TE OGH 2019/1/29 4Ob220/18h

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Veröffentlicht am 29.01.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M***** W*****, Deutschland, vertreten durch Mag. Bernhard Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, gegen die beklagte Partei D***** P*****, vertreten durch Dr. Herbert Marschitz und andere Rechtsanwälte in Kufstein, wegen Feststellung (Streitwert 30.000 EUR), über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 20. September 2018, GZ 10 R 43/18a-13, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. April 2018, GZ 40 Cg 79/17d-9, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Wohnungseigentümerin einer Wohnung und einer Garage in E*****. Die Beklagte war die Lebensgefährtin des Bruders der Klägerin, weshalb ihr die Klägerin mündlich ein obligatorisches Vorkaufsrecht an ihren Mit- und Wohnungseigentumsanteilen einräumte. Mit (schriftlichem) Kaufvertrag vom 19. 10. 2016 verkaufte die Klägerin ihre Wohnungseigentumsanteile um 265.000 EUR an einen Dritten.

Am 10. 11. 2016 erwirkte die hier Beklagte eine einstweilige Verfügung, mit der der Klägerin (des vorliegenden Verfahrens) verboten wurde, die in Rede stehenden Wohnungseigentumsanteile zu belasten oder zu veräußern; weiters wurde die Klägerin verpflichtet, den Ranganmerkungsbeschluss für die beabsichtigte Veräußerung bei Gericht zu hinterlegen. Im anschließenden Verfahren über die Rechtfertigungsklage der hier Beklagten, die darauf gerichtet war, ihr die fraglichen Miteigentumsanteile zu den Bedingungen des Drittvertrags zur Einlösung des vereinbarten Vorkaufsrechts anzubieten, schlossen die Streitteile am 11. 5. 2017 einen Vergleich. Damit verpflichtete sich die Klägerin (des vorliegenden Verfahrens), „in einen Kaufvertrag mit der [hier Beklagten] über die in ihrem Alleineigentum stehenden Miteigentumsanteile an der Liegenschaft in E*****, mit denen Wohnungseigentum an der Wohnung top 1 und der Garage top 5 untrennbar verbunden ist, zu einem Kaufpreis von 265.000 EUR und zu den Bedingungen des zwischen ihr und dem Dritten am 19. 10. 2016 abgeschlossenen Kaufvertrags, der als Beilage dem Vergleich angeschlossen wird, einzuwilligen“.

Mit Schreiben vom 18. 5. 2017 übermittelte der Vertreter der Beklagten an den Vertreter der Klägerin einen Kaufvertragsentwurf. Im Rahmen der sich daran anschließenden Korrespondenz fanden die Rechtsvertreter der Streitteile zu keiner Einigung. Der Klagsvertreter berief sich dabei vor allem darauf, dass der Kaufvertrag den Bedingungen des Drittvertrags zu entsprechen habe. Der Beklagtenvertreter sprach sich vor allem gegen die Zahlung des Kaufpreises auf das Treuhandkonto des Notars (laut Drittvertrag) und gegen die von der Klägerin angenommene Fälligkeit mit 5. 12. 2016 aus.

Mit Schreiben vom 31. 5. 2017 teilte der Klagsvertreter dem Beklagtenvertreter Folgendes mit:

„Unter einem habe ich deiner Mandantin für die Überweisung des Kaufpreises in Höhe von 265.000 EUR zuzüglich 4 % Zinsen seit 5. 12. 2016 auf das von Notar Dr. K***** eingerichtete Treuhandkonto, Anderkonto IBAN AT… bei der Notartreuhandbank AG, hiermit eine Nachfrist von 14 Tagen zu setzen. Nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist würde meine Mandantin vom Vertrag zurücktreten.“

Mit Schreiben vom 7. 6. 2017 übermittelte der Beklagtenvertreter dem Klagsvertreter einen modifizierten Vertragsentwurf. Mit E-Mail vom 12. 6. 2017 teilte er dem Klagsvertreter Folgendes mit:

„Ich kann dir hiermit bestätigen, dass der Kaufpreis in Höhe von 265.000 EUR nunmehr treuhändig auf meinem Sammelanderkonto erlegt wurde und ich seitens der finanzierenden Bank den Treuhandauftrag habe, diesen Kaufpreis für den Ankauf der Eigentumseinheiten der Klägerin zu verwenden.“

Mit Schreiben vom 22. 6. 2017 teilte der Klagsvertreter dem Beklagtenvertreter Folgendes mit:

„Der von dir vorgelegte Entwurf des Kaufvertrags konnte von meiner Mandantin nicht unterfertigt werden, weil er in zwei Punkten nicht dem Drittvertrag entspricht:

1. Die Fälligkeit des Kaufpreises wurde dort mit 5. 12. 2016 festgelegt und

2. die Treuhandschaft sollte durch Notar Dr. K***** abgewickelt werden.

Aufgrund des vor Gericht abgeschlossenen Vergleichs vom 11. 5. 2017 ist dennoch bereits ein verbindlicher Vertrag zustande gekommen. Da deine Mandantin die von mir mit Schreiben vom 31. 5. 2017 festgesetzte Nachfrist zur Bezahlung des Kaufpreises (zuzüglich Zinsen) und zur Überweisung des Geldes auf das von Notar Dr. K***** eingerichtete Treuhandkonto nicht zugehalten hat, tritt meine Mandantin hiermit vom Vertrag zurück.“

Im hier vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin die Feststellung, dass ihr Rücktritt vom Kaufvertrag mit der Beklagten über die fraglichen Wohnungseigentumsanteile zu einem Kaufpreis von 265.000 EUR zu den Bedingungen des Drittvertrags rechtmäßig erfolgt und der Kaufvertrag rechtswirksam aufgelöst worden sei. Dazu brachte sie vor, dass durch den Vergleich vom 11. 5. 2017 ein rechtswirksamer Kaufvertrag zustande gekommen und das Vorkaufsrecht der Beklagten konsumiert worden sei. Da die Beklagte den Kaufpreis nicht innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist auf das Treuhandkonto des namhaft gemachten Notars überwiesen und auch die Zinsen nicht gezahlt habe, sei sie mit Schreiben vom 22. 6. 2017 rechtswirksam vom Kaufvertrag zurückgetreten.

Die Beklagte entgegnete, dass die Klägerin zum Rücktritt vom Kaufvertrag nicht berechtigt gewesen sei. Der Kaufpreis sei nicht schon am 5. 12. 2016 fällig gewesen, weil der Vergleich erst am 11. 5. 2017 abgeschlossen worden sei. Außerdem habe sie den Kaufpreis innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist erlegt.

Das Erstgericht erkannte den Rücktritt der Klägerin vom Kaufvertrag als wirksam und gab dem Feststellungsbegehren statt. Mit dem Vergleich vom 11. 5. 2017 sei das strittige Vorkaufsrecht geregelt worden. Gemäß § 1075 ABGB müsse der Berechtigte unbewegliche Sachen binnen 30 Tagen nach der geschehenen Anbietung wirklich einlösen. Die 30-tägige Frist ab Vergleichsabschluss sei am 10. 6. 2017 abgelaufen, weshalb die Zahlung am 12. 6. 2017 verspätet erfolgt sei. Außerdem habe die Beklagte nicht an den im Drittvertrag genannten Notar als Treuhänder gezahlt.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Beim Vergleich vom 11. 5. 2017 handle es sich gemäß § 1380 ABGB um einen Neuerungsvertrag. Auf ein allfälliges Vorkaufsrecht der Beklagten und eine wirkliche Einlösung nach § 1075 ABGB komme es daher nicht an. Beide Parteien gingen davon aus, dass durch die Einwilligungsverpflichtung der Klägerin laut Vergleich der Kaufvertrag bereits zustande gekommen sei. Diese Ansicht sei zutreffend, weil der Vergleich alle Hauptpunkte des Kaufvertrags enthalte. Durch den Verweis auf den Drittvertrag seien auch die Nebenpunkte bestimmt. Dies gelte allerdings nicht für die Fälligkeit, weil der im Drittvertrag vorgesehene Fälligkeitstermin (5. 12. 2016) zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vergleichs bereits eingetreten gewesen sei. Es komme gemäß §§ 904, 1334 Satz 3 ABGB daher auf die Fälligstellung durch Mahnung und den Ablauf einer angemessenen Frist an. Maßgebend dafür sei das Schreiben des Klagsvertreters vom 22. 5. 2017, das eine Frist bis zum 31. 5. 2017 vorgesehen habe. Die Beklagte habe sich daher ab diesem Zeitpunkt objektiv im Verzug befunden. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Klägerin mit Schreiben vom 31. 5. 2017 eine 14-tägige Nachfrist gesetzt und die Beklagte die Hauptleistung innerhalb dieser Nachfrist (am 12. 6. 2017) erbracht habe. Dies gelte allerdings nicht für die Zinsenforderung in Höhe von 4 % seit 5. 12. 2016. Aufgrund der Bereinigungswirkung des Vergleichs beziehe sich die Zinsenforderung nicht auf Verzugszinsen, sondern auf (gesondert) vereinbarte Zinsen. Da die Beklagte die Zinsen nicht innerhalb der Nachfrist erlegt habe, sei die Klägerin berechtigt vom Vertrag zurückgetreten. Dem Hinweis der Klägerin auf das im Drittvertrag vorgesehene Treuhandkonto des Notars komme keine Bedeutung zu, weil der Klagsvertreter im Schreiben vom 22. 5. 2017 verlangt habe, dass die Kaufpreiszahlung samt 4 % Zinsen seit 5. 12. 2016 zu treuen Handen des Beklagtenvertreters überwiesen werde. Diese Erklärung müsse sich die Klägerin zurechnen lassen. Die ordentliche Revision sei mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die auf die Abweisung des Feststellungsbegehrens abzielt.

Mit ihrer – durch den Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, der Revision den Erfolg zu versagen.

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zulässig, weil die Beurteilung des Berufungsgerichts zur Bedeutung des Vorkaufsrechts der Beklagten, zur Fälligkeit der Kaufpreiszahlung und zu den Zahlungsmodalitäten nach Abschluss des Vergleichs vom 11. 5. 2017 einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Dementsprechend ist die Revision – im Sinn des subsidiär gestellten Aufhebungsantrags – auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1.1 Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Vergleich vom 11. 5. 2017 sind insoweit zutreffend, als durch den Vergleichsabschluss der Streit um das Vorkaufsrecht dahin beendet wurde, dass sich die Klägerin – unbeschadet der exekutionsrechtlich zu beurteilenden Frage, ob schon der Vergleich im Verein mit dem Drittvertrag zur Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der Beklagten führen kann (siehe dazu 3 Ob 152/18a) – jedenfalls zum Abschluss (zur Unterfertigung) eines schriftlichen Kaufvertrags mit der Beklagten verpflichtete. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts handelte es sich bei der im Vergleich vorgesehenen Zahlung der Beklagten in Höhe von 15.000 EUR aber nicht um eine „Ausgleichszahlung“, sondern um einen pauschalen Prozesskostenersatz. Daraus kann kein „Nachgeben“ der Beklagten abgeleitet werden.

1.2 Die Rechtsprechung billigt einem Vergleich nach § 1380 ABGB im Allgemeinen dann Novationswirkung zu, wenn er die ursprüngliche Obligation – als Ergebnis einer Auslegung des Parteiwillens – durch eine Änderung des Rechtsgrundes oder des Hauptgegenstands des Anspruchs ersetzen sollte, sodass ein Rückgriff auf das seinerzeitige Schuldverhältnis nicht mehr möglich ist (RIS-Justiz RS0108086; RS0032310; 4 Ob 116/08z).

Da die Beklagte von ihrem Standpunkt nicht abgerückt ist und daher nicht von einem „gegenseitigen Nachgeben“ auszugehen ist (vgl dazu RIS-Justiz RS0032600 [T3]), kann der Vergleich – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – auch nicht losgelöst vom Vorkaufsrecht der Beklagten gesehen werden. Dies wird durch die auf das Vorkaufsrecht Bezug nehmende Wendung im Vergleich bestätigt, wonach die Beklagte in einen Kaufvertrag mit der Klägerin „zu den Bedingungen des zwischen ihr und dem Dritten bereits abgeschlossenen Kaufvertrags“ einzuwilligen hat (vgl dazu § 1077 ABGB).

1.3 Mit dem Vergleich vom 11. 5. 2017 wurde der Streit über das Vorkaufsrecht beendet und von den Streitteilen (unbeschadet der Frage der Einverleibungsfähigkeit des Vergleichs zumindest auch) erklärt, dass sie einen (schriftlichen) Vertrag über die Wohnungseigentumsanteile der Klägerin zum Kaufpreis von 265.000 EUR abschließen, wobei sich die übrigen Bedingungen nach dem Drittvertrag richten. Damit waren nicht nur die Hauptpunkte des Vertrags, sondern auch die Nebenpunkte nach Maßgabe des § 1077 ABGB festgelegt. Der Vergleichsabschluss ist daher dahin zu verstehen, dass die Beklagte damit das Vorkaufsrecht ausgeübt hat und in die Bedingungen des Drittvertrags eingetreten ist (vgl 5 Ob 231/13a). Davon ausgehend war bei beiden Parteien der Geschäfts- und Bindungswille zur Liegenschaftsübertragung übereinstimmend gegeben. Hinsichtlich des auf Basis des Vergleichs abzuschließenden (grundbuchsfähigen) Kaufvertrags sind die Parteien davon ausgegangen, dass dieser Vertrag vom Beklagtenvertreter errichtet wird, der in der Folge auch tatsächlich zwei Vertragsentwürfe an den Klagevertreter übermittelt hat.

2.1 Die Klägerin behauptet, an den Vergleich und an die Pflicht zur Unterfertigung eines neuen schriftlichen Kaufvertrags nicht gebunden zu sein, weil sie wegen Zahlungsverzugs der Beklagten wirksam vom Vergleich zurückgetreten sei. Die Beklagte hält dem entgegen, dass ein Zahlungsverzug nicht vorliege, weil sie an die Bedingungen des Drittvertrags (Fälligkeit und Zahlstelle) nicht gebunden sei.

2.2 Bei Beurteilung der Fälligkeit der Kaufpreiszahlung ist auf das dem Vergleichsabschluss zugrunde liegende Vorkaufsrecht der Beklagten Bedacht zu nehmen. Die Fälligkeit ist eine Zahlungskondition, die sich als Nebenbedingung gemäß § 1077 ABGB nach dem Drittvertrag richtet (vgl 8 Ob 161/08x; 5 Ob 231/13a). Demnach ist die Beklagte als Vorkaufsberechtigte grundsätzlich auch an die Fälligkeit der Kaufpreisforderung nach Maßgabe des Drittvertrags gebunden.

2.3 Im vorliegenden Verfahren stellt sich dazu die Frage, ob sich die Beklagte auf eine unangemessene Erschwernis durch die Fälligkeit laut Drittvertrag berufen kann.

Nach der Rechtsprechung muss der Vorkaufsberechtigte – im Fall eines entsprechenden Einwands – solche Nebenleistungen nicht übernehmen, die für ihn nicht erfüllbar bzw unangemessen sind, wenn angenommen werden darf, dass der Verpflichtete den Kaufvertrag mit dem Drittkäufer auch ohne diese Bedingung bzw anders abgeschlossen hätte. Auf diesem Weg sollen letztlich insbesondere Tatbestände gezielter Umgehung, die auf eine Verleidung der Ausübung des Vorkaufsrechts abzielen, erfasst werden (5 Ob 231/13a mwN).

In der zitierten Entscheidung 5 Ob 231/13a wurde die Bindung des Vorkaufsberechtigten an die im Drittvertrag vereinbarte Fälligkeit, die für diesen wegen des Zeitablaufs zur sofortigen Fälligkeit geführt hätte, deshalb kritisch beurteilt, weil im Drittvertrag auf die treuhändige Abwicklung verzichtet wurde. Dazu wurde ausgeführt, dass diese Vereinbarung im Drittvertrag eine Abweichung von der – allerdings disponiblen – gesetzlichen Regelung der §§ 1062 und 1052 ABGB bewirke, wonach bei Kaufverträgen die Leistungen Zug um Zug zu erbringen seien. Bei Liegenschaftskaufverträgen bedeute eine Zug-um-Zug-Verpflichtung, dass die Kaufpreiszahlung bei Einreichung des Grundbuchgesuchs auf Einverleibung des Eigentumsrechts nachzuweisen sei. Die Einschaltung eines Treuhänders zur Zug-um-Zug-Abwicklung werde zur wirtschaftlichen Absicherung beider Kaufvertragsparteien und zur Vermeidung einer (ungesicherten) Vorleistung häufig vereinbart. Eine im Drittvertrag vereinbarte Vorleistungspflicht des Käufers sei im Verhältnis zwischen diesen Vertragspartnern nicht als unzulässig zu qualifizieren. Im Verhältnis zu einem vorkaufsberechtigten Dritten seien sie aber an die Schranken des Gesetzes gebunden, die sich schon aus § 1077 ABGB, aus § 1295 Abs 2 ABGB und aus § 879 ABGB ergeben.

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass im Fall einer vereinbarten treuhändigen Abwicklung des Liegenschaftskaufs nichts dagegen spricht, die Fälligkeit für den Vorkaufsberechtigten, die nach dem Drittvertrag bereits eingetreten ist, mit der Ausübung des Vorkaufsrechts (hier durch Abschluss des Vergleichs) anzusetzen.

2.4 Das Feststellungsbegehren der Klägerin bezieht sich auf die Feststellung, dass ihr Rücktritt vom Kaufvertrag nach § 918 ABGB wirksam erfolgt sei.

Nach § 918 ABGB ist der Gläubiger nicht nur dann zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt, wenn der Schuldner die geschuldete Leistung nicht zur rechten Zeit erbringt, sondern auch dann, wenn er sie nicht am gehörigen Ort oder auf die bedungene Weise anbietet (RIS-Justiz RS0018414; RS0018330).

Betrachtet man (zunächst) nur den zeitlichen Aspekt der Leistung, also die Fälligkeit, so wäre nach den dargelegten Grundsätzen der Rücktritt der Klägerin nicht berechtigt erfolgt. Nach § 918 Abs 1 ABGB kann der Gläubiger bei Schuldnerverzug unter Setzung einer angemessenen Nachfrist zur Nachholung den Rücktritt vom Vertrag erklären (9 Ob 32/14t). Nach den Feststellungen hat die Beklagte den Kaufpreis innerhalb der Nachfrist „erlegt“. Da die Beklagte – zufolge Unangemessenheit der Bedingungen im Drittvertrag – auch an die Verzugszinsenregelung im Drittvertrag (6 % ab 5. 12. 2016) nicht gebunden war, war auch die Zinsforderung der Klägerin (4 % ab 5. 12. 2016) nicht berechtigt, weshalb der Rücktritt der Klägerin nicht darauf gestützt werden kann. Aufgrund der Geringfügigkeit des Zinsenbetrags (vom 11. 5. 2017 bzw 31. 5. 2017 [laut Schreiben des Klagevertreters vom 22. 5. 2017] bis 12. 6. 2017) wäre er auch als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

3.1 Allerdings gehört auch die im Drittvertrag vereinbarte Zahlungsmodalität (Zahlstelle) zu den für den Vorkaufsberechtigten grundsätzlich maßgebenden Bedingungen des Drittvertrags. Auch dazu ist zu prüfen, ob die Beklagte – wegen Unangemessenheit dieser Bedingung – an die Vereinbarung im Drittvertrag gebunden ist oder mit Rücksicht auf den Vorkaufsfall davon abweichen kann.

Im Drittvertrag ist die Zahlung des Kaufpreises auf das Anderkonto des (vertragserrichtenden) Notars bei der Notartreuhandbank und die treuhändige Abwicklung (Auszahlung nach Vorliegen aller für die Verbücherung des Vertrags notwendigen Voraussetzungen) vorgesehen. Der Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die Zahlung auf das Treuhandkonto des Notars nicht maßgebend sei, weil der Klagsvertreter in seinem Schreiben vom 22. 5. 2017 die Kaufpreiszahlung samt 4 % Zinsen seit 5. 12. 2016 „zu treuen Handen des Beklagtenvertreters“ verlangt habe, ist nicht beizupflichten. Zwar kann von den Nebenbedingungen im Drittvertrag einvernehmlich abgegangen werden. Dies setzt allerdings eine rechtsgeschäftliche Willensübereinstimmung voraus. Der Klagevertreter hat bereits mit Schreiben vom 31. 5. 2017, noch vor einer Reaktion des Beklagtenvertreters auf das Schreiben vom 22. 5. 2017, richtiggestellt, dass die Zahlung auf das Treuhandkonto des Notars zu erfolgen habe.

3.2 An die in Rede stehende, im Drittvertrag vereinbarte Zahlungsmodalität wäre die Beklagte daher nur dann nicht gebunden, wenn diese Nebenbedingung für sie nicht erfüllbar bzw unangemessen wäre, und wenn angenommen werden kann, dass die Klägerin (als Verpflichtete) den Kaufvertrag mit dem Drittkäufer auch ohne diese Bestimmung bzw anders abgeschlossen hätte. In der konkreten Situation wäre dies dann der Fall, wenn in dem vom Beklagtenvertreter errichteten schriftlichen Kaufvertrag eine gleichwertige Zahlungsmodalität im Verhältnis zu jener im Drittvertrag vorgesehen ist und für die Klägerin daher kein Nachteil besteht. Demnach müsste im Kaufvertrag mit der Beklagten eine Treuhandabwicklung vorgesehen sein, die die Auszahlung des Kaufpreises an die Klägerin an das Vorliegen aller für die Verbücherung des Kaufvertrags notwendigen Voraussetzungen knüpft.

Dazu wurden im bisherigen Verfahren keine Feststellungen getroffen. Derartige Feststellungen können vom Obersten Gerichtshof nicht nachgetragen werden, weil auch der Oberste Gerichtshof die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen darf, die sie bisher nicht bedacht haben (RIS-Justiz RS0037300; 8 Ob 106/17x; 4 Ob 57/18p).

4. Zufolge relevanter sekundärer Feststellungsmängel ist eine abschließende Beurteilung der Rechtssache derzeit noch nicht möglich. Die Entscheidungen der Vorinstanzen waren daher aufzuheben. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht mit den Parteien vor allem die Zahlungsmodalitäten laut Drittvertrag zu erörtern und zu prüfen haben, ob im Kaufvertragsentwurf des Beklagtenvertreters insbesondere eine gleichwertige Treuhandabwicklung im Vergleich zu jener im Drittvertrag vorgesehen ist und ob die Beklagte dieser Zahlungsmodalität entsprochen hat. In dieser Hinsicht wird den Parteien sodann Gelegenheit zu geben sein, weiteres erheblich erscheinendes Vorbringen zu erstatten.

5. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass ein Widerspruch zum Exekutionsverfahren (siehe dazu 3 Ob 152/18a) nicht besteht. Im Exekutionsbewilligungsverfahren war nur zu klären, ob der Vergleich vom 11. 5. 2017 in Verbindung mit den Bedingungen des Drittvertrags vom 19. 10. 2016 einen tauglichen Exekutionstitel im Sinn des § 350 EO für die Einverleibung des Eigentumsrechts zugunsten der hier Beklagten im Grundbuch bildet. Für die Beurteilung dieser Frage kommt es auf die strikte Einhaltung der Bedingungen des Drittvertrags an; sie ist auf die Auslegung der Bedingungen des Drittvertrags beschränkt.

Demgegenüber bezieht sich der Gegenstand des hier vorliegenden Verfahrens auf die Frage, ob die Klägerin aufgrund des von ihr behaupteten Zahlungsverzugs der Beklagten rechtswirksam vom Vergleich zurückgetreten ist. Da die Beklagte den Kaufpreis innerhalb der von der Klägerin gesetzten Nachfrist (bis 14. 6. 2017; auf das Anderkonto des Beklagtenvertreters als Zahlstelle) gezahlt hat, stellt sich konkret die Frage, ob sie verpflichtet war, auch die im Drittvertrag für den Verzugsfall vorgesehenen Zinsen (6 % seit 5. 12. 2016) bis 14. 6. 2017 zu zahlen, oder ob die entsprechende Verzugszinsenforderung der Klägerin (4 % seit 5. 12. 2016) unberechtigt war. Dazu ist aufgrund des Einwands der Beklagten zu klären, ob die Bedingungen des Drittvertrags (konkret über die Fälligkeit des Kaufpreises am 5. 12. 2016) für sie eine unangemessene Erschwernis bilden und aufgrund ihrer Position als Vorkaufsberechtigte daher eine Abweichung von diesen Bedingungen des Drittvertrags gerechtfertigt ist. Ein derartiger Einwand der Beklagten hätte im Exekutionsbewilligungsverfahren als reines Urkundenverfahren nicht berücksichtigt werden können.

Während die Fälligkeit laut Drittvertrag am 5. 12. 2016 eintrat und ab diesem Zeitpunkt die im Drittvertrag vorgesehenen Verzugszinsen anfielen, führt die im vorliegenden Verfahren (aufgrund des Vorkaufsfalls) beurteilte Modifikation des Fälligkeitszeitpunkts in Abweichung vom Drittvertrag zu einer nach hinten verschobenen Fälligkeit zum 11. 5. 2017 (Tag des Vergleichsabschlusses). Da Verzugszinsen zu Lasten der Beklagten als Vorkaufsberechtigte erst ab diesem Zeitpunkt anfallen konnten, war die Verzugszinsenforderung der Klägerin (4 % seit 5. 12. 2016) nicht berechtigt, weshalb auch daraus kein relevanter Zahlungsverzug abgeleitet werden kann.

Auch hinsichtlich der Zahlstelle stellt sich die (im fortgesetzten Verfahren zu klärende) Frage, ob diese Zahlungsmodalität laut Drittvertrag (Treuhandkonto des den Drittvertrag errichtenden Notars) für die Beklagte eine unangemessene Erschwernis bildet und sie daher auch an diese Bedingung laut Drittvertrag nicht gebunden ist, sondern davon abweichen kann. Auch bei dieser Beurteilung handelt es sich um keine Auslegung des Drittvertrags, sondern um eine (allenfalls zulässige) Abweichung von dessen Bedingungen aufgrund des Vorkaufsfalls.

6. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

Textnummer

E125365

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00220.18H.0129.000

Im RIS seit

27.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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