TE Dok 2019/4/26 102 Ds 11/17z

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Veröffentlicht am 26.04.2019
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Norm

BDG 1979 §44

Schlagworte

Dienstpflichtverletzung

Text

Disziplinarerkenntnis

Die Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz, Senat 2, hat durch die Vorsitzende Präsidentin des Landesgerichtes Dr.in Haberl-Schwarz und die weiteren Mitglieder Richter des Oberlandesgerichtes Mag. Riffel und Bezirksinspektor Zöhrer in der Disziplinarsache gegen Bezirksinspektor *** *** nach der am 16. März 2018 in Anwesenheit der Disziplinaranwältin Erste Oberstaatsanwältin Mag.a Steger, des Disziplinarbeschuldigten Bezirksinspektor *** *** und seines Verteidigers Mag. Matthias Prückler, Rechtsanwalt in Wien, durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

BI *** *** ist schuldig, er hat am *** in der Justizanstalt ***

1. entgegen § 44 Abs 1 BDG 1979 iVm der Dienstverfügung 2/2011 der Justizanstalt *** vom 4. Mai 2011 iVm Punkt 6.1. Abs 2 des Erlasses des Bundesministeriums für Justiz vom 22. Dezember 1995, JMZ 42302/27/V/95 (Vollzugsordnung für Justizanstalten, VZO), während der Dienstzeit bzw zeitlich knapp vor Dienstbeginn alkoholische Getränke konsumiert und sohin unter Herabsetzung seiner Wahrnehmungs-, Handlungs- und Reaktionszeit seinen Dienst versehen, sowie

2. entgegen § 44 Abs 1 BDG 1979 iVm dem Erlass der Vollzugsdirektion vom 2. Februar 2015, BMJ-VD31000/0003-VD 4/2015, betreffend die elektronische Dienstzeiterfassung seine Dienststelle um ca 11.30 Uhr verlassen und um ca 12.30 Uhr wiederbetreten, ohne dies am Buchungsterminal zu buchen.

Er hat hierdurch gegen die oben genannten Dienstpflichten verstoßen und gemäß § 91 BDG schuldhaft seine Dienstpflichten verletzt.

BI *** *** wird hierfür gemäß § 92 Abs 1 Z 2 BDG mit einer Geldbuße von 450 Euro bestraft.

Der Disziplinarbeschuldigte hat gemäß § 117 Abs 2 BDG die mit 50 Euro bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Begründung:

Dem Disziplinarverfahren liegt die Disziplinaranzeige des (damals) Bundesministeriums für Justiz vom ***, BMJ-***/2017 (samt Beilagen), zugrunde (ON ***); auf deren Basis wurde der Einleitungsbeschluss vom *** (ON ***) gefasst. Darauf wird in Betreff der Anschuldigungspunkte verwiesen (vgl RIS-Justiz RS0124017).

Aufgrund des abgeführten Beweisverfahrens geht die Disziplinarkommission von folgendem Sachverhalt aus:

Der am *** geborene BI *** *** steht als Justizwachebeamter der Verwendungsgruppe ***, Funktionsgruppe ***, Gehaltsstufe ***, in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Aktuell versieht BI *** seinen Dienst in der Justizanstalt *** in der ***-Abteilung. Er verdient monatlich zwischen *** und *** Euro netto (Verhandlungsprotokoll S *** [idF PS]).

Am *** versah BI *** einen 24-Stunden-Dienst. Gegen 11.30 Uhr verließ der Disziplinarbeschuldigte die Justizanstalt, um Mittagspause zu machen. Gegen 12.30 Uhr kehrte BI *** in die Justizanstalt zurück und trat unmittelbar danach seinen Dienst wieder an (PS ***). BI *** hat – entgegen dem Erlass der Vollzugsdirektion vom 2. Februar 2015, BMJ-VD31000/0003-VD 4/2015, betreffend die elektronische Dienstzeiterfassung (ON *** S ***) – weder sein Verlassen der Justizanstalt noch seine Rückkehr beim Buchungsterminal gebucht (ON *** S ***), obwohl ihm die Verpflichtung hierzu bekannt war, und ihm ein erlasskonformes Buchen möglich und zumutbar gewesen wäre. Damit hat er schuldhaft gegen die ihm mit dem genannten Erlass auferlegte Dienstpflicht (§ 44 Abs 1 BDG) ordnungsgemäßer Dienstzeiterfassung verstoßen.

Darüber hinaus erfolgte am *** um 20.30 Uhr eine Alkoholkontrolle. Während die Atemluftkontrolle bei zwei seiner Kollegen einen Wert von 0,0 mg Alkohol/l Atemluft ergab, wies BI ***, der sich seit der Rückkehr von der Mittagspause bis zu diesem Zeitpunkt und auch danach ununterbrochen im Dienst befand (PS ***), bei zwei aufeinanderfolgenden Messungen einen Alkoholgehalt von 0,16 mg/l Atemluft (ds 0,32 Promille Blutalkoholgehalt) auf (PS ***; ON *** S ***, *** [Messprotokoll]). Zwei Ursachen kommen in Betracht:

Entweder konsumierte BI *** in der Mittagspause – aber (angesichts deren Dauer von bloß rund einer Stunde) zeitnah vor Wiederantritt des Dienstes – solche Mengen an Alkohol, dass er um 20.30 Uhr noch immer eine Blutalkoholkonzentration von 0,32 Promille aufwies. In diesem Fall hat er – unter Anwendung der für den Disziplinarbeschuldigten günstigsten Berechnungsmethode (Abbau von 0,1 Promille pro Stunde; geringster Rückrechnungswert; zu den [auch für Disziplinarverfahren] notorischen Abbauwerten von 0,1 bis 0,2 Promille pro Stunde vgl BVwG 25.11.2016, GZ W116 2013810-1) – zum Zeitpunkt des Dienstantritts nach der Mittagspause eine 0,8 Promille deutlich übersteigende Blutalkoholkonzentration von ca 1,12 Promille aufgewiesen. Dann hat BI *** zeitnah vor seinem – ihm bewussten – Dienstantritt nach der Mittagspause solche Mengen an Alkohol zu sich genommen, dass er – entgegen Punkt 6.1. Abs 2 des Erlasses des (damaligen) Bundesministeriums für Justiz vom 22. Dezember 1995, JMZ 42302/27/V/95 (idF kurz VZO) – auch während des anschließenden Dienstes, in dessen Ausübung er zum Tragen von Dienstwaffen befugt ist und in Konfliktsituationen kommen kann, der also ein gesteigertes Maß an Aufmerksamkeit und Selbst-, Fremd- und Situationskontrolle erfordert (zur ua damit begründeten Zulässigkeit außerdienstlicher Alkoholverbote siehe VwGH 6.6.2001, GZ 98/09/0347; Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 147 ff, 230), erheblich beeinträchtigt war (zur [auch für den Bereich des gerichtlichen Strafrechts: RIS-Justiz RS0092315; RS0073433] unwiderlegbaren gesetzgeberischen Wertung einer jedenfalls vorliegenden Beeinträchtigung ab 0,8 Promille Blutalkoholgehalt siehe § 5 Abs 1 StVO). BI *** wusste, dass derartiger, zu Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit führender Alkoholkonsum gegen die – in der VZO konkretisierten – Dienstpflichten von Justizwachebeamten verstößt (PS ***).

Alternativ konsumierte BI *** am *** in der Dienstzeit und in der Justizanstalt – sohin entgegen der Verfügung der Anstaltsleitung der Justizanstalt *** vom ***, 2/2011 (ON *** S ***) – solche Mengen an Alkohol, dass er um *** Uhr einen Alkoholgehalt von 0,16 mg/l Atemluft (0,32 Promille Blutalkohol) aufwies. Er wusste, dass auch derartiger Alkoholkonsum verboten ist und gegen die Dienstpflichten verstößt (vgl PS ***).

In beiden infrage kommenden Fällen verstieß BI *** vorsätzlich gegen die ihm bekannten Dienstpflichten, entweder durch übermäßigen, zu Beeinträchtigung der Dienstfähigkeit führenden Alkoholkonsum zeitnah vor dem Dienstantritt, oder durch Alkoholkonsum während des Dienstes in der Justizanstalt.

Die Sachverhaltsannahmen gründen auf folgenden Beweisergebnissen:

Die wahldeutigen Sachverhaltsannahmen (zur Zulässigkeit bei gleichen rechtlichen Konsequenzen im Bereich des gerichtlichen Strafrechts siehe RIS-Justiz RS0098710) in Betreff des Alkoholkonsums gründen zunächst darauf, dass bei BI *** in zwei Messungen jeweils ein Alkoholgehalt von 0,16 mg/l festgestellt wurde (ON *** S *** [Messprotokoll]). Die Funktionstüchtigkeit des Messgerätes ergibt sich aus den Angaben des Disziplinarbeschuldigten, denen zufolge bei beiden anderen kontrollierten Kollegen keine Alkoholisierung gemessen wurde (PS ***). Solcherart gibt es keinen Grund, anzunehmen, dass das Messgerät nur beim Disziplinarbeschuldigten nicht funktionierte und eine Alkoholisierung gemessen wurde, obwohl keine vorlag, bei seinen beiden Kollegen aber nicht.

In Ansehung der ersten Fallvariante kommt als Gelegenheit zum Alkoholkonsum nur die gegen *** Uhr beendete Mittagspause, nach welcher BI *** unmittelbar den Dienst antrat (PS ***), in Betracht. In diesem Fall muss – selbst unter Zugrundelegung der notorischen (Mindest-)Abbaugeschwindigkeit von 0,1 Promille pro Stunde – zum Zeitpunkt des Dienstantritts nach der Mittagspause eine 0,8 Promille erheblich übersteigende Alkoholisierung vorgelegen haben, damit sich um *** Uhr, rund *** Stunden später, (noch immer) ein Messwert in Höhe von 0,16 mg/l (0,32 Promille Blutalkoholkonzentration) ergeben konnte.

Ansonsten kommt – ausgehend von der Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten, nach der Mittagspause durchgehend Dienst versehen zu haben (PS ***) – nur Alkoholkonsum während der Dienstzeit in der Justizanstalt infrage (zweite Fallvariante), wäre doch sonst eine positive Alkoholmessung um *** Uhr (ebenfalls) nicht möglich gewesen. Gelegenheit hierzu ist – trotz der Deponate von BI ***, im Dienst kaum unbeobachtet zu sein (PS ***) – schon deshalb gegeben, weil lückenlose Überwachung schon aufgrund seiner Angaben, Rundgänge allein durchzuführen, (trotz allfälliger Kameraobservanz) nicht angenommen werden kann.

Die Verletzung der Dienstzeitaufzeichnungspflicht ist objektiviert und wurde vom Disziplinarbeschuldigten im Wesentlichen auch eingeräumt. Dabei misst die Disziplinarkommission der zeitnäher zum Geschehen liegenden, Vergessen uneingeschränkt zugebenden Einlassung (vgl ON *** S ***) größere Überzeugungskraft zu, als der zeitferneren, andere Möglichkeiten ins Spiel bringenden Verantwortung in der Disziplinarverhandlung (PS ***).

In rechtlicher Hinsicht folgen aus den Sachverhaltsannahmen zwei schuldhafte Dienstpflichtverletzungen (§ 44 Abs 1 iVm § 91 BDG; vgl Kucsko-Stadlmayer, Disziplinarrecht der Beamten4 148), und zwar durch

1. entweder Punkt 6.1. Abs 2 VZO widersprechenden, die nachfolgende Diensttauglichkeit beeinträchtigenden Alkoholkonsum knapp vor Dienstantritt oder (rechtlich gleichwertig) Alkoholkonsum während des Dienstes in der Justizanstalt entgegen der Weisung der Anstaltsleitung der Justizanstalt *** vom ***, 2/2011 (ON *** S ***), und

2. dem Dienstzeiterfassungserlass (ON *** S ***) widersprechende Nichtbuchung des Verlassens und Wiederbetretens der Justizanstalt (Beginn und Ende der dienstunterbrechenden Mittagspause).

Bei der Bemessung der Sanktion (§ 93 Abs 1, Abs 2 BDG) wirkt das Zusammentreffen zweier Dienstpflichtverletzungen erschwerend, wobei das (für sich betrachtet) relativ geringe Gewicht der Verletzung der Dienstzeiterfassungspflicht berücksichtigt wird. Mildernd schlagen die Reue erkennen lassende und (zumindest zum Teil) zur Wahrheitsfindung beitragende Verantwortung des Disziplinarbeschuldigten sowie dessen langjährige ordentliche Diensterfüllung (§ 93 Abs 1 zweiter Satz BDG iVm § 34 Abs 1 Z 2 StGB; zum besonderen Gewicht langjährigen ordentlichen Lebenswandels vgl RIS-Justiz RS0091502) zu Buche. Mit Blick auf diese Bemessungsgründe kann, unter Berücksichtigung spezial- und generalpräventiver Erfordernisse (§ 93 Abs 1 erster Satz BDG), (noch) mit einer moderaten Geldbuße in Höhe von 450 Euro (§ 92 Abs 1 Z 2 BDG) das Auslangen gefunden werden.

Die Festsetzung der zu ersetzenden Verfahrenskosten (50 Euro anteilige Fahrtkosten von BI Zöhrer) gründet auf § 117 Abs 2 BDG.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis (Bescheid) ist (soweit nicht auf ein Rechtsmittel verzichtet wurde und eine Beschwer vorliegt) gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1, 132 Abs 1 Z 1, Abs 5 (iVm § 103 Abs 4 Z 1 BDG 1979) B-VG eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig. Die Beschwerde ist binnen vier Wochen (§ 7 Abs 4 VwGVG) nach Zustellung des Bescheides schriftlich, telegrafisch oder fernschriftlich bei der Disziplinarkommission beim Bundesministerium für Justiz einzubringen. Die Beschwerde hat folgende Punkte zu enthalten (§ 9 Abs. 1 VwGVG):

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren und

5. die Angaben, die erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat – sofern eine solche nicht ausgeschlossen wird (§ 13 Abs. 2 VwGVG) – aufschiebende Wirkung (§ 13 Abs. 1 VwGVG).

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2019
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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