Entscheidungsdatum
02.09.2019Index
L82007 Bauordnung TirolNorm
BauO Tir 2018 §33 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol fasst/erkennt durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerde der 1. AA und 2. des BB, beide wohnhaft in Z, Adresse 1, gegen den Bescheid des Stadtmagistrates der Stadtgemeinde Z vom 24.04.2019, Zl *****, betreffend die Erteilung der Baubewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Wohnhauses auf dem Grundstück **1 KG Y und die verfügte Duldung einer Fremdgrundinanspruchnahme, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung (den)
I.
Beschluss:
1. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wird aus Anlass der Beschwerde ersatzlos behoben und das diesem Spruchpunkt zugrundeliegende Verfahren eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
II.
zu Recht:
1. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I – III. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang, Beschwerdevorbringen:
Mit Bescheid vom 24.04.2019, Zl ***** erteilte die belangte Behörde über Antrag des Herrn CC, Adresse 2, X, die baurechtliche Bewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Wohnhauses auf Gst **1 KG Y und verfügte gleichzeitig unter Spruchpunkt IV. dass ua die Beschwerdeführer eine vorübergehende Inanspruchnahme des Grundstückes **2 KG Y zur Ausführung des unter Spruchpunkt I. bis III. bewilligten Bauvorhabens zu dulden haben.
Zur Begründung des Baubewilligungsbescheides führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass das durchgeführte Ermittlungsverfahren ergeben habe, dass das gegenständliche Bauvorhaben den bau- und raumordnungsrechtlichen Vorschriften entsprechen würde, wobei Nachbarrechte im Sinne des § 33 Abs 3 TBO 2018 nicht berührt würden.
Gegen diesen Bescheid erhoben AA und BB, beide wohnhaft in Z, Adresse 1, Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol.
Zur Begründung des Rechtsmittels wurde zusammengefasst im Wesentlichen vorgebracht, dass einer Baubewilligung die fehlende rechtlich gesicherte Zufahrt zum Bauplatz entgegenstehen würde. Das Baugrundstück sei über einen Privatweg erschlossen, wobei das dem Bauwerber eingeräumte Servitut zur Benützung dieses Weges auf die Errichtung eines Einfamilienhauses mit einer maximalen Wohnfläche von 25% der Fläche des Baugrundstückes eingeschränkt sei. Das vorliegende Bauvorhaben ignoriere dieses Servitut, indem die Baudichte maximiert werde. Die längste Ausdehnung des Baukörpers betrage 26 Meter und sei als massive Barriere sichtbar. Das Erdgeschoßniveau werde um ca. 1 Meter im Vergleich zum jetzigen Bestand angehoben. Auf das massive Erdgeschoß werde weiters eine massive Terrassenkrone aufgesetzt. Hinzu komme eine weiterführende vertikale Ausführung auf Terrassenniveau, die in der Einreichplanung nicht ersichtlich sei. Der bestehende geringe Abstand zum Nachbargebäude werde dadurch nochmals verringert, der Lichteinfallswinkel massiv eingeschränkt und die Luftzirkulation vermindert.
Auf dem Pultdach würden stehende Solaranlagen aufgesetzt werden. Daraus resultiere eine vollkommene Wegnahme der Aussicht Richtung Süden, auch weil das Obergeschoß mit Terrasse 1 Meter höher als beim Bestand ansetze und 26 Meter auskrage. Trotzdem seien sämtliche Einsprüche gegen die Bewilligung des Bauvorhabens im Bescheid zurückgewiesen worden. Bei der mündlichen Bauverhandlung seien die Dimensionen des Bauvorhabens von der belangten Behörde auch keinem Augenschein unterzogen worden.
Im Moment bestehe ein durchgehender Grün - Freiraum, der vom DD-Weg über abgestufte Niveaus entlang des Privatweges Adresse 2 bis zur Landesstraße - Abschnitt X-Straße verlaufe und dann in die X-er und Y-er Felder übergehe. Es bestehe eine vorbildhafte städtebauliche Verzahnung mit der umgebenden Natur. Diese großräumigen fließenden Übergänge würden durch den Neubau blockiert werden. Die bestehende Cottagelage werde beim eingereichten Bauvorhaben nicht berücksichtigt.
Die unter Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides genehmigte Fremdgrundinanspruchnahme sei für die Umsetzung des Bauvorhabens nicht notwendig.
Am 26.07.2019 fand vor dem Landesverwaltungsgericht die beantragte Rechtsmittelverhandlung statt, in welcher der hochbautechnische Amtssachverständige EE zum Beschwerdevorbringen gutachterlich befragt festhielt wie folgt:
„Die Höhenausmaße des geplanten Gebäudes zu den Beschwerdeführern hin sind aus der Ansicht Nord ersichtlich. Das höchste Höhenausmaß zum Gelände vor Bauführung beträgt 6,77 m. Nach den gesetzlichen Bestimmungen der Tiroler Bauordnung wäre somit ein Abstand zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer von 4,33 m einzuhalten. Dieser Abstand ist laut den Planunterlagen sowie dem Lageplan eingehalten. Darüber hinaus befinden sich in den Mindestabstandsflächen zum Grundstück der Beschwerdeführer die Tiefgaragenzufahrt sowie das Vordach des Hauptgebäudes. Zum geplanten Vordach ist zu sagen, dass die Fläche des Vordaches von ca 63 m² im Vergleich zur Fläche des Gesamtdaches von ca 213 m² ca 30 % beträgt. Damit ist das Vordach als untergeordnet zu bewerten. Soweit in der Beschwerde von auskragenden Teilen die Rede ist, kann sich das nur auf den westlichen Teil des geplanten Gebäudes beziehen – was der Beschwerdeführer BB auch heute bejaht. Dieser besteht aus einem erdgeschossigen Bauteil, welcher darüber als Dachterrasse genutzt werden soll und einer geplanten Absturzsicherung von ca 1 m. Dadurch ist aber keine Verletzung der gesetzlichen Abstandsbestimmungen nach der Tiroler Bauordnung gegeben.
Auf Frage der Beschwerdeführer AA und BB:
Die Beschwerdeführer befragen den hochbautechnischen Sachverständigen, ob die am Dach im Einreichprojekt ersichtlichen Aufbauten bei der Abstandsberechnung zu berücksichtigen sind?
Der Sachverständige gibt an wie folgt:
Grundsätzlich ist zu sagen, dass die Liftüberfahrt als untergeordneter Bauteil gilt und bei allfälliger Verletzung der Abstandsbestimmungen – was hier nicht vorliegt – trotzdem hineinragen darf.
Der Sachverständige führt darüber hinaus aus, dass laut Bebauungsplan eine absolut zulässige Höhe von 651 m fixiert ist. Das derzeit projektierte Dach weist eine Oberkante von absolut 647,68 m auf, sodass Aufbauten von bis zu 3 m Höhe noch im Einklang mit den Festlegungen im Bebauungsplan wären.
Die Beschwerdeführer befragen den Sachverständigen ergänzend, ob es nicht so ist, dass der Bauwerber durch Anhebung des Geländes letztendlich dafür sorgt, dass die in den Einreichunterlagen angegebenen Höhen mit einem zusätzlichen Meter zu versehen sind, insbesondere auch hinsichtlich der Abgrabungen, die entsprechend höher in Erscheinung treten?
Der Sachverständige gibt an wie folgt:
Selbstverständlich wird durch die Anhebung des Geländes um ca einen Meter das Niveau der Geschoße dieser Höhe angepasst. Allerdings – wie schon beurteilt – entsprechen die dadurch entstehenden Höhen den Abstandsbestimmungen nach § 6 Tiroler Bauordnung.
Die Beschwerdeführer verweisen ausdrücklich darauf, dass bei Verwirklichung des gegenständlich beantragten Bauvorhabens zur Grenze der Beschwerdeführer hin das gegenständliche Gebäude von bisher 11 m Ausdehnung auf eine Ausdehnung von über 26 m anwachsen würde. Damit würde gegenüber den Beschwerdeführern der Lichteinfall wesentlich eingeschränkt werden. Gleiches gilt für die Sicht nach Süden.
Der Sachverständige führt weiters aus wie folgt:
Sollte der Teil des Gebäudes, welcher westlich laut den Beschwerdeführern zu lang errichtet wird, nicht errichtet werden, würde sich so viel frei werdende Baumasse ergeben, dass ein zusätzliches Dachgeschoß gemäß Tiroler Raumordnungsgesetz möglich wäre.“
In der Verhandlung am 26.07.2019 zog der Bauwerber den Antrag auf Fremdgrundinanspruchnahme zurück, wurde die Beweisaufnahme geschlossen und die Entscheidung der schriftlichen Ausfertigung vorbehalten.
II. Sachverhalt:
Gegenstand des in Prüfung stehenden Verfahrens nach der Tiroler Bauordnung 2018 ist die baurechtliche Bewilligung für den Abbruch des Bestandsgebäudes und den Neubau eines Wohnhauses auf Gst **1 KG Y sowie die verfügte Duldung einer Fremdgrundinanspruchnahme.
Der Bauplatz **1 KG Y ist im Flächenwidmungsplan als gemischtes Wohngebiet gemäß
§ 38 Abs 2 TROG 2016 ausgewiesen und im Bebauungsplan *****, in Kraft getreten am 14.01.2012, erfasst. Das im erstinstanzlichen Verfahren von der belangten Behörde eingeholte stadtplanerische Gutachten des FF vom 19.11.2018 nimmt auf diesen Bebauungsplan Bezug.
Für den Bauplatz gilt die offene Bauweise, somit ist das 0,6-fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter zum übrigen Bauland einzuhalten. Weiters ist die maximale Gebäudehöhe mit HGH 651.00 m ü.A. vorgegeben.
Die im Bebauungsplan festgelegten Straßenfluchtlinien verlaufen entlang der öffentlichen Verkehrsflächen der X-Straße und der nord-/süd gerichteten „Stichstraße“ und werden durch das Bauvorhaben nicht überschritten.
Das Wohngebäude ist allseits freistehend von den Grundstücksgrenzen angeordnet. Der Mindestgrenzabstand zum Grundstück der Beschwerdeführer ist gegeben.
Die Höhenausmaße des geplanten Gebäudes zu den Beschwerdeführern hin sind aus der Ansicht Nord ersichtlich. Das höchste Höhenausmaß zum Gelände vor Bauführung beträgt 6,77 m. Der sich daraus ergebende gesetzlich notwendige Abstand zur Grundstücksgrenze der Beschwerdeführer von 4,33 m wird eingehalten.
In den Mindestabstandsflächen zum Grundstück der Beschwerdeführer fallen nur die Tiefgaragenzufahrt sowie das Vordach des Hauptgebäudes. Die Fläche des Vordaches beträgt 63 m². Die Fläche des Gesamtdaches beträgt ca 213 m².
Soweit in der Beschwerde von auskragenden Teilen die Rede ist, kann sich das nur auf den westlichen Teil des geplanten Gebäudes beziehen. Dieser besteht aus einem erdgeschossigen Bauteil, welcher darüber als Dachterrasse genutzt werden soll und einer geplanten Absturzsicherung von ca 1 m.
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des Grundstückes **2 KG Y, welches an den Bauplatz unmittelbar im Norden angrenzt.
III. Beweiswürdigung:
Beweis wurde aufgenommen durch Einsicht in den behördlichen Bauakt und Abhaltung einer Rechtsmittelverhandlung.
In der Verhandlung vom 26.07.2019 nahm der hochbautechnische Amtssachverständige EE zum Beschwerdevorbringen ausführlich Stellung. Die getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, insbesondere zur Einhaltung der gesetzlichen Abstandsbestimmungen, beruhen auf den gutachterlichen Darlegungen des Sachverständigen im Beschwerdeverfahren.
Der Sachverständige EE hinterließ bei seiner Einvernahme vor Gericht einen sehr kompetenten Eindruck. Ruhig und sachlich beantwortete er alle an ihn gerichteten Fragen. Seine fachlichen Darlegungen sind durchwegs schlüssig, in sich widerspruchsfrei und sehr überzeugend. Es blieben keine Fragen offen. Die Beschwerdeführer sind den Ausführungen des Sachverständigen auch nicht weiter entgegengetreten.
Die Ausführungen des Sachverständigen EE konnten daher ohne Bedenken der vorliegenden Rechtsmittelentscheidung zugrunde gelegt werden.
Der entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt konnte somit auf sicherem Boden festgestellt werden.
IV. Rechtslage:
Es gelten folgende maßgebliche Bestimmungen der Tiroler Bauordnung 2018 – TBO 2018, LGBl Nr 28/2018 idF LGBl Nr 109/2019:
„§ 6
Abstände baulicher Anlagen von den übrigen Grundstücksgrenzen
und von anderen baulichen Anlagen
(1) Sofern nicht aufgrund der in einem Bebauungsplan festgelegten geschlossenen oder besonderen Bauweise oder aufgrund von darin festgelegten Baugrenzlinien zusammenzubauen bzw. ein anderer Abstand einzuhalten ist, muss jeder Punkt auf der Außenhaut von baulichen Anlagen gegenüber den Grenzen des Bauplatzes zu den angrenzenden Grundstücken mindestens einen horizontalen Abstand aufweisen, der
a) im Gewerbe- und Industriegebiet und im Kerngebiet das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum übrigen Bauland, zum Freiland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
b) im übrigen Bauland, auf Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 und auf Vorbehaltsflächen das 0,6fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber vier Meter,
c) auf Sonderflächen nach den §§ 43 bis 47, 49a, 50 und 50a des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum Bauland außer zum Gewerbe- und Industriegebiet und Kerngebiet, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
d) im Freiland das 0,4fache des lotrechten Abstandes zwischen dem betreffenden Punkt und dem Geländeniveau darunter, jedenfalls aber drei Meter, zum Bauland, zu Sonderflächen nach den §§ 48, 48a, 49, 49b und 51 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, zu Vorbehaltsflächen jedoch das 0,6fache dieses Abstandes, jedenfalls aber vier Meter,
beträgt […].
(…)
(3) Bei der Berechnung der Mindestabstände nach Abs. 1 bleiben außer Betracht und dürfen innerhalb der entsprechenden Mindestabstandsflächen errichtet werden:
a) untergeordnete Bauteile, sofern sie nicht mehr als 1,50 m in die Mindestabstandsflächen ragen und ein ausreichender Brandschutz zum angrenzenden Grundstück gewährleistet ist;
[…]
§ 7
Bauhöhe
(1) Die zulässige Höhe von baulichen Anlagen wird durch die in einem Bebauungsplan festgelegte Bauhöhe oder durch eine Festlegung im örtlichen Raumordnungskonzept nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 bestimmt.
(….)
§ 33
Parteien
(1) Parteien im Bauverfahren sind der Bauwerber, die Nachbarn und der Straßenverwalter. (2) Nachbarn sind die Eigentümer der Grundstücke,
a) die unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 15 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen und
b) deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 50 m zu einem Punkt der baulichen Anlage oder jenes Teiles der baulichen Anlage, die (der) Gegenstand des Bauvorhabens ist, liegen.
Nachbarn sind weiters jene Personen, denen an einem solchen Grundstück ein Baurecht zukommt.
(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines horizontalen Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:
a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist,
b) der Bestimmungen über den Brandschutz,
c) der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe,
d) der Festlegungen des örtlichen Raumordnungskonzeptes nach § 31 Abs. 6 des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 hinsichtlich der Mindestabstände baulicher Anlagen von den Straßen und der Bauhöhen,
e) der Abstandsbestimmungen des § 6,
f) das Fehlen eines Bebauungsplanes bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise auch das Fehlen eines ergänzenden Bebauungsplanes.
[…]“
V. Erwägungen:
Das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren ist in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als den Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen, und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Recht im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat. Das gilt auch für den Nachbarn, der im Sinne des § 42 AVG die Parteistellung behalten hat (VwGH 27.06.2006, 2006/06/0015; 27.11.2003, 2002/06/0062).
Die Beschwerdeführer sind Miteigentümer des Grundstückes **2 KG Y, welches an den Bauplatz unmittelbar im Norden angrenzt. Die Beschwerdeführer sind damit Nachbarn im Sinne des § 33 Abs 3 TBO 2018 und als solche berechtigt, die in lit a bis f genannten Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen.
Im Nachbarverfahren ist das Verwaltungsgericht in seiner Prüfungsbefugnis an den Umfang geltend gemachter zulässiger Mitspracherechte gebunden.
Der hochbautechnische Sachverständige EE begutachtete in der Rechtsmittelverhandlung die gesetzlich geforderten Abstände zum Grundstück der Beschwerdeführer hin als eingehalten. So ist die Fläche des Vordaches (ca 63 m²) im Vergleich zur Fläche des Gesamtdaches (ca 213 m²) als untergeordnet und damit in der Abstandsfläche als zulässig zu bewerten.
Den diesbezüglichen Ausführungen des Sachverständigen traten die Beschwerdeführer in der Rechtsmittelverhandlung nicht weiter entgegen.
Die Beschwerdeführer monieren, dass die „…weiterführende vertikale Ausführung der Terrassenkrone…“ oberhalb des Erdgeschoßes in der Einreichplanung nicht ersichtlich sei. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Nachbar einen Rechtsanspruch darauf, dass die Planunterlagen so ausreichend sind, um ihm jene Informationen zu geben, die er zur Verfolgung seiner Rechte benötigt. Trifft dies freilich zu, so besteht kein darüber hinausgehender Anspruch darauf, dass die Planunterlagen und sonstigen Belege der Rechtslage entsprechend der Baubehörde vorgelegt werden. Mängel in den Planunterlagen kann der Nachbar nur dann als Verletzung von Nachbarrechten rügen, wenn er sich infolge dieser Mängel nicht ausreichend über die Art und den Umfang des Bauvorhabens sowie über die Einflussnahme auf seine Rechte informieren konnte (VwGH 12.09.1979,575/79; 19.09.1978, 1013, 1014/78 u.a.). Unter diesen Voraussetzungen besteht auch kein Anspruch des Nachbarn auf Vollständigkeit der Planunterlagen, sodass geringfügige Mängel in den Bauplänen keine Beeinträchtigung des Nachbarn bedeuten. Auch begründen geringfügige Unstimmigkeiten oder Abweichungen keine Verletzung des subjektiv-öffentlichen Nachbarrechtes (hierzu ausführlich Schwaighofer, Praxis-Kommentar zum Tiroler Baurecht, § 25 Rz 10).
Den Ausführungen des hochbautechnische Amtssachverständige EE in der Rechtsmittelverhandlung am 26.07.2019 ist zwanglos zu entnehmen, dass die Einreichunterlagen hinsichtlich der Beurteilung der Einhaltung der gesetzlichen Pflichtabstände zum Grundstück der Beschwerdeführer hinreichend geeignet sind. Dem sind die Beschwerdeführer in der Rechtsmittelverhandlung auch nicht weiter entgegengetreten.
Hinsichtlich der Einwendungen im Zusammenhang mit dem Stadt- und Ortsbild („Maximierung der Baudichte“; „massive Barriere“ durch die längliche Ausdehnung des Bauvorhabens; Eingriff in eine „vorbildhafte städtebauliche Verzahnung mit der umgebenden Natur“) verwies bereits die belangte Behörde zu Recht darauf, dass diese Einwände keine kein subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte betreffen.
Hinsichtlich der Einwendungen betreffend Sicht und Licht („Blickwinkel“; „Lichteinfallswinkel“) wird von der belangten Behörde zu Recht auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen, wonach ein Recht auf Licht und Sonne sowie Erhaltung der bestehenden Licht und Luftverhältnisse nach Bauführung nicht auf subjektiv öffentliche Nachbarrechte gestützt werden kann, weil grundsätzlich jeder Eigentümer selbst für die entsprechenden Freiräume auf seinem eigenen Grundstück zu sorgen hat (VwGH 27.11.2990, 90/05/0122, VwGH 28.04.1988, 85/06/0072, VwGH 15.06.1989, 87/06/0051, ua.).
Die Beschwerdeführer monieren in der Beschwerde weiters, dass im Rahmen des bestehenden - aber eingeschränkten - Wegservitutes aus dem Jahr 1974 keine rechtlich gesicherte Zufahrt zum Bauplatz gegeben wäre.
Die rechtlich gesicherte Verbindung des Bauplatzes mit einer öffentlichen Verkehrsfläche stellt nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kein subjektiv-öffentliches Nachbarrecht dar und kann daher vom Nachbarn im Bauverfahren nicht erfolgreich gegen die Erteilung der Baubewilligung eingewandt werden (VwGH 31.01.2008, 2007/06/0178; VwGH 18.09.2003, 2000/06/0015).
Aus den vorgenannten Gründen war die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. bis III. als unbegründet abzuweisen.
Zur Behebung des Spruchpunktes IV. des bekämpften Bescheides und Einstellung des diesem Spruchpunkt zugrundeliegenden Verfahrens:
Anlässlich der Beschwerdeverhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol am 26.07.2019 hat der Bauwerber seinen Antrag auf Fremdgrundbenützung zurückgezogen.
Bei der Bewilligung nach § 43 Abs 3 TBO 2018 handelt es sich um einen antragsgebundenen Verwaltungsakt.
Gemäß § 13 Abs 7 AVG können Anbringen in jeder Lage des Verfahrens zurückgezogen werden. Diese Bestimmung ist aufgrund § 17 VwGVG auch vom Landesverwaltungsgericht Tirol anzuwenden.
Der Verwaltungsgerichtshof in Wien hat schon mehrfach judiziert, dass z.B. in einem Baubewilligungsverfahren nach der Tiroler Bauordnung der verfahrenseinleitende Antrag in jedem Stadium des Verfahrens zurückgezogen werden kann (vgl VwGH 23.11.1995, Zl 92/06/0084; VwGH 22.12.1987, 87/05/0084; VwGH 17.12.1998, Zl 98/06/0212; ua).
Nachdem es sich bei einem Verfahren nach § 43 Abs 3 TBO 2018 ebenfalls um einen antragsgebundenen Verwaltungsakt handelt, ist auch in einem solchen Verfahren eine Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages selbst im Stadium des Beschwerdeverfahrens noch möglich.
Erfolgt die Zurückziehung eines Antrags vor Erlassung des Bescheides erster Instanz, hat die Behörde das Verfahren formlos einzustellen. Befindet sich das Verfahren hingegen infolge einer erhobenen Beschwerde gegen den den Antrag erledigenden Bescheid auf der Ebene des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht, so bewirkt die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrags im Nachhinein den Wegfall der Zuständigkeit der Behörde zur Erlassung des Bescheides und damit (nachträglich) dessen Rechtswidrigkeit.
Ein solcher rechtswidrig gewordener Bescheid wird aber nicht durch die Zurückziehung des verfahrenseinleitenden Antrages quasi unter einem beseitigt, sondern muss dieser vielmehr durch das Verwaltungsgericht aufgehoben werden, da ein solcher bereits erlassener Bescheid aus dem Rechtsbestand auszuscheiden und das Verfahren einzustellen ist (vgl VwGH 23.01.2014, Zl 2013/07/0235; VwGH 23.11.1995, Zl 92/06/0084; VwGH 22.12.1987, Zl 87/05/0084 uva).
Da der Bauwerber seinen verfahrenseinleitenden Antrag, nämlich das Gesuch auf Bewilligung der Fremdgrundinanspruchnahme zweifelsfrei und vollinhaltlich zurückgezogen hat, war – wie vorstehend dargetan – Spruchpunkt IV. des bekämpften Bescheides ersatzlos zu beheben und das diesem Spruchpunkt zugrundeliegende Verfahren einzustellen.
Es war daher ein Eingehen auf das Beschwerdevorbringen nicht weiter geboten.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Auf die unter Punkt V. zitierte höchstgerichtliche Judikatur wird verwiesen.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Schaber
(Richter)
Schlagworte
NachbarrechteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.42.1165.7Zuletzt aktualisiert am
09.10.2019