TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 G314 2217402-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
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Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §70 Abs3

Spruch

G314 2217402-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, rumänischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 14.03.2019,Zl. XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots beschlossen und zu Recht erkannt:

A) Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung

zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid

ersatzlos behoben.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) wurde im Bundesgebiet mehrmals strafgerichtlich verurteilt. Zuletzt wurde gegen ihn mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2017, XXXX, eine achtmonatige, bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe verhängt.

Mit den Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 29.03.2018 und vom 15.11.2018 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen; gleichzeitig wurden an ihn konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinem Privat- und Familienleben und seinen Bindungen zu seinem Heimatstaat gerichtet. Der BF erstattete jeweils eine entsprechende Stellungnahme.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein sechsjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde dagegen gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit fünf strafgerichtlichen Verurteilungen und einem durchgehenden Inlandsaufenthalt seit 26.05.2015 begründet. Der BF sei seit 28.02.2019 nicht mehr in Österreich sozialversichert. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots sei notwendig, um die von ihm ausgehende erheblichen Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern und in ihm einen positiven Gesinnungswandel seiner Einstellung zur österreichischen Rechtsordnung zu bewirken. Seine sofortige Ausreise sei im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich, zumal er wiederholt unter Alkoholeinfluss Straftaten, insbesondere Körperverletzungsdelikte, begangen habe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung. Der BF strebt damit primär die Behebung des angefochtenen Bescheids an. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag und beantragt die Erteilung eines Durchsetzungsaufschubs sowie die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots auf sechs Monate. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er seit seiner Übersiedlung nach XXXX im Mai 2017 und der Beendigung der Tätigkeit im Gastgewerbe nicht mehr straffällig geworden sei. Er halte sich seit 2008 in Österreich auf und sei seit 25.03.2019 als Elektroinstallationstechniker in XXXX erwerbstätig. Er lebe in einem gemeinsamen Haushalt mit seiner Lebensgefährtin und seiner Stieftochter. Er habe keine Bindungen an Rumänien mehr und spreche sehr gut Deutsch. Die Sicherheit der Republik Österreich werde durch seinen Aufenthalt nicht nachhaltig und maßgeblich gefährdet.

Das BFA legte die Beschwerde samt den Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 15.04.2019 einlangte, und beantragt, sie als unbegründet abzuweisen.

Feststellungen:

Der XXXX-jährige BF ist rumänischer Staatsangehöriger. Er hält sich seit Juni 2008 kontinuierlich in Österreich auf. Am 10.04.2009 wurde ihm antragsgemäß eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmer ausgestellt. Er spricht Rumänisch, beherrscht aber auch die deutsche Sprache in Grundzügen.

Der BF ist ledig und kinderlos. Er lebt seit 2014 in einem gemeinsamen Haushalt mit der rumänischen Staatsangehörigen XXXX. Seit 2015 lebt auch deren Tochter XXXX mit ihnen zusammen.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig. Er war seit Juni 2008 in Österreich immer wieder als Arbeiter erwerbstätig, wobei die Beschäftigungsverhältnisse zumeist nur mehrere Monate andauerten. Dazwischen bezog er Arbeitslosengeld. Zunächst war er überwiegend im Gastgewerbe tätig, seit 2015 bei Elektrounternehmen. Zuletzt war er von Jänner bis August und wieder von September bis Dezember 2018 bei der XXXX GmbH & Co KG tätig und bezog anschließend zwischen 20.12.2018 und 24.03.2019 Arbeitslosengeld. Seit 25.03.2019 ist er als Elektroinstallationstechniker (ohne Lehrabschluss) bei derXXXX GmbH in XXXX vollzeitbeschäftigt; das monatliche Nettoentgelt beträgt EUR 1.800.

Der BF wurde im Bundesgebiet fünf Mal strafgerichtlich verurteilt, wobei einmal eine Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB verhängt wurde, sodass vier Vorstrafen vorliegen. Vom Landesgericht XXXX wurde mit Urteil vom XXXX.2011, XXXX, wegen der Vergehen der Sachbeschädigung und der Körperverletzung (§§ 125 und 83 Abs 1 StGB) eine viermonatige bedingte Freiheitsstrafe verhängt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am 22.09.2010 mehrmals gegen die Eingangstüre eines Lokals trat, einen vor dem Lokal stehenden Tisch mehrmals gegen die Türe und anschließend auf die Fahrbahn warf und Erde aus einem Blumentrog über den Gehsteig verstreute (Sachschaden ca. EUR 1.500) und am 12.12.2010 einen anderen durch einen Schlag gegen den Kopf mit einer Glasflasche verletzte.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2012, XXXX, wurde wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 1 und Abs 4 erster Fall StGB) eine zweimonatige, bedingt nachgesehene Zusatzstrafe dazu verhängt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.2010 einem anderen in Überschreitung des gerechtfertigten Maßes der Verteidigung gegen dessen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff aus Furcht mit einer Glasflasche zwei Schläge gegen den Kopf versetzte, was eine schwere Körperverletzung seines Opfers (Rissquetschwunde am Kopf, Kopfprellung, Prellung der rechten Schulter, Nasenbeinfraktur, Trümmerfraktur der linken Kieferhöhlenwand, Fraktur im linken Schädelbasisbereich mit Pneumocephalus) zur Folge hatte. Diese beiden Strafen konnten nach einer Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre 2017 endgültig nachgesehen werden.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2012, XXXX, wurde der BF wegen des Vergehens der versuchten Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt, die im September 2014 vollzogen wurde. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am XXXX.2011 im Zuge wechselseitiger Tätlichkeiten versuchte, einen anderen durch mehrere Faustschläge in das Gesicht zu verletzen, wobei ihm sein Opfer seinerseits durch einen Faustschlag einen operativ aufzurichtenden Nasenbeinbruch zufügte.

Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX.2013, XXXX, wurde wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB eine Geldstrafe verhängt, die im Februar 2015 vollzogen war. Der Verurteilung lag zugrunde, dass er am 01.10.2013 in einer Pizzeria ein Mobiltelefon im Wert von ca. EUR 555 stahl.

Zuletzt wurde der BF mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2017 wegen der Vergehen der Körperverletzung (§ 83 Abs 1 StGB), der gefährlichen Drohung (§ 107 Abs 1 StGB), des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§§ 15 Abs 1, 269 Abs 1 StGB) sowie der versuchten schweren Körperverletzung (§§ 15 Abs 1, 84 Abs 2 StGB) ausgehend von einem Strafrahmen von bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe zu einer achtmonatigen, für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Dieser Verurteilung liegt zugrunde, dass er am XXXX.2017 eine Frau an den Oberarmen erfasste, zu Boden riss und so im Bereich der rechten Schulter und am linken Handgelenk verletzte, einen anderen zumindest mit einer Körperverletzung gefährlich bedrohte, um ihm in Furcht und Unruhe zu versetzen, und versuchte, einen Polizeibeamten mit Gewalt an einer Amtshandlung (Personendurchsuchung) zu verhindern, indem er versuchte, ihn in den rechten Oberarm zu beißen und dadurch am Körper zu verletzen. Bei der Strafzumessung wurden das Geständnis und der teilweise Versuch als mildernd gewertet. Erschwerend wirkten die einschlägigen Vorstrafen sowie das Zusammentreffen von mehreren Vergehen.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG im Zusammenhang mit dem Vorbringen des BF in seinen Stellungnahmen und in der Beschwerde sowie den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Die Feststellungen zur Identität des BF und zu seinen persönlichen Verhältnissen beruhen auf den entsprechenden Angaben in den Strafurteilen und auf seinem in Kopie vorgelegten Ausweis.

Der durchgehende Aufenthalt des BF im Bundesgebiet ergibt sich aus seinen Angaben dazu, die durch die Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR) zu den ZMR-Zahlen XXXX, XXXX und XXXX sowie die im Versicherungsdatenauszug dokumentierten Beschäftigungsverhältnisse im Inland und die Zeiten des Bezugs von Arbeitslosengeld untermauert werden. Daraus ergibt sich ein im Großen und Ganzen kontinuierlicher Inlandsaufenthalt des BF seit Mitte 2008. Die Anmeldebescheinigung ist im Fremdenregister ersichtlich.

Rumänischkenntnisse sind aufgrund der Herkunft des BF plausibel, zumal der Hauptverhandlung am 16.05.2017 eine Rumänischdolmetscherin beigezogen wurde. Die von ihm behaupteten Deutschkenntnisse können aufgrund des langjährigen Aufenthalts und der Erwerbstätigkeit im Inland festgestellt werden.

Der Familienstand des BF ergibt sich aus dem ZMR und aus den Strafurteilen. Anhaltspunkte für eine Eheschließung oder eigene Kinder bestehen nicht. Den Angaben des BF zu seiner Lebensgemeinschaft und zum Zusammenleben mit der Tochter seiner Lebensgefährtin kann aufgrund des vorgelegten Mietvertrags, in dem XXXX als Mitmieterin aufscheint, und den übereinstimmenden Wohnsitzmeldungen laut ZMR gefolgt werden.

Die Feststellungen zur Arbeitsfähigkeit und zum Gesundheitszustand des BF beruhen darauf, dass er einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht und keine Hinweise auf erhebliche gesundheitliche Probleme hervorgekommen sind. Zeiten der Erwerbstätigkeit und anderweitiger Sozialversicherung im Bundesgebiet gehen aus dem Versicherungsdatenauszug hervor.

Die strafgerichtlichen Verurteilungen des BF und die zugrundeliegenden Taten werden anhand der Strafurteile und des Strafregisters festgestellt, aus dem auch die festgestellten Probezeitverlängerungen, endgültigen Strafnachsichten und Vollzugsdaten hervorgehen.

Die Feststellungen zu den vom BF zuletzt begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Erschwerungs- und Milderungsgründen basieren auf dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2017, XXXX. Die Rechtskraft der Verurteilung wird auch durch das Strafregister belegt. Es gibt keine Indizien für weitere strafrechtliche Verurteilungen des BF oder andere Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, zumal trotz entsprechender Anfragen keine Verwaltungsübertretungen festgestellt werden konnten.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Aufgrund der in § 18 Abs 5 BFA-VG ausdrücklich angeordneten amtswegigen Prüfung der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung durch das BVwG ist der Antrag des BF, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weder notwendig noch zulässig und daher zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Als Staatsangehöriger von Rumänien ist der BF EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (so etwa, wenn der EWR-Bürger zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden.

Bei Erlassung eines Aufenthaltsverbots ist eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose zu erstellen, bei der das Gesamtverhalten des Betroffenen in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen ist, ob und im Hinblick auf welche Umstände die maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung oder Bestrafung, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (VwGH 19.02.2014, 2013/22/0309).

Gemäß Art 28 Abs 3 lit a Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) darf gegen Unionsbürger, die ihren Aufenthalt in den letzten zehn Jahren im Aufnahmemitgliedstaat hatten, eine Ausweisung nicht verfügt werden, es sei denn, die Entscheidung beruht auf zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit, die von den Mitgliedstaaten festgelegt wurden. Nach dem Erwägungsgrund 24 dieser Richtlinie sollte gegen Unionsbürger, die sich viele Jahre im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufgehalten haben, nur unter außergewöhnlichen Umständen aus zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit eine Ausweisung verfügt werden.

Der Ausdruck "zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit" setzt das Vorliegen einer Beeinträchtigung der öffentlichen Sicherheit voraus, die einen besonders hohen Schweregrad aufweist. Darunter kann z.B. die Bekämpfung der mit dem bandenmäßigen Handel mit Betäubungsmitteln verbundenen Kriminalität fallen (EuGH 23.11.2010, C-145/09, Land Baden-Württemberg gegen Panagiotis Tsakouridis).

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:

Da sich der BF schon mehr als zehn Jahre kontinuierlich in Österreich aufhält und hier erwerbstätig ist, ist der qualifizierte Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG (Art 28 Abs 3 lit a Freizügigkeitsrichtlinie) heranzuziehen.

Es ist dem BFA zwar dahin zuzustimmen, dass das Fehlverhalten des BF, der mehrmals andere - zum Teil schwer - verletzte, sein strafbares Verhalten trotz unbedingter Geld- und bedingter Freiheitsstrafen zuletzt steigerte und einen Polizisten gewaltsam an einer Amtshandlung hindern wollte, eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung darstellt. Der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 fünfter Satz FPG ("nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit der Republik Österreich") ist jedoch trotz der Schwere der Straftaten und dem Umstand, dass der BF wiederholt einschlägig straffällig wurde, nicht erfüllt.

Bei der vorzunehmenden Gefährdungsprognose ist auch zu berücksichtigen, dass noch keine bedingte Strafnachsicht widerrufen werden musste, der BF noch nie in Strafhaft war und seit seinen letzten Taten bereits einige Zeit vergangen ist, in der er sich nichts mehr zuschulden kommen ließ. Da er seit mehreren Jahren in einer Lebensgemeinschaft lebt, vollzeitbeschäftigt ist und seit geraumer Zeit nicht mehr im Gastgewerbe tätig ist, ist davon auszugehen, dass sich seine Lebensverhältnisse mittlerweile so weit stabilisiert haben, dass eine positive Zukunftsprognose für ihn erstellt werden kann.

Überdies ist gemäß § 9 BFA-VG angesichts des jahrelangen rechtmäßigen Inlandsaufenthalts des daueraufenthaltsberechtigten BF, seiner beruflichen und sprachlichen Integration sowie der Beziehung zu seiner Lebensgefährtin und deren Tochter, die beide aufgrund ihres unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts in Österreich leben, von einem unverhältnismäßigen Eingriff in sein Privat- und Familienleben iSd Art 8 EMRK durch das Aufenthaltsverbot auszugehen.

Da die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF somit nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid in Stattgebung der Beschwerde zu beheben.

Sollte der BF in Zukunft wieder straffällig werden, wird die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen ihn neuerlich zu prüfen sein, insbesondere bei einem Rückfall in Bezug auf Gewalt- und Aggressionsdelikte.

Eine Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil schon auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

Zu Spruchteil C):

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose ist im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

Interessenabwägung, strafrechtliche Verurteilung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2217402.1.00

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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