TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/18 W171 2211697-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.04.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.04.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z2
BFA-VG §40 Abs1
BFA-VG §40 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §35

Spruch

W171 2211697-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA Gambia, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA-VG idgF, § 18 Abs. 4 AVG idgF, Art. 4 Abs. 2 1. Satz PersFrG idgF, § 40 Abs. 1 BFA-VG idgF iVm § 40 Abs. 4 BFA-VG idgF stattgegeben und die Anhaltung vom 13.01.2019, 11:48 Uhr, bis 14.01.2019, 14:40 Uhr, für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Gemäß § 35 VwGVG wird der Antrag, dem Beschwerdeführer die Eingabengebühr zu ersetzen, abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, am XXXX geboren zu sein.

Einer EURODAC-Treffermeldung zufolge suchte er am 20.01.2016 in Italien ebenfalls um Asyl an.

1.2. Am 07.08.2018 gab das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") eine sachverständige Altersfeststellung des Beschwerdeführers in Auftrag.

Am 16.08.2018 langte beim BFA das Ergebnis des eingeholten gerichtsmedizinischen Sachverständigengutachtens zur Altersfeststellung ein, dem eine multifaktorielle Diagnostik vorausging. Aus diesem Gutachten geht hervor, dass ein Gutachten zur körperlichen Untersuchung, ein Radiologisches Gutachten zum Röntgenbild des linken Handgelenks und zum CT Bild der Schlüsselbeine und ein zahnärztliches Gutachten, folgendes Ergebnis brachte: Das festgestellte Mindestalter zur Asylantragsstellung betrage 17,39 Jahre, das spätmöglichste fiktive Geburtsdatum sei der XXXX , die Bandbreite des möglichen Alters zur Asylantragstellung betrage 17,39-22,19 Jahre.

Mittels Verfahrensanordnung stellte das BFA am 21.08.2018 fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren worden sei.

1.3. Mit Bescheid vom 19.09.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 4a AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass er sich nach Italien zurückzubegeben habe. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt sowie gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG die Außerlandesbringung nach § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Italien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 14.11.2018 im Zuge eines Polizeieinsatzes betreten und wies sich mit einem italienischen Konventionsreisepass aus, auf dem das Geburtsdatum XXXX hervorgeht. Der Beschwerdeführer wurde daraufhin festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

1.5. Nach Durchführung einer Einvernahme wurde über den Beschwerdeführer mit Bescheid vom 15.11.2018 die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

In diesem Bescheid wurde als Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX angeführt.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich übergeben.

1.6. Am 16.11.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut einvernommen und zu seinem Alter befragt. Dabei gab er an, dass seine Daten aus seinen Dokumenten ersichtlich seien. Er sei volljährig. Der Arzt habe ihm gesagt, dass er XXXX geboren sei, ob das stimme wisse er nicht.

Der Beschwerdeführer wurde am selben Tag zum Zweck der freiwilligen Ausreise aus der Schubhaft entlassen.

1.7. Der Beschwerdeführer reiste am 21.11.2018 aus dem Bundesgebiet aus.

1.8. Mit Schriftsatz vom 21.12.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 15.11.2018 Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren und damit minderjährig sei. Der Bescheid sei der gesetzlichen Vertreterin des Beschwerdeführers nicht zugestellt und damit niemals rechtswirksam erlassen worden.

1.9. Der Beschwerdeführer wurde am 13.01.2019 erneut im Bundesgebiet betreten und festgenommen. In einer Einvernahme am selben Tag gab er an, vor vier Tagen nach Österreich eingereist zu sein. Er habe vor, noch am selben Tag wieder auszureisen.

1.10. Mit Mandatsbescheid vom 13.01.2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung verhängt.

In diesem Bescheid wurde als Geburtsdatum des Beschwerdeführers der XXXX alias XXXX angeführt.

Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer persönlich übergeben.

1.11. Am 14.01.2019 wurde der Beschwerdeführer erneut einvernommen und zu seinem Alter befragt. Dabei gab er an, Im Oktober XXXX geboren zu sein. Die italienischen Behörden hätten als Geburtsdatum XXXX vermerkt, weil er es ihnen so gesagt habe.

Aufgrund des mit XXXX festgesetzten fiktiven Geburtsdatums wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und gemäß § 52 Abs. 6 FPG zur unverzüglichen Ausreise nach Italien aufgefordert.

1.12. Mit Schriftsatz vom 25.02.2019 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid vom 13.01.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft vom 13.01.2019 bis 14.01.2019 Beschwerde. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer am XXXX geboren und damit minderjährig sei. Der Bescheid sei der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers nicht zugestellt und damit niemals rechtswirksam erlassen worden. Eine Heilung des Zustellmangels sei frühestens eingetreten, als die zuständige Rechtsberaterin den Beschwerdeführer am 14.01.2019 im Polizeianhaltezentrum besucht und den Originalbescheid übernommen habe. Nach Ausführungen zur inhaltlichen Rechtswidrigkeit des Bescheides wurden der Ersatz etwaiger Dolmetschkosten, der Ersatz des Aufwandes nach § 35 VwGVG, der Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren, Barauslagen und der Eingabengebühr beantragt.

1.13. Das BFA legte dem Gericht am 26.02.2019 Teile des gegenständlichen Verwaltungsaktes vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Zum Verfahrensgang:

Der unter Punkt I. wiedergegebene Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Zur Person:

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das Bundesgebiet ein, ist Staatsangehöriger Gambias und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1

FPG.

Er stellte am 27.06.2018 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des BFA vom 19.09.2018 zurückgewiesen wurde. Gemäß § 61 FPG wurde weiters die Außerlandesbringung angeordnet und die Abschiebung nach Italien für zulässig erklärt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, die aufschiebende Wirkung wurden seitens des Bundesverwaltungsgerichts nicht zuerkannt. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom XXXX , als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer galt zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheids als minderjährig. Das BFA hatte nach Durchführung eines Sachverständigengutachtens zur Altersfeststellung das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX festgelegt. Mittels Verfahrensanordnung stellte das BFA am 21.08.2018 fest, dass der Beschwerdeführer spätestens am XXXX geboren worden sei. Trotz Vorliegen eines italienischen Konventionsreisepasses, aus dem das Geburtsdatum XXXX hervorgeht, ist daher von der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers auszugehen. Auch das Bundesverwaltungsgericht stellte in seiner Entscheidung vom XXXX , fest, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung minderjährig war.

Zum gegenständlichen Bescheid des BFA vom 13.01.2019:

Die Zustellung des Bescheides durch persönliche Übergabe am 13.01.2019 war aufgrund der Minderjährigkeit des Beschwerdeführers unwirksam.

Eine rechtsgültige Zustellung des Bescheides erfolgte erst im Rahmen der Übergabe des Bescheides an die gesetzliche Vertretung des Beschwerdeführers am 14.01.2019.

Zur Festnahme:

Der BF wurde am 13.01.2019 aufgrund des Festnahmeauftrags des BFA festgenommen und zunächst in Verwaltungsverwahrungshaft genommen. Nach einer Einvernahme des Beschwerdeführers am 13.01.2019 wurde dem BF ein Schubhaftbescheid übergeben, dessen Übernahme er bestätigte.

Zum Zeitpunkt der Festnahme bestand gegen den Beschwerdeführer eine durchsetzbare Anordnung zur Außerlandesbringung.

Zur Anhaltung:

Die Anhaltung in Haft basierte nicht auf einem rechtsgültig zugestellten Schubhaftbescheid und war daher als rechtswidrig festzustellen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zum gegenständlichen Bescheid, zur Festnahme und Anhaltung ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts, deren Akteninhalte im Wesentlichen im Einklang mit den Ausführungen der Beschwerdeschrift stehen.

Dass der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BFA mit dem Geburtsdatum XXXX geführt wurde und daher zum Zeitpunkt der Festnahme am 13.01.2019 als minderjährig galt, wurde vom BFA nicht bestritten. Wie aus dem Einvernahmeprotokoll vom 14.01.2019 hervorgeht, wurde der Beschwerdeführer aus diesem Grund bereits am 14.01.2019 aus der Schubhaft entlassen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

§ 10 Abs. 3 und 5 BFA-VG lauten:

"(3) Ein mündiger Minderjähriger, dessen Interessen von seinem gesetzlichen Vertreter nicht wahrgenommen werden können, ist berechtigt, einen Antrag auf internationalen Schutz zu stellen und einzubringen, sowie Verfahrenshandlungen gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu seinem Vorteil zu setzen. Solche Fremde sind in die Erstaufnahmestelle zu verbringen (§ 43 BFA-VG). Gesetzlicher Vertreter für Verfahren vor dem Bundesamt und dem Bundesverwaltungsgericht ist ab Ankunft in der Erstaufnahmestelle der Rechtsberater (§ 49), nach Zulassung des Verfahrens und nach Zuweisung an eine Betreuungsstelle eines Bundeslandes, der örtlich zuständige Jugendwohlfahrtsträger jenes Bundeslandes, in dem der Minderjährige einer Betreuungsstelle zugewiesen wurde. Widerspricht der Rechtsberater (§ 49) vor der ersten Einvernahme im Zulassungsverfahren einer erfolgten Befragung (§ 19 Abs. 1 AsylG 2005) eines mündigen Minderjährigen, ist diese im Beisein des Rechtsberaters zu wiederholen".

"(5) Entzieht sich der mündige Minderjährige dem Verfahren gemäß § 24 Abs. 1 AsylG 2005 oder lässt sich aus anderen Gründen nach Abs. 3 kein gesetzlicher Vertreter bestimmen, ist der Jugendwohlfahrtsträger, dem die gesetzliche Vertretung zuletzt zukam, gesetzlicher Vertreter bis nach abs. 3 wieder ein gesetzlicher Vertreter bestimmt wurde. Hatte im bisherigen Verfahren nur der Rechtsberater (§ 49) die gesetzliche Vertretung inne, bleibt dieser gesetzliche Vertreter, bis die gesetzliche Vertretung nach Abs. 3 erstmals einem Jugendwohlfahrtsträger zufällt."

§ 7 Zustellgesetz lautet:

"Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist."

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 40 BFA-VG lautet:

"(1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1. gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2. wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3. der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, Asylwerber oder Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben, zum Zwecke der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen, wenn

1. dieser Fremde nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist,

2. gegen diesen eine durchsetzbare - wenn auch nicht rechtskräftige - aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde,

3. gegen diesen nach § 27 AsylG 2005 ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet wurde,

4. gegen diesen vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme gemäß dem 8. Hauptstück des FPG erlassen wurde oder

5. auf Grund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung und der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass der Antrag des Fremden auf internationalen Schutz mangels Zuständigkeit Österreichs zur Prüfung zurückgewiesen werden wird.

(3) In den Fällen der Abs. 1 und 2 kann die Festnahme unterbleiben, wenn gewährleistet ist, dass der Fremde das Bundesgebiet unverzüglich über eine Außengrenze verlässt.

(4) Das Bundesamt ist ohne unnötigen Aufschub über die erfolgte Festnahme zu verständigen. Die Anhaltung eines Fremden ist in den Fällen der Abs. 1 Z 2 und 3 und Abs. 2 bis zu 48 Stunden und in den Fällen des Abs. 1 Z 1 bis zu 72 Stunden zulässig; darüber hinaus ist Freiheitsentziehung nur gemäß § 77 Abs. 5 FPG oder in Schubhaft gemäß § 76 FPG möglich. Dem festgenommenen Fremden ist die Vornahme der Festnahme über sein Verlangen schriftlich zu bestätigen.

(5) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 einen Antrag auf internationalen Schutz, kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 gelten dabei sinngemäß.

(6) Während der Zulässigkeit der Sicherung der Zurückweisung im Flughafenverfahren sind die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes ermächtigt, zu verhindern, dass ein zurückgewiesener Asylwerber in das Bundesgebiet einreist, soweit es ihm nicht gestattet ist."

3.1.2. Im vorliegenden Fall wäre der den minderjährigen Beschwerdeführer betreffende Schubhaftbescheid jedenfalls seinem gesetzlichen Vertreter zuzustellen gewesen. Dies ist nicht erfolgt. Mangels Zustellung an den gesetzlichen Vertreter ist der im Spruch angeführte Bescheid somit am 13.01.2019 nicht rechtswirksam erlassen worden. Dem gesetzlichen Vertreter kam der Bescheid frühestens am 14.01.2019 zu, als die zuständige Rechtsberaterin den Bescheid vom Beschwerdeführer übernahm. Die Schubhaft vom 13.01.2019, 11:48 Uhr, bis 14.01.2019, 14:40 Uhr, basierte daher nicht auf einem rechtsgültig erlassenen Schubhaftbescheid.

Dies wiederum hatte zur Folge, dass sich der Beschwerdeführer vom 13.01.2019, 11:48 Uhr, bis 14.01.2019, 14:40 Uhr, immer noch im Stande der Anhaltung aufgrund der Festnahme und nicht im Stande der Schubhaft befand. Da die Festnahme am 13.01.2019 wegen des illegalen Aufenthalts des Beschwerdeführers erfolgte, ist die Anhaltung gemäß § 40 Abs. 1 Z 3 iVm § 40 Abs. 4 2 Satz BFA-VG im Höchstausmaß von 48 Stunden rechtskonform. Jede darüber hinausgehende Anhaltung hat in der Form der Schubhaft aufgrund eines Schubhaftbescheides zu erfolgen ("...auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise", Art 1 Abs. 2 BVG PersFrG; Art 5 Abs. 1 EMRK).

Hinsichtlich der gegenständlich erlaubten gesetzlichen Dauer ist aber noch folgende am "ultima-ratio-Prinzip" orientierte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes maßgebend: Bereits in seinem Erkenntnis vom 12.09.2013, Zl. 2012/21/0204, führte der Verwaltungsgerichtshof zur damals im FPG geregelten Vorgängerbestimmung in Bezug auf die mögliche Länge von Anhaltungen - entscheidungswesentlich - unter Zitierung wesentlich weiter zurückreichender Entscheidungen aus (Hervorhebung durch den Einzelrichter): "Gemäß § 39 Abs. 5 zweiter Satz FPG ist die Anhaltung eines Fremden, der nach § 39 Abs. 1 FPG festgenommen wurde, zwar bis zu 24 Stunden zulässig. Dabei handelt es sich aber - nicht anders als bei der 24-stündigen Frist des § 36 Abs. 1 VStG - um eine Maximalfrist. (Auch) im Bereich fremdenpolizeilicher Festnahmen ist die Behörde schon aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, die Anhaltedauer so kurz als möglich zu halten und im Interesse einer kurzen Haftdauer die dafür notwendigen und ihr zumutbaren organisatorischen und personellen Maßnahmen zu treffen (vgl. in diesem Sinn das hg. Erkenntnis vom 12. April 2005, Zl. 2003/01/0489). Die diesbezüglich verfassungsrechtliche Bestimmung lautet:

Artikel 4 PersFrG

(2) Bei Gefahr im Verzug sowie im Fall des Art. 2 Abs. 1 Z 2 lit. a darf eine Person auch ohne richterlichen Befehl festgenommen werden. Sie ist freizulassen, sobald sich ergibt, daß kein Grund zu ihrer weiteren Anhaltung vorhanden sei, sonst ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber vor Ablauf von 48 Stunden, dem zuständigen Gericht zu übergeben.

Indem die Verwaltungsbehörde am 13.01.2019 um 11:48 Uhr einen Mandatsbescheid "erließ", bringt sie hinreichend zum Ausdruck, dass ab diesem Zeitpunkt eine rechtswirksame Anordnung der Schubhaft möglich war. Mangels Erlassung eines rechtswirksamen Schubhaftbescheides muss daher die Anhaltung ab 11:48 Uhr bis zur Entlassung am 14.01.2019 um 14:40 als rechtswidrige Anhaltung gewertet werden.

3.2. Zu Spruchpunkt II. und III. (Kostenbegehren):

Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Ein Kostenersatz für die Behörde besteht nach dem Gesetz in diesem Fall nicht.

3.3. Zu Spruchpunkt IV.:

Dem Mehrbegehren im Umfang der Eingabengebühr war nicht zu entsprechen und der Antrag auf Kostenersatz insoweit abzuweisen, da weder § 35 VwGVG, noch das Gebührengesetz 1957 einen Kostenersatzzuspruch im Umfang der Eingabegebühr durch das Bundesverwaltungsgericht vorsehen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt I. ausgeführt, sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Altersfeststellung, Anhaltung, gesetzlicher Vertreter, Kostenersatz,
Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2211697.2.00

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten