TE OGH 2019/6/13 5Ob6/19x

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.06.2019
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch die Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei T***** GmbH, *****, vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 19. November 2018, GZ 1 R 108/18m-12, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Auch im Verbandsprozess ist der Oberste Gerichtshof zur Auslegung von AGB-Klauseln nicht in jedem Fall, sondern nur dann zur Entscheidung berufen, wenn für die Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung bedeutsame Fragen zu lösen sind oder wenn die zweite Instanz die Grundsätze höchstgerichtlicher Rechtsprechung missachtet hat (4 Ob 237/18h; 1 Ob 191/16v mwN; RIS-Justiz RS0121516 [T37]). Es gilt daher auch hier, dass der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen muss (4 Ob 237/18h; vgl RS0121516 [T33]).

2.1. Gegenstand dieser Verbandsklage ist eine von der Beklagten als Erdgasunternehmen in ihren AGB „Vertragsformblatt Energieliefervertrag für Gas“ bis 15. 1. 2018 verwendete Klausel betreffend den Energiepreis.

Das Erstgericht bejahte die vom Kläger behauptete Gesetzwidrigkeit dieser Klausel, weil sie weder den Anforderungen des § 5a Abs 1 Z 3 KSchG bzw des § 4 Abs 1 Z 4 FAGG noch jenen des § 125 Abs 3 Z 8 GWG entsprochen habe. Das Erstgericht sah den Gesamtpreis als bestimmbar an. Selbst für den Fall, dass die Beklagte die Höhe des Gesamtpreises im Hinblick auf die Gebrauchsabgaben vernünftigerweise nicht im Voraus berechnen könnte, sei gemäß § 5a Abs 1 Z 3 KSchG und § 4 Abs 1 Z 4 FAGG jedenfalls über die Art der Preisberechnung zu informieren. Die beanstandete Klausel kläre aber lediglich allgemein über das Anfallen zusätzlicher Kosten in Form von Steuern und Abgaben auf, ohne diese Kosten in der Klausel aufzuschlüsseln. Die Beklagte lasse damit die Verbraucher im Unklaren darüber, welche konkreten Steuern und Abgaben in welcher Höhe von diesen zu tragen seien.

Das Berufungsgericht trat der Rechtsansicht des Erstgerichts bei und wies darauf hin, dass die Beklagte in ihrer Berufung dieser rechtlichen Beurteilung gar nichts entgegenzusetzen versuche. Auf die Zumutbarkeit, sämtliche preisbestimmenden Bestandteile, wie insbesondere die aktuellen Gebrauchsabgaben angeben zu können, käme es daher nicht an.

2.2. In ihrer Revision wendet sich die Beklagte im Zusammenhang mit dem Verstoß gegen § 5a Abs 1 Z 3 KSchG bzw § 4 Abs 1 Z 4 FAGG (wiederum nur) gegen die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, dass es auf die Zumutbarkeit der Bekanntgabe auch der Gebrauchsabgabe nicht ankomme. Das Berufungsgericht übersehe, dass der Gesamtpreis im Sinn des Gesetzeswortlauts dann nicht „vernünftigerweise“ im Voraus berechnet werden könne, wenn die Ermittlung von Abgaben und Steuern, wie hier die der vom Wohnort des Verbrauchers abhängigen Gebrauchsabgabe, dem Unternehmer nicht zumutbar sei.

Indem die Beklagte sich nur gegen die vom Erstgericht bejahte und vom Berufungsgericht dahingestellt gelassene Möglichkeit der Bestimmbarkeit des Gesamtpreises wendet, bekämpft sie nur eine von zwei rechtlich selbständigen Begründungen. Nach der übereinstimmenden Rechtsansicht der Vorinstanzen würde die Klausel ja selbst für den Fall, dass die Beklagte die Höhe des Gesamtpreises vernünftigerweise nicht im Voraus berechnen könnte, dem Erfordernis des § 5a Abs 1 Z 3 KSchG und des § 4 Abs 1 Z 4 FAGG nicht ausreichend Rechnung tragen. Dieser alternativen Ableitung der Gesetzwidrigkeit der beanstandeten Klausel aus § 5a Abs 1 Z 3 KSchG bzw § 4 Abs 1 Z 4 FAGG zog die Beklagte nicht in Zweifel. Diese Rechtsansicht ist daher im Revisionsverfahren auch nicht zu überprüfen (RS0043338 [T18]).

2.3. Da die Gesetzwidrigkeit der Klausel mit einer alternativen, rechtlich selbständigen Begründung aus § 5a Abs 1 Z 3 KSchG bzw § 4 Abs 1 Z 4 FAGG abzuleiten ist, hängt die Entscheidung nicht von den von der Revisionswerberin aufgeworfenen Rechtsfragen zu den anderen Tatbeständen ab. Verstößt die Klausel gegen eine Gesetzesbestimmung, kann die Prüfung, ob sie noch weitere Gesetzesbestimmungen verletzt, auf sich beruhen. Die Beantwortung bloß abstrakter Rechtsfragen ist nicht Aufgabe des Obersten Gerichtshofs (RS0111271 [T2]). Wird die Entscheidung der zweiten Instanz – wie hier – auch auf eine selbständig tragfähige Hilfsbegründung gestützt, muss auch diese im außerordentlichen Rechtsmittel bekämpft werden, um eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen (RS0118709 [T2, T3]; RS0042736 [T2]).

3. Die außerordentliche Revision war daher mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

Textnummer

E125496

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00006.19X.0613.000

Im RIS seit

12.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten