TE OGH 2019/5/23 3Ob46/19i

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Veröffentlicht am 23.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, Wien 6, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei H***** AG, *****, vertreten durch Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, infolge Revision beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. November 2018, GZ 129 R 99/18d-17, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 31. Juli 2018, GZ 17 Cg 55/17w-11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 418,78 EUR (hierin enthalten 69,80 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (hierin enthalten 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger ist ein klageberechtigter Verein iSd § 29 KSchG. Die Beklagte betreibt österreichweit das Bankgeschäft und tritt dabei auch mit Verbrauchern iSd § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt. Sie verwendet im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern Allgemeine Geschäftsbedingungen „Kreditvertrag“, in denen unter anderem folgende – in dritter Instanz noch strittige – Klauseln enthalten sind:

1. Sollte der 3-Monats-Euribor unter einem Wert von 0 % liegen, wird für die Berechnung und Anpassung der Sollzinsen ein 3-Monats-Euribor von 0 % angenommen; entspricht derzeit 1,25 %.

3. Als Höchstzinssatz werden sechzehn Prozent pro Jahr vereinbart.

4. Sollte die [Beklagte] mit diesem Höchstzinssatz nicht das Auslangen finden, so ist sie bei Vorliegen der Voraussetzungen nach Punkt II. berechtigt, zusätzlich einen entsprechenden Verwaltungskostenbeitrag einzuheben.

6. Zur Sicherstellung aller Ansprüche […] sowie – sofern nichts anderes vereinbart – für alle gegenwärtigen und künftigen Finanzierungen sind der [Beklagten] nachstehende Sicherheiten zu bestellen [...]

10. Die [Beklagte] kann samt Zinsen, Verzugs- und Zinseszinsen geltend machen […]

b) alle notwendigen Kosten zweckentsprechender außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen, soweit diese vom Kunden verschuldet sind und in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.

Der Kläger begehrte ursprünglich, die Beklagte zur Unterlassung der Verwendung von insgesamt zwölf näher bezeichneten Klauseln – auch der fünf eben wiedergegebenen – zu verpflichten.

Die Beklagte wendete ein, die beanstandeten Klauseln seien nicht unzulässig.

Nach Abschluss eines Teilvergleichs in Bezug auf vier der beanstandeten Klauseln gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren unter Setzung einer viermonatigen Leistungsfrist teilweise – hinsichtlich dreier weiterer, in dritter Instanz nicht mehr relevanter Klauseln – statt und ermächtigte den Kläger insoweit zur Urteilsveröffentlichung. Das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der Klauseln 1, 3, 4, 6 und 10 sowie das Veröffentlichungsbegehren der Beklagten hinsichtlich des klageabweisenden Urteilsteils wies es ab.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil in teilweiser Stattgebung der Berufung des Klägers dahin ab, dass es dem Klagebegehren auch hinsichtlich der Klauseln 1, 3, 6 und 10 stattgab. Es ließ die ordentliche Revision zu, weil es sich zumindest teilweise um vom Obersten Gerichtshof noch nicht beurteilte Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Branche handle, die regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden und damit Verbrauchern bestimmt und von Bedeutung seien.

Gegen den die Klauseln 1, 3, 6 und 10 betreffenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision der Beklagten.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung, dieser Revision nicht Folge zu geben.

Gegen den die Abweisung des Klagebegehrens bezüglich Klausel 4 bestätigenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision des Klägers.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, diese Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig. Die Revision der Beklagten ist hingegen zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Zur Revision des Klägers

Der Kläger argumentiert, Klausel 4 sei gröblich benachteiligend, weil die Bank einen Verwaltungskostenbeitrag einheben dürfe, wenn sie mit dem Höchstzinssatz kein Auslangen mehr finde, und verstoße außerdem gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil die Umstände, nach denen die Bank ein höheres Entgelt verlangen dürfe, weder sachlich gerechtfertigt noch umschrieben seien und ihr Eintritt vom Willen der Beklagten abhänge. Da Klausel 4 nicht isoliert, sondern nur in Verbindung mit den Klauseln 1 und 3 betrachtet werden dürfe, sei die Wiederholungsgefahr trotz des von der Beklagten angebotenen Unterlassungsvergleichs nicht weggefallen. Bei den Klauseln 1, 3 und 4 handle es sich um eine Regelungseinheit, aus der Klausel 4 nicht herausgelöst werden könne.

Die Beklagte wendete ein, Klausel 4 gelange im Rechtsverkehr mit Verbrauchern nicht mehr zur Anwendung, und bot dem Kläger in der Folge den Abschluss eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleichs des Inhalts an, sich zu verpflichten, ab dem 31. Mai 2018 im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen und/oder Vertragsformblättern die Verwendung (ua) der Klausel 4 oder sinngleicher Klauseln und die Berufung auf diese oder sinngleiche Klauseln zu unterlassen, und der Kläger werde zur (näher umschriebenen) Veröffentlichung des Vergleichs auf Kosten der Beklagten ermächtigt.

Das Erstgericht qualifizierte Klausel 4 zwar als gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßend, weil völlig unklar bleibe, welche Umstände dafür maßgeblich sein sollten, dass die Beklagte „nicht das Auslangen finden“ könne und wie hoch eine „entsprechender Verwaltungskostenbeitrag“ sein solle, beurteilte jedoch den von der Beklagten angebotene Teil-Unterlassungsvergleich zu Klausel 4 als vollständige Unterwerfung, weil diese Klausel zu ihrer Prüfung keiner Beiziehung einer anderen Klausel bedürfe, sodass die Wiederholungsgefahr beseitigt und das Klagebegehren insoweit daher trotz Rechtswidrigkeit der Klausel abzuweisen sei.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Beurteilung. Klausel 4 sei zwar von Klausel 3 abhängig, weil sie sich auf den dort geregelten Höchstzinssatz beziehe; aber dennoch insofern eigenständig, als ihr Wegfall keinen Einfluss auf die Verbindlichkeit der Klauseln 1 und 3 hätte. Aus diesem Grund habe der von der Beklagten insoweit angebotene Unterlassungsvergleich die Wiederholungsgefahr beseitigt.

In seiner Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

1.1. Nach ständiger Rechtsprechung kann die
– (auch) für den Unterlassungsanspruch nach § 28 KSchG erforderliche – Wiederholungsgefahr nur durch vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gemäß § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung beseitigt werden (RIS-Justiz

RS0111637 [T7, T16]).

1.2. Ob eine vollständige Unterwerfung unter den Unterlassungsanspruch vorliegt, hängt unter anderem davon ab, ob sie sich auf eigenständige Klauseln bezieht. Nach der Rechtsprechung ist für die Qualifikation einer Klausel als eigenständig iSd § 6 KSchG nicht die Gliederung des Klauselwerks maßgeblich; es können vielmehr auch zwei unabhängige Regelungen in einem Punkt oder sogar in einem Satz der Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sein. Es kommt vielmehr darauf an, ob ein materiell eigenständiger Regelungsbereich vorliegt. Dies ist dann der Fall, wenn die Bestimmungen isoliert voneinander wahrgenommen werden können (RS0121187). Diese Beurteilung hat naturgemäß einzelfallbezogen zu erfolgen, weshalb sie in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft (RS0121187 [T8]).

1.3. Klausel 4 bezieht sich mit ihrem Verweis auf „diesen“ Höchstzinssatz zwar auf Klausel 3, hat darüber hinaus aber einen eigenständigen – von den Klauseln 1 und 3 losgelösten – Regelungsinhalt. Vor diesem Hintergrund ist die Beurteilung der Vorinstanzen, die Wiederholungsgefahr sei hinsichtlich Klausel 4 durch den insoweit angebotenen Unterlassungsvergleich weggefallen, jedenfalls vertretbar.

1.4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers hingewiesen.

II. Zur Revision der Beklagten

2.1. Die Auslegungsgrundsätze für Allgemeine Geschäftsbedingungen und Vertragsformblätter wurden bereits von den Vorinstanzen umfassend dargelegt; darauf wird verwiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

2.2. Klausel 1 und 3:

Der Kläger bringt vor, Klausel 1 sei in Kombination mit Klausel 3 und Klausel 4 zu lesen. Danach betrage die absolute Zinsuntergrenze 1,25 %, während die Obergrenze mit 16 % (Klausel 3) – unter Umständen noch mehr (Klausel 4) – festgelegt werde. Mangels adäquater Obergrenze werde gegen die gesetzlich gebotene Anpassungssymmetrie und damit gegen das Zweiseitigkeitsgebot des § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßen. Dies sei auch gröblich benachteiligend gemäß § 879 Abs 3 ABGB, weil der wirtschaftliche Wert der Zinssatzuntergrenze von 1,25 % für das Kreditinstitut unverhältnismäßig höher sei als der Wert einer Zinssatzobergrenze von 16 % für den Kreditnehmer. Dieses Ungleichgewicht werde noch dadurch verstärkt, dass die Obergrenze von 16 % laut Klausel 4 nicht einmal absolut sei.

Die Beklagte wendet ein, eine isolierte Verwendung der Klausel 1 (Zinsuntergrenze bei 0 %) wäre zwar wohl unzulässig, allerdings hätten die Vertragsparteien in keinem bisher entschiedenen Fall – anders als hier in Klausel 3 – auch eine Zinsobergrenze vereinbart.

Das Erstgericht vertrat die Auffassung, die Klauseln 1 und 3 verstießen nicht gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG, weil die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung eines Zinskorridors maßgeblich vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses und des dann gegebenen Zinsniveaus abhänge. Dabei handle es sich um einen Umstand, der im abstrakten Verbandsverfahren nicht berücksichtigt werden könne. Die Entwicklung von Verbraucher-Hypothekarkreditzinsen in den zweistelligen Bereich erscheine aus heutiger Sicht in den nächsten Jahren zwar nicht wahrscheinlich, aber über 25 Jahre auch nicht ausgeschlossen. Die vorgesehenen 16 % seien zwar aus heutiger Sicht hoch angesetzt, entgegen der Ansicht des Klägers aber nicht absurd, was jedoch Voraussetzung für eine absolute Untersagung der Klausel im Verbandsverfahren wäre. Die Klauseln seien auch nicht gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil eine allfällige gröbliche Benachteiligung nur im Einzelfall vorliegen könnte und keine generelle Benachteiligung durch einen jedenfalls überhöhten Maximalzinssatz von 16 % bestehe.

Das Berufungsgericht erachtete beide Klauseln als unwirksam. Zur Rechtfertigung der Klausel 1 bedürfe es jedenfalls einer Zinsendeckelung auch in die andere Richtung, wie sie Klausel 3 grundsätzlich vorsehe. Die beiden Zinsdeckelungen müssten zueinander jedoch in angemessenem Verhältnis stehen. Die hier vereinbarten 16 % seien jedenfalls zu hoch. Klausel 3 könne daher keine Rechtfertigung für Klausel 1 iSd § 6 Abs 1 Z 5 KSchG darstellen.

In ihrer Revision macht die Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe ohne jede Tatsachengrundlage (ohne Aufnahme der in erster Instanz beantragten Beweise) die Obergrenze von 16 % als zu hoch erachtet. Da von Fall zu Fall unterschiedliche Zinsuntergrenzen vereinbart werden könnten, sei ein generelles Verbot einer bestimmten Obergrenze von vornherein ausgeschlossen. Ein Unterlassungsurteil würde nicht nur heute abgeschlossene Verträge erfassen, sondern auch Kredite, die erst in 15 Jahren auf dann weitere 25 Jahre abgeschlossen würden; ob aber in 40 Jahren eine Obergrenze von 16 % angemessen sei, lasse sich heute nicht beurteilen. Angesichts der vor allem bei langfristigen Krediten bestehenden völligen Ungewissheit, wie sich das Zinsniveau während der Laufzeit entwickeln werde, wäre jeder von den Parteien festgelegten Prozentsatz willkürlich und liefe Gefahr, an § 6 Abs 1 Z 5 KSchG zu scheitern. Aus diesem Grund könne diese Frage nicht in einem Verbandsprozess, sondern nur von Fall zu Fall im Individualverfahren geklärt werden.

Der Senat hat erwogen:

2.2.1.

 § 6 Abs 1 Z 5 KSchG idF der Novelle BGBl I 1997/6 sieht die Zweiseitigkeit von Preisgleitklauseln vor, sodass der Unternehmer gegebenenfalls auch den Preis herabzusetzen hat. Eine solche Verpflichtung muss bestehen, um eine ausgewogene Verteilung der Vor- und Nachteile zu gewährleisten und um Regelungen allein zu Lasten des Verbrauchers auszuschließen. Nach dem Normzweck hat daher bei Zinsgleitklauseln eine Entgeltsenkung im gleichen Ausmaß und in der gleichen zeitlichen Umsetzung wie eine Entgeltsteigerung zu erfolgen, um den Verbraucherschutz zu gewährleisten (5 Ob 266/02g mwN;

RS0117365 [T8]).

2.2.2. Der Oberste Gerichtshof hat im Hinblick darauf bereits ausgesprochen, dass Kreditverträge mit einer Zinsuntergrenze, aber ohne Zinsobergrenze gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstoßen (4 Ob 60/17b; 4 Ob 107/17i). Daran ist festzuhalten. Entgegen der Ansicht der Beklagten kann daher keine Rede davon sein, dass Klausel 1 für sich allein jedenfalls zulässig wäre.

2.2.3. Im vorliegenden Fall beinhaltet Klausel 3 zwar eine Zinsobergrenze. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass kein Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG vorliegt. Im Hinblick darauf, dass Zinsgleitklauseln der Wahrung der ursprünglichen vertraglichen Äquivalenz zwischen Leistung und Gegenleistung dienen (Kronthaler, „Negativzinsen“. Bestandsaufnahme und weitere offene Fragen, ALJ 2018, 26 [34 f mwN]), muss einer Mindestverzinsung eine wirtschaftlich gleichwertige Höchstverzinsung gegenüberstehen, um dem Erfordernis der Zweiseitigkeit zu genügen (Told, Zinsgleitklauseln und Referenzzinssatz vor und nach Vorhersehbarkeit des negativen Referenzniveaus, ÖBA 2017, 828 [845]). Die Zinsuntergrenze muss also durch eine in Relation dazu angemessene Obergrenze ausgeglichen werden (Haghofer, Zur Wirksamkeit von Mindestverzinsungsklauseln, ecolex 2017, 291 [292]).

2.2.4. Zur Ermittlung der angemessenen (wirtschaftlich gleichwertigen) Zinsobergrenze wird im Schrifttum überwiegend die sogenannte „Barwertmethode“ herangezogen, die die unterschiedlichen Eintrittswahrscheinlichkeiten von Veränderungen des Referenzzinssatzes aufgrund der herrschenden Marktgegebenheiten berücksichtigt (Kronthaler, ALJ 2018, 26 [45] mwN).

2.2.5. Der Ansicht der Beklagten, im abstrakten Verbandsverfahren könne die sachliche Rechtfertigung eines Zinskorridors von vornherein nicht berücksichtigt werden, weil diese vom Zeitpunkt des konkreten Vertragsabschlusses abhänge, ist zu erwidern, dass im vorliegenden Verfahren (nur, aber immerhin) die sachliche Rechtfertigung des sich konkret aus den inkriminierten Klauseln ergebenden Zinskorridors (1,25 % bis 16 %) zu beurteilen ist, und zwar nach allgemeinen Regeln aufgrund der Sachlage bei Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz. Dementsprechend muss die Beklagte auch nicht befürchten, im Fall eines künftig allenfalls deutlich höheren Zinsniveaus durch eine Klausel 3 entsprechende Vereinbarung gegen den Unterlassungstitel zu verstoßen.

2.2.6. Es trifft zwar zu, dass das Erstgericht keine Feststellungen zur (Un-)Angemessenheit der Zinsobergrenze getroffen hat. Diese sind hier allerdings auch nicht erforderlich. Angesichts des nach den Kreditbedingungen der Beklagten zu zahlenden Aufschlags von 1,25 % auf den Referenzzinssatz müsste der 3-Monats-Euribor nämlich auf über 14,75 % steigen, damit der Kreditnehmer vom vorgesehenen Höchstzinssatz von 16 % profitieren könnte. Insoweit geht aber auch die Beklagte selbst nicht davon aus, dass sich der Referenzzinssatz (im hier relevanten Zeitraum) derart entwickeln könnte: Sieht sie doch in ihren Vertragsbedingungen für die Verzugszinsen (die sie – nach der bereits vom Erstgericht rechtskräftig für unzulässig erklärten Klausel 2 mit „4 % [ersichtlich gemeint: 4 Prozentpunkte; vgl 3 Ob 10/15i = RS0130051] über jeweiligem Sollzinssatz, kapitalisiert und fällig zu den Zinsterminen“ definierte) ebenfalls eine Obergrenze von 16 % vor. Auch von ihr wird also offenkundig – durchaus im Einklang mit dem gegenwärtigen Zinsniveau – vorausgesetzt, dass die Sollzinsen (inklusive Aufschlag auf den 3-Monats-Euribor) jedenfalls unter 12 % bleiben werden. Ausgehend davon ist aber die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Zinsobergrenze von 16 % sei unangemessen hoch, nicht zu beanstanden.

2.3. Klausel 6:

Der Kläger argumentiert, diese Klausel sei gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 1 und 3 ABGB, weil sie vorsehe, dass die Sicherheiten auch für alle künftigen Forderungen der Bank gegenüber dem Kreditnehmer bestellt würden. Darin liege, wie der Oberste Gerichtshof bereits zu 6 Ob 212/09h zu einer vergleichbaren Klausel in einem Bürgschaftsvertrag ausgesprochen habe, ein Verstoß gegen das Spezialitätsprinzip, wonach das Pfandrecht nur an individuell bestimmten Einzelsachen begründet werden könne und eben nicht pauschal für alle möglicherweise künftigen Finanzierungen. Dies gelte auch für das (hier betroffene) Verhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Die Verpfändung einer Sache für künftige Forderungen sei nur wirksam, wenn – neben den Personen, zwischen denen die Forderung entstehen solle – der Rechtsgrund bezeichnet sei, auf dem die zu sichernde künftige Forderung beruhe. Diese Voraussetzung erfülle die Klausel nicht. Die Beklagte greife mit dieser Klausel in die Interessen des Kreditnehmers zu ihren eigenen Gunsten ein. In der zitierten Entscheidung sei auch ein Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG und gegen § 864a ABGB festgestellt worden, weil es sich um eine ungewöhnliche und überraschende Klausel handle. Die Grundsätze für die Wirksamkeit der „Erstreckungsklausel“ beim Bürgschaftsvertrag seien auch auf den Pfandvertrag zu erstrecken, weil sie ursprünglich gerade anhand dinglicher Sicherheiten entwickelt worden seien (6 Ob 259/06s). Für den Kreditnehmer sei bei Abschluss des Kreditvertrags noch nicht erkennbar, auf welche künftigen Finanzierungen sich die bestellten Sicherheiten ebenfalls erstrecken könnten. Zwar hafte der Kreditnehmer persönlich und unbeschränkt für die Rückführung des Anlasskredits, dies berechtigte die Kreditgeberin aber nicht dazu, Sicherheiten auf alle künftigen Finanzierungen zu erstrecken, deren Rechtsgrund noch ungewiss sei.

Die Beklagte wendet ein, die Entscheidung 6 Ob 212/09h sei nicht einschlägig, weil es sich hier nicht um eine Regelung zwischen Kreditgeber und Bürgen handle, sondern die Klausel ausschließlich das Verhältnis zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer selbst betreffe und auch kein Fall einer Drittpfandbestellung oder eines erweiterten Eigentumsvorbehalts wie in der Entscheidung 4 Ob 221/06p vorliege. Der Kreditnehmer könne – anders als ein möglicherweise nicht in die weitere Kreditaufnahme eingebundener Bürge – von einer Erstreckung der hypothekarischen Sicherheiten auf weitere durch ihn selbst abgeschlossene Finanzierungen nicht überrascht werden. Für ihn bestehe also kein „von vornherein unabschätzbares Zahlungsrisiko“ (6 Ob 95/16p). Abgesehen davon, dass die hypothekarische Besicherung betragsmäßig auf den Wert der bestellten Sicherheiten beschränkt sei, hafte der Kreditnehmer ohnehin persönlich und unbeschränkt für die Rückführung des Anlasskredits sowie der durch ihn zusätzlich abgeschlossenen Finanzierungen. Auch eine Höchstbetragshypothek könne zur Sicherung von Forderungen begründet werden, die erst aufgrund künftiger Kreditverträge entstehen würden. Eine solche Erstreckungsklausel sei zum Vorteil des Kreditnehmers, weil er für den Fall einer weiteren Kreditaufnahme die Eintragungsgebühr nicht nochmals zahlen müsse. In der beanstandeten Klausel werde außerdem die Sicherstellung für künftige Finanzierungen ausdrücklich unter den Vorbehalt einer abweichenden Vereinbarung gestellt. Die Klausel sei auch – anders als in dem der Entscheidung 4 Ob 221/06p zugrunde liegenden Fall – weder überraschend noch ungewöhnlich, zumal sie sich direkt unter der Überschrift „Sicherheiten“ finde, also genau an jener Stelle des Vertrags, an der ein durchschnittlicher Kreditnehmer sie vermuten würde. Sie sei auch klar und für jedermann verständlich formuliert. Während der Bürge für eine fremde Schuld hafte (und im Fall der Wirksamkeit einer Vollstreckungsklausel eine Ausweitung seiner Haftung nicht mehr verhindern könnte), könne der Kreditnehmer selbst frei entscheiden, ob er einen weiteren Kredit bei der Beklagten aufnehme. Das Pfandrecht wiederum unterscheide sich von der Bürgschaft auch darin, dass es ein dingliches Recht auf vorrangige Befriedigung schaffe und sich daher nicht gegen den Kreditnehmer richte, der ohnedies für die Schuld persönlich hafte, sondern nur gegen dessen Gläubiger. Da der Pfandbesteller außerdem nur mit der verpfändeten Sache hafte, könne sich anders als bei einer Bürgschaft auch keine Unabsehbarkeit der Einstandspflicht ergeben.

Das Erstgericht erachtete diese Klausel als zulässig; der Kreditnehmer und Pfandbesteller sei ausreichend geschützt, weil er nicht durch zusätzliche Pfandforderungen überrascht werden könne.

Das Berufungsgericht vertrat demgegenüber die Ansicht, der Geltungsumfang von Klausel 6 sei jedenfalls im Hinblick auf den Rechtsgrund nicht bestimmbar, weil die Formulierung „zur Sicherstellung aller Ansprüche für alle gegenwärtigen und künftigen Finanzierungen“ nach der kundenfeindlichsten Auslegung eine schrankenlose Haftung der einmal beigebrachten Sicherheiten für sämtliche sich aus zukünftigen Finanzierungen ergebenden Ansprüche zulasse. Gegen eine Erstreckung spreche auch die in 4 Ob 221/06p aufgeworfene Problematik einer Drittpfandbestellung, die von der Klausel nach ihrem Wortlaut genauso umfasst sei.

In ihrer Revision wiederholt die Beklagte ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Der Senat hat erwogen:

2.3.1. Der Beklagten ist grundsätzlich dahin zuzustimmen, dass eine Höchstbetragshypothek auch für bedingte und künftige Forderungen wirksam bestellt werden kann, sofern diese ausreichend bestimmbar sind (3 Ob 34/94 [verstärkter Senat] SZ 69/159 =

RS0011375 [T1]).

Bei Forderungen müssen der Rechtsgrund, der Gläubiger und der Schuldner feststehen; auch in solchen Fällen entsteht das Pfandrecht schon mit der Pfandbestellung (7 Ob 75/98z = RS0011375 [T2]). Diese Voraussetzungen sind hier an sich erfüllt.

2.3.2. Nach der Rechtsprechung ist eine Klausel, wonach eine Bürgschaft zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Bank gegen den Hauptschuldner übernommen wird, sodass sich die Haftung des Bürgen auch auf andere Ansprüche als jene erstrecken soll, die eigentlicher Anlass der Verbürgung sind, dem Bürgen also ohne jede Obergrenze die Haftung für alle künftigen Forderungen der Bank auferlegt werden soll, gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 1 und 3 ABGB (6 Ob 212/09h mwN = RS0016914 [T43]). Nichts anderes gilt im Fall einer (Dritt-)Pfandbestellung (vgl 6 Ob 259/06s; 4 Ob 221/06p).

2.3.3. Es trifft zwar zu, dass der Kreditnehmer selbst für alle seine Verbindlichkeiten aus seinen (gegenwärtigen und künftigen) Kreditverträgen mit seinem gesamten Vermögen haftet, sodass es nicht als gröblich benachteiligend angesehen werden könnte, dass sich ein von ihm an seiner Liegenschaft eingeräumtes Höchstbetragspfandrecht auch auf seine allfälligen künftigen Kreditverbindlichkeiten gegenüber der Bank erstreckt.

2.3.4. Allerdings ist dem Berufungsgericht dahin zuzustimmen, dass sich der Wortlaut der bekämpften Klausel – nach der im Verbandsprozess relevanten kundenfeindlichsten Auslegung – nicht zwingend nur auf eine im Eigentum des Kreditnehmers stehende Liegenschaft bezieht (auch wenn dies nach dem den Anlassfall für die Verbandsklage bildenden Kreditvertrag zutraf), sondern genauso im Fall einer Drittpfandbestellung verwendet werden könnte.

2.3.5. Aus diesem Grund ist Klausel 6 aus den zu 6 Ob 212/09h dargelegten Gründen als gröblich benachteiligend zu qualifizieren.

2.4. Klausel 10:

Der Kläger bringt vor, diese Klausel sei unzulässig, weil sie eine Ergänzung zu Klausel 2 [„Verzugszinsen: 4 % über jeweiligem Sollzinssatz; kapitalisiert und fällig zu den Zinsterminen ...“] darstelle und der Verzugszinsenzuschlag eine Konventionalstrafe für die Nichteinhaltung der Erfüllungszeit sei. Klausel 10 regle den Ersatz von weiteren Schäden neben der Konventionalstrafe. Damit ein die Vertragsstrafe übersteigender Teil vom Gläubiger geltend gemacht werden könne, müsse dieser bei Verbrauchergeschäften im Einzelnen ausverhandelt worden sein.

Die Beklagte wendet ein, die Klausel sei weder intransparent noch gröblich benachteiligend. Es handle sich bei den Verzugszinsen laut Klausel 2 nicht um eine Konventionalstrafe, weshalb Klausel 10 auch keine unzulässige Forderung iSd § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB sei. Betreibungskosten könnten unabhängig von Verzugszinsen gefordert werden, weil sie einen anderen Aufwand bzw Schaden abdeckten.

Das Erstgericht schloss sich dem Standpunkt der Beklagten an. Klausel 10 sei zulässig, weil die Verrechnung von Verzugszinsen neben Betreibungs- und Einbringungskosten zulässig sei.

Das Berufungsgericht erachtete auch Klausel 10 als unzulässig. Die vom Erstgericht zitierte Entscheidung 10 Ob 14/18h beziehe sich auf einen Kreditkartenvertrag und damit nicht auf einen Vertrag, der eine Zurverfügungstellung von Geld gegen Zinsen bereits als Kerngegenstand habe. Bei einem solchen Vertrag müsse wohl davon ausgegangen werden, dass der Umstand, das Geld über im Vorhinein feststehende Perioden nicht zur Verfügung zu haben, bereits in die Berechnung der Gegenleistung in Form der Sollzinsen eingeflossen sei und damit abgedeckt werde. Nach der Rechtsprechung sei § 1336 ABGB für Verzugszinsen und darüber hinausgehend eingehobene Kosten relevant; Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen übersteigenden Zinssatz komme der Charakter einer Vertragsstrafe zu (9 Ob 11/18k; 6 Ob 120/15p). Klausel 10 sei daher nicht mit der allgemeinen Unterscheidung zwischen Verzugszinsen und Betreibungskosten zu rechtfertigen; weiters sei sie nicht im einzelnen ausgehandelt worden. Außerdem sei sie auch aufgrund ihrer Bezugnahme auf die rechtskräftig als unwirksam erkannte Klausel 2 intransparent.

In ihrer Revision argumentiert die Beklagte, Verzugszinsen seien nicht mit Eintreibungskosten gleichzusetzen; vielmehr sei zwischen der Funktion von Betreibungs- und Einbringungskosten einerseits und Verzugszinsen andererseits zu unterscheiden. Verzugszinsen deckten nicht die Betreibungskosten ab, sondern nur jenen Schaden, der darin liege, dass der Schuldner zum Fälligkeitszeitpunkt nicht gezahlt habe und daher ab diesem Zeitpunkt eine andere Refinanzierung erforderlich sei. Das Berufungsgericht gehe ohne jede Tatsachengrundlage (und unrichtig) davon aus, dass der Sollzinssatz so kalkuliert sei, dass er auch die Verwaltungs- und Ausfallkosten abdecke.

Der Senat hat erwogen:

2.4.1. Nach der Rechtsprechung wird der Vereinbarung von Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen erheblich übersteigenden Zinssatz der Charakter einer Vertragsstrafe zuerkannt (

RS0016563 [T2]; jüngst 6 Ob 120/15p [Punkt 3.19] mwN). Gemäß § 1336 Abs 3 ABGB kann der Gläubiger neben einer Konventionalstrafe den Ersatz eines diese übersteigenden Schadens geltend machen; in Verbraucherverträgen muss dies allerdings im Einzelnen ausgehandelt werden. Vor diesem Hintergrund erachtete der Oberste Gerichtshof zu 6 Ob 120/15p [Punkt 3.19] eine Klausel, wonach der Kreditnehmer einerseits zusätzlich zum jeweiligen Sollzinssatz Verzugszinsen von 5 % pa zu leisten und darüber hinaus den aufgrund seines Verschuldens tatsächlich entstandenen Schaden zu ersetzen hat, als wegen Verstoßes gegen § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB unzulässig.

2.4.2. Der durch die Verzugszinsen abgedeckte Schaden liegt darin, dass der Gläubiger das Geld nicht zum Fälligkeitszeitpunkt zur Verwendung zur Verfügung hat (RS0109502 [T6]). Verzugszinsen dienen nicht dazu, Betreibungs- oder Einbringungskosten iSd § 1333 Abs 2 ABGB abzudecken (10 Ob 14/18h). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist kein Grund ersichtlich, warum diese Beurteilung, an der festzuhalten ist, nicht auch für Kreditverträge gelten sollte.

2.4.3. Daraus folgt, dass es sich bei den in Klausel 10 angesprochenen Betreibungs- und Einbringungskosten gerade nicht um einen den in Form der vereinbarten Verzugszinsen pauschalierten Schadenersatz iSd § 1336 ABGB übersteigenden Schaden handelt, sodass die Klausel nicht schon mangels gesonderter Aushandlung iSd § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB unzulässig ist.

2.4.4. Allerdings bezieht sich, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, Klausel 10 infolge bereits rechtskräftigen Wegfalls von Klausel 2 auf nicht näher begrenzte (Verzugs-)Zinsen und ist daher intransparent.

2.5. Die Revision der Beklagten muss daher erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt nur 12.000 EUR (80 % des Berufungsinteresses von 15.000 EUR), weil Gegenstand der Revision der Beklagten nur vier der fünf in zweiter Instanz noch strittigen Klauseln sind.

Textnummer

E125241

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00046.19I.0523.000

Im RIS seit

13.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.06.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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