TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/10 98/11/0120

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Veröffentlicht am 10.11.1998
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

AVG §37;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 1998/I/002;
FSG 1997 §3 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG 1997 §3 Abs1 Z4;
KFG 1967 §75 Abs1;
KFG 1967 §75 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Gerald Kreuzberger, Rechtsanwalt in Graz, Grieskai 10/3, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 12. März 1998, Zl. 11-39-192/98-1, betreffend Aufforderung gemäß § 26 Abs. 5 Führerscheingesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der (im Jahr 1915 geborene) Beschwerdeführer verursachte am 5. November 1997 gegen 18,15 Uhr einen Verkehrsunfall, bei dem er mit dem von ihm gelenkten Pkw eine auf einem Schutzweg die Straße überquerende Fußgängerin niederstieß. Im Rahmen der Erhebungen zu diesem Unfall äußerte sich der Beschwerdeführer gegenüber Polizeibeamten, daß er wegen seiner Sehkraft in nächster Zeit aufhören werde, mit dem Pkw zu fahren.

Mit Bescheid vom 19. Februar 1998 forderte die Erstbehörde den Beschwerdeführer auf, "sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und innerhalb von vier Monaten, gerechnet ab der Zustellung dieses Bescheides, ein vom Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8 FSG 1997 beizubringen". Auf die Säumnisfolgen gemäß § 26 Abs. 5 Führerscheingesetz - FSG (in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 2/1998) wurde hingewiesen.

In der dagegen erhobenen Berufung machte der Beschwerdeführer geltend, daß Bedenken gegen das weitere Bestehen der Erteilungsvoraussetzungen bei ihm nicht gerechtfertigt seien. Die Erteilungsvoraussetzungen seien nach wie vor gegeben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. In der Begründung führte sie aus, daß im Hinblick auf die oben wiedergegebenen Äußerungen des Beschwerdeführers im Rahmen der Erhebungen zum Verkehrsunfall Bedenken gegen seine gesundheitliche Eignung bestünden. Auch der amtsärztliche Sachverständige der Erstbehörde halte eine diesbezügliche Überprüfung für erforderlich.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 3 Abs. 1 Z. 3 FSG darf eine Lenkberechtigung nur Personen erteilt werden, die gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9).

Gemäß § 8 Abs. 1 FSG hat der Antragsteller vor der Erteilung einer Lenkberechtigung der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, daß er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 FSG ist Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1.

die Lenkberechtigung zu entziehen oder

2.

die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

Gemäß § 24 Abs. 4 FSG ist vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm zufolge § 26 Abs. 5 FSG die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung der Gutachten zu entziehen.

Ungeachtet des Umstandes, daß das FSG eine dem § 75 Abs. 1 KFG 1967 entsprechende Bestimmung nicht enthält, ist auch im Geltungsbereich des FSG Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens betreffend Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung und damit auch für einen Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 leg. cit., daß begründete Bedenken bestehen, ob die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) noch gegeben sind. Dies folgt schon aus dem allgemeinen Grundsatz, daß die Verwaltungsbehörden nicht grundlos Ermittlungsverfahren einzuleiten und Aufforderungsbescheide mit der Folge eines Rechtsverlustes bei Nichtbefolgung zu erlassen haben.

Die belangte Behörde gründet ihre Bedenken betreffend die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers - der Sache nach, ob er ausreichend frei von Behinderungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Z. 3 iVm § 6 Abs. 1 Z. 6 und §§ 7 und 8 der Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV BGBl. II Nr. 322/1997 ist - auf die oben wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Erhebungen zum Verkehrsunfall. Im Hinblick auf diese Angaben des Beschwerdeführers - zu denen in der Beschwerde nichts ausgeführt wird - mußten bei der Behörde Bedenken im beschriebenen Sinn entstehen. Das vom Beschwerdeführer vorzulegende Gutachten dient dem Zweck, diese Bedenken zu zerstreuen oder zu bestätigen. Die vom Beschwerdeführer vermißte weitere amtsärztliche Stellungnahme - ohne Untersuchung und Erstattung eines Gutachtens - wäre dazu nicht geeignet gewesen, sodaß der vom Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang gerügte Verfahrensmangel nicht vorliegt.

Der Beschwerdeführer macht als Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides geltend, daß ihn die belangte Behörde

-

durch Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides - gleichzeitig zu einer amtsärztlichen Untersuchung und zur Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens gemäß § 8 FSG aufgefordert habe.

Diesen Ausführungen ist einzuräumen, daß im § 26 Abs. 5 FSG nur die bescheidmäßige Aufforderung zur Beibringung von Gutachten vorgesehen ist, nicht aber die Aufforderung sich ärztlich untersuchen zu lassen. Insofern unterscheidet sich § 26 Abs. 5 FSG von § 75 Abs. 2 KFG 1967. Die im angefochtenen Bescheid enthaltene Aufforderung hat aber keine die Rechte des Beschwerdeführers verletzenden normativen Wirkungen. Die belangte Behörde hat mit der

-

ohne Fristsetzung erfolgten - Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung in Verbindung mit dem - unter Setzung einer Frist erfolgten - Auftrag zur Vorlage des amtsärztlichen Gutachtens dem Beschwerdeführer nur den Weg aufgezeigt, wie er zu dem von ihm beizubringenden Gutachten kommt. Selbst wenn man aber in der Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung einen selbständigen Auftrag an den Beschwerdeführer erblickte, würde dies die Rechtsposition des Beschwerdeführers nicht beeinträchtigen, weil nur die Nichtbeibringung des Gutachtens die Behörde berechtigt (und verpflichtet), die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 5 FSG zu entziehen. Die Nichtbefolgung des Auftrages zur ärztlichen Untersuchung allein löst keine nachteiligen Rechtsfolgen aus. Darauf könnte ein Entziehungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 leg. cit. rechtens nicht gestützt werden, sodaß im Geltungsbereich des FSG aus der Nichtbefolgung eines Auftrages zur ärztlichen Untersuchung keine nachteiligen Folgen entstehen können.

Der Beschwerdeführer rügt, die belangte Behörde habe die im erstinstanzlichen Bescheid enthaltene Frist von vier Monaten ab Zustellung nicht auf vier Monate ab Rechtskraft berichtigt.

Auch mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer im Ergebnis keine Verletzung subjektiver Rechte auf. Zunächst ist festzuhalten, daß § 26 Abs. 5 FSG für alle nach dieser Gesetzesstelle ergangenen (rechtskräftigen) Aufforderungsbescheide eine einheitliche Frist von vier Monaten ab Zustellung des Bescheides anordnet, innerhalb welcher der Aufforderung Folge zu leisten ist, widrigenfalls die Lenkberechtigung zu entziehen ist. Ein Aufforderungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 FSG braucht daher keine Frist zu enthalten, weil diese ohnedies im Gesetz normiert ist. Auch insofern unterscheidet sich § 26 Abs. 5 FSG wesentlich von § 75 Abs. 2 KFG 1967, der keine derartige Frist enthielt, weshalb Aufforderungsbescheide nach der zuletzt genannten Gesetzesstelle jeweils eine Frist zu enthalten hatten, innerhalb welcher der Betreffende der Aufforderung nachzukommen hatte.

Vor dem Hintergrund der durch § 26 Abs. 5 FSG geschaffenen Rechtslage kommt der Wiederholung der gesetzlichen Frist in einem Aufforderungsbescheid keine eigenständige normative Bedeutung zu. Selbst eine in einem Bescheid genannte kürzere als die gesetzliche Frist kann sich für den Betreffenden nicht nachteilig auswirken, weil das Verstreichen einer kürzeren Frist nicht tatbestandsmäßig nach § 26 Abs. 5 FSG ist und erst das Verstreichen der in dieser Gesetzesstelle genannten Frist zur Entziehung der Lenkberechtigung nach dieser Bestimmung führt.

Im vorliegenden Fall hat der erstinstanzliche Bescheid die gesetzliche Frist angeführt. Wäre dieser Bescheid rechtskräftig geworden, hätte der Beschwerdeführer die darin genannte Frist von vier Monaten ab Zustellung des Bescheides auch dann einhalten müssen, wenn sie nicht im Bescheid enthalten gewesen wäre. Der erstinstanzliche Bescheid ist aufgrund der vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung nicht rechtskräftig geworden und konnte daher nicht die Grundlage für einen Entziehungsbescheid gemäß § 26 Abs. 5 FSG bilden. Der angefochtene Bescheid enthält keine Fristsetzung und war gemäß § 26 Abs. 5 FSG innerhalb von vier Monaten ab seiner Zustellung zu befolgen. In der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides kann nicht die Anordnung einer kürzeren als der gesetzlichen Frist, nämlich - wie der Beschwerdeführer meint - einer Frist von vier Monaten ab Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, erblickt werden, zumal der im erstinstanzlichen Bescheid genannten Frist nach dem zuvor Gesagten keine normative Bedeutung zukam. Selbst wenn jedoch in der Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides auch die Anordnung einer Frist von vier Monaten ab Zustellung dieses Bescheides zu erblicken wäre, könnten daraus für den Beschwerdeführer nach dem zuvor Gesagten keine nachteiligen Folgen abgeleitet werden, weil erst nach Verstreichen der gesetzlichen Frist von vier Monaten ab Zustellung des angefochtenen Bescheides die Entziehung der Lenkberechtigung nach § 26 Abs. 5 FSG rechtens erfolgen könnte.

Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 10. November 1998

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Allgemein authentische Interpretation VwRallg3/1 Rechtsgrundsätze Fristen VwRallg6/5

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998110120.X00

Im RIS seit

18.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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