TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/4 L524 2140484-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.04.2019
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Entscheidungsdatum

04.04.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
AVG §74 Abs1
AVG §74 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L524 2140484-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.10.2016, Zl. 1076471702-150793208/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.03.2019,

A)

I. zu Recht erkannt:

Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

II. beschlossen:

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 74 Abs. 2 AVG zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 04.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei schiitischer Moslem. Er habe 2008/2009 seinen Ausreiseentschluss gefasst und sei im Juni oder Juli 2014 legal aus dem Irak ausgereist. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte der Beschwerdeführer vor, dass er und vier weitere Bekannte von unbekannten Personen bedroht worden seien. Der Beschwerdeführer sei bedroht worden, weil er als Kellner Alkohol verkauft habe.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) am 25.10.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er im bisherigen Verfahren wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe, diese rückübersetzt und richtig protokolliert worden seien. Bis zu seiner Ausreise aus dem Irak habe er in XXXX , Bagdad, gelebt. Er sei in der Stadt XXXX geboren, habe aber sein ganzes Leben in Bagdad gelebt, wo er auch sechs Jahre in die Volksschule gegangen sei. Mit elf Jahren habe er begonnen in einer Bäckerei zu arbeiten. Ab dem Alter von 14 Jahren habe er drei Jahre lang in einer Bar gearbeitet. Am 05.07.2014 habe er Bagdad verlassen. Die Ausreise sei von seiner Familie finanziert worden. Seine Eltern, drei Brüder und eine Schwester würden weiterhin in Bagdad leben. Der Vater besitze eine Boutique, wo auch ein Bruder arbeite. Ein weiterer Bruder sei Friseur. Seine beiden jüngsten Geschwister gingen noch zur Schule. Seiner Familie gehe es gut und er habe viele weitere Verwandte im Irak.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, dass es im Irak verschiedene Milizen gebe und 2014 viele Bars in Bagdad bombardiert worden seien. Er habe in einer Bar gearbeitet und sei am 01.07.2014 mit einem Kollegen auf dem Nachhauseweg gewesen, als ein Auto neben ihnen stehengeblieben sei. Es seien drei Männer ausgestiegen, von denen sie geschlagen worden seien. Dann hätten diese Männer zu ihnen gesagt, dass sie getötet würden, wenn sie noch einmal dorthin arbeiten gehen würden. Der Beschwerdeführer sei daraufhin nach Hause gegangen. Sein Vater habe ihm gesagt, dass er nicht mehr arbeiten gehen dürfe. Er sei zu Hause geblieben und zwei Tage danach sei sein Arbeitskollege auf der Straße getötet worden. Nachdem sie davon erfahren hätten, habe sein Vater gesagt, dass er Bagdad verlassen müsse. Nach seiner Ausreise habe die Familie ein Drohschreiben erhalten.

3. Mit Bescheid des BFA vom 31.10.2016, Zl. 1076471702-150793208/BMI-BFA_STM_RD, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine Verfolgungsgefahr nicht glaubhaft gemacht habe. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der die Verletzung von Verfahrensvorschriften sowie inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend gemacht werden.

5. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.03.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Die belangte Behörde entsandte keinen Vertreter, beantragte jedoch die Abweisung der Beschwerde. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern. Dem Beschwerdeführer wurden Berichte zur Lage im Irak zur Kenntnis gebracht. Der Beschwerdeführer gab hierzu innerhalb der eingeräumten Frist eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischer Moslem. Der Beschwerdeführer wurde in XXXX geboren, lebte jedoch bis zur Ausreise aus dem Irak in Bagdad. Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre die Grundschule in Bagdad. Etwa ab dem Alter von elf Jahren begann der Beschwerdeführer zu arbeiten. Er übte verschiedenen Tätigkeiten aus, unter anderem arbeitete er in einer Bäckerei und als Kellner in einer Bar. In seiner Freizeit spielte der Beschwerdeführer Fußball und Computerspiele.

Zwei Brüder des Beschwerdeführers leben in Erbil und arbeiten dort. Der Beschwerdeführer hat sieben Onkel und drei Tanten väterlicherseits sowie zwei Onkel und sechs Tanten mütterlicherseits. Die Onkel und Tanten leben in Bagdad und anderen Provinzen im Irak. Die Onkel väterlicherseits sind Tischler. Ein Onkel mütterlicherseits arbeitet in einer Druckerei und ein Onkel mütterlicherseits arbeitet beim Amt für Stromversorgung. Das Haus der Familie in Bagdad ist nicht bewohnt.

Der Beschwerdeführer verließ Anfang Juli 2014 legal den Irak und reiste in die Türkei, wo er ca. neun Monate in Ankara arbeitete. Danach reiste er schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 04.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, wonach er geschlagen und mit dem Umbringen bedroht worden sei, weil er als Kellner in einer Bar Alkohol ausgeschenkt habe, wird der Entscheidung mangels Glaubwürdigkeit nicht zugrunde gelegt.

Der Beschwerdeführer ist ledig und hat keine Kinder. Er hat eine Freundin, es besteht jedoch kein gemeinsamer Haushalt. Die Freundin des Beschwerdeführers lebt bei ihren Eltern und Geschwistern. Der Beschwerdeführer spielt Fußball mit anderen Asylwerbern und besucht seine Freundin. Der Beschwerdeführer besuchte einen eintägigen Werte- und Orientierungskurs, einen Basisbildungskurs für Erwachsene und eine zwölfteilige Dialogreihe XXXX . Von 19.07.2017 bis 29.08.2017 wurde für den Beschwerdeführer eine Beschäftigungsbewilligung als Erntehelfer erteilt. Der Beschwerdeführer besucht derzeit keine Kurse. Er ist auch nicht Mitglied in einem Verein. Der Beschwerdeführer verfügt über eine undatierte Einstellungszusage und Empfehlungsschreiben.

Der Beschwerdeführer ist gesund. Er nimmt keine Medikamente. Der Beschwerdeführer bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Er ist nicht erwerbstätig. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus. Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt. Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser. 97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus. Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Dora, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig, und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsversorgung, es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Gemeinschaften bauen Schulen wieder auf. Das US-Außenministerium berichtet, dass Tausende von Schulen in ehemals von IS betroffenen Gebieten wiedereröffnet wurden, aber Kindern von Binnenvertriebenen, insbesondere außerhalb von Lagern, weiterhin die Schulbildung verweigert wird. Wohlhabende Familien in Bagdad haben Zugang zu höherer Bildung von privaten und internationalen Schulen. Die privaten Schulgebühren in Bagdad betragen durchschnittlich rund 1.300 USD pro Monat.

Der öffentliche Sektor ist bei weitem der größte Arbeitgeber, und der private Sektor ist unterentwickelt. Während die Regierung den größten Teil ihrer Einnahmen aus Ölexporten erwirtschaftet, beschäftigt die Ölindustrie nur wenige Mitarbeiter. Die Regierung beschäftigt schätzungsweise 40 Prozent der irakischen Arbeitskräfte. Im UNDP-Bericht 2016 wurde eine Arbeitslosenquote von 16,9 Prozent, die Jugendarbeitslosigkeit auf 35,1 Prozent geschätzt.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status. Die Verfassung sieht eine Hohe Kommission für Menschenrechte vor.

Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Sie garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabean-Mandäer. Auf der Scharia beruhende Regelungen verbieten zwar eine Konversion vom islamischen Glauben, doch ist keine Strafverfolgung hierfür bekannt. Nach irakischem Recht wird ein Kind unter 18 Jahren automatisch zum Islam konvertiert, wenn auch einer seiner nicht-muslimischen Eltern konvertiert ist.

Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung werden Schiiten kaum oder gar nicht diskriminiert. Die Schiiten haben traditionell im ganzen Irak gelebt. Durch die starke Zunahme sektiererischer Gewalt seit 2003 haben einige Schiiten sunnitische Gebiete verlassen. Der Aufstieg des IS im Jahr 2014 führte dazu, dass viele Turkmenen und Shabak in andere Gebiete umsiedelten. Die Gewalt gegen Schiiten hat sich im Jahr 2018 nach der Niederlage des IS verringert. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Milizen, die häufiger in schiitischen Gebieten wie Bagdad und dem Südirak auftreten. Schiiten sind keiner offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Sie sind auch keiner gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt, obwohl sie bei bedeutenden schiitischen Festen und Pilgerfahrten einem mäßigen Gewaltrisiko ausgesetzt sind.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez-passer-Dokument in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez-passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60 % zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober schwankten die Zahlen. Das begann in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Während der letzten beiden Monate des Jahres 2018 gab es - seit dem Rückzug des sog. IS - die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

In Bagdad herrscht Aufbruchsstimmung. Nach Jahren des Kriegs gegen den IS atmet die Stadt sichtlich durch. Die Jugend genießt es, dass das Nachtleben wieder an Fahrt gewinnt. Die Wasserpfeifencafés sind jeden Abend gefüllt. In einigen Stadtteilen gibt es sogar wieder Bars, die Alkohol ausschenken und in denen man Rockkonzerten lauschen und tanzen kann. "Wir hatten jahrelang keine Möglichkeit auszugehen, jetzt wollen wir unser Leben genießen!", erzählt mir ein junger Mann in einem der Cafés in der Omar-Bin-Yasir-Straße. Er und seine Freunde haben jüngst eine Jugendorganisation gegründet, die "Vereinigung der freien Jugend des Irak". Mit dieser wollen sie sich auch aktiv dafür einsetzen, dass man jene Freiheit leben kann, die man leben will. "Bagdad muss wieder ein Ort werden, in dem wir uns wohl fühlen, in dem auch junge Frauen frei leben können und in dem die Religiösen nicht mehr das ganze Leben bestimmen."

Die Stadt hat vieles zu bieten und mittlerweile sieht man auch wieder Frauen in der Nacht auf der Straße, viele davon ohne Kopftuch. Einige zeigen sich sogar in den Cafés. Wer Bescheid weiß findet sogar versteckte Schwulenclubs. Ständig bedroht von gewaltsamen Übergriffen durch bigotte Milizen, versuchen diese nicht aufzufallen. Es gibt sie aber wieder. Auch für Kulturinteressierte hat Bagdad durchaus etwas zu bieten. Im Gegensatz zu den irakischen Kleinstädten ist Bagdad eine wirkliche Weltstadt mit einem kulturellen Angebot, mit Kinos, Theatern und einer ganzen Straße, die für ihre Buchläden bekannt ist. Die nach dem klassischen arabischen Dichter Abu at-Tayyib al-Mutanabbi benannte Mutanabbi-Staße, die 2007 noch Tatort eines blutigen Anschlags wurde, ist wieder in vollem Betrieb. An Freitagen finden hier Gedichtrezitationen unter freiem Himmel statt, ansonsten werden Bücher aller Art verkauft. Von klassischer arabischer Lyrik über moderne Romane bis zu religiöser Literatur ist hier alles zu finden. (derstandard.at, Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018)

Mit der Ankunft von tätowierten amerikanischen und westlichen Soldaten im Irak nach Saddam Hussein erreichten Tätowierungen im Irak eine neue Popularität. In Bagdad, wo in den vergangenen Jahren eine kleine Tattoo-Szene entstanden ist, arbeitet Ibrahim gemeinsam mit einem Partner. Er ist Schiit, sein Partner Christ, ihre Farben, Nadeln und Geräte lassen sie aus den USA einfliegen. 'Gott gab uns einen Körper, mit dem wir machen können, was wir wollen', sagt Ibrahim. Junge Schiiten verweisen gerne auch auf ihren wichtigsten Geistlichen im Irak, Ayatollah Ali al-Sistani. Ihm zufolge gibt es im Islam kein allgemeingültiges Tattooverbot. Im Irak liefert derzeit der Krieg die Motive für Tattoos. 'Wir stechen viele Porträts', sagt Ibrahim. 'Gesichter getöteter Soldaten, die deren Angehörige unter ihrer Haut tragen wollen - oft auch mit Namen und Todesdaten. Bei Männern seien Tätowierungen in Schwarz und Grau beliebt. Frauen ließen sich häufig die Augenbrauen tätowieren und Bilder von Vögeln oder Schmetterlingen. Auch in Mossul gibt es nach der Vertreibung des IS wieder ein Tattoostudio. Ein Dutzend junger Männer in Trainingsanzügen drängt sich auf den abgewetzten Sofas im Raum. Sie zeigen einander ihre Tattoos und rauchen Kette. (Anfragebeantwortung zum Irak: Religiös begründete Regelungen bezüglich Tätowierungen; Gesellschaftliche Einstellung; Lage von Tätowierern [a-10810], 29.11.2018)

Die Sicherheitslage in Bagdad hat sich deutlich verbessert. Die Zeiten, in denen die Hauptstadt Bagdad regelmäßig von Terroranschlägen erschüttert wurde, sind vorbei. Im Dezember 2018 ordnete der neue Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi an, die mit Betonmauern geschützte Hochsicherheitszone im Zentrum der Stadt für einige Stunden am Tag zu öffnen. Seit 2003 war das Gebiet, in dem Ministerien und die US-Botschaft liegen, für normale Iraker praktisch unzugänglich. Die Mauern, die dort über viele Jahre hochgezogen wurden, werden langsam abgebaut. Deutschland hatte den Kampf gegen den IS im Irak vor allem mit der Ausbildung kurdischer Peschmerga-Kämpfer und Waffenlieferungen unterstützt. Im Camp Tadschi nahe Bagdad bildet die deutsche Bundeswehr irakische Soldaten aus. Die deutsche Bundesregierung setzt jetzt verstärkt auf zivile Hilfe. Deutschland ist nach den USA das Land, das den Irak in den vergangenen vier Jahren am stärksten mit Hilfsgeldern für Entwicklung, Stabilisierung und Wiederaufbau unterstützt hat. Mehr als 1,5 Milliarden Euro wurden dafür bereitgestellt. Die Bundesregierung hofft darauf, dass ein stabiler Irak die Nahost-Region insgesamt beruhigen kann. (Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, welt.de 17.12.2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich und beträgt im Oktober 2018 nun 1.802.832 Personen (300.472 Familien). Die Zahl der Rückkehrer steigt seit April 2015 kontinuierlich an und betrug im Dezember 2018

4.165.320 Personen (694.220 Familien). Die Gesamtzahl der 2018 registrierten Rückkehrer betrug 944.958 und jene der IDPs lag bei

150.222. Zum 15. Dezember 2018 kamen IDPs aus 51 Distrikten in acht Gouvernements: Anbar (8 Distrikte), Babylon (4 Distrikte), Bagdad (10 Distrikte), Erbil (1 Distrikt), Diyala (6 Distrikte), Kirkuk (4 Distrikte), Ninewa (9 Distrikte) and Salah al-Din (9 Distrikte). Nahezu alle Familien (95%, 3.960.636 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.910) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (132.774) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben 85 Prozent in drei Gouvernements: 43 Prozent sind in Ninewa (57.054), 23 Prozent sind in Salah al-Din (30.108) und 19 Prozent sind in Diyala (25.878). Die meisten Rückkehrer wurden in den Gouvernements Ninewa (1,6 Millionen), Anbar (1,3 Millionen), Salah ad-Din (590.000), Kirkuk (319.000), Diyala (223.000) und Bagdad (85.000) verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 107, December 2018)

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seiner Herkunft, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung und seiner beruflichen Tätigkeit im Irak, zu seiner illegalen Einreise sowie zu seiner Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren und den Verwaltungsakten.

Die Feststellungen betreffend die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs, einem Basisbildungskurs für Erwachsene, einer zwölfteiligen Dialogreihe, der Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung, einer undatierten Einstellungszusage und Empfehlungsschreiben ergeben sich aus den diesbezüglichen Bestätigungen sowie dem Bescheid des AMS.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit anderen Asylwerbern Fußball spielt, eine Freundin hat, diese besucht und dass diese bei ihren Eltern und Geschwistern lebt, ergibt sich aus seinen eigenen glaubwürdigen Angaben. Dem Antrag auf Einvernahme der Freundin des Beschwerdeführers als Zeugin zum Beweis dafür, dass der Beschwerdeführer und seine Freundin ein schützenswertes Familienleben in Österreich führen, war nicht nachzukommen, da ein geschütztes Familienleben ein Zusammenleben - auch außerhalb des Ehestandes - erfordert. Der Beschwerdeführer und seine Freundin führen jedoch keine Lebensgemeinschaft, weshalb der geltend gemachte Beweisantrag von vornherein untauglich ist.

In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass er Atemprobleme habe. Aus der Bestätigung eines Allgemeinmediziners vom 28.03.2019 ergibt sich, dass der Beschwerdeführer seit Oktober bei diesem Arzt in Behandlung ist. Außerdem sei er in fachärztlicher Behandlung. Eine konkrete Diagnose wurde nicht gestellt und auch nicht ausgeführt, auf welches Fachgebiet sich die fachärztliche Behandlung beziehe. Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Atemprobleme konnten daher nicht festgestellt werden. Dass der Beschwerdeführer keine Medikamente nimmt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers und zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung ergeben sich aus einem eingeholten Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 03.04.2019.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund ist aus folgenden Erwägungen nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer schildert als Fluchtgrund einen Vorfall auf dem Nachhauseweg von seiner Arbeit. Ihm ist es jedoch auf Grund seiner Angaben nicht gelungen glaubhaft zu machen, dass dieser Vorfall tatsächlich passiert ist.

Die Schilderungen zu dem angeblichen fluchtauslösenden Vorfall waren vage und sehr kurz gehalten. Es waren mehrfache Nachfragen nötig, um ein etwas konkreteres Vorbringen zu erhalten. Dieses Aussageverhalten des Beschwerdeführers erweckte nicht den Eindruck, dass er wahre Begebenheiten schilderte. Zu dem Vorfall, der ihn zur Ausreise bewogen habe, gab der Beschwerdeführer von sich aus nur Folgendes an (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls):

"Eines Tages ging ich mit meinem Arbeitskollegen raus, wir waren Richtung nach Hause unterwegs, es war nach der Arbeit. Um ein Uhr kam ein Auto, es stand bei uns, die, die im Auto waren, sind ausgestiegen und haben mich und meinen Kollegen begonnen zu schlagen, sie sagten, falls sie uns wiedersehen, dass wir zu dieser Arbeitsstelle gehen, dann würden sie uns töten. Ich kehrte dann nach Hause, meine Familie hatte mich in diesem Zustand gesehen. Meine Familie hat mir nicht mehr erlaubt diese Arbeit weiter zu machen, mein Vater sagte mir, ich solle mit dieser Arbeit aufhören. Zwei Tage danach, nach diesem Vorfall, habe ich gehört, dass mein Arbeitskollege getötet wurde."

Der Beschwerdeführer konnte nicht das genaue Datum angeben, wann sich der von ihm geschilderte Vorfall ereignet hätte (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Dies ist insofern nicht nachvollziehbar, als es sich um ein Ereignis handelt, bei dem der Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht worden sei und das ihn schließlich dazu veranlasst habe, den Irak zu verlassen. Auf Nachfrage meinte er nur, es sei "im Juni gewesen, aber genau weiß ich es nicht". Auch auf die Frage, wann sein letzter Arbeitstag gewesen sei, meinte er nur, es sei im Juni 2014 gewesen. Damals sei gerade Ramadan gewesen (Seiten 6 und 8 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA konnte der Beschwerdeführer noch ein genaues Datum nennen, doch brachte er dort vor, der Vorfall sei am 01.07. gewesen (Seite 5 des Protokolls, AS 59). Auch in der Beschwerde war vom 01.07.2014 als Tag des Vorfalls die Rede (Seite 14 der Beschwerde, AS 338). Auf den Vorhalt seiner unterschiedlichen Angaben meinte der Beschwerdeführer nur: "Plus Minus, es muss Juni oder Juli gewesen sein, ich habe den Irak im Juli verlassen. Ich bin am 05.07.2014 aus dem Irak ausgereist."

(Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Es wird nicht verkannt, dass seit dem Tag des behaupteten Vorfalls mehr als vier Jahre vergangen sind, doch muss es dem Beschwerdeführer möglich sein, konkret anzugeben, wann ein derart einschneidendes Erlebnis, bei dem der Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht worden sei und das ihn zur Ausreise veranlasst habe, stattgefunden hat.

In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass der Beschwerdeführer - anders als zu dem von ihm persönlich erlebten Vorfall - sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht auf den Tag genau angeben konnte, wann seine Familie den Drohbrief erhalten habe. Dies ist insofern auffällig und nicht nachvollziehbar, da der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr im Irak war und davon nur aus Erzählungen weiß (Seite 6 des Protokolls, AS 60 und Seiten 8 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Den Vorfall, wann er selbst geschlagen und bedroht worden sei, konnte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht datieren. Dies erweckt den Eindruck, dass der behauptete fluchtauslösende Vorfall gar nicht stattgefunden hat.

Obwohl der Beschwerdeführer vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht übereinstimmende Angaben zum Tag des Erhalts des Drohbriefs machte, stimmen diese nicht mit den in der Beschwerde gemachten Angaben überein. Dort wird nämlich ausgeführt, dass die Eltern des Beschwerdeführers den Drohbrief drei Tage nach seiner Flucht am 05.07.2014 erhalten hätten, was somit am 08.07.2014 gewesen wäre (Seite 15 der Beschwerde, AS 339). Vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht sprach er aber vom 10.07.2014 als Tag des Erhalts des Drohbriefs (Seite 6 des Protokolls, AS 60 und Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Bei dem Drohbrief handelt es sich um ein mittels Textverarbeitungsprogramm erzeugten Schreiben, das von jedermann hergestellt werden kann. Angesichts dessen und auf Grund des Umstands, dass das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund nicht glaubhaft ist, ist es auch nicht glaubhaft, dass dieses Schreiben tatsächlich von einer Miliz stammt. Darüber hinaus ist eine Überprüfung dahingehend, ob dieses Schreiben echt ist, auch nicht möglich.

Auch zu den Männern, von denen der Beschwerdeführer und sein Arbeitskollege geschlagen worden seien, konnte er keine genauen Angaben machen. Auf die Aufforderung, diese Leute zu beschreiben, gab der Beschwerdeführer nur an: "Wir Araber sind so bekannt, dass wir einen Bart tragen, es waren große Männer.". Als der Beschwerdeführer etwas später aufgefordert wurde, den Vorfall nochmals zu schildern, erwähnte er noch, dass die Männer größer und älter als er und sein Kollege gewesen seien (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Diese sehr knapp und allgemein gehaltenen Angaben lassen nicht den Schluss zu, dass der Vorfall mit den Männern überhaupt passiert ist.

Der Beschwerdeführer konnte auch nicht angeben, wer die Männer gewesen seien, von denen er und sein Kollege bedroht worden wären (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Wer waren diese Leute im Auto?

BF: Ich habe sie nicht gekannt, ich weiß nicht, später hat meine Familie den Drohbrief bekommen."

Aus dem gesamten Vorbringen des Beschwerdeführers vor dem Bundesverwaltungsgericht lässt sich keine explizite Aussage entnehmen, dass diese Männer einer Miliz angehört hätten. Auch bei der freien Schilderung seines Fluchtgrundes brachte der Beschwerdeführer nicht vor, dass diese Männer von einer Miliz gewesen wären (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Auch schon vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der freien Schilderung nicht vor, dass die Männer von einer Miliz gewesen wären (Seite 5 des Protokolls, AS 59). Erst im weiteren Verlauf der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer vor, er sei von der Miliz Asaib Ahl Al Haq bedroht worden (Seite 6 des Protokolls, AS 60.).

Hinsichtlich des Autos, das die Männer gefahren hätten, machte der Beschwerdeführer zudem widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA sprach er davon, dass es "vielleicht ein Ford" gewesen sei (Seite 6 des Protokolls, AS 60). In der Beschwerde war dann jedoch von einem Chrysler 300C die Rede (Seite 14 der Beschwerde, AS 338). Dies wiederholte der Beschwerdeführer auch vor dem Bundesverwaltungsgericht. Als ihm seine vor dem BFA gemachten Angaben vorgehalten wurden, gab er an: "Ja, das habe ich beim BFA gesagt, ich habe geglaubt, dass es ein Ford war. Auch jetzt würde ich es nicht so genau wissen, welches Auto genau. Im Irak nennt man so ein Auto Obama." (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Diese Antwort überzeugt nicht. Es ist nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer ein konkretes Modell einer Automarke nennt, wenn er aber andererseits angibt, er wisse nicht so genau, welches Auto es genau gewesen sei.

Die Schilderung des Vorfalls, bei dem der Beschwerdeführer mit dem Umbringen bedroht worden sei, gestaltete sich in der mündlichen Verhandlung auch sehr nüchtern und emotionslos. Der Beschwerdeführer schilderte nicht, wie er sich etwa während des Angriffs oder danach gefühlt habe. In der mündlichen Verhandlung entstand nicht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer von tatsächlichen von ihm persönlich erlebten Ereignissen spricht. Auch auf Grund dessen ist dem Beschwerdeführer eine Glaubhaftmachung seines Vorbringens nicht gelungen.

Auch zu den erlittenen Verletzungen machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben, weshalb auch aus diesem Grund nicht glaubhaft ist, dass der behauptete Vorfall tatsächlich stattgefunden hat. Vor dem BFA sprach er davon, dass er Rückenschmerzen und blaue Flecken gehabt habe (Seite 6 des Protokolls, AS 60). In der Beschwerde wird ausgeführt, dass er beträchtliche Schmerzen besonders im Bauch- und Rückenbereich gehabt habe. Außerdem habe er zahlreiche Blutergüsse, Abschürfungen und Verletzungen im Gesicht erlitten (Seite 15 der Beschwerde, AS 339). In der mündlichen Verhandlung gab der Beschwerdeführer an, dass im Gesicht, unter der Nase und die Wange voller Blut gewesen seien. Auch auf den Rücken sei er geschlagen worden und sein Unterarm sei verletzt gewesen (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Nach dem Vorfall sei der Beschwerdeführer nach Hause "gegangen", gab der Beschwerdeführer vor dem BFA an (Seite 5 des Protokolls, AS 59). Dagegen meinte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, er und sein Arbeitskollege seien nach Hause "gehinkt" (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Diese unterschiedlichen Angaben lassen den behaupteten Vorfall nicht wahrscheinlich erscheinen.

Der Beschwerdeführer gab zwar sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht an, dass zwei Tage nach dem Vorfall sein Arbeitskollege getötet worden sei, doch konnte der Beschwerdeführer nicht plausibel darlegen, dass dies in einem Zusammenhang mit dem vorherigen Vorfall stünde (Seiten 9 und 10 des Verhandlungsprotokolls):

"R: Von wem wurde ihr Kollege getötet?

BF: Ich weiß es nicht, ich war nicht anwesend.

R: Wann wurde der Kollege getötet?

BF: Zwei Tage nach dem Auto Vorfall, nachdem wir geschlagen wurden.

R: Wie haben Sie vom Tod des Kollegen erfahren?

BF: Ich habe es einfach gehört, er ist in unserem Ort verstorben.

R: Wo genau ist er verstorben?

BF: Auf der Straße, wo genau... einfach erschossen.

...

R: Wissen Sie, warum ihr Arbeitskollege getötet wurde?

BF: Ich weiß es nicht, vielleicht war er wieder Richtung Arbeit unterwegs, oder war er besoffen, wir beide haben auch immer in der Arbeit getrunken."

Anhand dieses Auszugs aus dem Verhandlungsprotokoll zeigt sich, dass der Beschwerdeführer zum behaupteten Tod seines Arbeitskollegen nur Vermutungen anstellt. Der Beschwerdeführer räumte letztlich sogar selbst ein, dass er nicht wisse, weshalb sein Arbeitskollege getötet worden sei. Schließlich meinte er Beschwerdeführer, sein Kollege könnte auch bloß betrunken gewesen sein und wäre deshalb zu Tode gekommen. Dagegen wird in der Beschwerde behauptet, dass der Tod des Arbeitskollegen durch die Miliz gewaltsam herbeigeführt worden sei, weil dieser in der Bar Alkohol ausgeschenkt habe. In der Beschwerde wird ausgeführt, der Beschwerdeführer habe vom Tod seines Arbeitskollegen durch ein Telefonat mit einem anderen Arbeitskollegen erfahren (Seite 15 der Beschwerde, AS 339). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht konnte der Beschwerdeführer nicht mehr angeben, wie er vom Tod des Arbeitskollegen erfahren haben will. Hier meinte er völlig vage, "ich habe es einfach gehört" (Seite 9 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund dieser widersprüchlichen Angaben und bloßen Vermutungen zu den Gründen für den Tod des Kollegen ist es nicht glaubhaft, dass der Tod des Arbeitskollegen in einem Zusammenhang mit der zwei Tage zuvor ausgesprochenen Drohung stehen soll.

Der Beschwerdeführer führte in seiner Beschwerde auch aus, er habe nach dem Tod des Arbeitskollegen die Ausreise aus dem Irak geplant. Ein Umzug innerhalb des Iraks sei nicht möglich gewesen, da es auch außerhalb Bagdads Milizen gibt und diese eine schwarze Liste führen würden (Seite 15 der Beschwerde, AS 339). Vor dem Bundesverwaltungsgericht brachte er dies nicht mehr vor. Hier gab er auf die Frage, wo er im Falle einer Rückkehr leben könnte, an, dass er im Norden nicht leben könnte und es im Süden auch unmöglich sei. Auch bei seinen Brüdern in Erbil könnte er nicht leben (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Eine schwarze Liste, die die Miliz führen würde, erwähnte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Im Übrigen brachte er eine solche auch vor dem BFA nicht vor. Es ist daher nicht glaubhaft, dass es eine solche Liste gibt.

Der Beschwerdeführer brachte vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht vor, dass er und ein Arbeitskollege bedroht worden seien. In der Erstbefragung gab er hingegen an, dass er und vier Bekannte bedroht worden seien (Seite 5 des Protokolls, AS 9). Dies wurde dem Beschwerdeführer auch vorgehalten. Dazu meinte er nur: "Nein, ich habe nie vier gesagt. Wir waren lang unterwegs bis nach Österreich." (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Dieser Behauptung widerspricht jedoch der eindeutige Wortlaut der Niederschrift der Erstbefragung. Der Beschwerdeführer vermochte mit seiner unzutreffenden Erklärung der Beweiskraft der Niederschrift der Erstbefragung nichts Entscheidendes entgegen zu setzen. Zudem gab der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA an, dass im bisherigen Verfahren alles korrekt protokolliert und rückübersetzt worden sei und er der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht habe (Seite 3 des Protokolls, AS 57). Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung nicht von vier Bekannten gesprochen haben soll. Schließlich hat der Beschwerdeführer die Richtigkeit der Niederschrift mit seiner Unterschrift auf jeder Seite des Protokolls bestätigt und angegeben, dass es keine Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher gegeben habe (Seite 6 des Protokolls, AS 11). Zweifel an der Richtigkeit des Inhalts der Niederschrift bestehen daher nicht. In der Beschwerde wird vorgebracht, der Beschwerdeführer habe in der Erstbefragung gesagt, er wäre mit vier weiteren Personen in der Bar tätig gewesen. Vom geschilderten Vorfall seien jedoch nur er und ein weiterer Arbeitskollege betroffen gewesen. Es habe sich offenbar um einen Übersetzungsfehler gehandelt, der dem Beschwerdeführer bis zum Bescheiderlass nicht aufgefallen sei (Seite 22 der Beschwerde, AS 345). Diese Erklärung lieferte der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung jedoch nicht mehr. Hier sprach er nur davon, er hätte in der Erstbefragung nie "vier" gesagt. Somit widerspricht die Erklärung in der Beschwerde, wonach er in der Erstbefragung von vier Arbeitskollegen gesprochen habe, aber nur ein Kollege und er vom Vorfall betroffen gewesen wären, der Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wonach er nie "vier" gesagt hätte. Auch diese widersprüchlichen Erklärungsversuche sprechen gegen eine Glaubhaftmachung des Vorbringens des Beschwerdeführers.

In der Einvernahme vor dem BFA brachte der Beschwerdeführer vor, er sei tätowiert, was im Irak verboten sei (Seite 6 des Protokolls, AS 60). Bedrohungssituationen im Hinblick auf seine Tätowierungen brachte der Beschwerdeführer nicht vor. Auch in der Beschwerde wird bloß die Tatsache angeführt, dass der Beschwerdeführer tätowiert sei (Seite 13 der Beschwerde, AS 337). Auch in der Beschwerde wird nicht vorgebracht, dass der Beschwerdeführer deswegen Probleme gehabt hätte. In der mündlichen Verhandlung schilderte der Beschwerdeführer auch von sich aus keinerlei Bedrohungen oder Vorfälle wegen seiner Tätowierungen. Er brachte hierzu nur vor, dass er Tattoos auf seiner Hand habe und man ihn "anders angeschaut" habe. Auf die Nachfrage, was passiert sei, gab er an, dass er wegen seiner Tattoos keine Probleme gehabt habe. Manchmal sei er nur von der Polizei gefragt worden, dass er noch jung sei und weshalb er sich tätowieren habe lassen (Seiten 11 und 12 des Verhandlungsprotokolls). Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer wegen seiner Tätowierungen eine Verfolgung zu befürchten hat.

In der Beschwerde wird vorgebracht, dass die Dolmetscherin in der Einvernahme vor dem BFA Probleme gehabt hätte, den vom Beschwerdeführer dargestellten Sachverhalt ins Deutsche zu übersetzen. Sie habe wiederholt die heranzuziehenden Termini nicht gekannt und aus Sicht des Beschwerdeführers die Situation nicht so weitergegeben, wie sie vom Beschwerdeführer geschildert worden sei. Welche Termini die Dolmetscherin nicht gekannt habe, wird in der Beschwerde aber mit keinem Wort dargelegt. Dass die Dolmetscherin daher die Situation nicht so weitergegeben habe, wie sie vom Beschwerdeführer geschildert worden sei, kann somit nicht nachvollzogen werden. In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht stellte sich dann heraus, dass es bei der Einvernahme vor dem BFA keine Probleme gegeben habe. Der Beschwerdeführer habe nur "das Gefühl gehabt", dass die Dolmetscherin seine Aussagen nicht genau übermittelt habe, weil s nämlich öfter überlegt, nachgedacht und dann übersetzt habe. Es sei auch alles richtig übersetzt worden (Seiten 7 und 8 des Verhandlungsprotokolls).

Zu der Berücksichtigung der Minderjährigkeit in der Beweiswürdigung hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass in einem Fall, in dem das fluchtauslösende Ereignis im Alter von zwölf oder dreizehn Jahren erlebt wurde und diesem Ereignis eine mehrjährige Flucht nachfolgte, eine besonders sorgfältige Beurteilung der Art und Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erforderlich ist und die Dichte dieses Vorbringens nicht mit "normalen Maßstäben" gemessen werden darf. Es muss sich aus der Entscheidung erkennen lassen, dass solche Umstände in die Beweiswürdigung Eingang gefunden haben und dass darauf Bedacht genommen wurde, aus welchem Blickwinkel die Schilderung der Fluchtgeschichte erfolgte (Hinweis auf VwGH 14.12.2006, 2006/01/0362). Auf die Tatsache, dass ein Asylwerber seinen Heimatstaat als Minderjähriger verlassen hat, ist in der Entscheidung einzugehen (Hinweis auf VwGH 16.04.2002, 2000/20/0200). Im Lichte dieser Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ersichtlich, dass es zur Beurteilung der Glaubwürdigkeit eines Minderjährigen einer besonders sorgfältigen Beweiswürdigung bedarf (vgl. VwGH 06.09.2018, Ra 2018/18/0150). Der Einwand der Beschwerde, wonach die Behörde nicht darauf Rücksicht genommen habe, dass der junge Beschwerdeführer alleine, weit weg von seiner Heimat und auf Grund traumatisierender Ereignisse geflüchtet sei (Seite 5 der Beschwerde, AS 329), vermag im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung der Glaubwürdigkeit zu führen. Es ist fallbezogen zu berücksichtigen, dass der nunmehr 23-jährige Beschwerdeführer im Verlaufe des Verfahrens Aussagen über Vorfälle machte, die er behauptet, als Jugendlicher im Alter von 17 Jahren im Irak erlebt zu haben und dass der Beschwerdeführer seit der Ausreise aus dem Irak unmittelbar nach dem behaupteten Vorfall ca. im Juni 2014 auf sich allein gestellt außerhalb seiner Heimat zugebracht hat, was eine vorsichtige Beurteilung der Art und der Weise des erstatteten Vorbringens zu den Fluchtgründen erfordert. Allerdings geht es hier nicht um eine mangelnde "Dichte" des Vorbringens, sondern - wie oben dargestellt - um einen widersprüchlich dargestellten und unplausiblen Sachverhalt, wobei die angeführten besonderen Umstände des Alters und der mangelnden Begleitung durch Angehörige die aufgezeigten widersprüchlichen und unplausiblen Angaben des Beschwerdeführers nicht zu erklären vermögen. Hinzuzufügen ist auch, dass der Beschwerdeführer über eine sechsjährige Schulbildung verfügt, so dass es unter dem Aspekt seiner Bildung nicht nachvollziehbar ist, dass er nicht in der Lage war, einen doch recht einfachen Sachverhalt nicht gleichbleibend und plausibel darzulegen.

Auf Grund der insgesamt aufgezeigten Widersprüche zu seinem zentralen Fluchtvorbringen und Unplausibilitäten in den Angaben des Beschwerdeführers, seines Aussageverhaltens, geht das Bundesverwaltungsgericht von der Unglaubhaftigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und davon aus, dass das Fluchtvorbringen in Wahrheit nicht stattgefunden hat.

Die getroffenen Feststellungen zum Irak beruhen auf folgenden Berichten:

* Fact Sheet Irak Nr. 70

* UK Home Office, Iraq: Internal relocation, Oktober 2018

* DTM Round 107, Dezember 2018

* ACCORD: Irak, 3. Quartal 2018, Kurzübersicht ACLED; 20.12.2018

* Australian Government, DFAT Country Information Report Iraq, 9.10.2018

* Der Standard: Abtanzen in Bagdad: Irak zwischen Aufbruch und Angst, 12.11.2018

* Musings on Iraq, 15.01.2019 und 19.02.2019

* UN Casualty Figures for Irak for the Month of December 2018, 03.01.2019

* Irak ruft Flüchtlinge zur Rückkehr aus Deutschland auf, 17.12.2018

* AB - Tätowierungen, 29.11.2018

Es handelt sich um Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation im Irak ergeben. Angesichts der Seriosität der darin angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. In seiner Stellungnahme äußerte sich der Beschwerdeführer zu den Berichten nicht.

Soweit in der Stellungnahme auf die Sicherheitslage in den Provinzen Anbar, Ninewa, Diyala und Slah al-Din hingewiesen wird, kommt dem keine Bedeutung für das vorliegende Verfahren zu, da der Beschwerdeführer aus Bagdad stammt. Die Ausführungen zur Sicherheitslage in Bagdad im Jahr 2017 haben mangels Aktualität keine Relevanz. Die Ausführungen zu sicherheitsrelevanten Vorfällen in Bagdad im Jahr 2018 fanden ohnehin Eingang in diese Entscheidung. Die Ausführungen zur Lage in Mossul bzw. Ninewa und Basra, die sich auf den Bericht von HRW vom Jänner 2019 stützen, kommt auf Grund der Herkunft des Beschwerdeführers aus Bagdad keine Relevanz zu. Mit den übrigen sich auf diesen Bericht stützenden Aussagen wird der konkrete Zusammenhang zum Beschwerdeführer nicht dargetan. Die zitierte Passage aus dem Bericht des IDMC vom November 2018 betreffend die Versorgungslage bezieht sich gänzlich auf Mossul bzw. Ninewa und hat daher für den aus Bagdad stammenden Beschwerdeführer keine Bedeutung.

Der Bericht von iMMAP zu Sicherheitsvorfällen und Infrastruktur vom November 2018 bezieht sich auf die Provinzen Ninewa, Diyala, Anbar, Salah al-Din und Kirkuk. Auch der Bericht der dänischen Einwanderungsbehörde vom November 2018 hat keine Relevanz für den vorliegenden Fall, da sich dieser auf den Nordirak bezieht. Gleiches gilt für den Bericht der Jamestown Foundation vom Jänner 2019, da er sich auf Mossul bezieht.

Was die ebenfalls in der Stellungnahme zitierte Position von UNHCR zur Rückkehr in den Irak vom November 2016 betrifft, ist festzuhalten, dass Empfehlungen internationaler Organisationen nach der Rechtsprechung lediglich Indizwirkung zukommt (VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994). Diese Indizwirkung bedeutet nicht, dass das Bundesverwaltungsgericht in Bindung an entsprechende Empfehlungen etwa des UNHCR Asyl zu gewähren hat. Vielmehr ist, wenn in den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat der Einschätzung des UNHCR nicht gefolgt wird, beweiswürdigend - wie im gegenständlichen Fall erfolgt - darzulegen, warum und gestützt auf welche entgegenstehenden Berichte von einer anderen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat ausgegangen wird (VwGH 13.12.2010, 2008/23/0976; 06.02.2017, Ra 2017/20/0016, zur Lage im Irak), wobei zur Vollständigkeit darauf hinzuweisen ist, dass sich die Einschätzung von UNHCR zur Lage im Irak vom 14.11.2016 ob der sich rasch ändernden Lage im Irak - insbesondere im Hinblick auf die rezenten militärischen Erfolge gegen die Milizen des Islamischen Staates - mittlerweile ohnehin als weitgehend nicht aktuell erweist. Dazu tritt, dass die Einschätzung von UNHCR zur Lage im Irak vom November 2016 ihrerseits auf Quellen und Ereignissen beruht, die vornehmlich in den Jahren 2014 und 2015 angesiedelt sind, sodass sich auch insoweit die Faktenlage mittlerweile anders darstellt.

Die Ausführungen von IOM zur Rückkehr im Allgemeinen sind im Bericht der dänischen Einwanderungsbehörde enthalten und beziehen sich auf eine Rückkehr in den Nordirak, weshalb diesen keine Relevanz zukommt. Der Bericht von UNOCHA bezieht sich auf die Rückkehr von Binnenvertriebene in befreite und umstrittene Gebiete, was auf den Beschwerdeführer nicht zutrifft, da er kein Binnenvertriebener aus einem solchen befreiten bzw. umstrittenen Gebiet ist. Die weiteren Ausführungen in der Stellungnahme zur Situation im Nordirak haben keine Relevanz für den vorliegenden Fall.

Hinsichtlich der zitierten Reisewarnung des BMEIA vom 09.01.2019 wird darauf hingewiesen, dass sich Reisewarnungen an österreichische Staatsbürger richten und daher keine Relevanz für das vorliegende Verfahren haben. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs kommt darüber hinaus Reisewarnungen gegenüber anderen Beweismitteln keine besondere Stellung zu (vgl. VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0323; 01.03.2018, Ra 2018/19/0061).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) I. Abweisung der Beschwerde:

1. Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides):

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht wegen Drittstaatsicherheit oder wegen Zuständigkeit eines anderen Staates zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 55/1955 (Genfer Flüchtlingskonvention, in der Folge: GFK) droht. Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG) offen steht, oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, "aus Gründen" (Englisch: "for reasons of"; Französisch: "du fait de") der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Zentraler Aspekt der in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0047 unter Hinweis auf VwGH 28.05.2009, 2008/19/1031).

Die Gefahr der Verfolgung im Sinn des § 3 Abs. 1 AsylG iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention kann nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden. Sie kann auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende "Gruppenverfolgung", hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten; diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (vgl. VwGH 23.02.2017, Ra 2016/20/0089 unter Hinweis auf VwGH 29.04.2015, Ra 2014/20/0151, mwN).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er aufgrund staatlicher

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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