TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/10 W279 2220641-1

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Veröffentlicht am 10.07.2019
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Entscheidungsdatum

10.07.2019

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W279 2220641-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , Staatsangehörigkeit Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX 05.2019 Zahl: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Antrag auf Verbindung des Verfahrens mit den Verfahren über die Beschwerden XXXX wird abgewiesen.

B)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG stattgegeben, der Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .05.2019 XXXX , sowie die Anhaltung in Schubhaft von XXXX .05.2019 bis 18.05.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV hat der Bund dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

C)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas, reiste am 13.05.2019 nach Österreich ein. Am 14.05.2019 wurde er von Exekutivorganen festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

2. Am XXXX .05.2019 wurde der BF unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Bosnisch vom Bundesamt einvernommen. Dabei gab der BF im Wesentlichen an, dass er gesund sei und keine Medikamente benötige. Er sei am 13.05.2019 in Österreich eingereist um Fenster zu liefern. Er habe keinen Wohnsitz in Österreich und arbeite bei einer bosnischen Fensterfirma. Er besitze Bargeld, eine Kreditkarte sowie Bankomatkarte. In Österreich habe er weder familiäre noch soziale Kontakte und spreche kein Deutsch. Auf den Vorhalt, dass er in Österreich bei der Schwarzarbeit betreten worden sei, führte er aus, nur für die Lieferung zuständig gewesen zu sein und beim Abladen der Ware geholfen zu haben. Er habe sich nicht im Bundesgebiet gemeldet, da er sich nur für zwei Tage in Österreich aufhalten wollte. Seiner Abschiebung nach Bosnien willige er ein und er habe nicht vor, sich seiner Abschiebung zu entziehen.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .05.2019 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG i.V.m. § 52 Abs. 1 Z. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 - FPG wurde eine Rückkehrentscheidung gegen den BF erlassen (Spruchpunkt I.) und festgestellt, dass seine Abschiebung nach "Serbien" zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gleichzeitig wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z. 1 BFA-VG einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

4. Mit - dem hier angefochtenen - Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .05.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er illegal in das Bundesgebiet eingereist sei und er bei Begehung einer illegalen Erwerbstätigkeit festgenommen worden sei. Seine Identität stehe fest, eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen ihn sei durchsetzbar. Er halte sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, er gehe in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und verfüge nicht über ausreichend Barmittel, um seinen Unterhalt zu finanzieren. Er habe keinen ordentlichen Wohnsitz und habe sich unangemeldet unter Verletzung des Meldegesetzes in Österreich aufgehalten und sei in keinster Weise integriert. Es liege auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG Fluchtgefahr vor. Der Grad der sozialen Verankerung in Österreich sei nicht gegeben, der BF verfüge über keine gesicherten Bindungen und sei in Österreich nicht integriert. Er habe keinen Wohnsitz und keine Anmeldung in Österreich und verfüge auch über "kein Dokument um ein solches Prozedere durchzuführen". Er habe sich nur zur Begehung von Schwarzarbeit in Österreich aufgehalten und besitze kein "nennenswertes Geld (bar oder elektronisch)". Mit der Anordnung eines gelinderen Mittels könne nicht das Auslangen gefunden werden und die Entscheidung sei verhältnismäßig.

Dieser Bescheid wurde dem BF gleichzeitig mit jenem Bescheid, mit dem die Rückkehrentscheidung erlassen wurde, am XXXX .05.2019 persönlich übergeben.

5. Am 18.05.2019 erfolgte die Abschiebung des BF auf dem Luftweg.

6. Am 28.06.2019 erhob der BF durch seine ausgewiesene Rechtsvertreterin Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid. Begründend führte er aus, dass der BF bei einem bosnischen Fensterhersteller beschäftigt sei und gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen nach Österreich gereist sei, um Fenster zu liefern. Der BF reiste mit seinem biometrischen Reisepass legal nach Österreich ein und habe auch die maximale Aufenthaltsdauer von 90 Tagen nicht überschritten. Der BF habe bei seiner Festnahme über genug Bargeld verfügt, um seinen für ungefähr 48 Stunden geplanten Aufenthalt finanzieren zu können. Auch hätte er die Möglichkeit gehabt zusätzliches Bargeld mit seiner Bankomatkarte abzuheben. Auch habe die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid unzweifelhaft auf die falsche Rechtsgrundlage, nämlich "§ 76 Abs. 2 Z 1 FPG" gestützt. Schon deshalb sei Rechtswidrigkeit gegeben.

Der BF beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme des Geschäftsführers der Firma, die den Auftrag zur Fensterlieferung erteilt hat, den angefochtenen Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt sei. Ebenso sei auszusprechen "dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen" und der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gemäß der Verwaltungsgerichts-Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen für die der BF aufzukommen habe, aufzuerlegen.

7. Das Bundesamt gab am 28.06.2019 mit der Beschwerdevorlage bekannt, dass der Originalakt bereits am 14.06.2019 dem BVwG vorgelegt worden sei und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

8. Mit Beschluss des BVwG vom 02.07.2019 XXXX wurde der Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom

XXXX .05.2019, Zahl XXXX insofern Folge gegeben, als der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs 3 VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen wurde. Die Entscheidung wurde wie folgt begründet:

Da die belangte Behörde noch keine geeigneten Schritte zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts gesetzt habe, könne nicht beurteilt werden, ob gegen den Beschwerdeführer eine aufenthaltsbeendende Maßnahme verhängt werden hätte müssen und wenn ja, für wie lange. Auf Grundlage der bisherigen Ermittlungen sei keine abschließende

rechtliche Beurteilung des Sachverhalts möglich; dieser sei vielmehr in wesentlichen Teilen ergänzungsbedürftig. Je nach Ergebnis der zusätzlich notwendigen Erhebungen werde die belangte Behörde nach der gebotenen Ergänzung des Ermittlungsverfahrens neuerlich entscheiden müssen, ob und auf welcher Rechtsgrundlage gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung (allenfalls samt Einreiseverbot) zu erlassen sei oder nicht.

II. Feststellungen:

1. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Der BF ist ein volljähriger Staatsangehöriger Bosnien und Herzegowinas, er verfügt über einen bis 06.03.2028 gültigen Reisepass von Bosnien und Herzegowina, seine Identität steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt der BF nicht. Er hat in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist in Österreich unbescholten.

2.2. Der BF ist gesund und haftfähig.

2.3. Der BF wurde von XXXX .05.2019 bis 18.05.2019 in Schubhaft angehalten.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Der BF reiste am 13.05.2019 mit einem gültigen biometrischen Reisedokument auf dem Landweg nach Österreich ein und wurde am 14.05.2019, im Zuge von Arbeiten die im Zusammenhang mit der Lieferung von Fenstern standen, festgenommen.

2.2. Im Reisepass des BF befinden sich Kroatische und Slowenische Grenzkontrollstempel vom 13.05.2019. Es befindet sich kein Stempel über eine in Österreich erfolgte Grenzkontrolle im Reisepass. Der BF hat sich weder dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen noch hat er seine Abschiebung behindert oder umgangen.

2.3. Mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .05.2019 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, einer Beschwerde dagegen wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde mit Beschluss vom 02.07.2019 durch das BVwG aufgehoben und die Angelegenheit zur allfälligen Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurückverwiesen.

2.4. Der BF ist seit 01.11.2018 bei einer bosnischen Fensterbaufirma beschäftigt. Der BF lieferte Fenster und Türen, die am 11.05.2019 verzollt wurden, nach Österreich. Der BF beabsichtige nach 48 Stunden wieder aus Österreich auszureisen.

3. Familiäre und soziale Komponente

3.1. In Österreich leben keine Familienangehörigen des BF, er verfügt abgesehen von seiner Tante über kein soziales Netz im Bundesgebiet. Er ist verheiratet und Vater zweier Kinder. Seine Kernfamilie lebt in Bosnien und Herzegowina. Sein Lebensmittelpunkt befindet sich in Bosnien und Herzegowina.

3.2. Der BF verfügt über keine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Der BF war zum Zeitpunkt seiner Festnahme im Besitz von 100 Euro und verfügte über eine Bankkarte und eine Kreditkarte.

III. Beweiswürdigung:

Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Verfahrensakt des Bundesamtes, in das Zentrale Fremdenregister sowie in das Strafregister, die Anhaltedatei und in die vom BF in der Beschwerde vorgelegten Urkunden.

1. Zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft

1.1. Die Feststellungen zur Identität des BF ergeben sich aus der im Verwaltungsakt befindlichen Kopie seines Reisepasses. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt, finden sich im Verwaltungsakt ebenso wenig wie dafür, dass er Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist. Der BF hat in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dass er in Österreich unbescholten ist, steht auf Grund der Einsichtnahme in das Strafregister fest.

1.2. Dass der BF gesund ist, ergibt sich aus seiner niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX .05.2019, in der er nach seinem Gesundheitszustand befragt angab, an keinen Krankheiten zu leiden und keine Medikamente einzunehmen. Anhaltspunkte für das Vorliegen gesundheitlicher Beeinträchtigungen, die gegen die Haftfähigkeit des BF sprechen, sind dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

1.3. Der Zeitraum seiner Anhaltung in Schubhaft ergibt sich durch die Einsichtnahme in die Anhaltedatei.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf

2.1. Dass der BF am 13.05.2019 mit einem gültigen Reisedokument nach Österreich eingereist ist, ergibt sich aus der im Verwaltungsakt einliegenden Kopie des Reisepasses und insbesondere den darin aufscheinenden Ein- bzw. Ausreisestempeln von Kroatien und Slowenien vom 13.05.2019. Der Umstand, dass er am 14.05.2019 im Zuge von Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Lieferung von Fenstern standen, festgenommen wurde, ergibt sich aus der im Akt befindlichen Festnahmemeldung der Polizei.

2.2. Aus der im Akt befindlichen Kopie des Reisepasses sind die Ein- bzw. Ausreisestempel von Kroatien und Slowenien ersichtlich. Ein Österreichischer Einreisestempel konnte nicht vorgefunden werden. Anhaltspunkte dafür, dass er sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme entzogen bzw. seine Abschiebung behindert oder diese umgangen hat, finden sich im Verwaltungsakt nicht. Im Zuge der Einvernahme vor dem Bundesamt führte der BF selbst aus, dass er nichts gegen eine Abschiebung nach Bosnien habe und sich dieser auch nicht widersetzen werde. Aus dem gesamten Verwaltungsakt sind keine Hinweise ersichtlich, die die Glaubhaftigkeit dieser Aussage in Zweifel ziehen, zumal auch aus dem Bericht über die erfolgte Abschiebung hervorgeht, dass diese ohne jegliche Komplikationen durchgeführt wurde.

2.3. Die Feststellungen zu der mit Bescheid des Bundesamtes vom XXXX .05.2019 erlassenen Rückkehrentscheidung sowie der Aufhebung und Zurückverweisung ebendieses Bescheides durch das BVwG beruhen auf der im Verwaltungsakt einliegenden Bescheidausfertigung und der im Gerichtsakt einliegenden Beschlussausfertigung des BVwG.

2.4. Dass der BF bei einer bosnischen Fensterbaufirma seit 01.11.2018 beschäftigt ist geht aus der sich im Akt befindlichen, vom BF vorgelegten beglaubigten Übersetzung der Bestätigung des Arbeitgebers, sowie aus dem vorliegendem Mitarbeiterregistrierungsformular hervor. Dass der BF verzollte Fenster und Türen nach Österreich lieferte, geht aus der im Akt befindlichen Rechnung und der Zollpapiere, sowie aus seinen glaubhaften Aussagen während seiner Einvernahme vor dem Bundesamt hervor. Dass der BF sich nur 48 Stunden im Bundesgebiet aufhalten wollte, ergibt sich ebenso aus seinen glaubhaften Angaben, die er im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt gemacht hat. Aus dem gesamten Verwaltungsakt sind keine Hinweise ersichtlich, die die Glaubhaftigkeit dieser Aussagen in Zweifel ziehen.

3. Familiäre und soziale Komponente

3.1. Die Feststellungen zu den mangelnden familiären und sozialen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich sowie zu seinen Familienverhältnissen im Herkunftsstaat, ergeben sich aus den Angaben des BF in seiner niederschriftlichen Einvernahme vom XXXX .05.2019.

3.2. Die Feststellungen, dass der BF über keine aufrechte Meldung in Österreich verfügt und keiner legalen Beschäftigung in Österreich nachgeht, sowie zu seinem Lebensmittelpunkt ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF im Zuge seiner Einvernahme vor dem Bundesamt. Die Feststellungen zu Bargeld und Bankkarten des BF ergeben sich aus dem Auszug der Anhaltedatei.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

IV. Rechtliche Beurteilung:

1. Zu Spruchteil A - Antrag auf Zusammenführung von Verfahren

Das BVwG kann gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs 2 AVG mehrere in seine Zuständigkeit fallende Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbinden, soweit dies im Rahmen der festen Geschäftsverteilung möglich ist (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 798). Da dieses Verfahren der Gerichtsabteilung W279 zugewiesen wurde, die Beschwerdeverfahren des XXXX aber anderen Gerichtsabteilungen des Bundesverwaltungsgerichtes, ist eine Verbindung der Verfahren im Rahmen der Geschäftsverteilung des BVwG nicht möglich. Der darauf gerichtete Antrag des BF ist daher abzuweisen.

2. Zu Spruchteil B. - Spruchpunkt I - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

2.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

2.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

2.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Ziff. 1 FPG. Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Verhängung der Schubhaft über den BF grundsätzlich - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft sind das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Durchführung bestimmter Verfahren oder der Abschiebung, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kommt darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

2.4. Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet, das Bundesamt ging auf Grund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus.

Gemäß § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG ist bei der Beurteilung der Frage, ob Fluchtgefahr vorliegt der Grad der sozialen Verankerung des Fremden in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF hat sich bisher nicht in Österreich aufgehalten und reiste lediglich deshalb nach Österreich ein, um Fenster und Türen zu liefern und Arbeiten, die im Zusammenhang mit der Lieferung stehen, durchzuführen. Er beabsichtigte nach 48 Stunden wieder das Bundesgebiet zu verlassen. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 28. Mai 2008, Zl. 2007/21/0233, ausgeführt, dass Mittellosigkeit und fehlende soziale Integration in Bezug auf (noch nicht lange aufhältige) Asylwerber, die Anspruch auf Grundversorgung haben, allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines "Sicherungsbedarfs" sind. Im Lichte dieser Rechtsprechung ist daher auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG nicht erfüllt. Wenn dies für Asylwerber der Fall ist, ist davon auszugehen, dass es umso mehr Anwendung auf den gegenständlichen Sachverhalt findet, zumal der BF keinen Asylantrag stellte und niemals beabsichtigte im Bundesgebiet zu verbleiben. Aus seinen Angaben geht zweifelsfrei hervor, dass sich sein Lebensmittelpunkt in seinem Herkunftsstaat befindet und er auch nach 48 Stunden Aufenthalt im Bundesgebiet wieder in diesen zurückreisen wollte. Alleine der - im vorliegenden Fall denklogische - fehlende Grad der sozialen Verankerung in Österreich und der fehlende ordentliche Wohnsitz ist kein für die Anordnung der Schubhaft ausreichender Grund zumal der Fremde nicht geplant hatte, im Bundesgebiet zu verbleiben. Eine, wie vom Bundesamt behauptete Mittellosigkeit konnte vom erkennenden Richter ebenfalls nicht festgestellt werden. Barmittel in der Höhe von 100 Euro und die Möglichkeit mit einer mitgeführten Bankkarte und einer Kreditkarte zusätzliches Bargeld abzuheben, sind jedenfalls ausreichend, um den geplanten kurzen Aufenthalt im Bundesgebiet zu finanzieren. Anzumerken ist auch, dass es nicht nachvollziehbar und aktenwidrig ist, warum der BF laut gegenständlichem Bescheid kein Dokument besitzen soll, um sich melderechtlich erfassen lassen zu können und weshalb er sich "geweigert habe mit den Behörden zusammen zu arbeiten".

Um von der Erfüllung des Kriteriums der "Fluchtgefahr" ausgehen zu können, bedarf es jedenfalls des Vorliegens eines tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG. Eine derartige Tatbestandserfüllung, damit die geforderte Anknüpfung an abstrakt formulierte Umstände, stellt gleichsam den Ausgangspunkt für jegliche Annahme von "Fluchtgefahr" dar, die allerdings im Ergebnis nur dann bejaht werden kann, wenn auch eine fallbezogene Betrachtung der Gesamtsituation zu der Schlussfolgerung führt, der Fremde könnte sich dem Verfahren oder der Abschiebung durch Flucht entziehen. Es bedarf also über die Erfüllung eines tauglichen Tatbestandes nach § 76 Abs. 3 FPG hinaus einer konkreten Bewertung aller im Einzelfall maßgeblichen Gesichtspunkte, die insofern in die "Abwägungsentscheidung" (so die einleitenden Überlegungen in den wiedergegebenen ErläutRV zu § 76 Abs. 3) einzufließen haben. Das vom Bundesamt im angefochtenen Bescheid zitierte Erkenntnis kann im Hinblick auf die ständige Judikatur des VwGH zu Fluchtgründen und Sicherungsbedarf nicht dahingehend verstanden werden, dass "Schwarzarbeit" für sich alleine zur Begründung der Schubhaft ausreichend wäre, wobei auch im Rechtssatz des zitierten Erkanntnisses weitere vorliegende Schubhaftgründe angeführt sind.

Der Annahme des Bundesamtes, im Fall des BF liege Fluchtgefahr vor, kann daher mangels Erfüllung eines Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG nicht gefolgt werden.

Das durchgeführte Verfahren hat ergeben, dass die als erfüllt anzusehenden Kriterien des § 76 Abs. 3 FPG nicht ausreichen, um von Fluchtgefahr auszugehen und einen Eingriff in die persönliche Freiheit des BF zu rechtfertigen. Im vorliegenden Fall geht das Gericht nicht vom Vorliegen einer Fluchtgefahr aus und es war daher der angefochtene Bescheid für rechtswidrig zu erklären. Eine Prüfung der weiteren Voraussetzungen für die Anordnung der Schubhaft sowie eine Auseinandersetzung mit dem weiteren Beschwerdevorbringen konnte daher entfallen.

2.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH vom 11.06.2013, 2012/21/0114). Die Anhaltung des BF in Schubhaft von XXXX .05.2019 bis 18.05.2019 war daher rechtswidrig.

3. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

4. Zu Spruchteil B. - Spruchpunkt II - Kostenersatz

4.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

4.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Schubhaftbescheid als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben. Der BF hat einen Antrag auf Kostenersatz im Sinne des § 35 VwGVG gestellt. Da der Beschwerde stattgegeben und sowohl der angefochtene Bescheid als auch die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt werden und festgestellt wird, ist der BF die obsiegende Partei. Ihm gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG iVm § 1 Z. 1 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 737,60. Dem Bundesamt gebührt kein Kostenersatz, der im Übrigen auch nicht beantragt wurde.

5. Zu Spruchteil C. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Fluchtgefahr, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W279.2220641.1.00

Zuletzt aktualisiert am

07.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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