TE OGH 2019/4/29 8Ob34/19m

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Veröffentlicht am 29.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann-Prentner, die Hofrätin Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** H*****, vertreten durch Dr. Hannes Lederer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei O***** GmbH, *****, vertreten durch MMag. Christian Mertens, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen (Revisionsinteresse) 10.000 EUR sA, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2018, GZ 3 R 202/18d-113, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 30. Juli 2018, GZ 53 C 18/17y-109, teilweise bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Teilurteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger brachte vor, die Beklagte habe ihn mit einer näher beschriebenen Reihe von Reparatur- und Servicearbeiten an einem defekten Plattenbohrwerk beauftragt. Es sei besprochen worden, dass der Kläger jene Arbeiten durchführen sollte, die für ein fach- und sachgerechtes Funktionieren der Maschine notwendig waren. Die Verrechnung sei nach Aufwand mit einem festen Stundensatz von 70 EUR vereinbart worden. Der Kläger habe den Auftrag erfüllt. Der ursprüngliche Klagsbetrag setzte sich aus fünf Teilrechnungen über insgesamt 43.686,20 EUR zusammen.

Die Beklagte wandte ein, dem Kläger sei es trotz wiederholter Aufforderung nicht gelungen, die Maschine einwandfrei funktionsfähig zu machen. Die von ihm durchgeführten Arbeiten seien nutzlos, seine Forderung deshalb nicht berechtigt und nicht fällig.

Nach Gutachtenserstattung durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen und nach der Durchführung eines außergerichtlichen Schlichtungsversuchs brachte die Beklagte vor, sie habe den geforderten Kapitalbetrag nunmehr zur Gänze an den Kläger bezahlt, behalte sich aber eine Rückforderung vor.

Der Kläger schränkte in der Folge das ursprüngliche Klagebegehren wegen Teilzahlung auf 10.000 EUR sA ein und dehnte es gleichzeitig um 15.620 EUR aufgrund einer Rechnung vom 2. 5. 2016 über im Zuge des Schlichtungsversuchs vereinbarte Arbeiten aus. Er brachte vor, die Beklagte habe entgegen ihrer Prozessbehauptung nicht den gesamten ursprünglichen Klagsbetrag, sondern nur 33.686,20 EUR ungewidmet bezahlt.

Die Beklagte bestritt die Teilzahlung nicht, ohne sich zum Grund für die Abweichung von ihrer Prozessbehauptung zu äußern.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ohne Sachverhaltsfeststellungen ab.

Das eingeschränkte Klagebegehren sei unschlüssig, weil der Kläger bis zur letzten Streitverhandlung trotz Aufforderung nicht vorgebracht habe, welche Rechnungen welchen Zeitraum betroffen haben, mit welcher Rechnung welche Leistungen abgerechnet wurden, welche Leistungen wie viele Arbeitsstunden erfordert haben und schließlich, auf welche Rechnungen die geleistete Teilzahlung angerechnet wurde. Die Vorlage der Rechnungen könne die Erstattung eines ausdrücklichen Prozessvorbringens nicht ersetzen.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel des Klägers teilweise Folge und hob das angefochtene Urteil im Umfang der ausgedehnten Klagsforderung von 15.620 EUR samt Zinsen sowie der Zinsen aus dem eingeschränkten Klagsbetrag zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung auf.

Die Abweisung des auf 10.000 EUR eingeschränkten ursprünglichen Klagebegehrens samt Zinsen bestätigte das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Teilurteil.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts, dass der Kläger mangels Widmung der Teilzahlung durch die Beklagte genau darlegen hätte müssen, welche der ursprünglich eingeklagten Werklohnforderungen in welchem Umfang überhaupt noch streitgegenständlich sind, weil der Umfang der Rechtskraftwirkung einer klagsstattgebenden Entscheidung ansonsten nicht beurteilt werden könnte.

Diese Überlegungen träfen hingegen nicht auf die ausgedehnte Klagsforderung sowie auf die für den bezahlten Betrag aufgelaufenen Zinsen zu, die sich nach derzeitigem Verfahrensstand als schlüssig darstellten.

Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision für zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehle, ob bei einer ungewidmeten Teilzahlung auf verschiedene Forderungen eine konkrete Aufschlüsselung des verbleibenden Begehrens aufgrund der gesetzlichen Tilgungsfolge des § 1416 ABGB unterbleiben könne.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Klägers, mit der er primär eine sofortige Klagsstattgebung, in eventu eine Aufhebung des Teilurteils anstrebt.

Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Teilurteil zu bestätigen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des Ausspruchs des Berufungsgerichts zur Korrektur einer den Vorinstanzen unterlaufenen Fehlbeurteilung zulässig. Sie ist auch berechtigt.

1. Ein Klagebegehren ist rechtlich schlüssig, wenn das Sachbegehren des Klägers materiell-rechtlich aus den von ihm zu seiner Begründung vorgetragenen Tatsachenbehauptungen abgeleitet werden kann (RIS-Justiz RS0037516). Die Bestimmtheit und Schlüssigkeit des Klagebegehrens ist eine Frage der rechtlichen Beurteilung (RS0037532).

1.1. Die Schlüssigkeit verlangt es nicht, dass der gesamte Tatbestand vorgetragen wird, sondern es genügt, wenn die rechtserzeugenden Tatsachen vollständig und knapp angeführt sind (RS0036973 [T15]). Bei Einklagung eines Saldos aus mehreren Teilrechnungen genügt der Verweis auf die vorgelegten Urkunden im Vorbringen; die einzelnen Positionen und die ihnen zugeordneten Beträge müssen nicht in der Klageerzählung ziffernmäßig angeführt werden (RS0037907; RS0036973 [T16]; Geroldinger in Fasching/Konecny3 III/1 § 226 ZPO Rz 89).

Die Einklagung eines Saldos ist grundsätzlich zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs trifft den Kläger lediglich – mangels (deklarativ) anerkannten Saldos – die Behauptungs- und Beweislast dafür, wie sich der geltend gemachte kausale Saldo errechnet (4 Ob 221/09t; vgl RS0037955).

1.2. Die Ansicht der Vorinstanzen, dass es hier ohne Aufschlüsselung des Klagsbetrags nicht möglich wäre, den Umfang der Rechtskraft eines stattgebenden Urteils zu bestimmen, gründet auf einem offenbaren Missverständnis der für diese Auffassung zitierten Rechtssatzkette (RS0031014), die hier nicht einschlägig ist. Es geht darin nicht um die Teilzahlung durch einen ungewidmeten Betrag durch die beklagte Partei, sondern umgekehrt um die Einklagung eines Pauschalbetrags, der sich aus mehreren Forderungspositionen zusammensetzt. In diesem Fall kann die Aufteilung des Pauschalbetrags nicht dem Gericht überlassen werden, sondern muss der Kläger eine Aufschlüsselung des Pauschalbetrags vornehmen (RS0037907 [T2, T3, T4]). Ein solches Problem stellt sich hier aber nicht.

Der Kläger hat sowohl vorgebracht, welcher Auftrag seiner Tätigkeit zugrundelag, als auch welche Arbeiten er erbracht hat sowie aus welchen einzelnen, als Urkunden vorgelegten Teilrechnungen sich der geltend gemachte Saldo zusammensetzt. Es kann auch kein Zweifel bestehen, dass sich aus seinem Vorbringen ein Anspruch auf Zahlung des Werklohns und dessen Fälligkeit ableiten lassen. Das ursprüngliche Klagebegehren war daher schlüssig.

2. Die Frage, wie eine Zahlung anzurechnen ist, wenn mehrere Schuldposten gegenüber demselben Gläubiger abzutragen sind, regelt § 1415 ABGB. Danach wird grundsätzlich diejenige Schuldpost für abgetragen gehalten, welche der Schuldner ausdrücklich mit Einwilligung des Gläubigers tilgen zu wollen erklärt hat.

Ist aber die Willenserklärung des Schuldners zweifelhaft oder hat der Gläubiger ihr widersprochen, sollen nach der dispositiven Regelung des § 1416 ABGB zuerst die Zinsen, dann das Kapital, von mehreren Kapitalien aber dasjenige, welches schon eingefordert, oder wenigstens fällig ist, und nach diesem dasjenige, welches schuldig zu bleiben dem Schuldner am meisten beschwerlich fällt, abgerechnet werden.

2.1. Wenn aufgrund einer Vereinbarung oder einer Widmung des Schuldners eine Zahlung entgegen den gesetzlichen Anrechnungsregeln angerechnet werden soll, hat die Vereinbarung bzw die Widmung derjenige zu beweisen, der sich auf die Abweichung von der gesetzlichen Tilgungsreihenfolge beruft (RS0118659). In allen anderen Fällen tritt ohne weiters die gesetzliche Tilgungsfolge ein (Reischauer in Rummel, ABGB II³ § 1416 Rz 5).

2.2. Das Wahlrecht, auf welche Schuldposten eine Zahlung angerechnet werden soll, hat nach § 1415 ABGB nur der Schuldner, und auch dies nur, soweit der Gläubiger einwilligt bzw nicht nach § 1416 ABGB widerspricht.

Der Gläubiger kann die gesetzliche Tilgungsfolge nur durch die Reihenfolge der Einforderung (8 Ob 157/99t = JBl 2001, 250) bestimmen und durch einen Widerspruch beeinflussen. Die Reihenfolge der Einforderung (8 Ob 157/99t = JBl 2001, 250; Reischauer aaO Rz 10) wirkt sich lediglich insofern aus, als sie den Rang innerhalb des § 1416 ABGB determiniert. Der Widerspruch gegen eine erklärte Widmung des Schuldners hat nicht zur Folge, dass sich der Gläubiger in der Folge die Widmung selbst aussuchen kann, sondern dass die gesetzliche Tilgungsfolge eintritt (Reischauer aaO Rz 11).

Mangels Zuordenbarkeit bilden innerhalb einer Geschäftsverbindung mehrere gleichrangig geltend gemachte – hier gleichzeitig eingeklagte – Schuldposten nach der Rechtsprechung insofern ein Ganzes, als Teilzahlungen nicht auf bestimmte Posten, sondern auf das Ganze geleistet werden (8 Ob 157/99t = JBl 2001, 250; SZ 40/119; 3 Ob 549/76 ua).

Der Kläger war daher berechtigt, die von der Beklagten ungewidmet gezahlte Summe von seiner gesamten Klagsforderung abzuziehen und jenen Saldo geltend zu machen, der ihm seiner Ansicht nach darüber hinaus zusteht (vgl 10 Ob 84/04g ua; RS0033898). Von einer Unschlüssigkeit eines solchen Begehrens kann keine Rede sein.

2.3. Soweit der Kläger bei seiner Klagseinschränkung abweichend von der Regelung des § 1416 ABGB nicht von einer vorrangigen Anrechnung auf die eingeklagten Zinsen Gebrauch gemacht hat, hat die Beklagte dies nicht bemängelt. Die Ankündigung, exakt den Kapitalbetrag gezahlt zu haben, war objektiv als konkludente Widmung des Schuldners zu verstehen, der der Kläger entsprochen hat.

3. Da die Vorinstanzen ausgehend von ihrer vom Obersten Gerichtshof nicht geteilten rechtlichen Beurteilung keinerlei Sachverhaltsfeststellungen getroffen haben, kann der Revision nur im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags Folge gegeben werden.

Der Vorbehalt der Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E125234

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00034.19M.0429.000

Im RIS seit

13.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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