TE Vwgh Erkenntnis 2006/6/27 2006/06/0015

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Veröffentlicht am 27.06.2006
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Index

L82000 Bauordnung;
L82007 Bauordnung Tirol;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 idF 1998/I/158;
AVG §42 idF 2004/I/010;
AVG §8;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 idF 2005/035;
BauO Tir 2001 §25 Abs3 litc idF 2005/035;
BauO Tir 2001 §25 idF 2005/035;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Fritz, über die Beschwerde 1. des Dr. CP, 2. der AE,

3. der WL, 4. der GN und 5. des KZ, alle in I, alle vertreten durch Dr. Josef-Michael Danler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Colingasse 3, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 22. September 2005, Zl. I-Präs- 000304e/2005, betreffend Einwendungen gegen eine Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: G Gesellschaft m.b.H. in I), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben der Landeshauptstadt Innsbruck Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 je zu einem Fünftel binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Baugesuch vom 2. September 2004 (bei der Behörde eingelangt am 6. September 2004) kam die mitbeteiligte Partei (kurz: Bauwerberin) um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für den Abbruch eines bestehenden Wohnhauses und die Errichtung eines Wohnhauses mit drei Wohneinheiten auf einem Grundstück in X ein. Dieses Grundstück grenzt an die S-Straße. Die Viertbeschwerdeführerin ist Eigentümerin eines Grundstückes, das an das zu bebauende Grundstück unmittelbar nördlich angrenzt. Die Erst- bis Drittbeschwerdeführer einerseits und der Fünftbeschwerdeführer andererseits sind Eigentümer von Grundstücken, die (teilweise) dem zu bebauenden Grundstück auf der anderen Seite der S-Straße gegenüberliegen, wobei die Grenzen ihrer Grundstücke teilweise weniger als 5 m vom Baugrundstück entfernt sind.

Die Beschwerdeführer erhoben in der Bauverhandlung vom 10. November 2004 Einwendungen gegen das Vorhaben. Sie vertraten die Auffassung, maßgeblich sei der Bebauungsplan 55/y vom 16. Dezember 1982, der am 27. April 1983 in Kraft getreten sei. Dessen Festlegungen seien weiterhin verbindlich. Demnach überschreite das Vorhaben die zulässige Anzahl der Vollgeschosse, darüber hinaus sowohl die maximal zulässige Geschossflächendichte als auch die maximal zulässige Baumassendichte. Unabhängig davon verletze ein im Seitenabstand geplantes Flugdach die Abstandsbestimmungen, weil es zu hoch sei. Werde das Bauvorhaben nicht auf Grundlage des geltenden, sondern eines erst künftig zu erlassenden Bebauungsplanes beurteilt, würde den betroffenen Liegenschaftseigentümern die gesetzlich eingeräumte Möglichkeit der Stellungnahme zu einem neuen Bebauungsplan genommen werden.

Nach Vorlage ergänzender bzw. geänderter Pläne durch die Bauwerberin und verschiedener Stellungnahmen erteilte der Magistrat der Landeshauptstadt Innsbruck mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 31. März 2005 die angestrebte Baubewilligung mit verschiedenen Vorschreibungen. Die Einwendungen der Beschwerdeführer wurden teils als unbegründet abgewiesen und teils als unzulässig zurückgewiesen.

Dagegen erhoben (unter anderem) die Beschwerdeführer Berufung. Sie vertraten darin weiterhin die Auffassung, dass die Festlegungen des Bebauungsplanes Nr. 55/y maßgeblich seien; demnach überschreite das Vorhaben sowohl die maximal zulässige Geschossflächendichte als auch die maximal zulässige Baumassendichte (die Überschreitung der zulässigen Geschoßanzahl wurde nicht mehr geltend gemacht). Auch halte das geplante Schutzdach die Abstandsbestimmungen nicht ein, weil es zu hoch sei.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen und den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Zusammengefasst wurde dies damit begründet, dass den Beschwerdeführern als Nachbarn hinsichtlich der behaupteten Überschreitung der höchstzulässigen Geschossflächendichte und der höchstzulässigen Baumassendichte kein Mitspracherecht zukomme (und abgesehen davon, diese Bedenken inhaltlich nicht zuträfen, was näher begründet wurde). Auch treffe es nicht zu, dass das geplante Schutzdach an der Nordseite des Hauses die Abstandsbestimmungen verletze (was näher sowie unter Hinweis darauf begründet wurde, dass diesbezüglich überhaupt nur der Viertbeschwerdeführerin ein Mitspracherecht zukomme und nicht auch den übrigen Beschwerdeführern, weil deren Grundstücke auf der anderen Straßenseite gelegen seien).

Dagegen erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 14. Dezember 2005, B 3318/05-3, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Mitspracherecht des Nachbarn im Baubewilligungsverfahren in zweifacher Weise beschränkt: Es besteht einerseits nur insoweit, als dem Nachbarn nach den in Betracht kommenden baurechtlichen Vorschriften subjektiv-öffentliche Rechte zukommen und andererseits nur in jenem Umfang, in dem der Nachbar solche Rechte im Verfahren durch die rechtzeitige Erhebung entsprechender Einwendungen wirksam geltend gemacht hat (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg. Nr. 10.317/A, uva.). Das gilt weiterhin auch für den Nachbarn, der i.S. des § 42 AVG idF seit der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998, die Parteistellung behalten hat.

Im Beschwerdefall ist die Tiroler Bauordnung 2001 (TBO 2001), LGBl. Nr. 94 (Wiederverlautbarung), in der Fassung LGBl. Nr. 35/2005 anzuwenden.

§ 25 Abs. 3 TBO 2001 lautet:

"(3) Nachbarn, deren Grundstücke unmittelbar an den Bauplatz angrenzen oder deren Grenzen zumindest in einem Punkt innerhalb eines Abstandes von 5 m zu einem Punkt der Bauplatzgrenze liegen, sind berechtigt, die Nichteinhaltung folgender bau- und raumordnungsrechtlicher Vorschriften geltend zu machen, soweit diese auch ihrem Schutz dienen:

a) der Festlegungen des Flächenwidmungsplanes, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist;

b)

der Bestimmungen über den Brandschutz;

c)

der Festlegungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Baufluchtlinien, der Baugrenzlinien, der Bauweise und der Bauhöhe;

              d)              der Abstandsbestimmungen des § 6."

Die Beschwerdeführer erachten sich gemäß dem ausformulierten Beschwerdepunkt durch den angefochtenen Bescheid in ihrem Recht auf Einhaltung der Festlegungen des Bebauungsplanes (§ 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001) dadurch verletzt, dass die belangte Behörde einen ungültigen Bebauungsplan angewendet habe. Darüber hinaus erachten sie sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren gemäß §§ 64 und 65 TROG 2001 eingeräumten Rechten auf Mitwirkung in einem Verfahren zur Erlassung eines Flächenwidmungs-/Bebauungsplanes dadurch verletzt, dass die belangte Behörde durch die Anwendung eines ungültigen Bebauungsplanes die in den genannten Bestimmungen eingeräumten Rechte "völlig negiert".

Aus diesem Beschwerdepunkt ergibt sich zunächst, dass die behauptete Verletzung von Abstandsbestimmungen hinsichtlich des Flugdaches nicht mehr beschwerdegegenständlich ist. Im Übrigen ist den Beschwerdeführern Folgendes zu entgegnen:

§ 25 TBO 2001 gibt dem Nachbarn kein abstraktes, für sich allein bestehendes Recht auf Anwendung des "richtigen Bebauungsplanes". Allerdings ist freilich der "richtige Bebauungsplan" zur Beurteilung der Frage heranzuziehen, ob das Bauvorhaben Festlegungen im Sinne des § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001 einhält oder nicht. Dazu wird in der Beschwerde aber nichts ausgeführt. Aber auch wenn man zu Gunsten der Beschwerdeführer davon ausginge, dass sie in diesem Beschwerdeverfahren die Rechtsverletzungen behaupten wollten, die sie in diesem Zusammenhang mit ihrer Berufung geltend gemacht hatten, nämlich, dass das Vorhaben die höchstzulässige Geschossflächendichte und die höchstzulässige Baumassendichte überschreitet, wäre für sich heraus nichts zu gewinnen, weil ihnen diesbezüglich, wie die belangte Behörde zutreffend ausgeführt hat, nach § 25 Abs. 3 lit. c TBO 2001 kein Mitspracherecht zukommt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2006, Zl. 2005/06/0250, mwN).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. Juni 2006

Schlagworte

Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9Baurecht Nachbar

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2006:2006060015.X00

Im RIS seit

19.07.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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