TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/14 W278 2186832-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.05.2019
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Entscheidungsdatum

14.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W278 2186832-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. HABITZL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , Staatsangehöriger der Volksrepublik China, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Volksrepublik China, reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein.

1.2. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom selben Tag wurde gegen den Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts eine Verwaltungsstrafe von EUR 72,67, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von zwei Tagen, verhängt.

1.3. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung, des Verfahrens zur Erlassung eines Aufenthaltsverbotes und der Abschiebung verhängt, weil der Beschwerdeführer im Bundesgebiet ohne Unterstand und ohne gültiges Reisedokument angetroffen wurde. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX wurde erneut ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen und mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom selben Tag wurde gegen den Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts eine Verwaltungsstrafe von EUR 318,- im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen, verhängt.

1.4. Am 02.02.2005 stellte der Beschwerdeführer unter dem Alias " XXXX " einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen wurde.

1.5. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer wegen unrechtmäßigen Aufenthalts eine Verwaltungsstrafe von EUR 210,- im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von sechs Tagen, verhängt.

1.5. Am 30.11.2008 wurde der Beschwerdeführer im Zuge einer fremdenpolizeilichen Kontrolle aufgegriffen und stellte am XXXX im Stande der Schubhaft einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Beschwerdeführer nach China ausgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX , XXXX als unbegründet abgewiesen.

1.7. Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer eine Verwaltungsstrafe in Höhe von EUR 1.000,-, im Nichteinbringungsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe von zehn Tagen verhängt, weil dieser nicht unverzüglich nach Eintritt der Durchsetzbarkeit des Bescheides vom XXXX aus dem Bundesgebiet ausgereist ist.

1.8. Jeweils am 14.08.2009, am 19.10.2011, am 08.10.2012, am 23.12.2012, am 26.06.2013 sowie am 09.10.2013 erging gegen den Beschwerdeführer eine Anzeige wegen rechtswidrigen Aufenthalts gemäß § 120 FPG.

1.9. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt gemäß §§ 15, 269 Abs. 1 dritter Fall StGB, des Vergehens der schweren Körperverletzung gemäß §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB, des Vergehens nach § 50 Abs. 1 Z 2 WaffG, des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB in mehreren Fällen sowie des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt nachgesehen unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

1.10. Am 08.06.2015 stellte der Beschwerdeführer, XXXX beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "besonderer Schutz" gemäß § 57 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005.

1.11. Am 01.04.2016 wurde beim Beschwerdeführer ein Reisepass der Volksrepublik China, ausgestellt von der chinesischen Botschaft Bratislava XXXX sichergestellt.

1.12. In weiterer Folge ergingen mehrere Festnahmeaufträge gegen den Beschwerdeführer, wobei dieser jeweils an seinem Wohnsitz nicht angetroffen werden konnte.

1.13. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG erlassen (Spruchpunkt III) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach China zulässig ist (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

1.14. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführe mit Schriftsatz vom 15.02.2018 fristgerecht Beschwerde.

1.15. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes fand am XXXX vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher der Beschwerdeführer zu seinen Lebensumständen in China und im Bundesgebiet befragt wurde und die Tochter des Beschwerdeführers als Zeugin einvernommen wurde. Das ordnungsgemäß geladene Bundesamt hat sich mit Schreiben vom 22.02.2019 für die Teilnahme an der Verhandlung entschuldigt.

In der Verhandlung wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu China in das Verfahren eingebracht.

2. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes; durch Einvernahme des Beschwerdeführers und einer Zeugin im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung am XXXX ; durch Einsichtnahme in die vom Beschwerdeführer vorgelegten Befunde und Unterlagen sowie durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR, IZR, SIS, GVS und Strafregister. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1 Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und ist Staatsangehöriger der Volksrepublik China. Seine Identität steht fest.

2.2. Der Beschwerdeführer ist zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet eingereist.

Er führte bis zur Sicherstellung seines Reisepasses am 01.04.2016 im Bundesgebiet die Identität " XXXX

Er hielt sich im Zeitraum von 02.02.2005 bis XXXX sowie von XXXX bis 06.02.2009 auf Basis zweier unbegründeter Anträge unter falscher Identität auf internationalen Schutz rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet war nicht rechtmäßig. Er verfügte nie über einen Aufenthaltstitel.

Der Beschwerdeführer verblieb trotz der rechtskräftigen Ausweisungen sowie trotz der über ihn mit Bescheiden der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX verhängten fünfjährigen Aufenthaltsverbote im Bundesgebiet.

2.3. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht geduldet. Die Duldungsvoraussetzungen liegen nicht vor.

2.4. Das Bestehen eines durchgehenden Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet seit dem 14.08.2002 kann nicht festgestellt werden. Er hat das Bundesgebiet zuletzt im Jahr 2015 verlassen.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 in der Slowakei einen neuen Reisepass beantragt hat.

2.5. Im Bundesgebiet leben eine volljährige Tochter ( XXXX ) und zwei Enkelkinder des Beschwerdeführers. Ein Sohn des Beschwerdeführers lebt in der Slowakei, ein weiterer lebt nach wie vor in der Volksrepublik China.

Im Bundesgebiet lebt die geschiedene Ehefrau des Beschwerdeführers, welche die Volksrepublik China nicht mit ihm gemeinsam verlassen hat. Die Ehe wurde bereits in der Volksrepublik China geschieden.

Der Beschwerdeführer und seine in Österreich lebende Tochter und Enkelkinder stehen überwiegend in telefonischem Kontakt. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Tochter nicht bei der Kinderbetreuung. Der Beschwerdeführer ist nicht Mitglied in einem Verein und hat während seines Aufenthalts in Österreich keine gemeinnützigen Tätigkeiten verrichtet.

Der Beschwerdeführer ist in die österreichische Gesellschaft nicht integriert.

2.6. Der Beschwerdeführer war im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig. Seit 17.03.2014 bezieht er Leistungen aus der Grundversorgung. Zuvor finanzierte er sich seinen Aufenthalt durch illegale Erwerbstätigkeiten. Der Beschwerdeführer wurde im Bundesgebiet mehrfach bei der Schwarzarbeit betreten.

Der Beschwerdeführer legte mehrere Arbeitsvorverträge vor, bei welchen es sich um jeweils in derselben Handschrift ausgefüllten Formulare handelt.

2.7. Der Beschwerdeführer verfügt über keine Deutschkenntnisse. Er hat keine Sprachprüfungen absolviert und auch keinen Werte- und Orientierungskurs besucht.

2.8. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.9. Der Beschwerdeführer leidet an hohem Blutdruck und Depressionen. Weiters brachte er vor, an Magen- und Blasenproblemen zu leiden. Er befindet sich in medikamentöser Behandlung.

Das Bestehen einer akuten oder chronischen lebensbedrohlichen Erkrankung kann nichtfestgestellt werden.

2.10. Der Beschwerdeführer hat den überwiegenden Teil seines Lebens in der Volksrepublik China verbracht, hat dort seinen Lebensunterhalt durch Feldarbeiten und als Gelegenheitsarbeiter gedeckt und eine Familie gegründet. Er ist mit den Gebräuchen des Herkunftsstaates vertraut. Er spricht den Dialekt seines Herkunftsortes sowie Hochchinesisch.

2.11. Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat:

Aufgrund der in das Verfahren eingeführten Erkenntnisquellen werden folgende Feststellungen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers getroffen (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zur Volksrepublik China, Stand 05.02.2018):

Sicherheitslage

Proteste auf lokaler Ebene haben in ganz China stark zugenommen. Sie richten sich vor allem gegen steigende Arbeitslosigkeit und Vorenthaltung von Löhnen, hauptsächlich von Wanderarbeitern. Bei den bäuerlichen Protesten auf dem Land geht es meistens um die (entschädigungslose oder unzureichend entschädigte) Enteignung von Land und fehlende Rechtsmittel. Auch stellen die chemische Verseuchung der Felder durch Industriebetriebe oder Umweltkatastrophen Gründe für Proteste dar. Nachdem die Anzahl sogenannter. "Massenzwischenfälle" über Jahre hinweg rasch zunahm, werden hierzu seit 2008 (mehr als 200.000 Proteste) keine Statistiken mehr veröffentlicht. Zwei Aktivisten, die seit 2013 durch eigene, über Twitter veröffentlichte Statistiken diese Lücke zu schließen versuchten, wurden im Juni 2016 verhaftet. Die lokalen Behörden verfolgen in Reaktion zumeist eine Mischstrategie aus engmaschiger Kontrolle, die ein Übergreifen nach außen verhindern soll, gepaart mit einem zumindest partiellen Eingehen auf die Anliegen (USDOS 3.3.2017; vgl. AA 15.12.2016)

[...]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die VR China erkennt de jure die grundlegenden Prinzipien der Charta der Vereinten Nationen und der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte an. Sie gehört einer Reihe von UN-Übereinkünften zum Schutz der Menschenrechte an und hat den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte zwar 1998 gezeichnet, allerdings bis heute nicht ratifiziert (AA 4.2017a).

Die Menschenrechtslage in China bietet weiterhin ein zwiespältiges und trotz aller Fortschritte im Ergebnis negatives Bild. 2004 wurde der Begriff "Menschenrechte" in die Verfassung aufgenommen, die individuellen Freiräume der Bürger in Wirtschaft und Gesellschaft wurden in den letzten Jahren erheblich erweitert. Andererseits bleiben die Wahrung der inneren Stabilität und der Machterhalt der Kommunistischen Partei (KP) oberste Prämisse und rote Linie. Vor diesem Hintergrund geht die chinesische Führung kompromisslos gegen jene vor, die als Bedrohung dieser Prioritäten angesehen werden, wie z. B. regierungskritische Schriftsteller, Blogger, Bürgerrechtsaktivisten, Menschenrechtsanwälte, Petitionäre oder Mitglieder nicht anerkannter Religionsgemeinschaften (Falun Gong, Hauskirchen etc.). Seit dem Führungswechsel im März 2013 ist ein noch einmal verstärkt repressives Vorgehen der chinesischen Behörden gegenüber Kritikern der Regierung oder der Partei zu beobachten. Einschüchterungsmaßnahmen umfassen u.a. Hausarrest, willkürliche Haft in sog. schwarzen Gefängnissen ("black jails" bzw. "legal education center"), Folter, Berufsverbote und Druck auf Familienangehörige; in einigen Fällen wurden lange Haftstrafen verhängt. Personen, die in Opposition zu Regierung und herrschender Ideologie stehen, setzen sich unmittelbar der Gefahr von Repression durch staatliche Stellen aus, wenn sie aus Sicht der Regierung die KP, die Einheit des Staates oder das internationale Ansehen Chinas gefährden. Die Schwelle ist immer dann erreicht, wenn die chinesischen Sicherheitsbehörden annehmen, dass ein - noch so loses - Netzwerk gebildet werden könnte. Aus Sicht der Regierung geht von separatistischen Bestrebungen und Untergrundaktivitäten innerhalb Chinas die größte Gefahr aus (AA 15.12.2016).

Es gibt weiterhin besorgniserregende Verletzungen rechtsstaatlicher Mindeststandards in ganz China. So gibt es immer noch Strafverfolgung aus politischen Gründen, Administrativhaft (Haftstrafe ohne Gerichtsurteil), Verletzung von allgemeinen Verfahrensgarantien im Strafverfahren (z.B. Unschuldsvermutung), sehr häufige Verhängung der Todesstrafe sowie Fälle von Misshandlungen und Folter. Daneben gibt es das Bekenntnis der Regierung zu einem an Recht und Gesetz ausgerichteten sozialen Regierungshandeln und vermehrt Reformbemühungen im Rechtsbereich (AA 4.2017a).

Grundlegende Rechte, wie Rede- und Versammlungsfreiheit, sowie Reisefreiheit werden den Bewohner der autonomen Region Tibet (TAR) und anderen tibetischen Gebieten, sowie den Uiguren in der autonomen Region Xinjiang (XUAR) weiter verweigert (HRW 12.1.2017; vgl. USDOS 3.3.2017).

Besonders außerhalb der Großstädte werden häufig Fälle gemeldet, in denen von Behörden beauftragte Kräfte, gegen unliebsame Personen vorgehen. Zumeist handelt es sich um Demonstranten bei Fällen mit wirtschaftlichem Hintergrund (illegale Landnahme, Korruption etc.). Auch Journalisten sind von solchen Fällen betroffen, zum Teil werden offen Kopfgelder ausgesetzt, ohne dass dies rechtliche Konsequenz hat (AA 15.12.2016).

Petenten, die Vergehen von lokalen Behörden und Kadern anzeigen wollen, werden häufig von angeheuerten Schlägertrupps aufgegriffen und ohne Kontakt zur Außenwelt in Gefängnissen festgehalten, oder illegal in sog. "Black Jails", psychiatrischen Institutionen und anderen Orten inhaftiert, wo sie der Gefahr von Gewalt, psychischem Missbrauch oder sexueller Gewalt ausgesetzt sind. Diese Art des Verschwindenlassens ist eine weit verbreitete, von der Regierung aber stets verleugnete Methode, um Unliebsame aus dem Verkehr zu ziehen (AA 15.12.2016; vgl. FH 1.2017a).

Bewegungsfreiheit

Die Behörden verschärften die Beschränkungen der Bewegungsfreiheit von Personen vor wichtigen Jubiläen, Besuchen ausländischer Würdenträger oder großer politischer Ereignissen, welche als politisch sensibel empfunden werden, um Demonstrationen vorzubeugen (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 1.2017a).

Repressionen erfolgen landesweit nicht einheitlich. Da wegen der Größe des Landes und der historisch überkommenen Strukturen Einfluss und Kontrolle der Zentralregierung in den einzelnen Landesteilen unterschiedlich ausgeprägt sind, treten staatliche oder dem Staat zurechenbare Übergriffe in den Regionen unterschiedlich häufig auf. Daher kann es im Einzelfall möglich sein, durch einen Ortswechsel Repressalien auszuweichen. So berichten beispielsweise protestantische Hauskirchen von besonders großem Druck in den Provinzen Zhejiang, Hubei, Hebei und Heilongjiang, während sie in Peking relativ ungehindert praktizieren können. Allerdings ist ein Umzug von in der VR China lebenden Chinesen in einen anderen Landesteil durch die restriktive Registrierungspraxis ("Hukou"-System) nur schwer möglich (Verlust des Zugangs zu Bildung und Sozialleistungen). Für Personen aus ländlichen Gebieten ist es schwierig, legal in eine Stadt überzusiedeln. Insbesondere für aus politischen Gründen Verfolgte gibt es nach Ansicht des Auswärtigen Amtes keine sichere Ausweichmöglichkeit innerhalb Chinas (AA 15.12.2016).

Ein Untertauchen, also eine nicht registrierte Niederlassung in einen anderen Landesteil als jenem des Melde-Wohnorts, ist schwierig. Sowohl bei Inlandsflügen als auch bei Zugfahrten wird systematisch die Identität überprüft, auch Zugtickets können nur mit Personalausweis gekauft werden und sind nicht übertragbar. KFZ mit Kennzeichen von außerhalb der Stadt oder der Provinz und deren Passagiere werden systematisch überprüft. Es besteht ein sehr effizientes System der Überwachung durch Nachbarschaftskomitees ("Blockwarte"). In der Tibetischen Autonomen Region und in Xinjiang besteht besonders strenge Überwachung unter anderem durch das System der kollektiven Bestrafung von Dorfgemeinschaften und starken Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, wonach Personen, die ihr Dorf oder ihre Region verlassen wollen, hierfür Genehmigungen einholen müssen welche teilweise nur für bestimmte andere Regionen ausgestellt werden. In Xinjiang werden darüber hinaus in von Uiguren bewohnten Gegenden an Straßensperren Identitätskontrollen - vor allem von jungen männlichen Uiguren - durch die bewaffnete Volkspolizei und die Volksbefreiungsarmee durchgeführt (ÖB 11.2016).

Trotz fehlender Bedrohungslage wurde 2016 von den Behörden fast allen Bewohner der Region Tibet verboten, Reisen in das Ausland zu unternehmen (HRW 12.1.2017).

2012 wurden Hunderte von Tibetern, die sich nach Indien begeben hatten, um an den Kalachakra Belehrungen teilzunehmen, bei ihrer Rückkehr von chinesischen Behörden festgenommen und verhört. Wochen- oder gar monatelang wurden Leute aller Altersgruppen, darunter sogar Achtzigjährige, gezwungen, Kurse für patriotische Umerziehung zu besuchen, weil "ihr Geist durch den Besuch der Kalachakra-Unterweisungen korrumpiert" worden sei. Einige Monate später, im April 2012, gab die Regierung der TAR neue Richtlinien für die Ausstellung von Reisepässen heraus, die es Tibetern sehr erschwerten, an einen Pass zu kommen, ohne den sie nicht ins Ausland reisen können (TCHRD 21.11.2016).

Seit 1.6.2016 gibt es für die Einwohner Xinjiangs strenge Auflagen für den Erwerb von Reisedokumenten. Biometrische-Daten, eine DNA-Blutprobe, Fingerabdrücke sowie eine Stimmaufzeichnung und ein dreidimensionales Foto des Körpers müssen bei einem Antrag zur Verfügung gestellt werden (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016). Von November 2016 bis Mitte Februar 2017 mussten die Einwohner Xinjiangs ihre Reisepässe bei der Polizei abgeben (DZ 2.4.2017; vgl. DZ 25.11.2016).

Einwohner benötigen nun eine spezielle Erlaubnis, um ihre Pässe zurückzubekommen und ins Ausland zu reisen (DZ 2.4.2017). Das Einsammeln der Dokumente diene nach staatlichen Angaben als eine Maßnahme zur "Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung" (DZ 25.11.2016; vgl. BBC 7.6.2016).

Human Rights Watch nennt das Vorgehen eine Verletzung des Rechts auf Bewegungsfreiheit und eine Maßnahme kollektiver Bestrafung (DZ 25.11.2016).

Die Meldekarte ("Hukou-System") ist weiterhin nötig für die (legale) Aufnahme einer Arbeit oder den Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen. Chinesen, die keinen für ihre Zwecke gültigen Hukou haben (z.B. minderjährige Wanderarbeiter, welche offiziell noch nicht arbeiten dürften), verwenden mitunter gefälschte "Hukou-Karten" oder solche von Verwandten (ÖB 11.2016).

Grundversorgung und Wirtschaft

China ist seit 2010 die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt nach den USA, seit 2014 nach Kaufkraft sogar die größte. Beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt China im Jahr 2016 mit rund 8.261 USD auf Platz 75 im weltweiten Vergleich. Zudem hält China die weltweit höchsten Devisenreserven. Innerhalb des Landes gibt es enorme regionale und soziale Unterschiede (AA 4.2017b). Die chinesische Gesellschaft hat durch die soziale Dynamik, die durch die wirtschaftlichen Reformen ausgelöst wurde, in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt an Offenheit gewonnen. Die Lebensbedingungen haben sich für die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung deutlich verbessert und erlauben im wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Bereich ein höheres Maß an persönlicher Freiheit (AA. 4.2017a).

Die Grundversorgung mit Nahrungsmitteln bzw. Gegenständen des täglichen Bedarfs ist trotz starker Disparitäten zwischen Stadt und Land bzw. Ost und West grundsätzlich gegeben. In den letzten Jahren kam es zu einem rasanten Anstieg der Immobilien- und Nahrungsmittelpreise. Viele Städte in China gehören heute im Vergleich zum Einkommen zu den teuersten Immobilienmärkten der Welt (ÖB 11.2016). Der Lebensstandard der Bevölkerung steigt im Allgemeinen kontinuierlich an, wenn auch mit unterschiedlicher Geschwindigkeit (AA 15.12.2016).

Eine andauernde Gefährdung für den sozialen Frieden in der chinesischen Gesellschaft stellt die rasche Entwicklung der chinesischen Wirtschaft und die daraus resultierende Wohlstandsverteilung dar. Besonders gravierend zeigen sich die Unterschiede im Vergleich von (vergleichsweise wohlhabender) Stadt- und (vergleichsweise armer) Landbevölkerung, regulärer Arbeit und Wanderarbeit sowie jüngerer und älterer Menschen. Nur minimal hat sich der Gini-Koeffizient - der Maßstab für die Einkommensungleichverteilung verbessert. Er ist von seinem Höchststand 2008 von 0,49 langsam aber beständig auf 0,462 in 2015 gesunken - allerdings im Jahr 2016 wieder geringfügig auf 0,465 angestiegen. Damit liegt China nach wie vor deutlich über der Grenze, die nach der Definition der Vereinten Nationen eine extreme Ungleichheit anzeigt (0,4). Noch leben mehr als 45 Prozent aller Chinesen auf dem Land, wo die grundlegenden sozialen Sicherungs- und Geldleistungen (Rente, Krankheit, Arbeitslosigkeit) wie auch erweiterte wohlfahrtspolitische Leistungen und Institutionen (Bildung, Wohnung) deutlich schlechter entwickelt sind als in den Städten (AA 4.2017b).

2016 war das durchschnittliche Haushaltsnettoeinkommen pro Kopf und Jahr in der Stadt mit 33.616 RMB (ca. 5.060 USD) 2,72-mal so hoch wie in ländlichen Gebieten mit 12.363 RMB (ca. 1.861 USD). Dabei wuchs das Einkommen der Landbevölkerung mit 8,2 Prozent etwas stärker als das der Stadtbewohner mit 7,8 Prozent (AA 4.2017b).

Laut offiziellen Angaben sind 4,1 Prozent der Chinesen mit Haushaltsregistrierung arbeitslos gemeldet. Darin nicht erfasst sind die mittlerweile ca. 275 Mio. "Wanderarbeiter", von denen ca. 168 Mio. außerhalb ihrer Heimatprovinz einer Beschäftigung nachgehen. Die Regierung will bis 2020 mit Hilfe eines entwicklungsorientierten Programms zur Armutsreduzierung in ländlichen Regionen gezielt in die soziale Infrastruktur von besonders zurückgebliebenen Schlüsselregionen investieren (AA 15.12.2016).

Trotz des laufenden Ausbaus des Sozialsystems bleibt angesichts des niedrigen Niveaus der Sozialleistungen die familiäre Solidarität in Notfällen ein entscheidender Faktor. Die meisten sozialen Leistungen sind zudem an die Wohnrechtsregistrierung ("Hukou-System") gekoppelt, befindet sich diese auf dem Land, ist mit einem noch niedrigeren Niveau an staatlicher Hilfeleistung zu rechnen. Eine Eingliederung in den Arbeitsmarkt in den ländlichen Regionen ist oft sehr schwierig (ÖB 11.2016).

Seit 2012 geht die chinesische Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter kontinuierlich zurück. Um die Finanzierbarkeit der Pensionen zu gewährleisten, plant China eine Senkung der mit 10 Prozent sehr hohen jährlichen Anpassung der Rentenhöhe und die Erhöhung des Pensionsalters (derzeit generell Männer mit 60 Jahren, Frauen mit 55 Jahren, tatsächliches durchschnittliches Renteneintrittsalter 53 Jahre) (ÖB 11.2016). Provinzen, die nicht über genügend eigene Mittel verfügen, erhalten Subventionen von der Zentralregierung (AA 4.2017b).

Chinas Basis-Krankenversicherung besteht aus einem Basis-Rentenplan für städtische Arbeiter und einem Plan für ländliche Arbeiter (Basic Pension Plan for Urban Employees and a Rural Pension Plan). Der Basis Pension Plan für Arbeiter im urbanen Umfeld deckt alle Arbeitnehmer ab. Für den Rural Pension Plan gilt: Nur wenige Regionen mit den finanziellen Kapazitäten haben einen solchen Rentenplan erlassen (IOM 8.2016).

Das chinesische Sozialsystem trifft hauptsächlich Senioren (Personen über 60 Jahre, arbeitsunfähig, ohne Einkommen, ohne Unterhaltszahlungen und Beihilfe oder deren Angehörige sie nicht unterstützen können), Kinder (Waisen ohne Verwandtschaft, ausgesetzte Babys und Kinder, deren biologische Eltern nicht auffindbar sind, profitieren von staatlicher Beihilfe, sowie Erziehung und Pflege von offiziellen Institutionen) und Minderheiten (durch die Provinzen und Städte Chinas wurden unterschiedliche Systeme zur Behandlung von Minderheiten entwickelt) (IOM 8.2016).

Das seit 2014 bestehende Programm zur Sicherung des Existenzminimums ("di bao") ähnelt der Sozialhilfe. Derzeit ist eine lokale Wohnmeldung ("Hukou-System") vorausgesetzt, weshalb die Millionen Wanderarbeiter in Städten in der Regel keinen Anspruch haben. Ein nationales Gesetz ist seit Jahren in Planung, bisher jedoch nicht verabschiedet, da unklar ist wie eine überregionale Bedarfsprüfung angesichts der Mobilität der Bevölkerung und der Größe des Landes bewerkstelligt werden kann. Die Höhe des "di bao" wird regional festgelegt und beträgt in Städten durchschnittlich 373 RMB (ca. 52 EUR) und auf dem Land 203 RMB (28 EUR). Ende 2014 gab es in den Städten lediglich 18,8 Mio. und in ländlichen Gebieten nur 52,1 Mio. Bezugsberechtigte (ÖB 11.2016).

Laut einem Beschluss des Staatsrats vom 11. Oktober 2016 sollen bis 2020 allerdings 100 Mio. Chinesen, die ohne städtischen "Hukou" (Meldeberechtigung) bereits "ständig" in Städten leben, Zugang zu sozialen Leistungen wie medizinischer Versorgung und Bildung erhalten. Bisher verfügten nur 39,9 Prozent der Stadtbewohner über einen städtischen Hukou mit Zugang zu sozialen Leistungen, dieser Prozentsatz solle in den kommenden 5 Jahren auf 45 Prozent steigen. Entsprechende Durchführungsverordnungen wurden bisher nicht erlassen. Die Maßnahmen betreffen jedoch nicht einmal die Hälfte der derzeit geschätzten 277 Mio. Wanderarbeiter (ÖB 11.2016).

Medizinische Versorgung

In China gibt es kein System niedergelassener Ärzte. Die Krankenversorgung konzentriert sich daher auf die Krankenhäuser. In den großen Städten finden sich sehr große Klinikzentren mit modernster Ausstattung, wohingegen auf dem Land die Versorgung noch sehr einfach sein kann (AA 17.8.2017). Krankenhäuser sind sowohl in großen, als auch in kleinen Städten zu finden (IOM 8.2016). Die Hygiene mag nicht europäischen Vorstellungen entsprechen (AA 17.8.2017). Elementare medizinische Dienstleistungen sind in abgelegenen ländlichen Gebieten kaum vorhanden, eine zeitnahe ärztliche Versorgung kaum möglich, und die vorhandenen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet (AA 15.12.2016).

Von dem neu eingeführten kooperativen medizinischen Versorgungssystem auf dem Lande wurden Ende 2013 nach Angaben des nationalen Büros für Statistik 99 Prozent der Landbevölkerung erfasst. Es handelt sich um eine Basisversorgung. Sie regelt die Teilerstattung von Kosten für die Behandlung (regional unterschiedlich definierter) schwerer Erkrankungen (AA 15.10.2014). Trotzdem herrscht im Gesundheitswesen ein gravierendes Stadt-Land-Gefälle. Obwohl die chinesische Regierung kontinuierlich immer mehr Geld in das Gesundheitswesen investiert, ist die Abdeckung für untere Einkommensschichten oder bei chronischen Krankheiten ungenügend. Für wohlhabende Chinesen gibt es in Peking, Shanghai und anderen Großstädten an der Ostküste eine wachsende Zahl teurer Privatkliniken. Der hohe formale Abdeckungsgrad in der chinesischen Krankenversicherung täuscht darüber hinweg, dass die finanzielle Absicherung im Krankheitsfall nach wie vor ungenügend ist. Obwohl 95 Prozent der Bevölkerung über Krankenversicherungsprogramme abgesichert ist, stellen für Bezieher durchschnittlicher und niedriger Einkommen Krankheiten, die intensive ärztliche und/oder therapeutische Behandlungen erfordern, eine nach wie vor enorme, häufig existenzbedrohende finanzielle Belastung dar (AA 15.12.2016; vgl. ÖB 11.2016). Auch wer in einer städtischen Krankenversicherung versichert ist, muss einen großen Teil der Behandlungskosten selbst tragen, da die Erstattungsbeträge aus der Krankenversicherung in der Regel nicht mehr als 60 Prozent betragen (AA 15.12.2016). Die meisten Versicherten erhalten eine Kostenerstattung bei jährlichen Kosten bis 1.300 RMB (179 EUR), darüber hinausgehende Kosten müssen selbst getragen werden. Allerdings erhalten Bedienstete von Staatsbetriebe nahezu kompletten Kostenersatz (ÖB 11.2016).

Der Markt für Medikamente in China ist relativ gut entwickelt. Grundsätzlich sind Medikamente im ganzen Land erhältlich. Während die Kosten für lokal hergestellte Medikamente gering sind, ist importierte Medizin mit besonderen Wirkstoffen sehr teuer (IOM 8.2016).

Rückkehr

Soweit Rückführungen aus Deutschland erfolgen, konnten die zurückgeführten Personen die Passkontrolle nach einer Identitätsüberprüfung unbehindert passieren und den Flughafen problemlos verlassen bzw. ihre Weiterreise in China antreten. Vereinzelte Nachverfolgungen von Rückführungen durch die Deutsche Botschaft Peking ergaben keinen Hinweis darauf, dass abgelehnte Personen allein deshalb politisch oder strafrechtlich verfolgt werden, weil sie im Ausland einen Asylantrag gestellt haben. Ein Asylantrag allein ist nach chinesischem Recht kein Straftatbestand. Personen, die China illegal, etwa unter Verletzung der Grenzübertritts-Bestimmungen verlassen haben, können bestraft werden. Es handelt sich aber um ein eher geringfügiges Vergehen, das - ohne Vorliegen eines davon unabhängigen besonderen Interesses - keine politisch begründeten, unmenschlichen Repressalien auslöst. Nach Art. 322 StG droht bei Vorliegen schwerwiegender Tatumstände Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr, Gewahrsam oder Überwachung und zusätzlich eine Geldstrafe. Nach bisherigen Erkenntnissen wird das Vergehen in der Praxis aber nur gelegentlich und dann mit Geldbuße geahndet (AA 15.12.2016).

Besondere Aufmerksamkeit widmet die chinesische Führung führenden Mitgliedern der Studentenbewegung von 1989, soweit sie noch im Ausland aktiv sind. Dies gilt auch für bekannte Persönlichkeiten, die eine ernst zu nehmende Medienresonanz im westlichen Ausland hervorrufen. Eine Überwachung oder sogar Gerichtsverfahren gegen diese Personen sind bei Rückkehr in die VR China nicht auszuschließen. 2016 kam es in zwei Fällen auch zu Verhaftungen von in China lebenden Familienangehörigen, um im Ausland lebende chinesische Dissidenten unter Druck zu setzen.

Aktivitäten der uigurischen Exilorganisationen stehen unter besonderer Beobachtung der chinesischen Behörden (einschließlich der Auslandvertretungen), insbesondere:

* der Weltverband der Uiguren,

* die Ostturkistanische Union in Europa e.V.,

* der Ostturkistanische (Uigurische) Nationalkongress e.V. und

* das Komitee der Allianz zwischen den Völkern Tibets, der Inneren Mongolei und Ostturkistans (AA 15.12.2016).

Oppositionelle Betätigung im Ausland kann zu Problemen führen, wenn die Behörden der Ansicht sind, dass "Verbrechen gegen die nationale Sicherheit" (etwa Verrat von Staatsgeheimnissen, Separatismus, Terrorismus) begangen wurden (ÖB 11.2016).

Mitglieder uigurischer Exilorganisationen haben bei ihrer Rückkehr nach China mit Repressionen zu rechnen (AA 15.12.2016). In den letzten Jahren kam es, vermutlich auf chinesischen Druck, immer wieder zur Abschiebung von uigurischen Asylwerbern aus Nachbarländern, zumeist aus Kambodscha, Thailand, Pakistan und Malaysia. Im Juli 2012 wurden aus Malaysia abgeschobene Uiguren zu bis zu 15 Jahren Haft wegen "separatistischer Tätigkeiten" verurteilt (ÖB 11.2016).

Die Rückkehrsituation für mittellose, kinderreiche Personen ohne Aussicht auf einen Arbeitsplatz und ohne familiäre Anbindung in China ist als schwierig zu beurteilen (ÖB 11.2016).

3. Beweiswürdigung:

3.1. Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers werden aufgrund des bei ihm sichergestellten Reisepasses (AS 466) getroffen.

3.2. Aufgrund des sichergestellten Reisepasses wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer bis 01.04.2016 im Bundesgebiet unter falscher Identität aufhältig war. Der Beschwerdeführer selbst gab im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, er habe vor der Polizei stets eine falsche Identität angegeben: "Ich habe Angst, wenn ich mit meiner richtigen Identität hier leben würde, dass ich nach China abgeschoben würde. Deshalb habe ich den österreichischen Staat betrogen." (Verhandlungsprotokoll XXXX , S 8).

Dass der Beschwerdeführer unter dieser falschen Identität zwei unbegründete Anträge auf internationalen Schutz gestellt hat, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

Ebenso wird die Feststellung, dass der Beschwerdeführer außerhalb der Asylverfahren nie über einen Aufenthaltstitel für das Bundesgebiet verfügte, aufgrund des vorliegenden Verwaltungsaktes getroffen.

Dass er trotz der rechtskräftigen Ausweisungen sowie trotz der gegen ihn verhängten Aufenthaltsverbote im Bundesgebiet verbleib, ist aktenkundig.

Daraus ergibt sich, dass dem Beschwerdeführer die Unsicherheit seines Aufenthaltes seit seiner Einreise in das Bundesgebiet bewusst war. Der Beschwerdeführer erhoffte sich durch das Verschleiern seiner Identität eine Abschiebung unmöglich zu machen (Verhandlungsprotokoll XXXX , S 8).

2.3. Die Feststellung, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers nicht geduldet ist und die Duldungsvoraussetzungen nicht vorliegen, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

2.4. Der Beschwerdeführer behauptete im Verfahren einen durchgehenden Aufenthalt im Bundesgebiet seit dem 14.08.2002. Dieser Behauptung kann aufgrund folgender Überlegungen nicht gefolgt werden und das Bestehen eines durchgehenden Aufenthaltes nicht festgestellt werden:

Der Beschwerdeführer verfügte lediglich für folgende Zeiträume über eine aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet, wobei diese Zeiträume aus einem amtswegig eingeholten Auszug aus dem Zentralen Melderegister entnommen werden:

* 17.05.2006 bis 28.05.2006,

* 01.12.2008 bis 05.12.2008,

* 23.01.2014 bis 23.05.2014,

* 23.05.2014 bis 11.03.2016,

* 11.03.2016 bis 05.09.2017,

* 27.09.2017 bis dato.

Darüber hinaus war er in folgenden Zeiträumen als obdachlos gemeldet:

* 22.02.2005 bis 09.02.2005,

* 27.02.2005 bis 17.05.2006,

* 14.06.2006 bis 24.08.2006,

* 14.01.2009 bis 31.05.2012.

Aus diesen Zeiten ergibt sich, dass der Beschwerdeführer erstmals im Jahr 2005 im Bundesgebiet gemeldet wurde und insbesondere für die folgenden Zeiträume - teilweise über mehrere Jahre hinweg - über keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet verfügte:

* 10.02.2005 bis 26.02.2005,

* 29.05.2006 bis 13.06.2006,

* 25.08.2006 bis 13.01.2009,

* 01.06.2012 bis 22.01.2014,

* 06.09.2017 bis 26.09.2017.

Es ist also entweder davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer nicht durchgehend im Bundesgebiet aufgehalten hat, oder dass er mehrfach gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen hat.

Der Beschwerdeführer konnte der Indizwirkung, welche dem zentralen Melderegister zukommt, nichts substantiiert entgegenstellen. Seine Angaben, er halte sich seit 2002 durchgehend im Bundesgebiet auf, konnte er nicht untermauern und kommt diesen angesichts der Tatsache, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich seines (behauptet kurzen) Aufenthalts in Bratislava mehrmals die Unwahrheit sagte und diesen erst auf mehrmalige Nachfrage des Richters zugestand, keine Glaubwürdigkeit zu:

"RI: Halten Sie sich seit 2002 durchgehend in Österreich auf?

BF: Ja, ich bin seit 2002 hier und ich konnte ohne gültige Papier Österreich nicht verlassen und habe es auch nicht getan.

RI: Ich frage Sie nochmals: Sie haben Österreich seit 2002 kein einziges Mal verlassen?

BF: Nein, vor der Polizei habe ich immer eine falsche Identität angegeben.

RI: Sie haben jetzt zwei Mal gesagt, dass Sie seit 2002 kein einziges Mal Österreich verlassen haben. Wie kann es sein, dass Ihnen 2015 ein Reisepass an der Chinesischen Botschaft Bratislava ausgestellt wurde?

BF: Doch, ich war einen Tag bei meinem Sohn in Bratislava. Das war, als die Grenze geöffnet wurde. Ich habe dort meinen Reisepass beantragt."

(Verhandlungsprotokoll XXXX , S 8 f).

Aufgrund der fehlenden durchgehenden Meldung im Bundesgebiet und der persönlichen Unglaubwürdigkeit des Beschwerdeführers kann das Bestehen eines durchgehenden Aufenthaltes seit dem Jahr 2002 nicht festgestellt werden. Aufgrund seines vorliegenden Reisepasses konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer das Bundesgebiet zumindest einmal verlassen haben muss. Der Beschwerdeführer beantragte im Jahr 2015 in der Slowakei bei der chinesischen Botschaft in Bratislava einen neuen Reisepass, welcher ihm auch am 26.06.2015 ausgestellt wurde. Dies ergibt sich aus dem beim Beschwerdeführer aufgefundenen Reisepass. Er bestätigte dies nach mehrmaliger Nachfrage auch im Rahmen der mündlichen Beschwerdeverhandlung (Verhandlungsprotokoll XXXX , S 9).

3.5. Die Feststellung, dass die Tochter und zwei Enkelkinder des Beschwerdeführers im Bundesgebiet leben und dass ein Sohn des Beschwerdeführers in der Slowakei lebt, wird aufgrund der übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers sowie der in der mündlichen Beschwerdeverhandlung als Zeugin einvernommenen Tochter getroffen. XXXX Die Feststellungen zur geschiedenen Ehefrau des Beschwerdeführers werden ebenfalls aufgrund der Angaben des Beschwerdeführers und seiner Tochter in der mündlichen Beschwerdeverhandlung getroffen.

Die Feststellungen zum Kontakt des Beschwerdeführers und seiner Tochter basieren maßgeblich aufgrund des Eindrucks des erkennenden Richters in der mündlichen Beschwerdeverhandlung:

Die Tochter des Beschwerdeführers brachte zwar zunächst vor, sie wolle ihren Vater zu sich nehmen und pflegen und er unterstütze sie bei der Kinderbetreuung, relativierte ihre Angaben im Verlaufe der Befragung jedoch dahingehend, dass sie hauptsächlich telefonischen Kontakt zu ihrem Vater habe. Wenn sie sich treffen würden, nehme sie die Kinder mit, er unterstütze sie jedoch nicht bei der Betreuung der Kinder (Verhandlungsprotokoll XXXX , S 12 f). Insgesamt entstand in der mündlichen Beschwerdeverhandlung nicht der Eindruck, dass der Kontakt zwischen dem Beschwerdeführer und seiner Tochter sehr intensiv ist und maßgeblich über Telefonate hinausgeht.

Das Bestehen sonstiger tiefergehender Beziehungen oder Freundschaften im Bundesgebiet wurde vom Beschwerdeführer nur insofern behauptet, als dass er vorbrachte, die Personen, die seine Arbeitsvorverträge unterschrieben hätten, wären seine Freunde. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in regelmäßigem Kontakt zu Personen chinesischer Herkunft in Österreich steht und insofern über ein schützenswertes Privatleben in Österreich verfügt.

Eine Integration des Beschwerdeführers in die österreichische Gesellschaft wurde von diesem nie behauptet und kann eine solche schon aufgrund der Sprachbarriere nicht angenommen werden. Dass der Beschwerdeführer nicht Mitglied in einem Verein ist und keine gemeinnützige Arbeit in Österreich verrichtet, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Zuge seiner Einvernahme während der mündlichen Beschwerdeverhandlung.

3.6. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet nie legal erwerbstätig war, ergibt sich aus dem Umstand, dass er dies nicht vorgebracht hat und er außerhalb des vorübergehenden Aufenthaltsrechtes während der beiden Asylverfahren, nie über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügte und er.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet mehrfach bei der Schwarzarbeit betreten wurde (AS 86 ff ua).

Die Feststellungen zum Bezug von Leistungen aus der Grundversorgung werden aufgrund eines amtswegig eingeholten Auszugs aus dem GVS getroffen.

Da der Beschwerdeführer erst ab dem Jahr 2014 Leistungen aus der Grundversorgung bezog und zuvor bei Schwarzarbeiten betreten wurde, konnte festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer sich seinen Aufenthalt bis 2014 durch illegale Erwerbstätigkeiten finanzierte.

Hinsichtlich der vorgelegten Arbeitsvorverträge ist zunächst darauf hinzuweisen, dass es sich bei diesen um vorgedruckte Formulare handelt, welche allesamt in derselben Handschrift ausgefüllt wurden. Der Beschwerdeführer gab dazu in der mündlichen Beschwerdeverhandlung folgendes an:

"RI: Sie haben am 17.04.2019 insgesamt 6 Kopien von Arbeitsvorverträgen vorgelegt. Können Sie mir bitte schildern, wie diese zustande gekommen sind?

BF: Diese Lokalbesitzer haben mir gesagt, sollte ich eine gültige Aufenthaltsgenehmigung erhalten, könnte ich bei ihnen arbeiten.

RI: Wie kommt man in so kurzer Zeit zu sechs Arbeitsvorverträgen?

BF: Die Lokalbesitzer sind alle Verwandte von meiner Ex-Frau.

RI: Wurden Sie bei der Vertragsgestaltung von jemandem unterstützt?

BF: Sämtliche Lokalbesitzer sind mit mir befreundet und kennen mich.

RI: Für mich als graphologischen Laien schaut es so aus, als wären die Vorverträge von ein und derselben Person ausgefüllt worden. Kann das stimmen?

BF: Sämtliche Vorverträge hat der Leiter des Asylheimes mit Hilfe eines Dolmetschers für mich ausgefüllt.

RI: Wie kamen die Firmenstempel auf die Vorverträge?

BF: Die sind alle meine Freunde und haben mir einfach die Stempel gegeben. Sie wollen auch, dass ich bei ihnen arbeite.

RI: Wenn Sie sich frei entscheiden könnten, für welche Stelle würden Sie sich entscheiden?

BF: Mir wäre es egal, welche Stelle ich annehmen würde. Mir ist nur die Arbeitserlaubnis wichtig.

RI: Warum sind 3 der 6 Verträge nicht datiert?

BF: Jemand vom Asylheim hat mir gesagt, dass 5 Verträge reichen würden, deswegen wurden die anderen nicht mehr vollständig ausgefüllt."

(Verhandlungsprotokoll XXXX , S 9f)

Aufgrund dieser Angaben des Beschwerdeführers, insbesondere dass es sich bei den potentiellen Arbeitgebern um Freunde des Beschwerdeführers handelt bzw. um Verwandte von dessen Ex-Frau sowie aufgrund des Zustandekommens dieser Verträge - vorausgefüllt im Asylheim und später nur durch besagte Freunde unterschrieben - kommt der erkennende Richter zu dem Schluss, dass es sich bei den Verträgen um Gefälligkeitsschreiben handelt, welche nicht geeignet sind, eine wirtschaftliche Integration bzw. potentielle Selbsterhaltungsfähigkeit des Beschwerdeführers zu belegen.

3.7. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer über keine Deutschkenntnisse verfügt, wird aufgrund des Eindrucks in der mündlichen Beschwerdeverhandlung getroffen, in welcher der Beschwerdeführer nicht einmal einfachste Fragen auf Deutsch beantworten konnte (Verhandlungsprotokoll XXXX , S 7 f). Dass der Beschwerdeführer keine Bestätigungen über absolvierte Deutschkurse, Integrationskurse oder Deutschprüfungen vorgelegt hat, ergibt sich aus dem Akt und wurde seitens des Beschwerdeführers die erfolgreiche Absolvierung solcher Kurse nicht einmal behauptet.

3.8. Dass der Beschwerdeführer in Österreich strafgerichtlich unbescholten ist, wird aufgrund eines amtswegig eingeholten Auszugs aus dem Strafregister festgestellt.

3.9. Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers werden aufgrund der vorgelegten Befunde in Zusammenschau mit den Angaben des Beschwerdeführers getroffen.

Insbesondere werden der bestehende Bluthochdruck sowie die Depression aufgrund der vorgelegten aktuellen Befunde XXXX , festgestellt.

Hinsichtlich des Bestehens einer urologischen Erkrankung oder einer Magenerkrankung hat der Beschwerdeführer zwar Überweisungen, aber keine aktuellen Befunde vorgelegt. Aus einem vorgelegten Befund vom XXXX geht zwar hervor, dass der Beschwerdeführer an einer Enddarmentzündung gelitten hat, nicht jedoch, dass diese in weiterer Folge behandelt wurde. Im vorgelegten aktuellen Befund XXXX ist zu lesen, dass Harn und Stuhl zum Zeitpunkt dieser Kontrolle normal waren.

Festzuhalten ist an dieser Stelle, dass den vom Beschwerdeführer in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vorgelegten leeren Medikamentenpackungen nach Ansicht des erkennenden Richters keine Beweiskraft zukommt, da der Beschwerdeführer weder entsprechende Befunde noch entsprechende Rezepte vorgelegt hat.

3.10. Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens in der Volksrepublik China verbracht hat, dort seinen Lebensunterhalt durch Feldarbeiten und als Gelegenheitsarbeiter sichern konnte und eine Familie gegründet hat, wird aufgrund der übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers und seiner Tochter im Verfahren getroffen.

Aus den Angaben des Beschwerdeführers ergibt sich, dass dieser in Österreich ausschließlich mit Personen chinesischer Herkunft verkehrt.

3.11. Die diesem Erkenntnis zugrunde gelegten Länderfeststellungen gründen sich auf Berichte verschiedener anerkannter und teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Institutionen und Personen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes und schlüssiges Gesamtbild der Situation im Herkunftsland ergeben. Angesichts der Seriosität der angeführten Erkenntnisquellen und der Plausibilität der überwiegend übereinstimmenden Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem BVwG von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation fallrelevant nicht wesentlich geändert haben. Es ist dem Beschwerdeführer nicht gelungen, den Wahrheitsgehalt der Länderberichte in Zweifel zu ziehen und er ist ihnen nicht substantiiert entgegentreten.

Hinsichtlich der Sicherheitslage in der Volksrepublik China ist jedenfalls kein Zustand erkennbar, wonach keinem chinesischen Staatsbürger mehr eine Rückkehr aus dem Ausland zumutbar wäre (im Sinne eines völligen Zusammenbruchs aller staatlicher Strukturen). Aus den Länderberichten ergibt sich weiters, dass die Nahrungsmittelsicherheit in der Volksrepublik China grundsätzlich gegeben ist. Auch die medizinische Versorgung ist grundsätzlich gegeben, wenngleich nicht auf europäischem Niveau.

Es ist dem Beschwerdeführer auch zuzutrauen, sich in China seinen Lebensunterhalt weiterhin durch Gelegenheits- und Hilfsarbeiten zu verdienen.

4. Rechtliche Beurteilung:

4.1. Zum Vorliegen der Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz":

Der mit "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" betitelte § 57 Asylgesetz 2005 (in Folge: AsylG) lautet:

"(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:

1.wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,

2.zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder

3.wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.

(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.

(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.

(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können."

Der Aufenthalt des Beschwerdeführers ist nicht gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG geduldet. Er ist nicht Zeuge oder Opfer von strafbaren Handlungen und auch kein Opfer von Gewalt. Die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 liegen daher nicht vor, sodass die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen ist.

4.2. Zur Erlassung der Rückkehrentscheidung:

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 ist eine Abweisung eines Antrages eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

§ 9 Abs. 1 bis 3 BFA-VG lautet:

"(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre."

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer "Familie" voraussetzt.

Der Begriff des "Familienlebens" in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kleinfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern und Ehegatten, sondern auch entfernte verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterien hierfür kommen etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Familiäre Beziehungen unter Erwachsenen fallen also dann unter den Schutz des Art. 8 Abs. 1 EMRK, wenn zusätzliche Merkmale der Abhängigkeit hinzutreten, die über die üblichen Bindungen hinausgehen (vgl. VwGH 21.04.2011, 2011/01/0093).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erlassung einer Rückkehrentscheidung bei der Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Drittstaatsangehörigen auch die Situation in anderen Mitgliedstaaten in Bedacht zu nehmen (vgl. zuletzt VwGH Ro 03.06.2018, 2018/21/0007 mit Verweis auf VwGH 15.12.2011, 2011/21/0237 und 15.03.2018, Ra 2018/21/0023).

Unter "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Im Bundesgebiet leben die volljährige Tochter und zwei Enkelkinder des Beschwerdeführers. Weiters lebt ein Sohn des Beschwerdeführers im EU-Ausland. Weder zu seiner Tochter noch zu seinem Sohn besteht ein Abhängigkeitsverhältnis. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass zur Tochter eine intensive Beziehung, die maßgeblich über Telefonate hinausgeht, besteht. Der Beschwerdeführer verfügt daher in Österreich über kein aufrechtes Familienleben. Die Beziehung zu Tochter, Enkelkindern und Sohn ist daher unter dem Aspekt des Privatlebens zu beurteilen.

Der Beschwerdeführer verfügt, wie ausgeführt, über Bekannte chinesischer Herkunft und insofern über ein schützenswertes Privatleben in Österreich. Das Bestehen einer Integration in die österreichische Gesellschaft kann nicht festgestellt werden.

Den Interessen des Beschwerdeführers an der Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens im Schengenraum stehen die öffentlichen Interesse an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (VwGH 16.01.2001, 2000/18/0251 u.v.a.).

Nun ist zu prüfen, ob ein Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK insofern gerechtfertigt ist, als dass das öffentliche Interesse der Aufenthaltsbeendigung gegenüber dem Interesse des Beschwerdeführers an einem weiteren Verbleib in Österreich bzw. im Schengenraum überwiegt.

Neben der Aufenthaltsdauer sind bei der Interessenabwägung gemäß Art. 8 EMRK insbesondere das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. VfGH 29.09.2007, B 1150/07; 12.06.2007, B 2126/06; VwGH 26.06.2007, 2007/01/479; 26.01.2006, 2002/20/0423; 17.12.2007, 2006/01/0216; Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloiblmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, 117 ff).

Zu diesen Kriterien ist folgendes auszuführen:

Der vom Beschwerdeführer behauptete durchgehende Aufenthalt seit dem Jahr 2002 kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer hat das Bundesgebiet zuletzt im Jahr 2015 für einen nicht feststellbaren Zeitpunkt verlassen. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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