TE OGH 2019/7/23 9ObA68/19v

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Veröffentlicht am 23.07.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Bernhard Kirchl und Herbert Bauer in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei ***** H*****, vertreten durch Mag. Petra Laback, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, *****, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2019, GZ 10 Ra 110/18x-13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger macht in seiner außerordentlichen Revision geltend, dass ihm die Vorinstanzen bei der Bekämpfung der Kündigung seines Vertragsbediensteten-verhältnisses zu Unrecht eine Verletzung der Aufgriffsobliegenheit zur Last gelegt hätten. Damit zeigt er keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:

Nach ständiger Rechtsprechung kann der die Leistungsbereitschaft des Dienstnehmers voraussetzende Fortsetzungsanspruch – auch im Anwendungsbereich des VBG (RS0028233 [T1, T21]; RS0119727) – nicht zeitlich unbegrenzt geltend gemacht werden (RS0028233; RS0107828). Vielmehr bedingt das Klarstellungsinteresse des Dienstgebers am Bestand oder Nichtbestand des Dienstverhältnisses eine Aufgriffsobliegenheit des Dienstnehmers, sein Interesse an der Aufrechterhaltung des Dienstverhältnisses ohne Aufschub gegenüber dem Dienstgeber geltend zu machen (8 ObA 55/12i mwN; RS0028233 [T2, T6, T13]). Zur Beurteilung der Unverzüglichkeit ist ein angemessener, zur Erkundung und Meinungsbildung objektiv ausreichender Zeitraum heranzuziehen. Das Ausmaß kann – unter Abwägung des Klarstellungsinteresses des Dienstgebers und der Schwierigkeiten für den Dienstnehmer, seinen Anspruch geltend zu machen – aber nur nach den Umständen des Einzelfalls bemessen werden (8 ObA 55/12i mwN).

Da eine Frist zur Geltendmachung des Fortsetzungsanspruchs im VBG nicht normiert wird, ist die zeitliche Grenze in jedem konkreten Fall unter Bedachtnahme auf § 863 ABGB danach zu bestimmen, ob das Verhalten des Dienstnehmers als stillschweigender Verzicht auf die Geltendmachung der behaupteten Unzulässigkeit der Beendigung zu werten ist (8 ObA 55/12i unter Hinweis auf 8 ObA 41/97f; 9 ObA 322/99i). Insbesondere bei relativ kurzer Dauer der Untätigkeit des Dienstnehmers dokumentiert die bloße Nichtgeltendmachung für sich allein grundsätzlich noch keinen Verzicht. Anderes gilt, wenn besondere Umstände vorliegen, die im konkreten Fall die spätere Geltendmachung als unzulässig erscheinen lassen. Rücksichtswürdige Gründe für die Untätigkeit sind vom Kläger zu behaupten und zu beweisen (8 ObA 55/12i mwN; 9 ObA 342/00k).

Von dieser Rechtsprechung sind die Vorinstanzen nicht abgewichen:

Dem Kläger (Vertragslehrer) wurde am 23. 2. 2017 ein Kurzgutachten zur Beurteilung seiner Dienstfähigkeit übermittelt, nach dem er fachärztlicherseits nicht einsetzbar und die Wiedererlangung seiner Dienstfähigkeit nicht absehbar war. Am 7. 3. 2017 wurden mit dem Kläger im Stadtschulrat Möglichkeiten der Beendigung seines Dienstverhältnisses besprochen, ua eine einvernehmliche Auflösung, die er nicht annahm. Mit Schreiben vom 23. 3. 2017 kündigte die Beklagte das Dienstverhältnis zum 31. 8. 2017 wegen Dienstunfähigkeit des Klägers auf. Nachdem der Kläger am 12. 7. 2017 ausführliche Gutachten erhalten hatte, nach denen eine Besserung seines Gesundheitszustandes wahrscheinlich und eine Kalkülssteigerung erwartbar war, wandte er sich an seine Rechtsvertreterin, die – nach Kommunikationsschwierigkeiten mit dem Kläger – mit am 6. 11. 2017 übermitteltem Schreiben den Stadtschulrat aufforderte, die Kündigung für unwirksam zu erachten. Der Stadtschulrat lehnte dies noch am selben Tag ab. Am 21. 12. 2017 wurde die verfahrensgegenständliche Klage eingebracht.

Nach diesem Sachverhalt war bereits im März 2017 klar, dass die Beklagte das Dienstverhältnis des Klägers mit Wirksamkeit zum 31. 8. 2017 als beendet ansah. Auch wenn man davon ausgehen wollte, dass der Kläger erst am 12. 7. 2017 Kenntnis davon erlangte, dass sein Gesundheitszustand die Kündigung unter Umständen nicht rechtfertigen würde, ist nicht zu verkennen, dass er der Beklagten trotz des bevorstehenden Kündigungstermins erst nahezu vier Monate später zum Ausdruck brachte, die Kündigung nicht zu akzeptieren. Bedenkt man, dass gerade im Schulbetrieb ein besonderes Klarstellungsinteresse des Dienstgebers besteht, weil nach dem Ausfall einer Lehrperson zur Aufrechterhaltung des Schulbetriebs rasch für geeigneten Ersatz gesorgt werden muss (s 8 ObA 55/12i), und dass die Kommunikationsverzögerungen nur der Sphäre des Klägers, nicht aber dem Verhältnis zwischen den Parteien zuzuordnen waren (vgl RS0034849 [T1]), so hat die Beurteilung der Vorinstanzen den Beurteilungsrahmen der Rechtsprechung hier nicht überschritten.

Aus der Entscheidung 8 ObA 224/02b ist für den Kläger nichts Gegenteiliges zu gewinnen, weil die Klage dort – anders als hier – noch während des aufrechten Dienstverhältnisses erfolgt war.

Die vom Kläger als erheblich aufgeworfene Rechtsfrage, ob sich ein Dienstnehmer im Krankenstand arbeitsbereit halten müsse, stellt sich aufgrund der Verletzung der Aufgriffsobliegenheit nicht. Seine außerordentliche Revision ist daher zurückzuweisen.

Textnummer

E125750

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00068.19V.0723.000

Im RIS seit

08.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.01.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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