TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/18 VGW-003/032/4129/2019

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.06.2019
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Entscheidungsdatum

18.06.2019

Index

83 Naturschutz Umweltschutz
40/01 Verwaltungsverfahren
24/01 Strafgesetzbuch
19/05 Menschenrechte

Norm

AWG 2002 §15 Abs1
AWG 2002 §15 Abs3
AWG 2002 §79 Abs1 Z1
VStG §22
VStG §45 Abs1 Z2
StGB §180 Abs1 Z1
MRKZP 07te Art. 4 Abs1

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Pühringer über die Beschwerde der Dr.in A. B., vertreten durch Rechtsanwalt, gegen das Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 6. Februar 2019, Zl. ..., betreffend Übertretungen 1.) des § 15 Abs.1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100 "Abfallverzeichnis" und 2.) des § 15 Abs. 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung iVm der ÖNORM S 2100 "Abfallverzeichnis", nach mündlicher Verhandlung am 4. Juni 2019

zu Recht e r k a n n t:

I. Das angefochtene Straferkenntnis wird in seinem Spruchpunkt "1." behoben und das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt.

II. 1. Die in Spruchpunkt "2." des angefochtenen Straferkenntnisses ausgesprochene Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe von € 2.010 bzw. fünf Tagen und der diesbezüglich gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Beitrag von € 201,— werden auf € 850,— bzw. zwei Tage und der gemäß § 64 VStG vorgeschriebene Beitrag auf € 85,— herabgesetzt.

2. Der im angefochtenen Straferkenntnis genannte zu zahlende Gesamtbetrag hat folglich auf € 935,— zu lauten.

III. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

IV. Gegen dieses Erkenntnis ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang

1.       Das angefochtene Straferkenntnis vom 6. Februar 2019 hat folgenden Spruch:

"1. Datum: 12.10.2018 - 15.10.2018

Ort: Wien, C.-weg

Sie haben als Bauherrin und Eigentümerin der Liegenschaft in Wien, C.-weg (EZ: ..., Katastralgemeinde: ...), zu verantworten, dass Sie von 12.10.2018 bis 15.10.2018 in Wien, C.-weg, Asbestzementplatten (asbesthaltige Dach- und Fassadenplatten), welche als gefährlicher Abfall im Sinne der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr. 570/2003 idgF iVm ÖNORM S 2100 (,Abfallverzeichnis'), nämlich 'Asbestzement', Schlüsselnummer 31412, einzustufen sind, als Abfallbesitzerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 (bzw. Abfallsammlerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002) nicht so gelagert und gesammelt haben, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) vermieden werden, als einerseits durch die nicht befeuchtete, nicht staubdichte, auf dem Boden verstreute, vor Beschädigungen nicht geschützte vorläufige Lagerung dieser Abfälle (gebrochene Asbestzementplatten unterschiedlichster Größe) am Boden um das Gebäude/am Dachboden/ im Garten, krebserregende Fasern freigesetzt wurden und andererseits durch die nicht zerstörungsfreie Demontage der Asbestzementplatten von der Fassade/vom Dach und anschließendes Fallenlassen zum Boden, krebserzeugende Asbestfasern freigesetzt wurden (durch die verbundene Zerstörung der asbesthaltigen Fassadenplattenabfälle) und damit Gefährdungen der Gesundheit von Menschen und Verunreinigungen der Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß nicht vermieden wurden.

Sie haben die Demontage und die Entsorgung der Asbestzementplatten selbst durchgeführt und hatten somit mit Beginn der Abbrucharbeiten die beim Abbruch anfallenden Abfälle inne (Ablösung der Platten). Sie agierten auch als Abfallsammlerin, da Sie auch die Entsorgung der Abfälle selbst durchführten. Sie gelten damit als Abfallbesitzerin im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 und Abfallsammlerin im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002.

2. Datum: 15.10.2018

Ort: Wien, C.-weg

Sie haben als Bauherrin und Eigentümerin der Liegenschaft in Wien, C.-weg (EZ: ..., Katastralgemeinde: ...), zu verantworten, dass Sie als Abfallbesitzerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 (bzw. Abfallsammlerin gemäß § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002) entgegen § 15 Abs 3 Abfallwirtschaftsgesetz 2002, wonach Abfälle außerhalb von hiefür genehmigten Anlagen oder für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden dürfen, nachstehender gefährlicher Abfall im Sinne der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr. 570/2003 idgF iVm ÖNORM S 2100 ('Abfallverzeichnis'), nämlich 'Asbestzement', Schlüsselnummer 31412, am 15.10.2018 in Wien, C.-weg, gelagert haben:

Bruchstücke von zerbrochenen Asbestzementplatten, da die Bruchstücke der zerbrochenen Asbestzementplatten nicht befeuchtet, staubdicht und vor Bruch gesichert gelagert wurden, sondern trocken am Boden rund um das Gebäude, den Dachboden und im Garten in Wien, C.-weg, ungeschützt vor weiterer Zerstörung und damit außerhalb von für die Sammlung vorgesehenen geeigneten Orten oder genehmigten Anlagen gelagert wurden. Die Bodenfläche rund um das Haus (auch unter der Fassade der Feuermauer), der Garten bzw. der Dachboden sind mangels Erfüllung des Anlagenbegriffs des AWG 2002 anlagenrechtlich nicht genehmigt. Sie sind auch für die Lagerung der genannten Abfälle kein geeigneter Ort, da durch Betreten der am Boden liegenden Abfälle durch Personen im Zuge der Abbrucharbeiten die Möglichkeit einer weiteren Zerstörung besteht und damit eine Freisetzung von krebserzeugenden Asbestfasern möglich ist.

Sie haben die Demontage und die Entsorgung der Asbestzementplatten selbst durchgeführt und hatten somit mit Beginn der Abbrucharbeiten die beim Abbruch anfallenden Abfälle inne (Ablösung der Platten). Sie agierten auch als Abfallsammlerin, da Sie auch die Entsorgung der Abfälle selbst durchführten. Sie gelten damit als Abfallbesitzerin im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 1 AWG 2002 und Abfallsammlerin im Sinne des § 2 Abs. 6 Z 3 AWG 2002.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Verwaltungsübertretung(en) nach

1. § 15 Abs 1 iVm § 79 Abs 1 Z 1 Bundesgesetz über eine nachhaltige Abfallwirtschaft (Abfallwirtschaftsgesetz 2002 - AWG 2002) StF: BGBl. I Nr. 102/2002 idgF. iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr. 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 Abfallverzeichnis'

2. § 15 Abs 3 iVm § 79 Abs 1 Z 1 AWG 2002 iVm der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl II Nr. 570/2003, idgF iVm der ÖNORM S 2100 'Abfallverzeichnis''

Wegen dieser Verwaltungsübertretung(en) wird (werden) über Sie folgende Strafe(n) verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist […] Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

1. € 2.010,00  5 Tage(n) 0 Stunde(n)   § 79 Abs. 1

0 Minute(n)     Abfallwirtschaftsgesetz 

                                                                      BGBl. I Nr. 102/2002 

2. € 2.010,00 5 Tage(n) 0 Stunde(n)  § 79 Abs. 1

                          0 Minute(n)                               Abfallwirtschaftsgesetz

                                                                      BGBl. I Nr. 102/2002

[…]

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 402,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe, jedoch mindestens 10 Euro für jedes Delikt

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 4.422,00"

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig erhobene und näher begründete Beschwerde, mit welcher die Einstellung des Verwaltungsstrafverfahrens begehrt wird.

3.       Die belangte Behörde erließ keine Beschwerdevorentscheidung und legte die Beschwerde samt der Verwaltungsakten dem Verwaltungsgericht Wien vor.

4.       Am 4. Juni 2019 führte das Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher die Beschwerdeführerin als Beschuldigte sowie der Amtssachverständige Ing. Mag. D. E. und ein Nachbar der Beschwerdeführerin als Zeugen einvernommen wurden.

II.      Sachverhalt

1.       Das Verwaltungsgericht Wien legt seiner Entscheidung folgende Feststellungen zugrunde:

Die Beschwerdeführerin erwarb im Jahr 2018 eine Liegenschaft in Wien, C.-weg. Auf dieser befand sich zu dem Zeitpunkt ein baufälliges Gartenhaus, welches die Beschwerdeführerin abreißen wollte. Zu diesem Zweck begann sie am 12. Oktober 2018 damit, unter Zuhilfenahme einer Leiter die Dachschindeln vom Haus abzutragen. Dabei löste sie die einzelnen Dachschindeln mit einer Eisenstange, verstaute diese zwischenzeitig in der Dachrinne und trug die Dachschindeln dann jeweils in Einheiten von vier bis fünf Stück über die Leiter nach unten. Die Beschwerdeführerin war bei diesen Arbeiten alleine. Auf Grund des Verwitterungsgrads der Dachschindeln zerbrachen einige beim Abtragen und konnten nur mehr in Bruchstücken zu Boden gebracht werden. Zumindest eine der Dachschindeln fiel der Beschwerdeführerin auf den Boden und zerbrach dort. Die auf den Boden gebrachten zerbrochenen und unzerbrochenen Platten lagerte die Beschwerdeführerin zunächst an verschiedenen Stellen am Grundstück ohne Verwendung eines staubdichten Behältnisses.

Während die Beschwerdeführerin am Samstag, 13. Oktober 2018, ihre Arbeiten fortsetzte – zu diesem Zeitpunkt waren etwa 30% des Dachs abgetragen – wurde sie von einem Nachbarn auf die Asbesthaltigkeit der Dachschindeln aufmerksam gemacht. In der Folge versuchte die Beschwerdeführerin, ein sachgerechtes Abtragen und eine fachgerechte Entsorgung der Dachschindeln durch ein professionelles Unternehmen zu organisieren, was ihr aber zunächst auf Grund des Wochenendes und am folgenden Montag auf Grund des zu geringen Umfangs des Auftrags nicht gelang. Sie trug daher am Dienstag die restlichen Dachschindeln selbst ab, sortierte diese am Grundstück und entsorgte sie letztlich ordnungsgemäß am Mistplatz der MA 48. Sie entsorgte dabei auch bereits vom Voreigentümer auf der Liegenschaft belassene Dachschindeln bzw. Bruchstücke davon, die teilweise am Dachboden, teilweise unter den Fußböden und teilweise in Schutthaufen am Grundstück verteilt waren.

Die genannten Dachschindeln waren asbesthaltig. Beim Bruch einer solchen Platte werden krebserregende Asbestfasern freigesetzt. Auch durch das Belassen einer gebrochenen Platte im Freien können weiter Asbestfasern freigesetzt werden, eine Lagerung in verschließbaren Behältnissen – etwa dickwandigen Kunststoffsäcken – könnte das verhindern.

Wegen der eben genannten Vorkommnisse wurden strafrechtliche Ermittlungen gegen die Beschwerdeführerin wegen des Verdachts einer Übertretung des § 180 Abs. 1 Z 1 StGB aufgenommen und mit Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien vom 9. April 2019 gemäß § 190 Z 2 StPO mit folgender Begründung eingestellt:

"Gewaltsame und unsachgemäße Demontage von Asbest-eternitplatten zwischen 12.10.2018 und 15.10.2018. Im Zweifel kann der Beschuldigten nicht mit der für ein Strafverfahren erforderlichen Sicherheit nachgewiesen werden, dass sie es bei der Durchführung der Arbeiten für möglich hielt, dass die Eternitplatten aus krebserregendem Asbest bestehen."

Gegen die Beschwerdeführerin erging ein Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 29. Jänner 2019 mit folgendem Spruch:

"Datum: 12.10.2018 - 15.10.2018

Ort: Wien, KLG ... Gruppe ... Parz ... ident C.-weg, EZ ... der KG ...

Sie haben zu verantworten, dass Sie als Verursacherin bei der Durchführung von Bauarbeiten durch Abtragung der am Dach und an der Fassade montierten Asbestzementplatten auf der Liegenschaft in Wien, KLG ... Gruppe … Parz ... ident C.-weg, EZ ... der Katastralgemeinde ..., für welche die Widmung "Grünland-Erholungsgebiet-Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen" besteht, entgehen der Bestimmung des § 123 Abs. 1 der Bauordnung für Wien nicht jede Gefährdung vermieden haben, weil

Am 12.10.2018

Auf dieser Liegenschaft die Arbeiten zur Abtragung der am Dach und an der Fassade montierten Asbestzementplatten unfachgemäß ausgeführt wurden,

- indem die Asbestzementplatten nicht zerstörungsfrei demontiert wurden, da sich die Befestigungsnägel noch im Dachstuhlholz befanden sowie vereinzelt Plattenreste noch an einigen Befestigungsnägel hingen, und

Im Zeitraum von 12.10.2018 bis 15.10.2018

Die am 12.10.2018 entfernten Asbestzementplatten nicht gesichert verwahrt waren (z.B. durch Aufbewahrung in staubdichten Big-Bags), sondern ungeschützt gelagert waren, sodass eine weitere Zerstörung der gelagerten Asbestzementplattenbruchstücke durch z.B.: Zertreten der am Boden liegenden Bruchstücke nicht ausgeschlossen werden konnte,

- indem am Gartenboden rund um das Haus mehrere gebrochene kleine Asbestzementplattenbruchstücke lagen,

- indem in der Regenrinne der nördlichen Dachseite mehrere gebrochene Asbestzementplattenbruchstücke lagen,

- indem unterhalb des nördlichen Daches am Boden, mit einem Papierbogen und Ziegelstein nicht staubdicht abgedeckt, mehrere gebrochene Asbestzementplattenbruchstücke gelagert waren und

- indem in einem Betonbecken im Garten mehrere größere, gebrochene Asbestzementplattenbruchstücke, auf denen eine Holzsteige und ein mit demontierten Bodenbelägen gefüllter Müllsack auflagen, gelagert waren

Wodurch die körperliche Sicherheit und Gesundheit der Personen auf der Liegenschaft sowie der anrainenden Personen insofern gefährdet war, als dabei freigesetzte Asbestzementfasern und in der Folge eingeatmeter krebserzeugender Asbest-Feinstaub massive Gesundheitsgefährdungen nach ziehen kann.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift(en) verletzt:

Verwaltungsübertretung(en) nach

§ 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 123 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (BO für Wien), LGBl. für Wien Nr. 11/1930 in der Fassung LGBl. Nr. 37/2018

Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:

Geldstrafe von  falls diese uneinbringlich ist […] Gemäß

Ersatzfreiheitsstrafe von

€ 1.400,00   22 Stunden     gemäß § 135 Abs. 1 BO

                  für Wien 

Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 - VStG zu zahlen:

€ 140,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe.

Der zu zahlende Gesamtbetrag (Strafe/Kosten/Barauslagen) beträgt daher

€ 1.540,00

Außerdem sind die Kosten des Strafvollzugs zu ersetzen."

Gegen dieses Straferkenntnis hat die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben, das Beschwerdeverfahren ist zur Zl. … beim Verwaltungsgericht Wien anhängig.

Die Beschwerdeführerin war sich der Asbesthaltigkeit der Dachschindeln und der daraus resultierenden Gefahren im Zuge eines unsachgemäßen Umfangs mit diesen nicht bewusst, sie hat dazu aber auch keine Erkundigungen im Vorfeld eingeholt. Sie hat sich ab dem Zeitpunkt, zu dem sie von der Gefahr Kenntnis erlangt hatte, ernstlich um eine sachgerechte Beseitigung bemüht und letztlich die Entsorgung selbst vorgenommen.

Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, es liegen unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse und keine Sorgepflichten vor.

2.       Diese Feststellungen ergeben sich aus folgender Beweiswürdigung:

Das Verwaltungsgericht Wien hat Beweis erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungsakt, Würdigung des Beschwerdevorbringens, Einvernahme der Beschwerdeführerin als Beschuldigter und des Amtssachverständigen Mag. Ing. D. E. sowie des F. G. als Zeugen in der mündlichen Verhandlung, sowie durch Beischaffung weiterer Unterlagen von der Staatsanwaltschaft Wien und des hg. Akts zur Zl. ….

Die Feststellungen zum Ablauf der Abbrucharbeiten durch die Beschwerdeführerin gründen im Wesentlichen auf ihren eigenen glaubhaften Schilderungen. Die Vorgangsweise, wie sie von der Beschwerdeführerin geschildert wurde, steht zudem im Einklang mit den vom Amtssachverständigen am 15. Oktober 2018 angefertigten Fotos (Beilage ./5). Die von der Beschwerdeführerin geschilderte und dokumentierte Sortierung der unbeschädigten Dachschindeln erfolgte – wie sie selbst angab – erst am 16. Oktober 2018 und damit außerhalb des Tatzeitraums.

Dass beim Abtragen mehrere Dachschindeln zerbrochen sein müssen, ergibt sich zweifellos aus den vom Amtssachverständigen angefertigten Fotos. Auf Foto 2, 3 und 4 sind etwa zahlreiche beschädigte Dachschindeln noch am Dach und deren Bruchstücke in der Regenrinne erkennbar.

Die Feststellungen zum Inhalt der Benachrichtigungsanzeige der Staatsanwaltschaft Wien und des hg. Akts zur Zl. ... ergeben sich aus den diesbezüglich vorgelegten hinsichtlich Richtigkeit und Vollständigkeit unbedenklichen Aktenbestandteilen.

Dass die von der Beschwerdeführerin abgetragenen Dachschindeln asbesthaltig waren und die daraus resultierenden Gefahren ergeben sich für das Verwaltungsgericht Wien aus den schlüssigen Angaben des in der mündlichen Verhandlung einvernommenen Amtssachverständigen, dessen Einschätzung zuletzt auch von der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel gezogen wurde.

Die Angaben der Beschwerdeführerin zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen wie auch zu ihrem Wissenshorizont betreffend die Asbesthaltigkeit der Dachschindeln sind für das Verwaltungsgericht Wien glaubhaft und den entsprechenden Feststellungen zugrunde zu legen.

III.     Rechtliche Beurteilung

1.       Anzuwendende Rechtsvorschriften:

Die im Beschwerdefall maßgeblichen Vorschriften des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 – AWG 2002, BGBl. I 102/2002 idF BGBl. I 193/2013, lauten:

"Allgemeine Behandlungspflichten für Abfallbesitzer

§ 15. (1) Bei der Sammlung, Beförderung, Lagerung und Behandlung von Abfällen und beim sonstigen Umgang mit Abfällen sind

         1. die Ziele und Grundsätze gemäß § 1 Abs. 1 und 2 zu beachten und

         2. Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) zu vermeiden.

(2) Das Vermischen oder Vermengen eines Abfalls mit anderen Abfällen oder Sachen ist unzulässig, wenn

         1. abfallrechtlich erforderliche Untersuchungen oder Behandlungen erschwert oder behindert werden,

         2. nur durch den Mischvorgang

         a) abfallspezifische Grenzwerte oder Qualitätsanforderungen oder

         b) anlagenspezifische Grenzwerte in Bezug auf die eingesetzten Abfälle

eingehalten werden oder

         3. dieser Abfall im Widerspruch zu § 1 Abs. 3 behandelt oder verwendet wird.

Die gemeinsame Behandlung von verschiedenen Abfällen oder von Abfällen und Sachen in einer Anlage gilt jedenfalls dann nicht als Vermischen oder Vermengen im Sinne dieser Bestimmung, wenn diese Behandlung für jeden einzelnen Abfall zulässig ist. Das gemeinsame Sammeln von verschiedenen Abfallarten oder von Abfällen derselben Art mit unterschiedlich hohen Schadstoffgehalten ist dann zulässig, wenn keine chemische Reaktion zwischen den Abfällen auftritt und die gemeinsame Verwendung oder Behandlung entsprechend den genannten Kriterien zulässig ist.

(3) Abfälle dürfen außerhalb von

         1. hiefür genehmigten Anlagen oder

         2. für die Sammlung oder Behandlung vorgesehenen geeigneten Orten

nicht gesammelt, gelagert oder behandelt werden. Eine Ablagerung von Abfällen darf nur in hiefür genehmigten Deponien erfolgen.

[…]

Strafhöhe

§ 79. (1) Wer

[…]

1. gefährliche Abfälle entgegen § 15 Abs. 1, 3 oder 4 oder entgegen § 16 Abs. 1 sammelt, befördert, lagert, behandelt oder beim sonstigen Umgang mit gefährlichen Abfällen entgegen § 15 Abs. 1 die Ziele und Grundsätze nicht beachtet oder Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermeidet oder entgegen § 15 Abs. 2 vermischt oder vermengt,

begeht – sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist – eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe von 850 € bis 41 200 € zu bestrafen ist; wer jedoch gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist, ist mit einer Mindeststrafe von 4 200 € bedroht."

Asbestzement ist gemäß der Anlage 5 der Abfallverzeichnisverordnung, BGBl. II 570/2003 idF BGBl. II 498/2008, iVm der ÖNORM S 2100 der Schlüsselnummer 31412 als gefährlicher Abfall zuzuordnen.

2.       Die belangte Behörde wirft der Beschwerdeführerin in Zusammenhang mit dem gegenständlichen Sachverhalt die Verwirklichung zweier Delikte, nämlich eine Übertretung des § 15 Abs. 1 und des § 15 Abs. 3 AWG 2002 vor. Weiters wurde auf den gegenständlichen Sachverhalt gründend ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren gegen die Beschwerdeführerin und ein Verwaltungsstrafverfahren nach der Wiener Bauordnung gegen die Beschwerdeführerin geführt. In Hinblick auf § 22 VStG und das aus Art. 4 des 7. Zusatzprotokolls zur EMRK (ZPEMRK) erfließende Doppelbestrafungsverbot ist daher zu prüfen, ob eine Strafverfolgung der Beschwerdeführerin nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 überhaupt zulässig ist.

2.1.    Mögliche Sperrwirkung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens:

2.1.1.  Hierzu führt die Beschwerdeführerin aus, dass gemäß § 22 VStG und § 79 Abs. 1 AWG 2002 eine verwaltungsstrafrechtliche Strafbarkeit nur bestehe, wenn die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung erfülle, wobei es auf den konkreten Verfahrensausgang nicht ankomme. Durch die Delikte der §§ 180 und 181 StGB werde der Unrechts- und Schuldgehalt des der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Verhaltens vollständig erschöpft, sodass ein weitergehendes Strafbedürfnis nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 nicht bestehe.

2.1.2.  Mit diesem Vorbringen übersieht die Beschwerdeführerin, dass eine Strafbarkeit nach den §§ 180 und 181 StGB an im Vergleich zu § 15 Abs. 1 und 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 weiterreichende Bedingungen geknüpft ist. So setzt das Delikt des § 180 StGB ("Vorsätzliche Beeinträchtigung der Umwelt") vorsätzliches Handeln und § 181 StGB zumindest eine tatsächliche Verunreinigung oder sonstige Beeinträchtigung eines Gewässers, des Bodens oder der Luft voraus. § 15 Abs. 1 (und letztlich auch § 15 Abs. 3) AWG 2002 wird jedoch bereits dann verwirklicht, wenn eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen nicht vermieden wird. Eine Beeinträchtigung öffentlicher Interessen gemäß § 1 Abs. 3 AWG 2002 ist jedoch bereits dann gegeben, wenn eine der dort aufgezählten Gefahren durch ein Verhalten bewirkt werden kann, auf eine konkrete Gefahrensituation kommt es hingegen nicht an (VwGH 24.11.2016, Ro 2014/07/0024).

Der Beschwerdeführerin wird nun im angefochtenen Straferkenntnis – lediglich – eine Gefährdung der Gesundheit von Menschen und Verunreinigungen der Umwelt (Spruchpunkt "1.") bzw. ein unsachgemäßes Lagern von Abfällen (Spruchpunkt "2.") vorgeworfen; diese Verhaltensweisen unterliegen als solche nicht der gerichtlichen Strafbarkeit nach den §§ 180 und 181 StGB, weshalb weder § 22 VStG noch § 79 Abs. 1 AWG 2002 eine Strafbarkeit nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 im Beschwerdefall ausschließen (vgl. zu dieser Abgrenzung auch VwGH 21.2.2008, 2005/07/0105).

2.1.3.  Auch aus der Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft Wien über die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Übertretung des § 180 Abs. 1 Z 1 StGB gemäß § 190 Z 2 StPO ist für die Beschwerdeführerin im Beschwerdefall nichts zu gewinnen:

Die Frage der Bindungswirkung einer Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach den §§ 190 ff StPO ist an Hand des Prüfungsumfangs der wesentlichen Elemente des tatbestandserheblichen Sachverhalts im Einzelfall zu beurteilen; dabei ist zunächst zu prüfen, ob die Einstellung (formell und materiell) rechtskräftig im Sinne von unwiderruflich wurde, somit für die Staatsanwaltschaft keine formlose Fortsetzungsmöglichkeit mehr besteht und daher ein Anklageverbrauch stattgefunden hat. In einem zweiten Schritt ist mit Blick auf den Umfang einer Sperrwirkung zu prüfen, auf welcher inhaltlichen Basis und auf Grund welcher Prüfungstiefe die Einstellungsentscheidung ergangen ist. Eine Bindungswirkung wird nur hinsichtlich jener Fakten anzunehmen sein, welche auch den Ausgangspunkt eines vorangegangenen Strafverfahrens gebildet haben. Der bloße Hinweis auf eine nicht näher begründete Einstellung vermag daher nicht ohne weiteres eine dem Art 4 des 7. ZPEMRK entgegenstehende Sperrwirkung zu entfalten, vielmehr kommt es darauf an, aus welchen Gründen die Einstellung erfolgte und auf welcher im Verfahren herangezogenen und geprüften Faktenlage sie basierte (VwGH 13.9.2016, Ra 2016/03/0083).

Aus der Benachrichtigung über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens geht unzweifelhaft hervor, dass die Einstellung erfolgte, weil der Beschwerdeführerin nicht nachgewiesen werden konnte, "dass sie es bei Durchführung der Arbeiten für möglich hielt, dass die Eternitplatten aus krebserregenden Asbest bestehen". Hinsichtlich dieses Tatbestandsmerkmals – der Vorsätzlichkeit bezogen auf die Asbesthaltigkeit der Eternitplatten – entfaltet die Einstellung des Ermittlungsverfahrens nach § 190 Z 2 StPO folglich Sperrwirkung. Ein solches vorsätzliches Verhalten ist aber nicht Gegenstand des gegen die Beschwerdeführerin geführten Verwaltungsstrafverfahrens, weshalb die Einstellung des strafgerichtlichen Ermittlungsverfahrens keine im gegenständlichen Verwaltungsstrafverfahren beachtliche Sperrwirkung entfalten kann.

2.2.    Mögliche Doppelbestrafung in Hinblick auf das Verwaltungsstrafverfahren nach der Wiener Bauordnung:

2.2.1.  Gegenüber der Beschwerdeführerin erging ein Straferkenntnis des Magistrats der Stadt Wien vom 29. Jänner 2019, mit welchem sie für den Zeitraum 12. Oktober 2018 bis 15. Oktober 2018 am gegenständlichen Tatort im Wesentlichen dafür bestraft wurde, "Arbeiten zur Abtragung der am Dach und an der Fassade montierten Asbestzementplatten unfachgemäß ausgeführt" zu haben, sowie diese Asbestzementplatten "nicht gesichert verwahrt" zu haben, "wodurch die körperliche Sicherheit und Gesundheit der Personen auf der Liegenschaft sowie der anrainenden Personen insofern gefährdet war, als dabei freigesetzte Asbestzementfasern und in der Folge eingeatmeter krebserzeugender Asbest-Feinstaub massive Gesundheitsgefährdungen nach ziehen kann".

2.2.2.  Für das Verwaltungsgericht Wien steht zunächst fest, dass sich das eben zitierte Straferkenntnis auf dieselben tatsächlichen Ereignisse in Zusammenhang mit den von der Beschwerdeführerin selbst durchgeführten Dachabbrucharbeiten stützt wie das gegenständliche Straferkenntnis.

Gemäß § 22 Abs. 2 VStG sind Strafen nebeneinander zu verhängen, wenn eine Tat unter mehrere einander nicht ausschließende Strafdrohungen fällt.

Gemäß Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK darf jedoch niemand wegen einer Straftat, wegen der er bereits nach dem Gesetz und dem Strafverfahrensrecht eines Staates rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut vor Gericht gestellt oder bestraft werden.

Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK verbietet die Wiederholung eines Strafverfahrens, welches mit einer endgültigen Entscheidung beendet worden ist. Eine Entscheidung – Freispruch oder Verurteilung – ist dann als endgültig ("final") anzusehen, wenn sie die Wirkung einer res iudicata erlangt hat. Das ist der Fall, wenn sie unwiderruflich ist, das heißt, wenn keine ordentlichen Rechtsmittel mehr vorhanden sind, alle Rechtsmittel ergriffen wurden oder Rechtsmittelfristen ergebnislos verstrichen sind (VwGH 26.9.2018, Ra 2017/17/0474).

Das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren nach der Wiener Bauordnung ist derzeit beim Verwaltungsgericht Wien als Beschwerdeverfahren anhängig und folglich noch nicht rechtskräftig abgeschlossen. Schon aus diesem Grund steht das Verwaltungsstrafverfahren nach der Wiener Bauordnung in Hinblick auf Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK einer Bestrafung der Beschwerdeführerin nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 jedenfalls nicht entgegen. Es kann somit dahingestellt bleiben, ob mit der Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 der Unrechtsgehalt des der Beschwerdeführerin vorgeworfenen Verhaltens erschöpfend erfasst wird und einer Bestrafung nach der Wiener Bauordnung entgegensteht.

2.3.    Parallele Deliktsverwirklichung nach § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002:

2.3.1.  In seiner jüngeren Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf eine vorgeworfene Lagerung von Asbestzement und eine in der Folge ergangene Bestrafung nach § 15 Abs. 1 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 wie auch nach § 15 Abs. 3 iVm § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 ausgesprochen, dass der Unrechtsgehalt des § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 darin besteht, dass der Normunterworfene beim Umgang mit Abfällen die Ziele und Grundsätze der Abfallwirtschaft nicht beachtet hat. Der maßgebliche Unrechtsgehalt des Tatvorwurfs des Lagerns von Asbestzement ist im Lichte der verwiesenen materiellen Normen des § 15 Abs. 1 und 3 AWG 2002 gleich, weshalb eine unzulässige Doppelbestrafung vorliegt (VwGH 26.6.2018, Ra 2017/05/0294).

Bei Betrachtung der beiden Tatvorwürfe im angefochtenen Straferkenntnis fällt auf, dass bei beiden angelasteten Delikten die unsachgemäße Lagerung von Asbestzement durch die Beschwerdeführerin im Vordergrund steht. Ein in einem der beiden Tatvorwürfe über den anderen hinausgehender Unrechtsgehalt ist für das Verwaltungsgericht Wien in Hinblick auf die im Wesentlichen wortgleiche Formulierung der Tatvorwürfe nicht erkennbar, weshalb in Anbetracht der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes von einer unzulässigen Doppelbestrafung auszugehen ist. Einer der beiden Spruchpunkte des angefochtenen Straferkenntnisses ist folglich in jedem Fall zu beheben und das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG einzustellen.

2.3.2.  Es bleibt folglich zu prüfen, ob einer der beiden im angefochtenen Straferkenntnis gemachten Tatvorwürfe zutrifft:

Zunächst ist davon auszugehen, dass es sich bei den asbesthaltigen Gebäudeteilen, welche im Zuge der Abbrucharbeiten anfielen, um Abfall iSd § 2 Abs. 1 AWG 2002 handelt (vgl. allgemein zum Abfallbegriff VwGH 28.11.2013, 2010/07/0144). Es handelt sich bei diesen der Schlüsselnummer 31412 zuzuordnenden Stoffe um gefährliche Abfälle (vgl. § 2 Abs. 4 Z 3 AWG 2002).

Der Beschwerdeführerin wird in Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses die Lagerung und Sammlung der asbesthaltigen Abfälle in einer Art und Weise vorgeworfen, dass Beeinträchtigungen der öffentlichen Interessen nicht vermieden wurden. In Spruchpunkt "2." wird die Lagerung dieser Abfälle in einer nicht geeigneten Anlage bzw. einem nicht geeigneten Ort vorgeworfen. Nachdem in beiden Tatvorwürfen die Lagerung der Abfälle im Vordergrund steht, scheint eine Übertretung des § 15 Abs. 3 AWG 2002 einschlägiger und ist daher vorrangig zu prüfen:

2.3.3.  Grundsätzlich bedeutet nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum AWG 1990 und zum AWG 2002 "lagern" etwas Vorübergehendes, "ablagern" hingegen etwas Langfristiges (VwGH 29.1.2004, 2003/07/0121, mwN). Unter der Lagerung von Abfällen im Sinne des § 15 Abs. 3 AWG 2002 ist daher die vorübergehende Lagerung von Abfällen zu verstehen (VwGH 28.01.2010, 2009/07/0210). Das AWG 2002 unterwirft jede Lagerung von Abfällen den Vorschriften des § 15 Abs. 3 AWG 2002, auch die Lagerung von Abfällen nur über kurze Zeiträume. Eine Ausnahmebestimmung für besonders kurzfristige Lagerungen von Abfällen ist dem AWG 2002 nicht zu entnehmen (VwGH 15.9.2011, 2009/07/0154, mwN).

Die dieser eben zitierten Rechtsprechung zugrunde liegenden Sachverhaltskonstellationen lassen erkennen, dass auch das Belassen von Abfällen über einen äußerst kurzen Zeitraum (maximal eine Woche im Erkenntnis 2009/07/0154, nur ein bis zwei Stunden im Erkenntnis 2009/07/0210) dazu führt, von einer Lagerung iSd § 15 Abs. 3 AWG 2002 auszugehen. Im Beschwerdefall ist jedenfalls von einem Belassen der Abfälle während des gesamten 15. Oktober 2018 in einem Zustand, wie er vom Amtssachverständigen an diesem Tag vorgefunden wurde, auszugehen. Nach der eben zitierten Rechtsprechung wurde damit eine Lagerung von Abfällen verwirklicht, die den Anforderungen des § 15 Abs. 3 AWG 2002 genügen muss.

2.3.4.  Jedenfalls liegt im Beschwerdefall keine für die Lagerung von Abfällen genehmigte Anlage iSd § 15 Abs. 3 Z 1 AWG 2002 vor. Da die Lagerung nicht in einer ortsfesten Behandlungsanlage erfolgte, bestand auch keine Genehmigungspflicht nach § 37 AWG 2002. In diesem Fall ist in weiterer Folge zu prüfen, ob es sich iSd § 15 Abs. 3 Z 2 AWG 2002 beim Ort der Lagerung um einen für die Sammlung oder Behandlung der Abfälle geeigneten Ort handelt (VwGH 17.12.2015, Ra 2015/07/0122). Die teilweise zerbrochenen und trockenen asbesthaltigen Dachschindeln wurden im Beschwerdefall ohne weitere Vorkehrungen verteilt auf der Liegenschaft gelagert, wodurch eine Gefährdung von Mensch und Umwelt etwa durch Staubentwicklung oder durch eine weitere Verbreitung des belasteten Materials potentiell gegeben war (vgl. zur Eignung des Orts der Lagerung bei der Gefährdung öffentlicher Interessen etwa VwGH 18.2.2010, 2009/07/0131, oder 30.9.2010, 2007/07/0167). Der Ort war für die Lagerung daher nicht geeignet iSd § 15 Abs. 3 Z 2 AWG 2002.

Die der Beschwerdeführerin in Spruchpunkt "2." angelastete Verwaltungsübertretung ist damit in objektiver Hinsicht verwirklicht. Folglich ist Spruchpunkt "1." des angefochtenen Straferkenntnisses ohne weitere inhaltliche Prüfung wegen Verstoßes gegen das Doppelbestrafungsverbot des Art. 4 Abs. 1 7. ZPEMRK zu beheben und das gegen die Beschwerdeführerin geführte Verwaltungsstrafverfahren in diesem Umfang einzustellen.

2.3.5.  Bei der Verwaltungsübertretung nach § 79 Abs. 1 Z 1 AWG 2002 handelt es sich um ein Ungehorsamsdelikt, bei dem zufolge § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG das Verschulden der Täterin vermutet wird, sofern sie nicht glaubhaft macht, dass ihr die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne ihr Verschulden unmöglich gewesen sei (vgl. zu nicht gefährlichen Abfällen VwGH 25.2.2009, 2008/07/0182). Die Beschwerdeführerin hat angegeben, von der Asbesthaltigkeit der Abfälle nicht gewusst und sich bei Mitteilung über diesen Umstand sofort um eine sachgerechte Entsorgung bemüht zu haben. Mit diesem Vorbringen kann die Beschwerdeführerin nicht glaubhaft machen, dass ihr die Einhaltung des § 15 Abs. 3 AWG 2002 unmöglich war. Die Beschwerdeführerin hätte sich vor Beginn der Abbrucharbeiten über die Gefahren im Umgang mit asbesthaltigen Abfällen und die sachgerechte Art und Weise der Entsorgung erkundigen können. Es wäre ihr in der Folge möglich und zumutbar gewesen, die Dachschindeln bzw. deren Bruchstücke sofort in verschließbaren Behältnissen zu verstauen, um eine mögliche Staubentwicklung oder eine weitere Verbreitung des Materials auszuschließen. Für das Verwaltungsgericht Wien ist folglich auch die subjektive Tatseite der angelasteten Verwaltungsübertretung erfüllt.

3.       Zur Strafbemessung:

3.1.    Gemäß § 19 Abs. 1 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsguts und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat.

Gemäß § 19 Abs. 2 VStG sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen. Auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechts sind die §§ 32 bis 35 des Strafgesetzbuches sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen zu berücksichtigen.

Die Milderungs- und Erschwerungsgründe sind im Verwaltungsstrafgesetz nicht taxativ aufgezählt. Auch die Dauer eines strafbaren Verhaltens kann im Rahmen der Strafbemessung maßgebend sein (VwGH 12.12.1995, 94/09/0197). Bei der Strafbemessung kommt es gemäß § 19 Abs. 2 letzter Satz VStG – unter anderem – auf die Einkommensverhältnisse im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht an. Die Strafbemessung setzt entsprechende Erhebungen dieser Umstände durch das Verwaltungsgericht voraus, wobei allerdings in der Regel mit den Angaben des Beschuldigen das Auslangen zu finden sein wird (vgl. zur Rechtslage vor der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 VwGH 22.12.2008, 2004/03/0029 mwN).

3.2.    Im Beschwerdefall ist hinsichtlich der in Spruchpunkt "2." des angefochtenen Straferkenntnisses vorgeworfenen Verwaltungsübertretung gemäß § 79 Abs. 1 letzter Satz AWG 2002 ein Strafrahmen von € 850,— bis € 41.200,— heranzuziehen, weil die Beschwerdeführerin nicht gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig ist.

Bei der Beschwerdeführerin sind unterdurchschnittliche Einkommensverhältnisse anzunehmen. Die Beschwerdeführerin ist verwaltungsstrafrechtlich unbescholten, was als mildernd zu berücksichtigen ist. Dass bei einem Ungehorsamsdelikt kein Schaden eingetreten ist, kommt nicht als Milderungsgrund in Betracht (vgl. zu § 79 Abs. 1 Z. 9 [erster Fall] AWG 2002 VwGH 25.9.2014, 2012/07/0214). Der Verschuldensgrad ist im Beschwerdefall als gering anzusehen, weil es sich um eine bloß geringe Menge an gelagerten Abfällen handelte und die Beschwerdeführerin bei Bekanntwerden der unsachgemäßen Lagerung zeitnah entsprechende Schritte zur sachgemäßen Entsorgung setzte, welche nur einen Tag nach Ende des Tatzeitraums erfolgte. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass eine Ausschöpfung des Strafrahmens erforderlich ist, um die Beschwerdeführerin von der Begehung weiterer gleichartiger Delikte abzuhalten.

Das strafrechtlich geschützte Rechtsgut – der Schutz der Gesundheit von Menschen und Tieren und der Schutz der Umwelt – haben jedoch keine geringe Bedeutung, weshalb eine Anwendung des § 33a VStG oder des § 45 Abs. 1 Z 4 VStG von vornherein ausscheidet. Auch die Voraussetzungen für eine außerordentliche Milderung der Strafe nach § 20 VStG liegen im Beschwerdefall mangels besonderen Gewichts der Milderungsgründe nicht vor (vgl. zu den Voraussetzungen näher VwGH 25.4.2018, Ra 2017/09/0044).

In Anbetracht all dieser Strafbemessungsgründe kann für das Verwaltungsgericht Wien mit der Verhängung der Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden. Die verhängte Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe, der gemäß § 64 VStG zu zahlende Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens und der zu zahlende Gesamtbetrag sind dementsprechend herabzusetzen bzw. anzupassen.

4.       Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat die Beschwerdeführerin infolge ihres teilweisen Obsiegens im verwaltungsgerichtlichen Verfahren keinen Beitrag zu dessen Kosten zu leisten.

5.       Die ordentliche Revision ist unzulässig, da im Beschwerdefall keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der zitierten bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Zur Lagerung von Abfällen, zur Abgrenzung von der gerichtlichen Zuständigkeit iSd § 22 Abs. 1 VStG oder zur unzulässigen Doppelbestrafung ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Gefährlicher Abfall; Asbestzement; Lagerung von Abfällen; Doppelbestrafungsverbot; Bindungswirkung; Unrechtsgehalt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.003.032.4129.2019

Zuletzt aktualisiert am

25.07.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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