TE Vwgh Erkenntnis 2019/5/29 Ra 2019/11/0031

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Veröffentlicht am 29.05.2019
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Index

L46002 Jugendförderung Jugendschutz Kärnten
10/07 Verwaltungsgerichtshof
50/01 Gewerbeordnung
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

GewO 1994 §114
JSchG Krnt 1998 §12 Abs5
JSchG Krnt 1998 §5
JSchG Krnt 1998 §6
JSchG Krnt 1998 §7
KFG 1967 §102 Abs6
VwGG §42 Abs2 Z1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rigler und die Hofräte Dr. Schick und Dr. Grünstäudl sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und Mag. Hainz-Sator als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Soyer, über die Revision des F G in V, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Herbertstraße 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 10. Dezember 2018, Zl. KLVwG-2131/4/2017, betreffend Übertretung des Kärntner Jugendschutzgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Villach-Land), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde, im Wesentlichen durch Bestätigung des Straferkenntnisses der belangten Behörde vom 13. Oktober 2017, der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe der Jugendlichen O. am 8. August 2017 um 01:00 Uhr in der G. Bar in V. alkoholische Getränke in Form von "Wodka/Red Bull" zum Konsum überlassen, obwohl Jugendliche ab dem vollendeten

16. Lebensjahr Getränke mit einem höheren Alkoholgehalt als 12 Vol. % und Mischgetränke, die gebrannte alkoholische Getränke (Spirituosen) enthalten, nicht trinken dürfen.

Wegen Übertretung des § 12 Abs. 5 iVm § 16 Abs. 3 zweiter Satz, zweiter Fall Kärntner Jugendschutzgesetz, LGBl. Nr. 5/1998 idF LGBl. Nr. 69/2015 (K-JSG), wurde über den Revisionswerber eine Geldstrafe von EUR 2.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage und 12 Stunden) verhängt und ihm ein Beitrag zu den Verfahrenskosten vorgeschrieben.

Gleichzeitig wurde gemäß § 25a VwGG ausgesprochen, dass eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

2 In der Begründung stellte das Verwaltungsgericht nach durchgeführter Verhandlung fest, der Revisionswerber habe am 7. August 2017 gemeinsam mit Freunden und Arbeitskollegen in der G. Bar in V. an der größten Gastroparty (speziell für Beschäftigte der Gastronomie) des Sommers teilgenommen. In der genannten Bar gebe es abgetrennte Loungebereiche (erhöht und mit Geländer abgesichert mit maximal 15 Sitzplätzen), für deren Reservierung zumindest ein Getränkepaket in Höhe von EUR 300,--, umfassend eine Flasche Wodka und weitere alkoholische und nichtalkoholische Getränke, habe bestellt werden müssen. Der Revisionswerber habe bei der Ankunft in der Bar ein solches Getränkepaket (bzw. insgesamt drei Flaschen Wodka) für seine Lounge bestellt und bezahlt und "sodann von vielen in die Lounge kommenden Personen" Geldbeträge kassiert, um nicht alleine die Kosten für die Getränke tragen zu müssen. Die Getränke hätten sich auf dem Tisch in der Lounge befunden, und es habe sich jeder der dort Anwesenden selbst bedienen können. Im Loungebereich habe "den gesamten Abend über ein reges Kommen und Gehen geherrscht", auch der Revisionswerber habe sich nicht durchgehend dort aufgehalten. Die Jugendliche O. habe sich am geschilderten Abend "auch im Loungebereich aufgehalten und dort unter anderem Wodka mit Red Bull getrunken, wobei sie sich dieses Getränk selbst gemischt hat".

3 In der rechtlichen Beurteilung wurde nach Wiedergabe der maßgebenden Rechtsvorschriften auf § 12 Abs. 5 K-JSG Bezug genommen, der es verbiete, Kindern oder Jugendlichen (u.a.) Rausch- und Suchtmittel anzubieten, zu überlassen oder zu verkaufen. Die Erläuterungen zu dieser Bestimmung, die auf das LGBl. Nr. 5/1998 zurückgehe, verwiesen einerseits auf die moderate Lockerung der Ausgehverbote für Jugendliche, andererseits aber auf die erhöhte Aufmerksamkeit hinsichtlich der Gefährdung des Wohles der Jugendlichen, sodass der Genuss- und Suchtmittelgebrauch (darunter Alkohol) für Jugendliche strenger reglementiert werden solle. Nach den genannten Erläuterungen solle auch das Überlassen dieser Mittel an Kinder und Jugendliche unterbunden werden, insoweit ihnen der Genuss untersagt sei. Der Gesetzgeber habe jedoch, so das Verwaltungsgericht weiter, nicht näher definiert, was unter dem Begriff "überlassen" zu verstehen sei.

4 Der Verwaltungsgerichtshof habe aber zum Begriff des "Überlassens" des Lenkens eines Kraftfahrzeuges iSd § 103 Abs. 1 Z 3 KFG 1967 ausgeführt, dass dieses Überlassen zumindest mit bedingtem Vorsatz erfolgen müsse. Der Zulassungsbesitzer müsse zumindest ernsthaft mit der Möglichkeit gerechnet und diese billigend in Kauf genommen haben, dass sich eine Person, die nicht über die erforderliche Lenkberechtigung verfügt, die Verfügung über das Kraftfahrzeug insoweit verschafft, als sie das Kraftfahrzeug zum Lenken verwendet (Hinweis auf VwGH 20.5.2003, 2003/02/0055).

5 Im vorliegenden Fall habe das Verfahren ergeben, dass der Revisionswerber der Jugendlichen O. zum Tatzeitpunkt Wodka überlassen habe und diese sich damit selbst ein Getränk gemischt und es getrunken habe. Das "Überlassen" ergebe sich nach Ansicht des Verwaltungsgerichts daraus, dass der Revisionswerber "nicht dafür gesorgt hat, dass der Zugang zum Lounge-Bereich, in dem diese Getränke konsumiert wurden, so gestaltet war, dass sich diese Jugendliche zu diesem Bereich keinen Zutritt verschaffen und auch keinen Wodka trinken konnte".

6 Aufgrund des festgestellten Ablaufes des Abends habe der Revisionswerber damit rechnen können und es dennoch in Kauf genommen, dass sich auch Personen unter 18 Jahren im gemieteten Loungebereich aufgehalten und Spirituosen konsumiert hätten. Der Revisionswerber habe daher das Tatbild des § 12 Abs. 5 iVm § 16 Abs. 3 zweiter Satz zweiter Fall K-JSG erfüllt.

7 Im Rahmen der Strafbemessung wurde der nicht als geringfügig angenommene Verschuldensgrad des Revisionswerbers damit begründet, es wäre an ihm gelegen, sich einen genauen Überblick darüber zu verschaffen, welche Personen das von ihm gekaufte Getränkepaket und die Spirituosen wie Wodka konsumierten. Der Revisionswerber habe selbst angegeben, sich nicht dauernd im Loungebereich aufgehalten zu haben, sodass seine Getränke und damit auch der Wodka in dieser Zeit "von ihm unbeaufsichtigt" gewesen seien. 8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, zu der die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung und die Kärntner Landesregierung eine Stellungnahme erstattet haben.

9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Das Kärntner Jugendschutzgesetz, LGBl. Nr. 5/1998 in der hier maßgebenden Fassung LGBl. Nr. 69/2015 (K-JSG), lautet auszugsweise:

"§ 5 Pflichten der Aufsichtspersonen

(1) Die Aufsichtspersonen sind im zumutbaren Rahmen verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, daß die ihrer Aufsicht unterstehenden Kinder und Jugendlichen die Bestimmungen dieses Gesetzes beachten.

...

§ 6 Pflichten der Unternehmer

(1) Unternehmer und Veranstalter sowie deren Beauftragte haben im Rahmen ihres Betriebes oder ihrer Veranstaltungen dafür zu sorgen, daß die auf ihre Tätigkeiten anwendbaren Bestimmungen dieses Gesetzes beachtet werden. Sie haben zu diesem Zwecke auf Kinder und Jugendliche in zumutbarer Weise einzuwirken. Dies kann insbesondere durch Aufklärung, Feststellung des Alters, Verweigerung des Zutrittes sowie Verweisung aus Räumlichkeiten oder von Grundstücken geschehen.

...

§ 7 Pflichten der Allgemeinheit

Niemand darf Personen, die als Kinder oder Jugendliche

erkennbar sind, die Übertretung der Bestimmungen dieses Gesetzes

ermöglichen oder erleichtern.

...

§ 12 Rausch- und Suchtmittel und vergleichbare Stoffe

(1) Kindern und Jugendlichen bis zum vollendeten

16. Lebensjahr ist der Erwerb, Besitz und Konsum von alkoholischen Getränken und Tabakwaren verboten.

...

(3) Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr dürfen Spirituosen und Mischgetränke, die Spirituosen enthalten, gleichgültig, ob diese vorgefertigt sind (zB Alkopops) oder selbst hergestellt werden, nicht erwerben, besitzen oder konsumieren. Jedenfalls dürfen Jugendliche ab dem vollendeten 16. Lebensjahr alkoholische Getränke nur bis zu einer Menge konsumieren, dass der Alkoholgehalt des Blutes weniger als 0,5 g/l (0,5 Promille) oder der Alkoholgehalt der Atemluft weniger als 0,25 mg/l beträgt.

...

(5) Rausch- und Suchtmittel und vergleichbare Stoffe sowie sonstige Waren, die Kinder oder Jugendliche nach dieser Bestimmung nicht erwerben, besitzen und konsumieren dürfen, dürfen diesen von niemandem angeboten, überlassen oder verkauft werden.

...

§ 16 Strafbestimmungen für Erwachsene

(1) Volljährige Personen, die

a) einem Gebot oder Verbot der §§ 5 Abs. 1 und 3, 6, 7, 10a, 11, 12 Abs. 5, 13 Abs. 1 oder 15 Abs. 1 zuwiderhandeln,

b) ein Dienstabzeichen oder einen Dienstausweis eines Aufsichtsorgans unbefugt oder missbräuchlich führen oder verwenden oder

c) die Anordnung eines Aufsichtsorgans entgegen § 14e Abs. 2 nicht befolgen,

begehen eine Verwaltungsübertretung. In den Fällen der lit. a ist auch der Versuch strafbar.

(2) Wird Alkohol durch Gewerbetreibende entgegen den Vorgaben des § 12 Abs. 1 an Kinder oder Jugendliche ausgeschenkt oder abgegeben, richtet sich die Strafbarkeit abweichend von Abs. 1 nach den Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 94, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 99/2011.

(3) Verwaltungsübertretungen sind von der Bezirksverwaltungsbehörde in den Fällen des Abs. 1 lit. a mit einer Geldstrafe bis zu 3.630,- Euro und in den Fällen des Abs. 1 lit. b und c mit einer Geldstrafe bis zu 500,- Euro zu bestrafen. Übertretungen der §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 5 oder des § 6, letztere, wenn diese eine Übertretung der §§ 11 Abs. 1 oder 12 Abs. 5 zum Gegenstand hat und mit Gewinnerzielungsabsicht begangen wurde, sind mit einer Geldstrafe von 2.000,- Euro bis zu 20.000,- Euro zu bestrafen. Im Falle der Uneinbringlichkeit ist in den Fällen von Übertretungen der §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 5, wenn diese in Gewinnerzielungsabsicht begangen wurden, eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu verhängen.

...

§ 17 Sanktionen für Jugendliche

(1) Jugendliche, die

a) den Geboten oder Verboten der §§ ... 12 ... zuwiderhandeln

oder dies bei den Verboten nach § 12 versuchen,

...

begehen eine Verwaltungsübertretung.

(2) Bei einer Verwaltungsübertretung nach Abs. 1 lit. a und b können von der Bezirksverwaltungsbehörde folgende Aufträge erteilt werden:

..."

10 § 114 Gewerbeordnung 1994 lautet:

"Ausschank und Abgabe von Alkohol an Jugendliche

§ 114. Gewerbetreibenden ist es untersagt, selbst oder durch die im Betrieb beschäftigten Personen alkoholische Getränke an Jugendliche auszuschenken oder ausschenken zu lassen, abzugeben oder abgeben zu lassen, wenn Jugendlichen dieses Alters nach den landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen der Genuss von Alkohol verboten ist. Die Gewerbetreibenden und die im Betrieb beschäftigten Personen müssen die Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises oder einer speziellen Jugendkarte, die nach den jeweiligen landesrechtlichen Jugendschutzbestimmungen zum Nachweis des Alters geeignet ist, verlangen, um das Alter der Jugendlichen festzustellen. Die Gewerbetreibenden haben an einer geeigneten Stelle der Betriebsräume einen Anschlag anzubringen, auf dem deutlich auf das im ersten Satz angeführte Verbot hingewiesen wird."

11 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit einerseits vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das "Überlassen" der in § 12 Abs. 5 K-JSG genannten Mittel auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden könne und, falls dies zu bejahen sei, ob diesbezüglich die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Kriterien für das Überlassen von Kraftfahrzeugen maßgebend seien. Andererseits sei durch die Rechtsprechung nicht geklärt, ob im Falle des Vorliegens einer Übertretung des § 12 Abs. 5 K-JSG der Strafrahmen des § 16 Abs. 1 lit. a iVm Abs. 3 erster Satz K-JSG oder der (höhere) Strafsatz des Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. - beide Strafsätze bezögen sich auf Übertretungen des § 12 Abs. 5 K-JSG - zur Anwendung komme. 12 Die Revision ist aus den von ihr vorgetragenen Gründen zulässig und, wie sich aus den nachstehenden Ausführungen ergibt, auch begründet:

Der Revisionswerber bringt in der Revision im Wesentlichen vor, dass er nicht Betreiber der im Spruch genannten G. Bar sei, sondern die dortige Lounge lediglich im Rahmen einer Feier mit Freunden verwendet habe, sodass es ihm nicht möglich sei, dort bauliche Maßnahmen oder die vom Verwaltungsgericht geforderte Einlasskontrolle zu dieser Lounge vorzunehmen. Es würde die Sorgfaltspflicht von Personen, die wie er als bloßer Gast den Loungebereich dieser Bar benützten, völlig überspannen, wenn diese akribisch genau untersuchen und aufpassen müssten, welche Person sich den bestellten alkoholischen Getränken nähere, und im allgemein zugänglichen Gastraum Sicherheitsvorkehrungen treffen müssten, damit sich kein Minderjähriger Zugang zu den vom Gast bestellten Getränken verschaffe. Er selbst habe zum besagten Zeitpunkt nur mit Freunden und Arbeitskollegen, von denen keiner minderjährig gewesen sei, feiern wollen. Im Zuge der Feierlichkeiten habe sich offensichtlich eine Minderjährige Zugang zu diesem Loungebereich verschafft und eigenständig mit dem Wodka ein alkoholisches Mischgetränk zubereitet. Damit habe der Revisionswerber der Minderjährigen aber den Alkohol nicht überlassen, weil darunter schon nach dem allgemeinen Sprachgebrauch nur das aktive Zurverfügungstellen verstanden werden könne.

13 Im vorliegenden Revisionsfall geht es ausschließlich um die Rechtsfrage, ob das vom Verwaltungsgericht festgestellte Verhalten des Revisionswerbers als "Überlassen" iSd § 12 Abs. 5 K-JSG eines Rausch- und Suchtmittels, welches die Jugendliche O. gemäß § 12 Abs. 3 K-JSG nicht erwerben, besitzen oder konsumieren durfte, zu qualifizieren ist.

14 Die hier maßgebende Fassung des § 12 Abs. 5 K-JSG beruht auf der Novelle LGBl. Nr. 69/2015, geht aber im Wesentlichen bereits auf die Stammfassung des K-JSG, LGBl. Nr. 5/1998, zurück (dort noch Abs. 4 leg. cit.). Die Erläuterungen zu diesen Gesetzesbeschlüssen geben, wie bereits im angefochtenen Erkenntnis vermerkt wurde, keinen weiteren Aufschluss über das Verständnis des Gesetzgebers betreffend den Begriff "überlassen" iSd § 12 Abs. 5 K-JSG.

15 Die systematische Betrachtung der Bestimmungen des K-JSG zeigt, dass die darin normierten Verhaltenspflichten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen - abhängig vom jeweiligen Normadressaten - einen unterschiedlichen Umfang haben. So haben etwa Aufsichtspersonen und Erziehungsberechtigte gemäß § 5 leg. cit. sowie Unternehmer bzw. Veranstalter gemäß § 6 leg. cit. spezifische Sorgfaltspflichten einzuhalten (vgl. dazu auch VwGH 18.6.2008, 2006/11/0222, und VwGH 18.6.2008, 2008/11/0041).

16 Aufgrund der Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Revisionswerber gegenständlich als Unternehmer, Veranstalter oder Beauftragter iSd § 6 K-JSG bzw. als Gastgewerbetreibender iSd § 114 GewO 1994 agiert hätte (vgl. zur Abgrenzung abermals VwGH 18.6.2008, 2006/11/0222, und VwGH 18.6.2008, 2008/11/0041, sowie VwGH 28.3.2008, 2007/04/0235), sodass ihn die spezifischen Verhaltenspflichten dieser Personen zur Hintanhaltung des Alkoholkonsums durch Minderjährige nicht trafen.

17 Auch finden sich keine Anhaltspunkte, dass der Revisionswerber Aufsichtsperson der Jugendlichen O. gewesen wäre und als solche gemäß § 5 K-JSG "dafür Sorge tragen" hätte müssen, dass letztere das für sie geltende Alkoholverbot des § 12 Abs. 3 leg. cit. beachtete.

18 Hinzu tritt das die Allgemeinheit betreffende Verbot gemäß § 7 K-JSG, Kindern und Jugendlichen bzw. Personen, die als solche erkennbar sind, die Übertretung dieses Gesetzes zu ermöglichen oder erleichtern. An einen im Vorhinein nicht näher bestimmten Personenkreis richtet sich auch das Verbot des § 12 Abs. 5 K-JSG, Kindern und Jugendlichen jene (u.a.) Rausch- und Suchtmittel anzubieten, zu überlassen oder zu verkaufen, die diese nach dem K-JSG nicht erwerben, besitzen und konsumieren dürfen. 19 Dem angefochtenen Erkenntnis liegt zugrunde, der Revisionswerber habe als Gast in der gegenständlichen Bar den § 12 Abs. 5 K-SJG übertreten, indem er der Jugendlichen O. Wodka "überlassen" habe.

20 Hervorzuheben ist, dass das Verwaltungsgericht nicht festgestellt hat, der Revisionswerber hätte der Jugendlichen O. die Spirituose durch aktives Handeln überlassen, also etwa in der Form des Zureichens derselben.

21 Ebenso wenig wurde festgestellt, der Revisionswerber habe den Alkohol auch für die Jugendliche O. bestellt und ihr denselben selbst oder durch Dritte (z.B. Servierkraft) stillschweigend überlassen. Diesbezüglich finden sich auch keine Feststellungen, die Anhaltspunkte für eine solche Annahme (so etwa, wenn die Jugendliche O. ihren Teil des Getränkepaketes dem Revisionswerber bezahlt hätte) darstellen könnten.

22 Vielmehr habe es der Revisionswerber nach Ansicht des Verwaltungsgerichts durch Unterlassung von Vorsorgemaßnahmen, konkret durch die Nichtkontrolle des Zugangs zum Loungebereich bzw. indem er diesen Zugang nicht entsprechend "gestaltet" habe und durch zeitweise eigenes Verlassen des Loungebereiches in Kauf genommen, dass der von ihm bestellte Wodka "unbeaufsichtigt" gewesen sei und die Jugendliche O. die Spirituose (eigenmächtig) in Besitz genommen und konsumiert habe.

23 Dieses Verhalten des Revisionswerbers kann aber nicht als ein Überlassen der Spirituose iSd § 12 Abs. 5 K-JSG qualifiziert werden, weil das Überlassen, anders als das ebenfalls in § 12 Abs. 5 K-JSG genannte Anbieten, eine zumindest konkludente Willensübereinstimmung mit dem Empfänger und daher eine Kontaktaufnahme mit diesem voraussetzt, die gegenständlich nicht einmal ansatzweise festgestellt wurden. Nach der dargestellten Rechtslage trifft es auch nicht zu, dass der Revisionswerber, den nach dem Gesagten nicht die Sorgfaltspflichten einer Aufsichtsperson iSd § 5 K-JSG oder des Unternehmers iSd § 6 leg. cit. trafen, zu Vorsorgemaßnahmen wie die Gestaltung des Zuganges zum Loungebereich verpflichtet war oder die von ihm bestellten alkoholischen Getränke hätte ständig beaufsichtigen müssen, solange dafür kein konkreter Anlass bestand. 24 Daher ist der vorliegende Revisionsfall auch nicht mit jenem vergleichbar, der dem im angefochtenen Erkenntnis zitierten hg. Erkenntnis, Zl. 2003/02/0055 (betreffend das Überlassen eines Kraftfahrzeuges an eine Person ohne gültige Lenkberechtigung) zugrunde lag, weil dort frei zugängliche Fahrzeugschlüssel entscheidungsrelevant waren, hinsichtlich deren Verwahrung den Lenker eine besondere Sorgfaltspflicht gemäß § 102 Abs. 6 KFG 1967 trifft (vgl. den Verweis des letztzitierten hg. Erkenntnisses auf OGH 12.9.1989, 2 Ob 49/89).

25 Eine vergleichbare Sorgfaltspflicht hinsichtlich der Verwahrung oder Überwachung von zum eigenen Konsum bestellter alkoholischer Getränke vermag der Verwaltungsgerichtshof in der hier vorliegenden Konstellation nicht zu erkennen. Daher kann dem Gesetzgeber des K-JSG mangels konkreter Anhaltspunkte im Gesetz nicht unterstellt werden, er habe Gäste auch verpflichten wollen, die von ihnen zum eigenen Konsum bestellten alkoholischen Getränke gleichsam ständig unter Beobachtung zu halten, um auch Minderjährige, die nicht unter ihrer Aufsicht bzw. in ihrer Erziehung stehen, vom eigenmächtigen Konsum dieser Getränke jederzeit fernzuhalten.

26 Das angefochtene Erkenntnis ist somit schon wegen Nichtverwirklichung des Tatbildes durch den Revisionswerber rechtswidrig. Daher kann die (auf den ersten Blick nicht unbegründete) Frage, ob eine Übertretung des § 12 Abs. 5 K-JSG durch zwei Strafnormen mit unterschiedlichen Strafsätzen sanktioniert ist (einerseits § 16 Abs. 1 lit. a iVm Abs. 3 erster Satz und andererseits Abs. 3 zweiter Satz K-JSG) bzw. welche dieser Strafnormen in einem Fall wie dem gegenständlichen zur Anwendung käme, dahingestellt bleiben.

27 Das angefochtene Erkenntnis war nach dem Gesagten wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

28 Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Mai 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019110031.L00

Im RIS seit

24.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.07.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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