TE OGH 2019/7/30 10ObS38/19i

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Veröffentlicht am 30.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.-Prof. Dr. Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Faber sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Lukas Stärker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und KR Karl Frint (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Kurt Fassl, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Steiermärkische Gebietskrankenkasse, 8011 Graz, Josef-Pongratz-Platz 1, wegen Familienzeitbonus, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Dezember 2018, GZ 7 Rs 51/18a-10, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 5. März 2018, GZ 42 Cgs 108/17w-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Verfahrensgegenstand ist die Frage des Anspruchs des Klägers auf Familienzeitbonus (§ 2 FamZeitbG, BGBl I 2016/53) für den Zeitraum von 9. 10. 2017 bis 8. 11. 2017 im Hinblick auf die Frage, ob der innerhalb der letzten 182 Tage vor Bezugsbeginn abgeleistete Präsenzdienst als tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit im Sinn des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG zu qualifizieren oder einer solchen gleich zu halten ist.

Der Kläger ist Vater seiner am 27. 9. 2017 geborenen Tochter V*****. Er ist seit 16. 2. 2009 bei der R***** GmbH beschäftigt. Von 9. 1. 2017 bis 19. 6. 2017 absolvierte er seinen Präsenzdienst.

Am 17. 10. 2017 beantragte der Kläger die Leistung nach dem Familienzeitbonusgesetz für den Zeitraum von 9. 10. 2017 bis 8. 11. 2017.

Die Beklagte lehnte den Antrag des Klägers mit Bescheid vom 16. 11. 2016 ab.

Das Erstgericht wies die dagegen erhobene Klage ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge. Es ließ die Revision mit der Begründung zu, dass zu den Anspruchsvoraussetzungen für den Familienzeitbonus noch keine Rechtsprechung vorliege.

Rechtlich führte es aus, der Familienzeitbonus stehe gemäß § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG nur tatsächlich erwerbstätigen Vätern zu, wobei das Erwerbstätigkeits-erfordernis der Legaldefinition des § 24 Abs 1 Z 2 iVm § 24 Abs 2 erster Satz KBGG entspreche, sodass die dazu ergangene Rechtsprechung heranzuziehen sei. Nach der Entscheidung 10 ObS 57/12y stelle die Ableistung des Präsenzdienstes keine tatsächliche Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gemäß § 24 KBGG dar. Eine planwidrige Lücke, die durch Analogie zu schließen wäre, liege nicht vor. Der Gesetzgeber sei vielmehr bereits zweimal im Zuge von Novellierungen des KBGG auf die Problematik der Ableistung des Präsenzdienstes hingewiesen worden. Er habe sich dadurch aber nicht veranlasst gesehen, eine Regelung vorzunehmen, die für den Fall der Ableistung des Präsenzdienstes bei aufrechtem Arbeitsverhältnis den Anspruchsverlust vermeide. Daher komme die vom Kläger angestrebte „europarechts- bzw verfassungskonforme Interpretation“ nicht in Betracht.

Das Berufungsgericht verneinte eine Verletzung des Gleichheitssatzes, weil eine Unterbrechung des Dienstverhältnisses zur Ableistung des Präsenzdienstes, die zum Anspruchsverlust führe, und die Unterbrechung aufgrund des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG, die den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld unberührt lasse, keinen gleichen oder vergleichbaren Sachverhalt darstellten. Auch der Umstand, dass eine Frau, die gemäß § 144 ABGB Elternteil sei, ihren Anspruch auf Familienzeitbonus nicht durch Ableistung des Präsenzdienstes verlieren könne, begründe keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts. Es liege auch keine Ungleichbehandlung gegenüber Zivildienern vor, weil auch diese keine kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit im Sinn des FamZeitbG ausübten.

Dagegen richtet sich die Revision des Klägers, mit der er die Klagestattgebung anstrebt.

Die Beklagte beteiligte sich nicht am Revisionsverfahren.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil der Oberste Gerichtshof zur Auslegung der Anspruchsvoraussetzung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG im Hinblick auf die Ableistung des Präsenzdienstes noch nicht Stellung genommen hat; sie ist aber nicht berechtigt.

1. Anspruch auf Familienzeitbonus hat ein Vater für sein Kind, sofern er (ua) gemäß § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG in den letzten 182 Tagen unmittelbar vor Bezugsbeginn durchgehend eine in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit tatsächlich ausgeübt sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Tagen nicht anspruchsschädigend auswirken.

2.1. Nach dem Willen des Gesetzgebers entspricht das Erwerbstätigkeitserfordernis dem für den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes als Ersatz des Erwerbseinkommens vorgeschriebenen Erfordernis (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 2).

2.2. § 24 Abs 1 Z 2 KBGG (in der gemäß § 50 Abs 14 KBGG für Geburten nach dem 28. 2. 2017 anzuwendenden Fassung BGBl I 2016/53) verlangt, dass der beziehende Elternteil in den letzten sechs Kalendermonaten unmittelbar vor der Geburt des Kindes, für das Kinderbetreuungsgeld bezogen werden soll, durchgehend erwerbstätig gemäß Abs 2 war sowie in diesem Zeitraum keine Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung erhalten hat, wobei sich Unterbrechungen von insgesamt nicht mehr als 14 Kalendertagen nicht anspruchsschädigend auswirken.

2.3. Der Begriff der Erwerbstätigkeit ist in § 24 Abs 2 KBGG (idF BGBl I 2016/53) definiert. Demnach versteht man unter Erwerbstätigkeit die tatsächliche Ausübung einer in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Erwerbstätigkeit. Als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten „Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem Mutterschutzgesetz 1979 (MSchG), BGBl Nr 221, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder Väter-KarenzG (VKG), BGBl Nr 651/1989, oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes“ (§ 24 Abs 2 Satz 2 KBGG).

2.4. In der Literatur wird zur Auslegung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG einhellig auf § 24 KBGG verwiesen (Sonntag in Sonntag/Schober/Konezny, KBGG² § 2 FamZeitbG Rz 22; Burger-Ehrnhofer, KBGG und FamZeitbG3 § 2 FamZeitbG Rz 21; Holzmann-Windhofer in Holzmann-Windhofer/Weißenböck, KBGG zu § 2 FamZeitbG 283).

2.5. Die Vorinstanzen haben daher zutreffend die zu § 24 KBGG ergangene Rechtsprechung auch zur Auslegung von § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG herangezogen.

3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 10 ObS 57/12y (SSV-NF 26/59) bereits zur Frage der Qualifikation des Präsenzdienstes als Erwerbstätigkeit im Sinn des § 24 KBGG Stellung genommen und eine Qualifikation von Zeiten der Leistung des Präsenzdienstes als Erwerbstätigkeit im Sinn der genannten Bestimmung abgelehnt.

Abgestellt wurde darauf, dass die – durch das aufrechte Dienstverhältnis begründete – Beitragspflicht des Versicherten und seines Dienstgebers in der Krankenversicherung gemäß § 56a Abs 1 ASVG während des Präsenzdienstes ruht, während die (durch das Dienstverhältnis begründete) Pflichtversicherung in der Unfall- und Pensionsversicherung gemäß § 12 Abs 6 ASVG mit dem Antritt des Präsenzdienstes endet. Aus § 232 Abs 1 ASVG wurde weiters abgeleitet, dass die gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit d sublit aa oder bb ASVG während der Leistung des Präsenzdienstes erworbenen Zeiten einer Teilversicherung nicht als Beitragsmonate der Pflichtversicherung aufgrund einer Erwerbstätigkeit behandelt werden.

4. Die zu 10 ObS 57/12y angestellten Erwägungen haben auch für den vorliegenden Fall Gültigkeit.

4.1. Zwar wurde § 24 Abs 2 erster Satz KBGG gegenüber der zu 10 ObS 57/12y anzuwendenden Fassung mit dem FamZeitbG (BGBl I 2016/53) dahin novelliert, dass das Erfordernis der tatsächlichen Ausübung einer „in Österreich sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit“ legal definiert wurde (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10): Nach § 24 Abs 2 erster Satz KBGG idF BGBl I 2016/53 ist unter einer Erwerbstätigkeit im Sinn des KBGG die tatsächliche Ausübung einer „in Österreich sozialversicherungspflichtigen (kranken- und pensionsversicherungspflichtigen) Tätigkeit“ zu verstehen. Damit ist klargestellt, dass eine geringfügige Beschäftigung mit (nur) Unfallversicherungspflicht nicht ausreicht (ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 10).

Für die Beurteilung der Ableistung des Präsenzdienstes ist diese Gesetzesänderung allerdings nicht von Bedeutung.

4.2. Hinsichtlich des Ruhens der Beitragspflicht des Versicherten und seines Dienstgebers in der Krankenversicherung während des Präsenzdienstes (§ 56a Abs 1 ASVG), der Beendigung der Pflichtversicherung in der Unfall- und Pensionsversicherung mit dem Antritt des Präsenzdienstes (§ 12 Abs 6 ASVG), sowie der Einteilung der Arten der Versicherungsmonate gemäß § 232 Abs 1 ASVG ist die im vorliegenden Fall anzuwendende Rechtslage gegenüber der in der Entscheidung 10 ObS 57/12y zur Anwendung kommenden Rechtslage unverändert.

4.3. Ob die Ableistung des Präsenzdienstes – wie im vorliegenden Fall – in Form des Grundwehrdienstes gemäß § 19 Z 1 WehrG 2001, oder – wie zu 10 ObS 57/12y – in Form von Milizübungen und freiwilligen Waffenübungen gemäß § 19 Z 2 und 3 WehrG 2001 erfolgt, begründet im Hinblick auf die hier relevante Sozialversicherungspflicht keine voneinander abweichenden Rechtsfolgen. Vielmehr differenziert § 8 Abs 1 Z 2 lit d ASVG nicht nach den in § 19 WehrG 2001 vorgesehenen unterschiedlichen Formen des Präsenzdienstes.

4.4. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die für die Entscheidung 10 ObS 57/12y tragenden Erwägungen auch im vorliegenden Fall zur Anwendung kommen, ist daher zutreffend.

5. § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG erfordert daher, ebenso wie § 24 Abs 2 KBGG idF BGBl I 2016/53 die tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Tätigkeit (RS0128183). Diese Voraussetzung ist während der Ableistung des Präsenzdienstes nicht erfüllt.

6. Die gesetzgeberische Zielsetzung, die Anzahl jener Väter, die sich nach der Geburt der Familienzeit widmen, zu steigern (Vorblatt 1110 BlgNR 25. GP 1), indem dem Problem abgeholfen wird, dass dauerhaft erwerbstätige Väter, die sich direkt nach der Geburt eines Kindes für einen Monat intensiv und ausschließlich der Familie widmen und dazu ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, nach der Rechtslage vor dem FamZeitbG keine finanzielle Unterstützung erhielten (Vorblatt 1110 BlgNR 25. GP 3), führt entgegen der Rechtsansicht des Revisionswerbers zu keinem anderen Auslegungsergebnis. Vielmehr kann dieser weit gefassten Zielsetzung kein Anhaltspunkt für die angestrebte Qualifikation des Präsenzdienstes als einer „in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Tätigkeit“ entnommen werden.

7.1. Gemäß § 2 Abs 7 FamZeitbG gelten Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung dieser zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem Väter-Karenzgesetz (VKG) bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahres eines Kindes, als der Ausübung einer kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt.

7.2. Diese Bestimmung ist offenkundig § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG nachgebildet. § 24 Abs 2 Satz 2 KBGG sieht vor, dass Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung einer zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit während eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, sowie Zeiten der vorübergehenden Unterbrechung der zuvor mindestens 182 Kalendertage andauernden Erwerbstätigkeit zum Zweck der Kindererziehung während Inanspruchnahme einer Karenz nach dem MSchG oder dem Väter-Karenzgesetz (VKG) oder gleichartigen anderen österreichischen Rechtsvorschriften, bis maximal zum Ablauf des zweiten Lebensjahrs eines Kindes, als der Ausübung einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit gleichgestellt gelten.

7.3. Der Revisionsrekurswerber leitet aus der Zusammenschau dieser Bestimmungen eine durch Analogieschluss zu füllende planwidrige Lücke des § 2 Abs 1 Z 7 FamZeitbG ab. Er argumentiert, Zeiten der Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit wegen der Ableistung des Präsenzdienstes müssten der Unterbrechung der tatsächlichen Ausübung einer Erwerbstätigkeit wegen Eintritts des Beschäftigungsverbots nach dem MSchG gleichstehen.

7.4. Ein Analogieschluss setzt eine Gesetzeslücke voraus. Es muss also eine planwidrige Unvollständigkeit des positiven Rechts vorliegen, das heißt, dass dieses, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, ergänzungsbedürftig ist und die Ergänzung auch nicht einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht (RS0008866; RS0098756).

7.5. Eine derartige Lücke liegt hier nicht vor. Das Berufungsgericht hat bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Zusammenhang mit dem Erwerbstätigkeitserfordernis des § 24 KBGG bereits zweimal mit der Anregung konfrontiert wurde, eine Regelung zu treffen, die einen Anspruchsverlust durch die Ableistung des Präsenz- oder Zivildiensts verhindere (Stellungnahmen der Bundesarbeitskammer vom 11. 9. 2009, 9/SN-85/ME 24. GP 12, und vom 25. 10. 2011, 18/SN-324/ME 24. GP 5), dies aber nicht zum Anlass nahm, in § 24 KBGG oder § 2 FamZeitbG eine Regelung für die Leistung des Präsenz- oder Zivildienstes zu treffen.

Dies lässt aber nur den Schluss zu, dass der Gesetzgeber den ungeregelten Fall – die Leistung des Präsenzdienstes innerhalb des Zeitraums von 182 Tagen unmittelbar vor Beginn des Antragszeitraums – bewusst anders als den geregelten Fall entschieden wissen wollte (vgl RS0008870 [T7]), sodass keine planwidrige Lücke vorliegt.

8. Der Kläger regt eine Anfechtung des § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG gemäß Art 89 B-VG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz an.

8.1. Der Oberste Gerichtshof teilt die Bedenken des Revisionswerbers nicht.

8.2. Vorauszuschicken ist, dass der in Art 7 B-VG normierte Gleichheitsgrundsatz unsachliche Differenzierungen verbietet (RS0053981). Dem Gesetzgeber steht aber ein Gestaltungsspielraum insofern zu, als er in seinen rechts- und wirtschaftspolitischen Zielsetzungen frei ist, sofern keine unsachliche Differenzierung vorliegt (RS0117654 [T5]; RS0053889). Eine Regelung ist nicht schon dann gleicheitswidrig, wenn ihr Ergebnis nicht in allen Fällen als befriedigend angesehen wird (RS0053882).

9.1. Der Revisionswerber erkennt eine sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung zwischen Männern und Frauen darin, dass die Ableistung des Präsenzdienstes eine nur bei Männern eingreifende negative Anspruchsvoraussetzung für den Bezug des Familienzeitbonus sei, von der Frauen, die gemäß § 144 Abs 2 ABGB Elternteil seien und nach § 2 Abs 5 FamZeitbG als Väter gälten, nicht betroffen seien.

9.2. § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG sieht keine negative Anspruchsvoraussetzung im Zusammenhang mit der Leistung des Präsenzdienstes vor, sondern verlangt vielmehr die Erfüllung des positiven (näher umschriebenen) Erwerbstätigkeitserfordernisses.

9.3. Die tatsächliche Ausübung der in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit liegt in einer Vielzahl von Konstellationen nicht vor, so etwa im Fall des Bezugs von Weiterbildungsgeld (10 ObS 103/14s SSV-NF 28/61), des Bezugs einer Urlaubsersatzleistung (10 ObS 164/17s) und des Bezugs von Krankengeld (Zeiten eines Krankenstands ohne arbeitsrechtliche Entgeltfortzahlung, 10 ObS 5/14d SSV-NF 28/8), wie auch im Fall der Leistung des Präsenzdienstes (10 ObS 57/12y).

9.4. Der Oberste Gerichtshof hat aber bereits klargestellt, dass es im Hinblick auf die Einkommens-ersatzfunktion des Kinderbetreuungsgeldes gemäß § 24 KBGG durchaus sachgerecht ist, für den Anspruch auf einkommensabhängiges Kinderbetreuungsgeld eine gewisse Mindestdauer der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit vorzusehen (10 Ob 76/13v SSV-NF 27/48; RS0127744 [T2]). Auch für den Familienzeitbonus, der eine finanzielle Unterstützung für erwerbstätige Väter schaffen soll, die sich direkt nach der Geburt ausschließlich der Familie widmen (vgl ErläutRV 1110 BlgNR 25. GP 1), erscheint das Erfordernis einer Mindestdauer der tatsächlich ausgeübten Erwerbstätigkeit sachlich gerechtfertigt.

9.5. Die Wehrpflicht, die gemäß § 11 Abs 1 Z 2 WehrG 2001 die Pflicht zur Leistung des Präsenzdienstes umfasst, gilt gemäß Art 9a Abs 3 B-VG nur für Männer.

Der Umstand, dass bei Frauen, die gemäß § 2 Abs 5 FamZeitbG als Väter gelten, mangels Wehrpflicht eine Unterbrechung ihrer tatsächlichen Erwerbstätigkeit durch die Leistung des Präsenzdienstes ausgeschlossen ist, ist eine Reflexwirkung der im Verfassungsrang stehenden Anordnung der Wehrpflicht nur für männliche Staatsbürger. Dies begründet daher keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen das in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG vorgesehene, für die Ableistung des Präsenzdienstes keine Sonderregelung enthaltende, Erwerbstätigkeitserfordernis.

9.6. Dass die Einberufung in das Bundesheer die notwendige körperliche und geistige Eignung für eine im Bundesheer in Betracht kommende Verwendung voraussetzt (§ 9 Abs 1 WehrG 2001), steht nicht im Zusammenhang mit der Regelung des Erwerbstätigkeitserfordernisses in § 2 Abs 1 Z 5 FamZeitbG und weckt ebenfalls keine Bedenken im Hinblick auf die behauptete Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmung.

9.7. Darüber hinaus liegt es innerhalb des gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums, für unterschiedliche Lebenssachverhalte – etwa für die Ableistung des Präsenz- oder Zivildienstes auf der einen, für Zeiten eines Beschäftigungsverbots nach dem MSchG auf der anderen Seite – eine Gleichstellung mit der tatsächlichen Ausübung der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit anzuordnen oder aber, wie im Fall des § 2 Abs 7 FamZeitbG, davon Abstand zu nehmen.

10. Die behauptete Diskriminierung von Präsenzdienern gegenüber Zivildienst leistenden Personen ist nicht ersichtlich. Soweit der Revisionswerber auf dem Standpunkt steht, die Leistung von Zivildienst sei als tatsächliche Ausübung einer in Österreich kranken- und pensionsversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu qualifizieren, lässt er außer Acht, dass Personen, die Zivildienst leisten, in der Pensionsversicherung (nur) gemäß § 8 Abs 1 Z 2 lit e ASVG teilversichert sind. Die dadurch erworbenen Versicherungsmonate gelten aber gemäß § 232 Abs 1 ASVG nicht als Beitragsmonate aufgrund von Erwerbstätigkeit, sondern – wie auch die durch die Leistung von Präsenzdienst erworbenen Versicherungsmonate – als „Monate einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs 1 Z 2 lit a bis g ASVG“.

11. Der Oberste Gerichtshof sieht sich daher zu der vom Kläger angeregten Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof nicht veranlasst.

12. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG. Gründe für einen Kostenzuspruch nach Billigkeit sind nicht ersichtlich.

Textnummer

E125879

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:010OBS00038.19I.0730.000

Im RIS seit

26.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.05.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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