TE Bvwg Beschluss 2019/3/14 L516 2133783-3

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Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AsylG 2005 §18 Abs1
AsylG 2005 §20
AsylG 2005 §3
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L516 2133781-3/2E

L516 2133783-3/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von 1.) XXXX , geb XXXX , und 2.) XXXX , geb XXXX , alle StA Georgien, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung Gmbh - ARGE Rechtsberatung, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.02.2019, IFA: XXXX VZ: XXXX und IFA: XXXX VZ: XXXX beschlossen:

A)

In Erledigung der Beschwerde werden die angefochtenen Bescheide behoben und die Angelegenheit gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG zur Erlassung neuer Bescheide an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des minderjährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide sind georgische Staatsangehörige.

2. Die beiden Beschwerdeführer reisten ursprünglich zusammen mit dem Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, dem leiblichen Vater des Zweitbeschwerdeführers, im Oktober 2015 in Österreich ein. Alle drei brachten am 19.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz ein und begründeten diese mit der Erkrankung des Ehemannes bzw Vaters an Multipler Sklerose.

Jene Anträge wurden im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.04.2018, L515 2133782-1/30E, 2133783-1/15E und 2133781-1/21E zur Gänze abgewiesen; gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen jenes Erkenntnis erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12.06.2018, E 2004-2006/2018-5 ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Beschluss vom 14.08.2018, Ra 2018/01/0344-0346, zurück.

3. In der Folge wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer am 24.08.2018 vom Ehemann bzw Vater getrennt und ohne diesen nach Georgien abgeschoben. Eine Abschiebung des Ehemannes bzw Vaters unterblieb aus gesundheitlichen Gründen.

4. Die Erstbeschwerdeführerin reiste mit dem Zweitbeschwerdeführer erneut in Österreich ein und stellte für beide am 10.09.2018 die beiden gegenständlichen Folgeanträge. Die Erstbefragung der Erstbeschwerdeführerin nach dem AsylG erfolgte dazu am selben Tag.

5. Die Verfahren wurden nicht zugelassen.

6. Am 26.09.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) einvernommen. Eine vom BFA im Rahmen dieser Einvernahme erfolgte Aufhebung des faktische Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs2 AsylG wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 04.10.2018, L515 2133781-2/4E und L515 2133783-2/4E als unrechtmäßig erkannt.

7. Am 13.12.2018 und 20.12.2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin erneut vom BFA einvernommen.

8. Das BFA wies mit den gegenständlich angefochtenen Bescheiden die Anträge der Beschwerdeführer gemäß § 68 Abs 1 AVG zur Gänze wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkt I und zwei der jeweils angefochtenen Bescheide). Das BFA erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG (Spruchpunkt III), erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV), stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V) und sprach aus, dass gemäß § 55 Abs 1a keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI). Gleichzeitig stellte das BFA mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren amtswegig eine juristische Person als Rechtsberater zur Seite.

9. Die Beschwerdeführer haben am 01.03.2019 gegen diese Bescheide Beschwerde erhoben.

10. Die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakten des BFA langte am 11.03.2019 beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Linz, ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhaltsfeststellungen:

1.1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter des dreijährigen Zweitbeschwerdeführers. Beide sind georgische Staatsangehörige. XXXX , geb XXXX , ist der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin, Vater des Zweitbeschwerdeführers und ebenso georgischer Staatsangehöriger.

1.2. Die beiden Beschwerdeführer reisten ursprünglich zusammen mit dem Ehemann bzw Vater im Oktober 2015 in Österreich ein. Alle drei brachten am 19.10.2015 Anträge auf internationalen Schutz ein und begründeten diese mit der Erkrankung des Ehemannes bzw Vaters an Multipler Sklerose.

Jene Anträge wurden im Rechtsmittelweg vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.04.2018, L515 2133782-1/30E, 2133783-1/15E und 2133781-1/21E zur Gänze abgewiesen; gleichzeitig wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass die Abschiebung nach Georgien zulässig sei. Jenes Erkenntnis wurde elektronisch an die damalige Vertretung versandt und von dieser am 12.04.2018 abgeholt. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen jenes Erkenntnis erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 12.06.2018, E 2004-2006/2018-5 ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. Der Verwaltungsgerichtshof wies die Revision mit Beschluss vom 14.08.2018, Ra 2018/01/0344-0346, zurück.

1.3. In der Folge wurden die Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführer am 24.08.2018 vom Ehemann bzw Vater getrennt und ohne diesen nach Georgien abgeschoben. Eine Abschiebung des Ehemannes bzw Vaters unterblieb aus gesundheitlichen Gründen.

1.4. Zur Begründung der gegenständlichen Folgeanträge der beiden Beschwerdeführer führte die Erstbeschwerdeführerin bei der Erstbefragung am 10.09.2018 aus, sie fühle sich in Georgien unwohl und unsicher, sie wohne in einer Kleinstadt und sei nicht leicht dort mit Kind ohne Mann zu leben. Der Grund habe sich nicht verändert, sie wolle mit ihrem Mann zusammenleben, weil er psychisch nicht in der Lage sei, allein zu leben und sie ihn somit unterstützen müsse. Ihr Mann sei pflegebedürftig und komme allein nicht zurecht. Sie fühle sich in Georgien nicht geschützt, wenn sie dort alleine mit ihrem Kind wohne. Sie habe Angst um ihr Kind und sie selbst und sie sorge sich auch um ihren Mann, dem es schlecht gehe. Sie könnte als Frau belästigt werden und sie habe kein Haus oder keine Wohnung, wo sie wohnen könnte. Sie sei ohne ihren Mann abgeschoben worden, ihr Mann befinde sich in Österreich und sie wolle mit ihm zusammen sein (AS 13).

Bei der Einvernahme am 26.09.2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass ihre Gründe auch für ihren Sohn, den Zweitbeschwerdeführer, gültig seien. Sie sei in Georgien bei ihren Eltern gewesen, sie wolle dort nicht allein sein. Sie würden in einem Dorf wohnen. Im Supermarkt würde die Leute überall über sie reden. Da sei sie schon von Männern belästigt worden. Sie wisse nicht, wie sie das sagen solle. Sie wolle und könne nicht alleine und getrennt von ihrem Mann leben. Sie sei auch belästigt worden. Denn eine Frau, die getrennt lebe ohne Mann werde immer wieder belästigt. Sie sei auch körperlich belästigt worden. Wenn die anderen Leute nicht da gewesen wären, wüsste Sie nicht, was passiert wäre. Außerdem sei ihr Mann krank und brauche sie hier. Ihr Mann sei von ihr abhängig, weil er ihre Hilfe brauche. Sie habe viele Unterlagen bezüglich seines Gesundheitszustandes. Er sei mit der Rettung weggetragen worden. Sie habe nicht gewusst, ob er noch am Leben sei oder nicht. Es sei so ein Schlag für ihn gewesen, als er erfahren habe, dass man sie zurückbringen sollte. Sie hätten im April die zweite negative Entscheidung erhalten, erst danach sei es ihm gesundheitlich schlechter gegangen. Es stehe alles in den Unterlagen, er habe dann stärkere Medikamente erhalten. Neu sei an ihrem Grund, dass sie nicht allein und ohne Mann in Georgien leben könne, sie fühle sich dort bedroht (AS 85, 89)

Bei der Einvernahme am 20.12.2018 gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie bei ihren angegebenen Fluchtgründen bleibe (AS 401).

1.5. Die Einvernahmen der Erstbeschwerdeführerin am 26.09.2018 und 20.12.2018 wurden von einem männlichen Referenten des BFA durchgeführt, die letzte auch unter Beiziehung eines männlichen Dolmetschers (AS 83, 397).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus den vom BFA vorgelegten und unverdächtigen Verwaltungsverfahrensakten zu den Anträgen der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz sowie aus dem Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zum Vorverfahren. Die Feststellungen zu den Angaben der Erstbeschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren ergeben sich konkret aus den im Akt einliegenden Niederschriften, den angefochtenen Bescheiden und der Beschwerde, wobei zu den jeweiligen Feststellungen die entsprechenden Aktenseiten (AS) angeführt sind.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Stattgabe der Beschwerde gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG und Behebung der bekämpften Bescheide

§ 68 AVG

3.1. Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Allgemein zur entschiedenen Sache gem § 68 Abs 1 AVG

3.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes steht die Rechtskraft einer Entscheidung einem neuerlichen Antrag entgegen, wenn keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vorliegt und in dem für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt keine Änderung eingetreten ist (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122). Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", also durch die Identität der Verwaltungssache, über die bereits mit einem formell rechtskräftigen Bescheid abgesprochen wurde, mit der im neuen Antrag intendierten bestimmt (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Identität der Sache als eine der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des § 68 Abs 1 AVG ist dann gegeben, wenn sich der für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt, der dem rechtskräftigen Vorbescheid zugrunde lag, nicht geändert hat. Im Übrigen ist bei der Überprüfung, ob sich der Sachverhalt maßgeblich verändert hat, vom rechtskräftigen Vorbescheid auszugehen, ohne dass dabei dessen sachliche Richtigkeit nochmals zu ergründen wäre, weil die Rechtskraftwirkung ja gerade darin besteht, dass die von der Behörde entschiedene Sache nicht neuerlich untersucht und entschieden werden darf. Eine andere fachliche Beurteilung unverändert gebliebener Tatsachen berührt die Identität der Sache nicht. In Bezug auf die Rechtslage kann nur eine Änderung der maßgeblichen Rechtsvorschriften selbst bei der Frage, ob Identität der Sache gegeben ist, von Bedeutung sein, nicht aber eine bloße Änderung in der interpretativen Beurteilung eines Rechtsbegriffs oder einer Rechtsvorschrift bei unverändertem Normenbestand (VwGH 24.06.2014, Ro 2014/05/0050). Als Vergleichsentscheidung ist dabei jene heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Erst nach Erlassung des Bescheides hervorgekommene Umstände, die eine Unrichtigkeit des Bescheides dartun, stellen keine Änderung des Sachverhaltes dar, sondern bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 17.02.2015, Ra 2014/09/0029). Im Folgeantragsverfahren können - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - nur neu entstandene Tatsachen, die einen im Vergleich zum rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren geänderten Sachverhalt begründen, zu einer neuen Sachentscheidung führen, nicht aber solche, die bereits vor Abschluss des vorangegangenen Asylverfahrens bestanden haben (VwGH 08.09.2015, Ra 2014/18/0089). In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz kann nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen - berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Relevanz zukommt (VwGH 09.03.2015, Ra 2015/19/0048). Die Prüfung der Zulässigkeit eines Folgeantrages auf Grund geänderten Sachverhalts hat nur anhand der Gründe, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens vorgebracht wurden, zu erfolgen. Im Rechtsmittelverfahren ist ausschließlich zu prüfen, ob die Behörde erster Instanz zu Recht zum Ergebnis gelangt ist, dass keine wesentliche Sachverhaltsänderung eingetreten ist. Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH 29.06.2015, Ra 2015/18/0122).

§ 21 Abs 3 BFA-VG

3.3. Gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG ist der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint (Satz 2). Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen (Satz 1).

Zur Beurteilung im gegenständlichen Verfahren

3.4. Die Erstbeschwerdeführerin hat die gegenständlichen Anträge unter anderem damit begründet, dass sie nicht allein und getrennt von ihrem Mann leben könne, da eine Frau, die getrennt ohne Mann lebe, immer wieder belästigt werde. Sie sei nach ihrer Rückkehr in Georgien belästigt worden, auch körperlich, und sie nicht wüsste, was passiert wäre, wenn nicht andere Leute dagewesen wären. Sie fühle sich in Georgien ohne Mann bedroht (AS 13, 89, 90).

Da sämtliche Einvernahmen vom BFA durch einen männlichen Referenten erfolgten (AS 83, 397, ist nicht auszuschließen, dass die Erstbeschwerdeführerin mit diesen Ausführungen einen bereits erlittenen Eingriff in ihre sexuelle Selbstbestimmung oder eine Befürchtung vor einem solchen Eingriff zum Ausdruck gebracht hat bzw bringen wollte. Da dem Zweck des Abbaus von Hemmschwellen, über das Erlebte (oder Befürchtete) zu berichten, in diesem Fall nicht Rechnung getragen wurde, durfte das BFA nicht ohne Weiteres annehmen, dass der Sachverhalt geklärt sei (vgl VfGH E196/2018).

Das BFA hat es unterlassen, die Erstbeschwerdeführerin dazu zu befragen, in welcher Form sie belästigt worden sei oder eine Belästigung befürchtet, bzw was sie konkret erlebt haben will und was sie konkret befürchtet, obwohl das BFA von Amts wegen darauf hinzuwirken gehabt hätte, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben gemacht oder lückenhafte Angaben vervollständigt werden (VwGH Ra 2018/20/0314). Dies hat das BFA daher im fortgesetzten Verfahren - unter Beachtung der Regelung des § 20 AsylG - nachzuholen haben.

3.5. Dem Bundesverwaltungsgericht ist es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht erlaubt, diesen Mangel selbst zu beheben (vgl VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).

3.6. Der Beschwerde ist daher gemäß § 21 Abs 3 BFA-VG stattzugeben und die angefochtenen - im Zulassungsverfahren ergangenen - Bescheide sind aufzuheben. Die Verfahren sind somit zugelassen.

3.7. Das BFA wird im fortzusetzenden Verfahren das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete Parteivorbringen - im gegenständlichen Fall somit die Beschwerdeausführungen - sowie allfällig zwischenzeitig vorgelegte Beweismittel zu berücksichtigen und gemäß § 18 Abs 1 AsylG gegebenenfalls darauf hinzuwirken haben wird, dass getätigte Angaben ergänzt bzw vervollständigt werden. Das BFA wird nach den dazu zweckmäßigen Ermittlungsschritten das Ermittlungsergebnis unter Berücksichtigung sämtlicher bekannter Bescheinigungsmittel einer - schlüssigen und individuellen - Beweiswürdigung zu unterziehen und individuelle Feststellungen zu treffen zu haben, wobei von den Beschwerdeführerd dabei neu behauptete Geschehnisse vom BFA individuell und schlüssig daraufhin zu überprüfen sein werden, ob diese einen "glaubhaften Kern" aufweisen oder nicht.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.8. Aufgrund der Behebung der angefochtenen Bescheide konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen.

Zu B)

Revision

3.9. Da die Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist, ist die ordentliche Revision nicht zulässig.

3.10. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, Behebung der Entscheidung,
Belästigung, Bindungswirkung, entschiedene Sache,
Ermittlungspflicht, Folgeantrag, Identität der Sache, Kassation,
mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Mitwirkungspflicht, Rechtskraft der
Entscheidung, Rechtskraftwirkung, res iudicata, sexuelle
Belästigung, Zurückverweisung, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2133783.3.00

Zuletzt aktualisiert am

03.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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