ohne dass irgendein Ast abgebrochen und auf die öffentliche Verkehrsfläche gefallen wäre. Wäre tatsächlich Gefahr in Verzug, müsste die Gemeindestraße aus Sicherheitsgründen gesperrt werden, was augenscheinlich nicht der Fall sei. Die Gemeinde lasse Bauarbeiten unter den Lindenbäumen durchführen, und die Mitarbeiter des Bauhofes und die Besucher des angrenzenden Pfadfinderheimes parkten ungeniert ihre Kfz auf der bestenfalls zweispurigen Gemeindestraße, sodass die Fußgänger auf der Richtungsfahrbahn zu gehen gezwungen seien. Eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wäre reine Schikane mit dem Ziel, dass der Beschwerdeführerin die entscheidenden Beweismittel dauerhaft entzogen würden. Sachlich zutreffend wäre ein allfälliger Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO an den Eigentümer des Grundstückes Nr. ***, auf dem die Lindenbäume tatsächlich stockten, zu erteilen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich, dem die belangte Behörde diese Beschwerde mitsamt ihrem Akt vorgelegt hat, hat dazu wie folgt erwogen:

Gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 hat die Behörde die Grundeigentümer aufzufordern, Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, welche die Verkehrssicherheit, insbesondere die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf die Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs oder welche die Benützbarkeit der Straße einschließlich der auf oder über ihr befindlichen, dem Straßenverkehr dienenden Anlagen, z. B. Oberleitungs- und Beleuchtungsanlagen, beeinträchtigen, auszuästen oder zu entfernen.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin durch Einantwortung außerbücherliche Eigentümerin des Grundstückes Nr. *** EZ *** KG ***, das westlich an das im Eigentum der Marktgemeinde *** stehende Straßengrundstück Nr. *** EZ *** KG *** grenzt, geworden ist. Gemäß § 819 ABGB wird – wie die belangte Behörde richtig erkannt hat – das Eigentum bereits durch die Einantwortung der Erbschaft begründet (Durchbrechung des Eintragungsgrundsatzes; die Eintragung hat nur mehr deklarative Bedeutung), d.h. der Erbe tritt als Gesamtrechtsnachfolger in die Rechtsstellung des Verstorbenen mit allen Rechten und Pflichten, auch wenn die in der Beschwerde erwähnte Bestimmung des § 21 GBG die Bedachtnahme auf die tatsächlichen Eigentumsverhältnisse verhindert, solange sie nicht im Grundbuch ihren Niederschlag gefunden haben (vgl. Spruzina in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.02 § 819, rdb.at), weil sich diese Bestimmungen nur auf den Grundbuchsverkehr beziehen, d.h. an der Beurteilung, dass die Beschwerdeführerin durch die Einantwortung bereits nach materiellem Recht Grundstückseigentümerin geworden ist, änderte sich auch nichts, wenn – wie in der Beschwerde vorgebracht – wegen Nichtvorliegens einer Unbedenklichkeitsbescheinigung des Finanzamtes noch keine Grundbuchseintragung vorgenommen werden dürfte (§ 160 Abs. 1 BAO).

Die StVO 1960 verpflichtet an einigen Stellen (vgl. § 33, § 91, § 93) die „Eigentümer“ von Grundstücken bzw. Liegenschaften zu einem bestimmten Verhalten, ohne den Eigentümerbegriff zu definieren. Bei der Auslegung dieses Begriffes „Eigentümer“ in der StVO 1960 ist somit auf die allgemeinen Bestimmungen des Zivilrechts zurückzugreifen, so auch auf § 819 ABGB, zumal die StVO 1960 keine Bestimmungen enthält, nach denen es ausschließlich auf den Grundbuchsstand ankäme. – So ist zwar geklärt, dass die Beschwerdeführerin auch als außerbücherliche Eigentümerin im Sinne des § 91 Abs. 1 StVO 1960 als „Grundeigentümerin“ des Grundstückes Nr. *** anzusehen ist, aber damit steht noch nicht automatisch fest, ob sich die vom angefochtenen Bescheid betroffenen Bäume auch auf diesem Grundstück befinden und ob die Beschwerdeführerin auch die Verpflichtung zu ihrer Entfernung trifft.

Die Beschwerdeführerin hat bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren bestritten, dass sich die Bäume auf ihrem Grundstück befänden. Nach § 421 ABGB wird das Eigentum eines Baumes nicht nach den Wurzeln, die sich in einem angrenzenden Grund verbreiten, sondern nach dem Stamm bestimmt, der aus dem Grund hervorragt. Steht der Stamm auf den Grenzen mehrerer Eigentümer, so ist ihnen der Baum gemein. – Somit richtet sich das Eigentum an Bäumen nach der Situierung der Austrittsstelle des Stammes und steht der Grenzbaum (Hervorragen des Stammes an der Grenze zweier Grundstücke) im Miteigentum der Liegenschaftseigentümer (vgl. Mader in Klete?ka/Schauer, ABGB-ON1.03 § 421, rdb.at). Im Akt der belangten Behörde befindet sich zwar die Kopie eines Protokolls über eine Grenzverhandlung vom 14.8.2019, wonach die Beschwerdeführerin einen Grenzverlauf anerkannt hat, und eines Vermessungsplanes des Geometers F vom 20.8.2019, aber die Situierung der Baumstämme ist darauf nicht festgehalten. Der Mitteilung der Marktgemeinde *** per Mail vom 13.9.2019, dass „die Bäume eindeutig im Besitz“ der Beschwerdeführerin sind, steht das Beschwerdevorbringen entgegen. Es fehlt ein nachvollziehbares Ermittlungsergebnis, wo die Stämme der Bäume neben der Straße situiert sind, um zu klären, ob das Vorbringen der Beschwerdeführerin, dass sämtliche (!) betroffenen Bäume auf dem im öffentlichen Gut stehenden Grundstück Nr. *** stockten (und folglich im Eigentum der Marktgemeinde *** stünden), richtig ist oder nicht.

Wenn dann nachvollziehbar feststeht, dass Bäume im Eigentum der Beschwerdeführerin stehen, ist eine Aufforderung gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 nach dem Gesetzeswortlaut einerseits dann zu erlassen, wenn diese die Verkehrssicherheit beeinträchtigen; das Gesetz erwähnt als Beispiele, wenn ein Baum die freie Sicht über den Straßenverlauf oder auf Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs beeinträchtigt. Andererseits ist ein Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 auch dann zu erteilen, wenn ein Baum die Benützbarkeit der Straße und damit indirekt die Verkehrssicherheit beeinträchtigt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zu § 91 Abs. 1 StVO 1960 u.a. judiziert, dass diese Vorschrift die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit betrifft. Es handelt sich dabei um vorbeugende Maßnahmen, welche die zuständige Verwaltungsbehörde (hier: gemäß § 94b Abs. 1 lit. b StVO die Bezirksverwaltungsbehörde) anzuordnen hat, um Unfälle zu vermeiden. Die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit muss aber tatsächlich konkret vorhanden sein oder unmittelbar drohen. Unzulässig ist daher ein Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960, weil bloß die allgemeine Befürchtung besteht, dass ein Baum bei einem Unwetter umstürzen könnte. In diesem Zusammenhang wird auf folgende Ausführungen von Gaisbauer in ZVR 1999, 220, verwiesen: „Was vielen nicht bekannt ist: Es gibt keine absolut sicheren Bäume - und es kann sie auch nicht geben. Der Baum ist ein Lebewesen und entzieht sich als solches einer definitiven Beurteilung insb. seiner Lebenserwartung. (…) Es gibt Ast- und Baumbrüche in völlig normaler Häufigkeit, ohne dass ein Schuldiger vorhanden sein muss. Nicht jeder herabfallende Ast oder umstürzende Baum führt zu einer Haftung; gerade auch Schäden durch Bäume können im Einzelfall die Verwirklichung des allgemeinen Lebensrisikos darstellen. Es entspricht der Erfahrung, dass auch gesunde Bäume bei nicht allzu schwerem Sturm umgeweht werden können; die sich hieraus ergebenden Folgen müssen als Auswirkungen der Naturgewalt als eigenes Risiko hingenommen werden.“ - Besteht jedoch z.B. infolge starker Neigung, hohen Alters oder Krankheit eines Baumes eine konkrete Gefahr des Umstürzens, ist ein Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 zulässig (vgl. VwGH 14.12.2012, 2012/02/0216, mwN).

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 17.6.1983, B 329/78) ergibt sich aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang, in dem § 91 Abs. 1 StVO steht, dass diese Bestimmung die Behörde nur dazu ermächtigt, den Auftrag zu erteilen, solche Bäume auszuästen oder zu entfernen, die durch ihre unmittelbare Situierung neben der Straße einen negativen Einfluss auf den sich auf der Straße abwickelnden Verkehr haben, und dass eine extensivere Auslegung zur Verfassungswidrigkeit führen würde; nicht Bau und Bestand der Straße an sich sollen durch diese Vorschrift gesichert werden, sondern der aktuelle Betrieb und die laufende Benützbarkeit der Straße.

Nach der Rechtsprechung beider Höchstgerichte stellt eine dem Grundeigentümer nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 aufgetragene Maßnahme einen vom Gesetzgeber im Interesse der Verkehrssicherheit für zulässig erklärten Eingriff in das Eigentum dar. § 91 Abs. 1 StVO 1960 ist so ausgestaltet, dass es nur dann zur Eigentumsbeschränkung kommt, wenn das öffentliche Interesse konkret vorhanden ist, denn es darf erst dann ein Bescheid erlassen werden, wenn ein Baum eine solche Beschaffenheit erlangt hat, dass eine tatsächliche Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bzw. der Benützbarkeit der Straße gegeben ist; eine solche liegt z.B. vor, wenn der konkrete Verkehr nicht mehr so ablaufen kann, wie er eigentlich könnte (vgl. Zeleny, Einige verfassungsrechtliche Probleme des § 91 Abs 1 und 2 StVO, ZVR 1999, S. 297 ff., FN 70). Wenngleich die Behörde nach dieser Gesetzesstelle dem Grundeigentümer nicht nur die Ausästung, sondern gegebenenfalls sogar die Entfernung der darin angeführten Bäume, Sträucher, Hecken und dergleichen, durch die die Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird, aufzutragen hat, ist dennoch im Hinblick auf den mit einer solchen Maßnahme (Entfernungsauftrag) zwangsläufig verbundenen Eingriff in das Eigentum unter Bedachtnahme auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit davon auszugehen, dass ein derartiger Auftrag nicht zulässig ist, wenn mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht werden kann, die Entfernung also nicht das einzige Mittel darstellt, um einer Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit zu begegnen (vgl. VwGH 16.11.2012, 2012/02/0133, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 59 Abs. 1 AVG muss ein Bescheidspruch, durch den eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst werden, dass nötigenfalls seine Durchsetzung im Wege der Zwangsvollstreckung möglich ist. Durch die Spruchfassung muss einerseits dem Beauftragten die überprüfbare Möglichkeit gegeben werden, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, andererseits muss dadurch auch der Umfang einer allfälligen Ersatzvornahme deutlich abgegrenzt sein (vgl. VwGH 13.4.2010, 2009/05/0196). Die von § 59 Abs. 1 AVG geforderte Deutlichkeit bedeutet für Leistungsbescheide also Bestimmtheit (und nicht bloß Bestimmbarkeit) in dem Sinne, dass aufgrund des Bescheides ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann. Daraus folgt, dass die Behörde die aufgetragenen Arbeiten soweit zu konkretisieren hat, dass sowohl für den Verpflichteten als auch für einen von ihm oder der Behörde (im Wege der Ersatzvornahme) beauftragten Fachmann eindeutig erkennbar bzw. abgesteckt ist, welche konkreten Maßnahmen zu treffen sind, weil ansonsten Auffassungsunterschiede zwischen dem Verpflichteten und der Behörde bestehen werden und daher nicht damit zu rechnen ist, dass dem behördlichen Auftrag eindeutig und vollständig entsprochen werden kann, ohne dass darüber Rechtsstreitigkeiten (im Vollstreckungsverfahren) auftreten.

Legt man diese Rechtslage bzw. Rechtsprechung auf den vorliegenden Beschwerdefall um, bedeutet das Folgendes:

Im gegenständlichen Fall hat die belangte Behörde festgestellt, dass sich auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin „Lindenbäume befinden, die aufgrund ihrer vorliegenden Beeinträchtigungen eine geminderte Standfestigkeit sowie eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen“, und den Auftrag „zur Entfernung der geschädigten Bäume auf dem Grundstück“ erteilt. Wäre die belangte Behörde davon ausgegangen, dass alle auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin befindlichen Bäume derart „geschädigt“ sind, dass eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vorliegt, hätte sie den Auftrag zur Entfernung „der Bäume“ oder „aller Bäume“ erteilen müssen; so aber umfasst ihr Auftrag seinem Wortlaut nach nur die „geschädigten“ Bäume, ohne zu präzisieren, welche und wie viele Bäume das sind. Aus dem angefochtenen Bescheid bzw. aus dem Akt geht überhaupt nicht hervor, wie viele Bäume sich überhaupt auf dem Grundstück der Beschwerdeführerin befinden und welche davon „die geschädigten“ sind. Aus diesen Gründen ist der in Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides erteilte Entfernungsauftrag – sollten die Voraussetzungen zu seiner Erteilung überhaupt vorliegen – nicht bestimmt genug, damit ohne Dazwischentreten eines weiteren Ermittlungsverfahrens eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann und damit Rechtsstreitigkeiten nicht auf das Vollstreckungsverfahren verschoben werden.

Das erkennende Gericht sieht sich nun – ausgehend vom zuvor angesprochenen Umstand, dass nicht feststeht, wie viele und welche Bäume im Eigentum der Beschwerdeführerin stehen und welche davon geschädigt sind – aus folgenden Gründen nicht in der Lage, zu prüfen, ob die Voraussetzungen für diesen Auftrag überhaupt gegeben sind, und ihn in merito ausreichend zu konkretisieren:

Beim Ortsaugenschein am 14.3.2019 hat der verkehrstechnische Amtssachverständige DI Strasser festgehalten, dass „Bäume auf Privatgrund mit ihren Ästen in den Verkehrsraum der Straße ragen und teilweise einen Erhaltungszustand aufweisen“, dass „das Lichtraumprofil der Straße (zumindest 45 cm außerhalb des Fahrbahnrandes bis auf eine Höhe von 4,50 m) von jedem Bewuchs freizuhalten ist“, dass „dies im Anlassfall von der Behörde gemäß § 91 StVO vorzuschreiben“ sei und dass „zum Thema des vermuteten schlechten Erhaltungszustandes dieser Bäume auf den Baumkataster des Landes NÖ, wonach Bäume entlang von Landesstraßen regelmäßig überprüft werden müssen“ verwiesen werde und „möglicherweise eine analoge Verpflichtung auch für Gemeindestraßen und privaten Baumbestand bestehe“. – Aus all dem geht nicht hervor, wie viele und welche Bäume konkret in das Lichtraumprofil der Straße ragen und in welchem Zustand die vom Sachverständigen angesprochenen Bäume tatsächlich sind. Auf dieses Gutachten ließe sich allenfalls ein – hier aber eindeutig nicht erfolgter – Auftrag zur Ausästung zwecks Freihaltung des Lichtraumprofils der Straße stützen, nicht aber ein solcher zur gänzlichen Entfernung von Bäumen.

In einer Mitteilung des forsttechnischen Amtssachverständigen G vom 8.7.2019 heißt es: „Das erforderliche Lichtraumprofil im angegebenen Bereich wurde nicht hergestellt. An einer Linde ist ein morscher starker Ast (ca. 15 cm Durchmesser) abgebrochen.“ - In seinem Gutachten vom 6.8.2019, das sich auf eine Besichtigung vom 17.7.2019 stützt, heißt es im Wesentlichen (wörtlich):

„Befund:
Bei dieser Lindenallee handelt es sich um ein ehemaliges Naturdenkmal, welches vor einigen Jahren auf Grund eines nicht sachgerecht durchgeführten Kronenrückschnittes und der daraus resultierenden Nichterfüllung der Kriterien für ein Naturdenkmal aufgehoben worden ist. Die Bäume haben auf den Rückschnitt, bei dem auch sehr große Astwunden verursacht wurden, mit vermehrtem Austrieb aus stammnahen Knospen, sog. Aufreiterungen, reagiert. Diese Aufreiterungen können sehr leicht brechen, vermitteln aber durch die Dichtheit ihrer Belaubung ein gesundes Aussehen der Kronen. Dadurch kann ein Eindruck von Stabilität und Vitalität entstehen, der nicht gegeben ist. Die Belaubungsdichte vermindert auch die Möglichkeit alle Schäden im Kronenbereich und am Stamm zu erkennen. Trotz der dichten Belaubung konnte bei der okularen Ansprache folgendes festgestellt werden: Sämtliche Bäume der Lindenallee weisen ein oder mehrere Beeinträchtigungen auf. Vorzufinden waren: Druckzwiesel, Faulstellen jeder Größe, Überschüttungen des Wurzelbereiches, Fruchtkörper von holzabbauenden Pilzen, Stammrisse, die zwar eine Kallusbildung aufweisen, jedoch bis zum Boden reichen, starke Dürräste, abgestorbene Kronenteile, Starkastabbrüche, alte Grabungs- und Asphaltierungsarbeiten an der Ostseite der Allee im Wurzelbereich aller Bäume. Schon in den letzten Jahren und vor allem Wochen wurden kleinere und größere Äste durch Sturmereignisse abgebrochen. (Fotodokumentation durch Mitarbeiter der Gemeinde *** – Starkastabbruch mit einem Durchmesser von mehr als 40 cm).

Gutachten:
Es wird festgestellt, dass auf Grund des obigen Befundes, auf Grundlage einer rein optischen Ansprache eine Gefährdung der Sicherheit für sich in diesem Bereich aufhaltenden Personen und dort befindlichen Sachen nicht ausgeschlossen werden kann. Gestützt auf bisherige Erfahrungen kann davon ausgegangen werden, dass Bäume mit den oben angeführten Beeinträchtigungen eine verminderte Standfestigkeit und eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen. Da zudem seit Jahren und besonders in den letzten Wochen bei Sturmereignissen immer wieder kleinere und größere Äste und sogar Kronenteile abgebrochen sind, wird die Entfernung der Bäume dringendst empfohlen.“

Die erste Schlussfolgerung des Gutachters, dass eine „Gefährdung der Sicherheit für sich in diesem Bereich aufhaltenden Personen und dort befindlichen Sachen nicht ausgeschlossen werden kann“, reicht nach der oben ausführlich zitierten Rechtsprechung nicht aus, die vom Verwaltungsgerichtshof geforderte konkret vorhandene oder unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit (positiv) anzunehmen, und die zweite – auf „bisherige Erfahrungen“ gestützte – Schlussfolgerung, dass „davon ausgegangen werden kann“, dass Bäume mit den vom Sachverständigen aufgezählten Beeinträchtigungen „eine verminderte Standfestigkeit und eine erhöhte Bruchgefährdung aufweisen“ stellt keine ausreichende Sachverhaltsgrundlage für die Entfernung aller Bäume dar, wenn man den Befund heranzieht, dass „sämtliche Bäume der Lindenallee ein oder mehrere Beeinträchtigungen“ aufweisen; so z.B. wenn ein Baum nur eine der genannten Beeinträchtigungen (z.B. Dürräste) aufweist, sodass allenfalls mit seiner Ausästung das Auslangen gefunden werden könnte, um der Bruchgefahr zu entgegnen. Welche von den zahlreichen Lindenbäumen konkret wegen welcher Umstände (z.B. wegen starker Neigung, hohen Alters oder Krankheit; vgl. die oben zitierte höchstgerichtliche Judikatur) in einem solchen Ausmaß bruch- oder gar umsturzgefährdet seien, sodass deshalb eine konkret vorhandene oder unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bestünde, geht daraus nicht hervor. Aus den vorliegenden 25 Fotos, die zum Bestandteil des Bescheides erklärt wurden, ist dies auch nicht ableitbar (Bäume sind darauf nur ausschnittsweise abgebildet und nicht nummeriert, gekennzeichnet oder beschrieben), und eine Skizze, aus der dies hervorginge, bzw. eine tatsächliche Markierung der Bäume (wie sie im Aktenvermerk vom 16.7.2019 der belangten Behörde vorgeschlagen wurde) liegt nach der Aktenlage nicht vor. In diesem Zusammenhang darf nicht übersehen werden, dass sich § 91 Abs. 1 StVO 1960 auf den Kompetenztatbestand „Straßenpolizei“ in Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG stützt, dass darin die Verfügung einer Maßnahme ausschließlich im Interesse der Verkehrssicherheit normiert ist und dass sich die Straßenverkehrsbehörde auf dieser Grundlage nicht in naturschutz- oder gar zivilrechtlichen Belangen (vgl. § 1319 ABGB zur allgemeinen Sicherungspflicht des Baumeigentümers) „vor den Karren spannen lassen“ darf. Eine Verkehrsbeschränkung wegen Unaufschiebbarkeit (vgl. dazu § 44b Abs. 1 StVO 1960) oder die Anbringung einer Einrichtung zur Sicherung des Verkehrs (vgl. dazu § 98 Abs. 3 StVO 1960) ist nach der Aktenlage nicht erfolgt; im Gegenteil wurde seitens der belangten Behörde (laut Aktenvermerk vom 16.7.2019) nach Rücksprache mit dem Bürgermeister entschieden, dass die Straße nicht gesperrt wird, sondern dass es ausreicht, die Straße nur bei starkem Wind oder Unwetter durch Aufstellung von Absperrgittern faktisch zu sperren; dies ist ein Indiz dafür, dass eine konkret vorhandene oder unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit vielleicht nicht oder nicht hinsichtlich aller Bäume vorlag. Die allgemeine Befürchtung, dass ein Baum bei entsprechenden Witterungsbedingungen umstürzen könnte, ist regelmäßig (auch bei gesunden Bäumen) gegeben; eine konkrete Gefahr des Umstürzens, die erst einen Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 rechtfertigen würde, ist aus dieser Befürchtung nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung nicht ableitbar (vgl. VwGH 25.1.2005, 2004/02/0233).

Somit hätte gegenständlich – um den Anforderungen der zuvor zitierten höchstgerichtlichen Judikatur an einen Auftrag nach § 91 Abs. 1 StVO 1960 bzw. an einen Leistungsbescheid nach § 59 Abs. 1 AVG zu genügen – die belangte Behörde (allenfalls unter Beiziehung eines vermessungstechnischen und eines forsttechnischen Amtssachverständigen) feststellen müssen, bei welchen konkret bezeichneten – tatsächlich auf dem Grundstück Nr. Nr. *** EZ *** KG *** befindlichen und damit im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden – Bäumen aufgrund welcher Umstände eine konkret vorhandene oder unmittelbar drohende Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit (hier: der Benützbarkeit der Straße) vorliegt. Bejahendenfalls hätte sie nachvollziehbar abwägen müssen, ob ein Auftrag zur gänzlichen Entfernung dieser konkreten Bäume das einzige Mittel zur Herstellung der Verkehrssicherheit darstellt oder ob nach dem oben dargestellten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit mit weniger einschneidenden Maßnahmen dasselbe Ziel erreicht, nämlich die Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit beseitigt werden kann, also z.B. mit dem (bloßen) Ausästen bzw. Zurückschneiden (vgl. dazu VwGH 23.3.1988, 88/03/0014). Die in der Begründung des angefochtenen Bescheides angesprochene „Rücksprache mit dem Amtssachverständigen“, wonach die von diesem pauschal angenommene Beeinträchtigung nur durch die Entfernung aller Bäume erreicht werden könne, ist im vorgelegten Akt in keiner Weise dokumentiert und daher für das nicht nachvollziehbar.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.   der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.   die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht nach den Bestimmungen des VwGVG ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch das Verwaltungsgericht, sodass dieses grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden hat. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen ist jedoch bei gravierenden Ermittlungslücken zulässig und kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde – auch in Teilbereichen – zum einen jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat oder wenn sie zum anderen zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer „Delegierung“ der Entscheidung an das Verwaltungsgericht, vgl. VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Die oben angeführten Ermittlungsmängel hindern das Verwaltungsgericht an der Überprüfung des angefochtenen Bescheides auf seine inhaltliche Rechtmäßigkeit. Der maßgebliche Sachverhalt ist in den wesentlichen Teilbereichen (siehe dazu Winkler in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte2, Rz 20 zu § 28 VwGVG) der Anzahl und Situierung der „geschädigten“ Bäume, der konkreten vorhandenen bzw. unmittelbar drohenden Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit bzw. der Benützbarkeit der Straße durch jeden einzelnen Baum und der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Entfernung bzw. der Möglichkeit gelinderer Mittel nicht festgestellt, die Behörde hat dazu notwendige Ermittlungen unterlassen. Im gegenständlichen Fall kann die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht gegenüber der belangten Behörde weder rascher durchgeführt werden noch wäre die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden, dies insbesondere deshalb, da u.a. sowohl die belangte Behörde einschließlich der ihr zur Verfügung stehenden Amtssachverständigen als auch die Beschwerdeführerin – im Gegensatz zum Verwaltungsgericht – mit den örtlichen Gegebenheiten vertraut und in der Regel ständig vor Ort sind; demnach lassen sich die erforderlichen Ermittlungsschritte durch die belangte Behörde nicht nur schneller, sondern auch kostengünstiger durchführen, als dies im verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Fall wäre (vgl. VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315). Durch solche erstmaligen Sachverhaltsfeststellungen in einem (nur eingeschränkt bekämpfbaren) verwaltungsgerichtlichen Erkenntnis würde der Beschwerdeführerin der Instanzenzug ganz erheblich beschnitten. Somit führt die gegenständlich ausgesprochene Aufhebung und Zurückverweisung zu keinerlei Nachteilen für die Beschwerdeführerin.

Angesichts all dieser Umstände ist in vertretbarer Weise vom Vorliegen der Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auszugehen. Somit war hinsichtlich Spruchpunkt 1. des angefochtenen Bescheides spruchgemäß zu entscheiden. Eine mündliche Verhandlung konnte folglich nach § 24 Abs. 2 Z. 1 VwGVG entfallen (vgl. VwGH 15.12.2017, Ra 2016/11/0132).

Zu Spruchpunkt 2. des angefochenen Bescheides:

Mit diesem Abspruch über die Hauptsache ist auch der in der Beschwerde gestellte Antrag, dieser Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, gegenstandslos geworden (vgl. VwGH 10.10.2018, Ra 2018/11/0189).

Zu den Spruchpunkten 3. und 4. des angefochenen Bescheides:

Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG steht es der Behörde im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung).

Gemäß § 15 Abs. 1 VwGVG kann jede Partei binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Die Beschwerdeführerin hat den angefochtenen Bescheid eindeutig zur Gänze bekämpft, führt aber hinsichtlich dessen Spruchpunkten 3. und 4. nicht aus, worin sie sich beschwert erachtet. Die Beschwerde wendet sich insbesondere nicht dagegen, dass die “Berufung“ vom 31.5.2019 und der „Einspruch“ vom 3.9.2019 jeweils als Beschwerde gegen einen Nicht-Bescheid gewertet wurden und dass diese beiden Beschwerden im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung (die belangte Behörde hat die Spruchpunkte 3. und 4. des angefochenen Bescheides ausdrücklich auf § 14 Abs. 1 VwGVG gestützt) erledigt wurden (durch Zurückweisung). Gegen eine Beschwerdevorentscheidung ist aber keine Beschwerde zulässig, somit war diese als unzulässig zurückzuweisen. Zulässig wäre vielmehr nur ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gewesen, der aber binnen zwei Wochen einzubringen gewesen wäre (was nach der Aktenlage nicht geschehen ist); die belangte Behörde hat die vorliegende Beschwerde gegen die Spruchpunkte 3. und 4. des angefochenen Bescheides auch nicht als verspäteten Vorlageantrag qualifiziert (und gemäß § 15 Abs. 3 VwGVG selbst zurückgewiesen), sondern eben als Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Zum Antrag der Beschwerdeführerin, die belangte Behörde zum Kostenersatz zu verpflichten:

Gemäß § 74 Abs. 1 AVG, der gemäß § 17 VwGVG auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren anzuwenden ist, hat jeder Beteiligte die ihm erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten (Grundsatz der Selbsttragung), und gemäß § 74 Abs. 2 AVG bestimmen die Verwaltungsvorschriften. inwiefern einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch zusteht. Ein Kostenersatz für die gemäß § 91 Abs. 1 StVO 1960 Verpflichteten ist aber– mit Ausnahme des in § 91 Abs. 2 StVO normierten Entschädigungsanspruchs, der aber nur Obstbäume (und keine Lindenbäume) betrifft – in der StVO 1960 nicht vorgesehen. Somit war der Antrag, die belangte Behörde zum Ersatz der anfallenden Kosten zu verpflichten, zurückzuweisen.

Zum Revisionsausspruch:

Die Revision ist unzulässig, da sie nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, und die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Zudem stellen die – hier im Einzelfall beurteilten – Fragen (insb. die einzelfallbezogene Beurteilung, dass in wesentlichen Teilbereichen nicht ermittelt wurde; vgl. VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0232) keine „Rechtsfragen von grundsätzlicher, über den Einzelfall hinausgehender Bedeutung“ (vgl. VwGH 23.9.2014, Ro 2014/01/0033) dar.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Straßenverkehr; Verfahrensrecht; Bescheidspruch; Bestimmtheit; Zurückverweisung;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1335.002.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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