TE Bvwg Beschluss 2019/2/19 L524 2115769-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

AVG §37
BFA-VG §18 Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2
FPG §70 Abs3
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L524 2115769-3/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Nuray TUTUS-KIRDERE, Herrengasse 6-8/4/1, 1010 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019, Zl. 139638210-180684133, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid

behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 20.09.2016 über seine rechtsfreundliche Vertreterin den Antrag, ein am 14.07.2003 unbefristet erlassenes Aufenthaltsverbot auf Grund einer Änderung der Rechtslage aufzuheben. Weiters stellte der Beschwerdeführer am 21.09.2016 einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG.

2. Am 16.12.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Anträge auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots und auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen. Der Beschwerdeführer gab dazu am 28.02.2017 eine Stellungnahme ab.

3. Mit Schreiben des BFA vom 23.02.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzulehnen und eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Dazu gab der Beschwerdeführer am 13.03.2018 eine Stellungnahme ab, in der er ausführte, dass er sein Aufenthaltsrecht aus dem ARB 1/80 ableite.

4. Der Beschwerdeführer wurde mit Schreiben des BFA vom 19.03.2018 neuerlich vom Ergebnis der Beweisaufnahme verständigt und ihm mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots abzuweisen. Dazu gab der Beschwerdeführer am 05.04.2018 eine Stellungnahme ab.

5. Am 20.07.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem BFA niederschriftlich einvernommen. Dabei wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass ein Verfahren zur Erlassung eines Aufenthaltsverbots eingeleitet werde.

6. Mit Bescheid des BFA vom 25.07.2018, Zl. 139638210-161389143, wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 58 Abs. 10 AsylG zurückgewiesen. Mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018, Zl. 139638210-161389143, wurde dem Antrag auf Aufhebung des mit Bescheid vom 14.07.2003 verhängten Aufenthaltsverbots stattgegeben und dieses gemäß § 69 Abs. 2 FPG aufgehoben. Diese Bescheide erwuchsen in Rechtskraft.

7. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 24.07.2018, Zl. 139638210-180684133, wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

In der Begründung stellt das BFA fest, dass der Beschwerdeführer seit 29 Jahren in Österreich sei und unter das Assoziationsabkommen falle. Es werden im Wesentlichen zwei strafrechtliche Verurteilungen des Beschwerdeführers angeführt. Die übrigen Verurteilungen werden nicht konkret benannt, sondern nur angeführt, dass der Beschwerdeführer zu Geldstrafen bzw. Freiheitsstrafen verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe durch sein Verhalten gezeigt, dass er kein Interesse daran habe, die Gesetze Österreichs zu respektieren. Durch das von ihm gezeigte Verhalten, das auch zu den letzten Verurteilungen geführt habe, sei auf Grund seiner wirtschaftlichen Situation mit einer Fortsetzung zu rechnen. Es müsse daher von einer aktuellen, gegenwärtigen Gefahr gesprochen werden. Auf Grund der wiederkehrenden Missachtung der Rechtsordnung sowie auf Grund seiner Lebenssituation in Österreich sei auch das Tatbestandsmerkmal der Nachhaltigkeit erfüllt. Die Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubs wurde damit begründet, dass "wie oben ausführlich begründet" der weitere Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstelle.

8. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 07.09.2018, L524 2115769-2/3E, stattgegeben, der angefochtene Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückverwiesen.

Dem BFA wurde aufgetragen, für die zu treffende Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Hinsichtlich der Nichtgewährung eines Durchsetzungsaufschubs wurde das BFA darauf hingewiesen, dass es nicht ausreicht, auf die Begründung für die Erlassung des Aufenthaltsverbots verwiesen.

9. Im fortgesetzten Verfahren hat das BFA die Urteile betreffend die letzten beiden Verurteilungen des Beschwerdeführers eingeholt und den Beschwerdeführer zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. In seiner Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer unter anderem vor, dass er wegen seiner Spielsucht kürzlich eine Therapie erfolgreich abgeschlossen habe und verwies auf einen diesbezüglichen Therapiebericht. Er sei auch seit seiner Haftentlassung im Jahr 2015 nicht mehr straffällig geworden. Hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens verwies er darauf, dass er seit ca. Mai 2017 eine Lebensgemeinschaft mit seiner Ex-Ehefrau führe, mit der er zwei volljährige Kinder habe und beantragte deren zeugenschaftliche Einvernahme. Zudem habe er zwei uneheliche, minderjährige Kinder, die wie seine anderen Familienangehörigen österreichische Staatsbürger seien. Weiters würden noch seine Brüder mit deren Kindern in Österreich leben.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.01.2019, Zl. 139638210-180684133, wurde gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG gegen den Beschwerdeführer ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.). Einer Beschwerde gegen dieses Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.).

In der Begründung trifft das BFA zu den Verurteilungen vom 09.07.2008 und vom 20.11.2012 konkrete Feststellungen. Weiters wird angeführt, dass der Beschwerdeführer 2005 und 2006 "zwei kleine Verurteilungen" eines Bezirksgerichts erfolgt seien, ohne dazu konkrete Feststellungen zu treffen (Seiten 10, 11 und 13). Der Beschwerdeführer sei seit 2015 wegen seiner Spielsucht in Therapie, die weiter notwendig sei (Seite 11) bzw. sei diese beendet worden (Seite 16). In der Einvernahme vom 20.07.2018 habe er angegeben, seit zehn Jahren mit seiner Lebensgefährtin zusammenzuleben, was der schriftlichen Stellungnahme vom 13.12.2018 widerspreche, wonach er seit 2017 mit seiner Ex-Ehefrau zusammenlebe. Das öffentliche Interesse an der Verhängung eines Aufenthaltsverbots sei aufgrund der möglichen Wiederholungsgefahr deutlich höher einzustufen als die privaten Interessen des Beschwerdeführers. Eine Gesamtbeurteilung ergebe, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbots in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, um die vom Beschwerdeführer ausgehende erhebliche Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern. Die Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubs wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer zu zwei hohen unbedingten Haftstrafen verurteilt worden sei. Die letzte Verurteilung sei zwar schon 2012 gewesen, er sei aber erst 2015 aus der Haft entlassen worden, es seien seither noch keine vier Jahr vergangen und dieser Zeitraum sei für eine positive Zukunftsprognose wesentlich zu kurz. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde damit begründet, dass der Beschwerdeführer keiner ordentlichen Beschäftigung nachgehe und aus diesem Grund zu befürchten sei, dass er wieder in sein altes Schema der Spielsucht verfalle.

11. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Zurückverweisung an das BFA:

1. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist (§ 28 Abs. 3 dritter Satz VwGVG).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. VwGH 10.09.2014, Ra 2104/08/0005; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Aus folgenden Gründen muss angenommen werden, dass der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt wurde:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs. 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafrechtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (vgl. etwa VwGH 16.10.2014, Ra 2014/21/0039, Punkt 2.1. der Entscheidungsgründe, mwN, und daran anschließend die Erkenntnisse VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0052, Punkt 2. der Entscheidungsgründe, und VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Für eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose ist es nicht ausreichend, wenn lediglich das Gericht, die Urteilsdaten, die maßgeblichen Strafbestimmungen und die verhängte Strafe angeführt werden (vgl. VwGH 19.05.2015, Ra 2015/21/0001; 19.05.2015, Ra 2014/21/0057, mwN). Im Rahmen der zu treffenden Feststellungen kann es fallbezogen mitunter aber auch nicht ausreichend sein, die im Urteilstenor des Strafgerichts zum Ausdruck kommenden Tathandlungen wiederzugeben, sondern es sich als notwendig darstellen, darüber hinausgehende Feststellungen zu treffen, um die Gefährdungsprognose in einer dem Gesetz entsprechenden Weise vornehmen zu können (vgl. VwGH 01.03.2018, Ra 2018/19/0014 unter Hinweis auf VwGH 03.04.2009, 2008/22/0913; 24.11.2009, 2009/21/0267; 31.5.2011, 2008/22/0831; 5.7.2011, 2008/21/0131, jeweils mwN).

Im vorliegenden Fall ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots nur dann zulässig, wenn auf Grund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde (Maßstab des fünften Satzes des § 67 FPG).

Das BFA führt in seiner Begründung nur die Tathandlungen der Verurteilungen vom 09.07.2008 und vom 20.11.2012 an. Im Übrigen verweist es zwar auf "zwei kleine Verurteilungen" aus den Jahren 2005 und 2006, lässt aber im Unklaren um welche konkreten Tathandlungen und Verurteilungen es sich hier handelt. Das BFA lässt auch im Dunkeln, was es unter einer "kleinen Verurteilung" versteht. Es ist auch neuerlich die Rede von einer "großen Verurteilung" im Jahr 2001 (Seite 12 des Bescheides). Dazu wurde schon im ersten Rechtsgang ausgeführt, dass für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar ist, was das BFA unter einer "großen" Verurteilung versteht, zumal sich aus dem gesamten Bescheid nicht ergibt, weswegen im Jahr 2001 "die erste große Verurteilung" des Beschwerdeführers erfolgte. Das BFA hätte zu den vom ihm für die Erlassung des Aufenthaltsverbots herangezogenen Verurteilungen die entsprechenden Urteile beischaffen müssen. Diesbezüglich wurde daher der Sachverhalt nicht ermittelt.

Die Ausführungen der belangten Behörde zur Therapie des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Spielsucht sind widersprüchlich, da einerseits ausgeführt wird, diese sei anhängig und weiter notwendig (Seite 11 des Bescheides), andererseits wird vorgebracht, diese sei beendet (Seite 13 des Bescheides) und schließlich wird ausgeführt, diese müsste der Beschwerdeführer "derzeit weiter fortsetzen oder wurde diese auch beendet" (Seite 16 des Bescheides). Zudem wird dem Beschwerdeführer vorgeworfen, er habe dazu keine entsprechenden Nachweise vorgebracht. Dazu ist jedoch festzuhalten, dass der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme auf einen Therapiebericht verwiesen hat, wonach er gegenwärtig nicht mehr in Therapie sei (Seiten 14 und 15 der Stellungnahme). Das BFA hat es unterlassen, diesen Therapiebericht vom Beschwerdeführer einzuholen und konkret festzustellen, ob die Therapie des Beschwerdeführers beendet oder weiter notwendig ist. Diesbezüglich hat das BFA daher überhaupt keine Ermittlungen getätigt.

Auch hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers wurden vom BFA keine Ermittlungen getätigt. Hier führt das BFA an, dass die Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vom 20.07.2018 jenen in der Stellungnahme vom 13.12.2018 widersprechen würden (Seite 16 des Bescheides). Der Beschwerdeführer beantragte in der Stellungnahme vom 13.12.2018 hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens die Einvernahme seiner Lebensgefährtin und seiner volljährigen Kinder als Zeugen. Anhand solcher Zeugeneinvernahmen und einer Einvernahme des Beschwerdeführers selbst hätte aber festgestellt werden können, mit wem der Beschwerdeführer in Lebensgemeinschaft lebt. Dies wurde jedoch vom BFA gänzlich unterlassen und daher auch zum Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers keine Ermittlungen getätigt.

Hinsichtlich seiner minderjährigen Kinder führt der Beschwerdeführer in der Stellungnahme an, dass er für diese unterhaltspflichtig sei (Seite 18 der Stellungnahme). Im angefochtenen Bescheid wird dagegen ausgeführt, der Beschwerdeführer hätte keine Sorgepflichten (Seite 14 des Bescheides). Worauf sich diese Feststellung des BFA stützt, lässt sich dem gesamten Bescheid nicht entnehmen. Auch diesbezüglich ist der Sachverhalt daher erhoben worden.

Im vorliegenden Fall wären daher nach der zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes konkrete Feststellungen zu den einzelnen, den Verurteilungen des Beschwerdeführers zu Grunde liegenden Straftaten zu treffen gewesen (vgl. dazu VwGH 15.10.2015, Ra 2015/21/0133). Das BFA hätte daher sämtliche Urteile beischaffen und auf Basis dieser konkrete Feststellungen treffen müssen. Erst anhand solcher konkreter Feststellungen ist es möglich, eine Gefährdungsprognose vorzunehmen. Dabei ist insbesondere auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten - und nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung - sowie auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Es reicht daher nicht, auf "zwei kleine Verurteilungen" hinzuweisen, ohne in irgendeiner Form anzuführen, weswegen der Beschwerdeführer verurteilt wurde.

Es bedarf weiters der Einholung des Therapieberichts und einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit diesem. Zudem bedarf es der oben angeführten zeugenschaftlichen Einvernahmen und der Einvernahme des Beschwerdeführers.

Auf Basis dieser Ermittlungen muss schließlich ausgeführt werden, inwiefern das BFA aus der Art und Schwere der Straftaten und dem Persönlichkeitsbild eine nachhaltige und maßgebliche Gefährdung der öffentlichen Sicherheit (Maßstab des fünften Satzes des § 67 FPG) ableitet.

Das BFA hat im Sinne der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bloß ansatzweise ermittelt. Eine Nachholung des durchzuführenden Ermittlungsverfahrens und eine erstmalige Ermittlung und Beurteilung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht kann nicht im Sinne des Gesetzes liegen, vor allem weil das Ermittlungsverfahren nicht erst beim Bundesverwaltungsgericht beginnen und zugleich enden soll.

In der Gesamtschau ist der Aufhebung des angefochtenen Bescheides und der Zurückverweisung an die belangte Behörde zur Erlassung eines neuen Bescheides im Vergleich zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Bundesverwaltungsgericht unter dem Aspekt der Raschheit und der Kostenersparnis der Vorzug zu geben, zumal die Überlastung des Bundesverwaltungsgerichts als notorisch anzusehen ist. Das behördliche Verfahren erweist sich aus den dargelegten Gründen insgesamt als so mangelhaft, dass von dem in § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eingeräumten Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung Gebrauch zu machen war (VwGH 26.6.2014, Ro 2014/03/0063).

Der Bescheid war daher nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufzuheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das BFA zurückzuverweisen.

2. Zur Nichtgewährung des Durchsetzungsaufschubs wird darauf hingewiesen, dass der angefochtene Bescheid keine Begründung enthält, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 70 Abs. 3 FPG geboten sein soll.

In der Begründung wird dazu ausgeführt, dass der Beschwerdeführer zu zwei hohen unbedingten Haftstrafen verurteilt worden sei. Die letzte Verurteilung sei zwar schon 2012 gewesen, er sei aber erst 2015 aus der Haft entlassen worden und es seien seither noch keine vier Jahr vergangen und dieser Zeitraum sei für eine positive Zukunftsprognose wesentlich zu kurz. Es bestehe die Gefahr, dass er die wiedergewonnene Freiheit benützen könnte, neuerliche Straftaten zu begehen.

Zur zu § 70 Abs. 3 FPG inhaltlich nahezu gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 86 Abs. 3 FPG führte der Verwaltungsgerichtshof aus, dass die Versagung des Durchsetzungsaufschubes die nachvollziehbare Prognose verlangt, der Aufenthalt des Fremden für ein (weiteres) Monat gefährde die öffentliche Ordnung oder Sicherheit (vgl. VwGH 23.10.2008, 2008/21/0325 unter Hinweis auf VwGH 26.09.2007, 2007/21/0149).

Die Begründung des BFA erweist sich in diesem Sinne widersprüchlich und unvollständig, da das BFA davon ausgeht, der Beschwerdeführer könnte die seit 2015 wiedergewonnen Freiheit dazu nützen, erneut Straftaten zu begehen, lässt dabei aber gänzlich außer Betracht, dass der Beschwerdeführer seit seiner Haftentlassung 2015 bis zur Bescheiderlassung 2019 nicht straffällig wurde. Weshalb im Vergleich zu diesen ca. dreieinhalb Jahren, in denen der Beschwerdeführer nicht straffällig wurde, ein weiterer einmonatiger Aufenthalt des Beschwerdeführers nun die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden soll, ist nicht nachvollziehbar.

3. Zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese - anders als vom BFA im angefochtenen Bescheid angenommen [arg: "ist"] - nicht zwingend ist. Es setzt daher einer Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung entsprechenden Interessen in nachvollziehbarer Weise voraus. Das BFA hat eine solche Abwägung nicht vorgenommen, sondern nur die für die Aberkennung sprechenden Interessen angeführt, nicht jedoch die gegenläufigen Interessen des Beschwerdeführers.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung an das BFA ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Schlagworte

Aufenthaltsverbot, aufschiebende Wirkung - Entfall,
Begründungsmangel, Begründungspflicht, Behebung der Entscheidung,
Ermittlungspflicht, Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose,
Gesamtbetrachtung, Gesamtverhalten AntragstellerIn, Kassation,
konkrete Darlegung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Nachvollziehbarkeit, öffentliche Ordnung,
öffentliche Sicherheit, Privat- und Familienleben,
Sorgeberechtigter, Spielsucht, strafrechtliche Verurteilung,
Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L524.2115769.3.00

Zuletzt aktualisiert am

12.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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