TE OGH 2019/3/27 34R44/14m

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.03.2019
beobachten
merken

Kopf

Das Oberlandesgericht Wien hat als Rekursgericht ***** wegen Eintragung einer dreidimensionalen Marke über die als Rekurs zu behandelnde Beschwerde der Antragstellerin gegen den (Teil-)Beschluss des Patentamts vom 15.5.2013, AM 1889/2008-22, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Das mit Beschluss vom 23.7.2014 unterbrochene Rekursverfahren wird fortgesetzt.

Der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird abgewiesen.

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben. Der Beschluss wird abgeändert und lautet:

«1. Die dreidimensionale Marke

ist mit folgendem Schutzumfang ins Markenregister nach § 4 Abs 2 MSchG einzutragen:

30       Kakao, Kakaoerzeugnisse, Schokolade, Schokoladewaren; Kakao, Kakaoerzeugnisse, Schokolade, Schokoladewaren und/oder Kaffee, soweit erforderlich hergestellt unter Verwendung von Gelatine und/oder Stärke oder modifizierte Stärke enthaltenden Bindemitteln sowie Verdickungsmitteln und unter Zugabe von Gewürzen sowie anderen geschmacksgebenden Zutaten.

2. Der Antrag, die Marke auch für die Waren in den Klassen

29       Desserts, im Wesentlichen bestehend aus Milch, Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne und Milchpulver.

30       Back- und Konditorwaren, feine Backwaren, Zuckerwaren, im Wesentlichen aus Reis, Mehl und/oder Getreide hergestellte Nahrungsmittel, auch in Form von Fertiggerichten; Frühstücksgetreidepräparate; Getreidepäparate für Nahrungszwecke; Speiseeis; gefrorenes Konfekt; Pudding; Zuckerwaren, Fruchtzubereitungen, Getreidezubereitungen, Konditorwaren, Backwaren, feinen Backwaren, soweit erforderlich hergestellt unter Verwendung von Gelatine und/oder Stärke oder modifizierte Stärke enthaltenden Bindemitteln sowie Verdickungsmitteln und unter Zugabe von Gewürzen sowie anderen geschmacksgebenden Zutaten.

einzutragen, wird abgewiesen.»

Der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteigt EUR 30.000.

Der ordentliche Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

Begründung

Text

1. Die Antragstellerin beantragt die Eintragung der im Spruch abgebildeten dreidimensionalen Marke („KitKat 4 Finger-Form“) für die im Spruch genannten Warenklassen sowie für „Zucker“ und „Kaugummi für nicht medizinische Zwecke“ in der Klasse 30.

2. Mit dem nunmehr angefochtenen (Teil-)Beschluss wies das Patentamt die Eintragung für alle Waren mit Ausnahme von „Zucker“ und „Kaugummi für nicht medizinische Zwecke“ aus dem Grund des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG ab; nach Rechtskraft soll das Registrierungsverfahren für „Zucker“ und „Kaugummi für nicht medizinische Zwecke“ fortgesetzt werden. Es führte begründend an, dass bei den Umfrageergebnissen bestenfalls auf den „engeren Kreis“ der Verkehrskreise abzustellen sei. Bei der vorliegenden Warenform handle es sich um eine Grundform, die in einem erheblichen Ausmaß produktionstechnisch und/oder verzehrtechnisch bedingt sei. Es existierten andere Produkte anderer Hersteller mit ähnlicher Form, und diese würden von den befragten Verkehrskreisen auch genannt. Eine Zuordnungsverwirrung sei also im bestimmten Maß bereits Realität. Die angemeldete Marke bestehe aus einer dreidimensionalen Darstellung einer handelsüblichen Form für Süßwaren, nämlich Schokolade und Schokoladewaren. Die beteiligten Verkehrskreise würden bei den gegenständlichen Waren nur einen Hinweis darauf sehen, dass es sich dabei um irgend eine/n beliebige/n Schokolade/-riegel handle.

Es fehle daher die Unterscheidungskraft. Das betreffende Marktsegment sei verhältnismäßig eng besetzt, weshalb ein erhebliches Freihaltebedürfnis für diese Warenform anzunehmen sei. Insofern müssten für eine Registrierung die Ergebnisse des Anteils der Verkehrsgeltung in Prozent wesentlich höher liegen, als aus den vorgelegten Unterlagen bei aller wohlwollenden Prüfung abzuleiten sei, nämlich – sofern ein Grenzwert genannt werden solle – weit über 50 % – ein Anteil an den Verkehrskreisen also, der so bedeutsam sei, dass eine Monopolisierung des angemeldeten Zeichens trotz aller entgegenstehender Aspekte zu rechtfertigen sei. Das Vorliegen von Verkehrsgeltung sei daher nicht nachgewiesen, weil die erreichte Prozentzahl (mag sie nun mehr oder weniger weit über 50 % liegen) zu gering sei.

3. Gegen diesen (Teil-)Beschluss richtet sich die an die Rechtsmittelabteilung des Patentamts gerichtete Beschwerde der Antragstellerin, die nach der Gesetzesänderung durch die Patent- und Markenrechts-Novelle 2014, BGBl I 2013/126, ab 1.1.2014 als Rekurs zu werten ist, über den das Oberlandesgericht Wien zu entscheiden hat (§ 77c Abs 1 MSchG, § 176b Abs 1 Z 1 PatG). Beantragt wird, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen (und die Öffentlichkeit für diese Verhandlung auszuschließen), den Beschluss vom 15.5.2013 im Umfang der teilweisen Schutzrechtsverweigerung aufzuheben und die Registrierung im Umfang des angemeldeten Warenverzeichnisses zuzulassen.

4.1 Da die Frage des Nachweises der Verkehrsgeltung Gegenstand insbesondere des Verfahrens T-112/13 des EuG gewesen ist und erwartet werden konnte, dass daraus weiterführende Informationen zu erhalten sein werden, war es – nach Anhörung der Antragstellerin – tunlich und im Sinne der Verfahrensökonomie zweckmäßig, das Rekursverfahren gemäß § 25 Abs 2 AußStrG bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens T-112/13 des EuG zu unterbrechen.

4.2 Mit Antrag vom 22.1.2019 beantragte die Antragstellerin die Fortsetzung des Rekursverfahrens. Neben dem Verfahren C-215/14 des EuGH sei nunmehr auch das Verfahren T-112/13 des EuG rechtskräftig abgeschlossen. Das EuG habe in seiner Entscheidung festgehalten, dass für elf Mitgliedsstaaten, darunter Österreich, der Beweis der Verkehrsgeltung für die dreidimensionale Marke „KitKat 4 Finger-Form“ erbracht worden sei. Dabei sei die von einem auf Marktforschung spezialisierten Unternehmen durchgeführte Umfrage der Antragstellerin berücksichtigt worden, wobei sowohl die Methodik als auch die Repräsentativität der Stichprobe als angemessen erachtet worden seien. Nach den Ergebnissen dieser Umfrage betrage die Quote der Wiedererkennung der Marke ohne Hilfestellung 54 %. Darüber hinaus habe das EuG auf die Daten in der Tabelle N verwiesen, die die schwache, aber beständige Präsenz dieser Marke auf dem österreichischen Markt belege: Im Jahr 2005 habe der Umsatz des als „KitKat 4 Fingers“ bezeichneten Produkts EUR 1 Mio betragen, 2006 EUR 1,3 Mio und 2007 EUR 1,4 Mio; das repräsentiere 2005 1,7 %, 2006 2 % und 2007 2,1 % des Marktsegments aus allen Arten von Riegeln und entspreche der 19., 17. und 16. Position in der Rangliste, die auf der Grundlage der Marktanteile in diesem Segment für diese Jahre ermittelt worden sei. Ausgehend von diesen Beweisen habe das EuG zu Recht Österreich in Rn 83 der angefochtenen Entscheidung zu jenen Mitgliedsstaaten (hinzu)gezählt, in deren Hoheitsgebiet die Antragstellerin als gewerblicher Ursprung der Ware in Form der angefochtenen Marke identifiziert worden sei.

Rechtliche Beurteilung

5. Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

6. Verfahrensgesetze sind, sofern nicht ausdrücklich eine andere Regelung getroffen wurde, immer nach dem letzten Stand anzuwenden (RIS-Justiz RS0008733). § 37 Abs 3 MSchG idF BGBl I 2013/126 verweist auf § 139 PatG und damit auf dessen Einleitungssatz, der – mit gewissen, hier nicht interessierenden Ausnahmen – die sinngemäße Anwendung des AußStrG anordnet.

Eine mündliche Verhandlung findet im Rekursverfahren nach § 52 Abs 1 erster Satz AußStrG nur statt, wenn das Rekursgericht eine solche für erforderlich erachtet. Selbst bei Vorliegen eines Antrags ist eine solche nicht zwingend vorzunehmen (RIS-Justiz RS0120357; zustimmend Klicka in Rechberger, AußStrG2 § 52 Rz 1).

Besondere Sachverhaltsfragen stellen sich hier nicht, und auch die Rechtslage ist nicht von besonderer Komplexität. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist in der Regel eine Rechtsfrage. Daher steht auch Art 6 EMRK dem Unterbleiben einer Verhandlung nicht entgegen (VfGH B 681/2012; 4 Ob 11/14t, Expressglass; Dokalik in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 37 Rz 19).

7.1 Vorauszuschicken ist, dass im Rekurs ausschließlich thematisiert wird, ob das angemeldete Zeichen allein aufgrund seiner Verkehrsgeltung gemäß § 4 Abs 2 MSchG zu registrieren ist; auf die originäre Unterscheidungskraft der beanspruchten Marke kommt es für die im Spruch ersichtlichen Waren der Klassen 29 und 30 (in Bezug auf die Waren „Zucker“ und „Kaugummi für nichtmedizinische Zwecke“ wird das Registrierungsverfahren erst nach Rechtskraft fortgesetzt werden) nicht (mehr) an. Die Antragsstellerin geht mit ihrem Rekursvortrag selbst daher davon aus, dass dem Zeichen die originäre Unterscheidungskraft nach § 4 Abs 1 Z 3 MSchG für diese Waren fehlt, sie meint aber, dass dieses Registrierungshindernis durch die durch Benutzung erworbene Unterscheidungskraft überwunden ist (vgl statt vieler Mutz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz² § 4 Rz 327 mwN; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG12 § 8 Rz 342).

7.2 Hervorzuheben ist, dass die Entscheidung T-112/13 des EuG und jene des EuGH in der verbundenen Rechtssache zu C-84/17 P, C-85/17 P und C-95/17 P nur Informationszweck haben; sie sind weder präjudizell für das Ergebnis dieser Entscheidung noch entfalten die Begründungen irgendwelche Bindungswirkungen – vgl dazu das erfolglose Rechtsmittel gegen Teile der Begründung in T-112/13, nämlich soweit festgestellt wird: „ungeachtet dessen, dass die durch Benutzung im Verkehr erlangte Unterscheidungskraft der [streitigen] Marke in Dänemark, Deutschland, Spanien, Frankreich, den Niederlanden, Österreich, Finnland, Schweden und dem Vereinigten Königreich nachgewiesen wurde.“ (C-85/117 P, Rn 20 und 41).

Das Rekursgericht prüft davon unabhängig, ob ein beachtlicher Teil der inländischen Verkehrskreise das Zeichen zum Prioritätszeitpunkt als Herkunftshinweis erkennt.

7.3 Eine Marke, der keine Unterscheidungskraft im Sinn des § 4 Abs 1 Z 3 MSchG zukommt, ist nach § 4 Abs 2 MSchG dann eintragungs- und schutzfähig, wenn sie „infolge ihrer Benutzung Unterscheidungskraft im Inland erworben hat“.

Diese Verkehrsgeltung ist anzunehmen, wenn ein nicht unbeträchtlicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise im Zeichen einen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen erblickt (C-215/14, Kitkat I, Rn 58 ff; s auch C-108/97, Chiemsee, Rn 46; C-299/99, Philips/Remington, Rn 61; C-353/03, Nestlé/Mars, Rn 30; RIS-Justiz RS0078751; 4 Ob 229/03k, Autobelehnung; 4 Ob 12/05a, Vital Ressort; 4 Ob 38/06a, Shopping City; OBm 2/10, Verkehrspurpur). Sie muss bei der Anmeldung bzw im Prioritätszeitpunkt gegeben sein. Auf eine danach gelegene Benutzung und ihren (allfälligen) Nachweis kommt es nicht an (Mutz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 337; OLG Wien 34 R 61/16i, Schokopraline; 133 R 37/17i, Waffelverpackung).

Die Verkehrsgeltung muss dabei sowohl personen- als auch produkt- und/oder dienstleistungsbezogen erlangt sein (RIS-Justiz RS0113084). Sie begründet die Eintragbarkeit nur für denjenigen, zu dessen Gunsten sie erworben wurde, und sie muss für die Waren und/oder Dienstleistungen bestehen, für die die Eintragung der Marke beantragt wird (4 Ob 325/99v, Manpower).

An den Nachweis der durch Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft sind um so höhere Anforderungen zu stellen, je höher das Freihaltebedürfnis ist (RIS-Justiz RS0078807).

Diese Grundsätze kommen auch bei der Beurteilung der durch Verkehrsgeltung erworbenen Unterscheidungskraft von Formmarken zur Anwendung, bei denen – abgesehen von den Schutzausschließungsgründen des § 4 Abs 1 Z 6 MSchG – kein strengerer Maßstab anzulegen ist als bei anderen Markenformen (vgl zu den Farbmarken: C-447/02, Orange, Rn 78; C-217/13 und C-218/13, Sparkassen-Rot, Rn 47).

Ob ein Zeichen Verkehrsgeltung (im Sinn der sekundärrechtlichen Terminologie auch: erworbene Unterscheidungskraft) besitzt, ist daher eine aufgrund der entsprechenden tatsächlichen Grundlagen zu lösende Rechtsfrage (4 Ob 12/05a, Vital Ressort; 17 Ob 29/07z, Interhospitaltransfer Niederösterreich; RIS-Justiz RS0043586).

7.4 Nach der Entscheidung des EuGH C-108/97, Chiemsee, ist die Unterscheidungskraft einer Marke in einer Gesamtschau „der Gesichtspunkte zu prüfen, die zeigen können, dass die Marke die Eignung erlangt hat, die betreffende Ware als von einem bestimmten Unternehmen stammend zu kennzeichnen und diese Ware somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden“ (Spruch, Punkt 2). Dabei „können“ unter anderem „der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geographische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand des Unternehmens für die Marke, der Teil der beteiligten Verkehrskreise, der die Ware aufgrund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder von anderen Berufsverbänden berücksichtigt werden“ (Rn 51).

Diese Grundsätze wurden auch in späteren Entscheidungen der Europäischen Gerichte aufrecht erhalten (zB EuGH C-229/99, Philips/Remington, EuG T-399/02, Corona, und T-262/04, BIC). Entscheidend ist und bleibt auch danach die Eignung des Zeichens für die Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen. Die vom EuGH genannten Gesichtspunkte wie Werbeaufwand und Marktanteil sind nur Hilfstatsachen bei der Beurteilung dieser Frage.

8. Ausgehend von diesen Grundsätzen kann in der Gesamtschau der zur Verkehrsgeltung vorgelegten Unterlagen die Beurteilung des Patentamts nur teilweise geteilt werden; es ist erforderlich, in Bezug auf die beanspruchten Waren zu differenzieren.

8.1 Auf der Basis der vorgelegten Gutachten, einerseits aus dem Jahr 2001 (Beilage ./X) und andererseits aus dem Jahr 2009 (Beilage ./Z) kann der dreidimensionalen Marke „KitKat 4 Finger-Form“ für jene Waren der Klasse 30 in Österreich die Verkehrsgeltung („erworbene Unterscheidungskraft“) zugemessen werden, die im weiten Sinn zu Kakao, Kakaoerzeugnissen, Schokolade, Schokoladeerzeugnissen wahrgenommen und/oder diesen zugeordnet werden; die beantragten Bezeichnungseinschränkungen („im Wesentlichen aus ...“ und „soweit erforderlich hergestellt unter ...“ fallen weder ins Gewicht noch wirken sie sich auf den Verkehrsgeltungsnachweis aus.

Es handelt sich im Wesentlichen um Schokoladewaren. Das sind allgemein verbreitete Konsumartikel, die sich wie Süßwaren überhaupt an weite Verkehrskreise wenden. Süßwaren (nicht nur aus Schokolade) werden im gesamten Lebensmittelhandel, aber auch an Kiosken, Konditoreien, Tankstellen etc angeboten.

Beim Kauf derartiger Massenartikel wendet der flüchtige Durchschnittskäufer eine eher geringere Aufmerksamkeit auf (RIS-Justiz RS0078944 [insb T15] zur Verwechslungsgefahr). Normal informierte und angemessen aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher dieser Waren beachten daher angesichts der Formen- und Farbenvielfalt gewohnheitsmäßig auch und gerade auf dem Süßwarenmarkt mehr das Etikett, die Verpackung und die Ausstattung als überwiegend oder gar ausschließlich die Warenform.

Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass es sich bei der von der Antragstellerin konkret beanspruchten Form (KitKat 4 Finger-Form) zwar um eine auf dem Markt typische Grundform handelt, aber um eine, die verglichen mit anderen in diesem Marktsegment üblichen Formen deutlich weniger häufig auftritt. Wenn auch unter Zugrundelegung des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise kein wesentlicher Unterschied zu den handelsüblichen (anderen) Formen von Süßwaren im Allgemeinen besteht, selbst wenn sie nur in Riegelform angeboten werden (vgl C-48/09 P, Roter Lego-Stein, Rn 84; C-38/06, Develey/HABM; C-205/13, Verstellbarer Kinderstuhl, Rn 27; BGH I ZB 88/07, ROCHER-Kugel; Hauer in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 1 Rz 48 mwN; Asperger in Kucsko/Schumacher, marken.schutz2 § 4 Rz 135; Ströbele in Ströbele/Hacker, MarkenG12 § 8 Rz 283 ff; Ingerl/Rohnke, MarkenG3 § 8 Rz 187; Fuchs-Wissemann in Ekey/Bender/Fuchs-Wissemann, Markenrecht I3 § 8 Rz 34 f je mwN), ist die Grundform in diesem Marktsegment selten.

Ob dies den Ausschlag für die positiven Umfrageergebnisse gegeben hat, ist nicht relevant, würde aber bestätigen, dass selten auf dem Markt auftretende Grundformen ein höheres Wiedererkennungspotential haben.

Die unterschiedlichen (anderen) Warenformen dieses Marktsegments zeigen aber auch, dass das Freihaltebedürfnis der von der Antragstellerin beanspruchten Warenform nicht so erheblich ist, wie es das Patentamt angenommen und seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat.

8.2 Dabei lassen sich auch die Feststellungen des EuG in Rn 165 und 166 der Entscheidung T-112/13 verwerten (nur in englischer und französischer Sprache veröffentlicht):

165 – In paragraph 82 of the contested decision, the Board of Appeal took into consideration the survey carried out by a company specialising in market research submitted by the intervener, in which both the methodology and representativeness of the sample, consisting of 264 respondents (representing 0.003 % of the total population), were deemed appropriate. It noted the results of that survey showing that the rate of unassisted recognition by respondents of the contested trade mark as indicating the commercial origin of the product in question was 54%. In addition, it made reference to the data in Table N, which demonstrate the weak, but consistent presence of that mark on the Austrian market: in 2005, 2006 and 2007, sales of the product known as ‘Kit Kat 4 fingers’, namely sales of EUR 1 million in 2005, EUR 1.3 million in 2006 and EUR 1.4 million in 2007, represented 1.7 %, 2 % and 2.1 % respectively of the market segment consisting of all types of bar, which corresponded to the 19th, 17th and 16th positions in the ranking determined on the basis of the market shares within that segment for those years.

166 – Moreover, as EUIPO contends, it should be noted that the intervener submitted other information relating to the use of the contested trade mark in Austria. That information includes the launch date of the product known as ‘Kit Kat 4 fingers’ in 1988, television advertising materials showing, at least partially, the contested trade mark, and an overview of sales volumes, turnover and advertising expenditure between 2000 and 2007. For the same reasons as those set out in paragraph 161 above, although, as the applicant correctly maintains, that evidence is not capable in itself of establishing acquisition of distinctive character through use of the mark, it testifies to the long-standing use of that mark in Austria, the fact that that mark has been the subject of a mass communication, and the fact that investments have been made to promote it on the Austrian market.

(Die von der Antragstellerin dazu im Fortsetzungsantrag übermittelte Übersetzung in die deutsche Sprache begegnet keinen Bedenken.)

8.3 Somit ist in der Zusammenschau der beiden Umfragegutachten von einem ausreichend hohem Prozentsatz an Menschen in Österreich auszugehen, die die KitKat 4 Finger-Form als Hinweis darauf sehen, dass die im Spruch genannten Waren der Klasse 30 aus dem Unternehmen der Antragstellerin stammen. Obwohl die Zeitpunkte der Befragungen mit dem Zeitpunkt der Markenanmeldung nicht übereinstimmen, kann aufgrund der ähnlichen Ergebnisse im Zusammenhalt mit der (wenn auch schwachen) Präsenz dieses Zeichens auf dem Markt (vgl Umsatzzahlen und Anteile am Marktsegment in den Jahren 2005 bis 2007) davon ausgegangen werden, dass die Bekanntheit nicht durch gezielte Werbeeinschaltungen zugunsten der Antragstellerin ergebnisbeeinflussend verfälscht wurde.

8.4 Aufgrund der Fragestellungen in den beiden Gutachten ist jedoch nicht davon auszugehen, dass die gewonnenen Werte auch für die nachstehenden Waren der Klassen

29       Desserts, im Wesentlichen bestehend aus Milch, Buttermilch, Sauermilch, Joghurt, Quark, Sahne und Milchpulver.

30       Back- und Konditorwaren, feine Backwaren, Zuckerwaren, im Wesentlichen aus Reis, Mehl und/oder Getreide hergestellte Nahrungsmittel, auch in Form von Fertiggerichten; Frühstücksgetreidepräparate; Getreidepäparate für Nahrungszwecke; Speiseeis; gefrorenes Konfekt; Pudding; Zuckerwaren, Fruchtzubereitungen, Getreidezubereitungen, Konditorwaren, Backwaren, feinen Backwaren, soweit erforderlich hergestellt unter Verwendung von Gelatine und/oder Stärke oder modifizierte Stärke enthaltenden Bindemitteln sowie Verdickungsmitteln und unter Zugabe von Gewürzen sowie anderen geschmacksgebenden Zutaten.

gelten. Das Rekursgericht teilt diesbezüglich die Beurteilung des Patentamts und verweist auf seine zutreffende Begründung (§ 60 Abs 2 AußStrG). Die Antragstellerin trägt ohnedies zur erforderlichen Differenzierung der beanspruchten Waren nichts vor und spricht selbst nur von Süß- und Schokoladewaren.

8.5 Im Ergebnis ist in Bezug auf einen Teil der beanspruchten Waren der Klasse 30 (Spruch Punkt 1) vom Bestehen einer durch die Benutzung erworbenen Unterscheidungskraft in Österreich auszugehen, sodass die Registrierung dieser Waren nach § 4 Abs 2 MSchG zu erfolgen hat.

Auch wenn der Antragstellerin im Verfahren T-112/13 des EuG der Nachweis der Verkehrsgeltung für das gesamte Unionsgebiet nicht gelungen ist, steht die Beurteilung in Bezug auf Österreich im Einklang mit jener des EuG.

9. Da die Entscheidung keine Rechtsfragen von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG aufwarf und über den Einzelfall hinaus nicht bedeutsam ist (RIS-Justiz RS0111880), ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

In diesem Fall hat das Rekursgericht nach § 59 Abs 2 AußStrG auszusprechen, ob der Wert des Entscheidungsgegenstands, der – wie hier – rein vermögensrechtlicher Natur ist, aber nicht in einem Geldbetrag besteht, EUR 30.000 übersteigt. Diese Voraussetzung ist angesichts der Bedeutung des Markenschutzes im Wirtschaftsleben gegeben.

Schlagworte

Gewerblicher Rechtsschutz - Markenschutz; KitKat / 4-Finger-Form,

Textnummer

EW0000981

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2019:03400R00044.14M.0327.000

Im RIS seit

11.06.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.08.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten