TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/21 W261 2217849-1

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Veröffentlicht am 21.05.2019
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Entscheidungsdatum

21.05.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1
VOG §2
VOG §6a

Spruch

W261 2217849-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und die Richterin Mag. Karin RETTENHABER-LAGLER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas HOFER-ZENI als Sachwalter, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 28.02.2019, betreffend die Abweisung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG) in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzensgeld zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas HOFER-ZENI als ihren durch das Bezirksgericht Donaustadt am 03.04.2017 bestellten Sachwalter für alle Angelegenheiten, stellte am 06.12.2018 beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (im Folgenden auch als belangte Behörde bezeichnet), einen Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz (VOG). Dem Antrag wurde das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen vom 27.07.2017 (Zl. XXXX ) angeschlossen, mit welchem XXXX schuldig gesprochen wurde, die Beschwerdeführerin am 29.12.2106 mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs genötigt zu haben. Er wurde deshalb wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Medizinische bzw. psychiatrische Befunde wurden dem Antrag nicht angeschlossen.

Mit Parteiengehör vom 29.01.2019 brachte die belangte Behörde dem Sachwalter als gesetzlichen Vertreter der Beschwerdeführerin das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens betreffend den Antrag auf Pauschalentschädigung für Schmerzengeld in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihr die Möglichkeit einer Stellungnahme ein. Die belangte Behörde teilte darin mit, dass der Antrag abgewiesen werden würde, weil ein Anspruch auf Schmerzengeld nur für Straftaten bestehe, die eine schwere Körperverletzung verursacht hätten. Eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB liege jedoch bei der Beschwerdeführerin nicht vor. Die Beschwerdeführerin bzw. ihr Sachwalter gaben keine Stellungnahme ab.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.02.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz in Form von Pauschalentschädigung für Schmerzengeld ab. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass gemäß § 6a VOG Pauschalentschädigung für Schmerzengeld für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von €

2.000 zu leisten sei. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.07.2017 sei der Täter wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 1 StGB und nicht nach dem Qualifikationstatbestand § 201 Abs. 2 StGB, welcher eine schwere Körperverletzung voraussetze, verurteilt worden. Eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB liege daher nicht vor.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch ihren Sachwalter Rechtsanwalt Dr. Thomas Hofer-Zeni fristgerecht Beschwerde. Dabei wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass bei der Beurteilung, ob eine Körperverletzung an sich schwer sei, eine Gesamtschau der Feststellungen notwendig sei, wozu auch die psychische Beeinträchtigung, die durch eine Straftat hervorgerufen worden sei, gehöre. Es sei unstrittig, dass eine Vergewaltigung eine erhebliche psychische Beeinträchtigung herbeiführe und auch andauernde und fortwährende Qualen verursache. Schon daraus sei ableitbar, dass eine schwere Körperverletzung vorliegen müsse. In eventu werde die Einholung eines medizinischen Gutachtens aus dem Fachbereich der inneren Medizin hinsichtlich allfälliger Schmerzperioden, insbesondere hinsichtlich der Frage, ob die gegenständliche bzw. allgemein eine Vergewaltigung eine länger als 24 Tage dauernde schwere psychische Beeinträchtigung nach sich gezogen habe. Bereits aufgrund der Tathandlung an sich könne von einer schweren psychischen Beeinträchtigung ausgegangen werden, sodass die Voraussetzungen für eine Entschädigung gemäß § 6a VOG vorlägen. Der Beschwerde wurden keine Beweismittel oder Befunde angeschlossen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist polnische Staatsbürgerin. Sie beantragte am 06.12.2018 durch ihren Sachwalter beim Sozialministeriumservice eine Pauschalentschädigung für Schmerzengeld nach dem Verbrechensopfergesetz.

Es ist mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass die Beschwerdeführerin am 29.12.2016 Opfer einer durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung wurde.

Es kann nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin durch die Tat am 29.12.2016 eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB erlitten hat.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zur polnischen Staatsbürgerschaft der Beschwerdeführerin sowie zum Datum der Einbringung des Antrages auf Hilfeleistungen nach dem Verbrechensopfergesetz basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Tathergang am 29.12.2016 basieren auf dem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.07.2017 (Zl. XXXX ), mit welchem XXXX wegen des Verbrechens der Vergewaltigung an der Beschwerdeführerin nach § 201 Abs. 1 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt wurde.

Es kann hingegen nicht mit Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin durch die Tat vom 29.12.2016 eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB erlitten hat. Zwar ist - anders als von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt - durchaus möglich, dass auch bei einer Verurteilung wegen § 201 Abs. 1 StGB eine schwere Körperverletzung vorliegt, und ist eine Verurteilung nach dem Qualifikationstatbestand § 201 Abs. 2 StGB für die Feststellung einer schweren Körperverletzung nicht zwingend notwendig. Aufgabe des Strafverfahrens ist nämlich in erster Linie die Ermittlung, ob eine Vergewaltigung durch den Angeklagten stattgefunden hat, die Schwere der möglicherweise daraus folgenden psychischen Schäden für das Opfer dagegen ist Aufgabe eines unter Umständen nachfolgenden zivilgerichtlichen Verfahrens. Im Rahmen des Strafverfahrens wurde auch kein Sachverständigengutachten zu den potentiellen Folgeschäden, die bei der Beschwerdeführerin durch das erlittene Verbrechen möglicherweise aufgetreten sind, eingeholt. Eine Vergewaltigung ist ohne Zweifel ein Verbrechen, das vielfach nicht ohne psychische Folgen bleibt. Dem Beschwerdevorbringen, wonach die Tathandlung an sich bereits eine schwere psychische Beeinträchtigung im Ausmaß einer schweren Körperverletzung impliziert, ist jedoch nicht zu folgen.

An dieser Stelle ist auf die Rechtsprechung des VwGH hinzuweisen, wonach mit der amtswegigen Pflicht zur Sachverhaltsfeststellung die Pflicht der Parteien, an der Ermittlung des Sachverhaltes mitzuwirken, korrespondiert. Die Offizialmaxime entbindet daher die Parteien nicht davon, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedarf. Dort, wo es der Behörde nicht möglich ist, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt ohne Mitwirkung der Partei festzustellen, ist von einer Mitwirkungspflicht der Partei auszugehen, was insbesondere bei jenen personenbezogenen Umständen der Fall sein wird, deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann. Es bedarf aber mehr als einer bloß pauschalen und unsubstantiierten Behauptung, also eines gewissen Mindestmaßes an Konkretisierung des Vorbringens, um die Pflicht der Behörde zum weiteren Tätigwerden auszulösen (vgl. VwGH 06.03.2008, 2007/09/0233).

Für den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass eine Mitwirkungspflicht der Beschwerdeführerin - und damit auch ihres Sachwalters - hinsichtlich der Frage vorlag, ob die erlittene Tat eine schwere Körperverletzung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB nach sich zog. Sie legte weder bei der Antragsstellung medizinische Befunde vor, noch nahm sie von der ihr eingeräumten Möglichkeit zur Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs Gebrauch. Erstmals wurde in der Beschwerde die Möglichkeit des Vorliegens einer psychischen Beeinträchtigung im Ausmaß einer schweren Körperverletzung aufgestellt, ohne dies konkret zu untermauern und weiterhin ohne medizinische Beweismittel beizulegen. Sie hat ihr Vorbringen auch nicht in einer Weise konkretisiert, sodass sich das Bundesverwaltungsgericht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen hätte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Verbrechensopfergesetzes lauten auszugsweise:

"Kreis der Anspruchsberechtigten

§ 1. (1) Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie

1. durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen und vorsätzlichen Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben oder

2. durch eine an einer anderen Person begangene Handlung im Sinne der Z 1 nach Maßgabe der bürgerlich-rechtlichen Kriterien einen Schock mit psychischer Beeinträchtigung von Krankheitswert erlitten haben oder

3. als Unbeteiligte im Zusammenhang mit einer Handlung im Sinne der Z 1 eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung erlitten haben, soweit nicht hieraus Ansprüche nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, bestehen,

und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist. Wird die österreichische Staatsbürgerschaft erst nach der Handlung im Sinne der Z 1 erworben, gebührt die Hilfe nur, sofern diese Handlung im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug (Abs. 6 Z 1) begangen wurde.

(2) Hilfe ist auch dann zu leisten, wenn

1. die mit Strafe bedrohte Handlung im Zustand der Zurechnungsunfähigkeit begangen worden ist oder der Täter in entschuldigendem Notstand gehandelt hat,

2. die strafgerichtliche Verfolgung des Täters wegen seines Todes, wegen Verjährung oder aus einem anderen Grund unzulässig ist oder

3. der Täter nicht bekannt ist oder wegen seiner Abwesenheit nicht verfolgt werden kann.

(3) Wegen einer Minderung der Erwerbsfähigkeit ist Hilfe nur zu leisten, wenn

1. dieser Zustand voraussichtlich mindestens sechs Monate dauern wird oder

2. durch die Handlung nach Abs. 1 eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB, BGBl. Nr. 60/1974) bewirkt wird.

(4) Hatte die Handlung im Sinne des Abs. 1 den Tod eines Menschen zur Folge, dann ist den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, Hilfe zu leisten, wenn sie österreichische Staatsbürger sind und ihnen durch den Tod der Unterhalt entgangen ist. Die Kostenübernahme gemäß § 4 Abs. 5 erfolgt unabhängig vom Vorliegen eines tatsächlichen Unterhaltsentganges.

(5) Kindern ist Hilfe gemäß Abs. 4 bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten. Darüber hinaus ist ihnen auch dann Hilfe zu leisten, wenn sie

1. wegen wissenschaftlicher oder sonstiger regelmäßiger Schul- oder Berufsausbildung sich noch nicht selbst erhalten können, bis zur ordnungsmäßigen Beendigung der Ausbildung, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Kindern, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, gebührt die Hilfe nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992, betreiben;

2. infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, sofern das Gebrechen vor Vollendung des 18. Lebensjahres oder während des in Z 1 bezeichneten Zeitraumes eingetreten ist und solange dieser Zustand dauert.

(6) Hilfe ist Unionsbürgern sowie Staatsbürgern von Vertragsparteien des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum in gleicher Weise wie österreichischen Staatsbürgern zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1

1. im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde oder

2. im Ausland begangen wurde, die betroffenen Personen ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich haben und die Handlung nach dessen Begründung begangen wurde.

(7) Hilfe ist ferner den nicht in den Abs. 1 und 6 genannten Personen zu leisten, wenn die Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 im Inland oder auf einem österreichischen Schiff oder Luftfahrzeug, unabhängig davon, wo sich dieses befindet, begangen wurde und sie sich zum Zeitpunkt der Handlung dort rechtmäßig aufgehalten haben. Wurde ein unrechtmäßiger Aufenthalt zum Tatzeitpunkt durch einen erlittenen Menschenhandel bewirkt, ist Personen Hilfe solange zu leisten, als sie dafür über ein Aufenthaltsrecht für besonderen Schutz verfügen oder im Anschluss daran weiterhin aufenthaltsberechtigt sind und sie sich gewöhnlich im Inland aufhalten.

(8) Einer Körperverletzung und einer Gesundheitsschädigung im Sinne des Abs. 1 stehen die Beschädigung eines am Körper getragenen Hilfsmittels, insbesondere einer Brille, von Kontaktlinsen oder von Zahnersatz gleich, wenn die zur Beschädigung führende Handlung nach Abs. 1 nach dem 30. Juni 2005 begangen wurde. Der Ersatz und die Reparatur richten sich nach § 5 Abs. 2.

Hilfeleistungen

§ 2. Als Hilfeleistungen sind vorgesehen:

1. Ersatz des Verdienst- oder Unterhaltsentganges;

2. Heilfürsorge

a) ärztliche Hilfe,

b) Heilmittel,

c) Heilbehelfe,

d) Anstaltspflege,

e) Zahnbehandlung,

f) Maßnahmen zur Festigung der Gesundheit (§ 155 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, BGBl. Nr. 189/1955);

2a. Kostenübernahme bei Krisenintervention durch klinische Psychologen und Gesundheitspsychologen sowie Psychotherapeuten;

3. orthopädische Versorgung

a) Ausstattung mit Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, deren Wiederherstellung und Erneuerung,

b) Kostenersatz für Änderungen an Gebrauchsgegenständen sowie für die Installation behinderungsgerechter Sanitärausstattung,

c) Zuschüsse zu den Kosten für die behinderungsgerechte Ausstattung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

d) Beihilfen zur Anschaffung von mehrspurigen Kraftfahrzeugen,

e) notwendige Reise- und Transportkosten;

4. medizinische Rehabilitation

a) Unterbringung in Krankenanstalten, die vorwiegend der Rehabilitation dienen,

b) ärztliche Hilfe, Heilmittel und Heilbehelfe, wenn diese Leistungen unmittelbar im Anschluß oder im Zusammenhang mit der unter lit. a angeführten Maßnahme erforderlich sind,

c) notwendige Reise- und Transportkosten;

5. berufliche Rehabilitation

a) berufliche Ausbildung zur Wiedergewinnung oder Erhöhung der Erwerbsfähigkeit,

b) Ausbildung für einen neuen Beruf,

c) Zuschüsse oder Darlehen (§ 198 Abs. 3 ASVG 1955);

6. soziale Rehabilitation

a) Zuschuß zu den Kosten für die Erlangung der Lenkerberechtigung, wenn auf Grund der Behinderung die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nicht zumutbar ist,

b) Übergangsgeld (§ 306 ASVG 1955);

7. Pflegezulagen, Blindenzulagen;

8. Ersatz der Bestattungskosten;

9. einkommensabhängige Zusatzleistung;

10. Pauschalentschädigung für Schmerzengeld.

Pauschalentschädigung für Schmerzengeld

§ 6a (1) Hilfe nach § 2 Z 10 ist für eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1 StGB) infolge einer Handlung im Sinne des § 1 Abs. 1 als einmalige Geldleistung im Betrag von 2 000 Euro zu leisten; sie beträgt 4 000 Euro, sofern die durch die schwere Körperverletzung verursachte Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit länger als drei Monate andauert.

(2) Zieht die Handlung eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85 StGB) nach sich, gebührt eine einmalige Geldleistung im Betrag von 8 000 Euro; sie beträgt 12 000 Euro, sofern wegen der Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen ein Pflegebedarf im Ausmaß von zumindest der Stufe 5 nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG), BGBl. Nr. 110/1993, besteht.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Strafgesetzbuches (StGB) lauten - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

Schwere Körperverletzung

§ 84 (1) Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.

Vergewaltigung

§ 201 (1) Wer eine Person mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) zur Vornahme oder Duldung des Beischlafes oder einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.

(2) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) oder eine Schwangerschaft der vergewaltigten Person zur Folge oder wird die vergewaltigte Person durch die Tat längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder in besonderer Weise erniedrigt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat die Tat aber den Tod der vergewaltigten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen.

Die Beschwerdeführerin ist polnische Staatsbürgerin. Sie wurde am 29.12.2016 in Wien von XXXX vergewaltigt.

Gemäß § 1 Abs. 1 und Abs. 6 VOG liegen die grundsätzlichen Voraussetzungen für Leistungen nach dem Verbrechensopfergesetz damit grundsätzlich vor.

Dass die Verurteilung des Täters wegen § 201 Abs. 1 StGB und nicht wegen § 201 Abs. 2 StGB erfolgte, steht dem Vorliegen einer erlittenen schweren Körperverletzung der Beschwerdeführerin, anders als von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, grundsätzlich nicht entgegen.

Wie bereits oben im Rahmen der Beweiswürdigung festgehalten wurde, hat die Beschwerdeführerin jedoch im Rahmen ihrer Mitwirkungspflicht keine Beweismittel vorgelegt, denen das Vorliegen einer schweren physischen oder psychischen Beeinträchtigung im Sinne des § 84 Abs. 1 StGB aufgrund der erlittenen Tat entnommen werden könnte.

Es kann nicht mit der für das Verbrechensopfergesetz erforderlichen Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Beschwerdeführerin durch das Verbrechen eine schwere Körperverletzung gemäß § 84 Abs. 1 StGB erlitten hat. Die Beschwerdeführerin ist trotz der ihr im Rahmen der Antragsstellung, des Parteiengehörs und in der Beschwerde eingeräumten Möglichkeit, Beweismittel, wie beispielsweise psychiatrische oder sonstige medizinische Befunde, vorzulegen, nicht nachgekommen.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall wurde eine Verhandlung vom Bundesverwaltungsgericht für nicht erforderlich erachtet, zumal für die Entscheidung über die vorliegende Beschwerde der maßgebliche Sachverhalt durch Aktenstudium des vorgelegten Fremdaktes, insbesondere auch der Beschwerde, zu klären war. Alle aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes notwendigen Unterlagen befanden sich im verwaltungsbehördlichen Fremdakt. Ansonsten waren im gegenständlichen Fall rechtliche Fragen zu klären. Damit liegt ein besonderer Grund vor, welcher auch im Lichte der Rechtsprechung des EGMR eine Einschränkung des Grundrechts auf Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zulässt. Im Fall Faugel (EGMR 20.11.2003, 58647/00 und 58649/00) wurde ein solch besonderer Grund, der von der Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung entbindet, etwa dann angenommen, wenn in einem Verfahren ausschließlich rechtliche oder höchst technische Fragen zur Diskussion stehen. Dem Bundesverwaltungsgericht liegt auch kein Beschwerdevorbringen vor, das mit der beschwerdeführenden Partei mündlich zu erörtern gewesen wäre und konnte daher die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG nicht entgegen. Im vorliegenden Fall wurde darüber hinaus seitens beider Parteien eine mündliche Verhandlung nicht beantragt (vgl. VwGH 16.12.2013, 2011/11/0180 mit weiterem Verweis auf die Entscheidung des EGMR vom 21.03.2002, Nr. 32.636/96). All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Beweismittel, Körperverletzung, Mitwirkungspflicht, Nachweismangel,
Schmerzengeld, Wahrscheinlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2217849.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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