TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/17 W209 2003421-2

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Veröffentlicht am 17.04.2019
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Entscheidungsdatum

17.04.2019

Norm

AVG §6
AVG §69
BPGG §24
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §17

Spruch

W209 2003421-2/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Reinhard SEITZ als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , XXXX , XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle Wien, vom 03.06.2013 betreffend Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 05.10.2009 abgeschlossenen Verfahrens hinsichtlich der Gewährung von Pflegegeld sowie Ablehnung des Antrages auf Pflegegeld und Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen

den Beschuss gefasst:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Gewährung von Pflegegeld sowie die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen und gemäß § 6 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das Arbeits- und Sozialgericht Wien weitergeleitet.

zu Recht erkannt:

II. Die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 05.10.2009 abgeschlossenen Verfahrens wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 03.06.2013 nahm die belangte Behörde (im Folgenden: PVA) das mit Bescheid vom 05.10.2009 abgeschlossene Verfahren betreffend Gewährung von Pflegegeld der Stufe 4 gemäß § 69 Allgemeines Verfahrensgesetz (AVG) wieder auf, wies den Antrag des Beschwerdeführers auf Pflegegeld ab und forderte das in der Zeit von 01.06.2009 bis 30.06.2012 vom Beschwerdeführer zu Unrecht in Empfang genommene Pflegegeld in Höhe von € 24.579,10 zurück. Begründend führte die PVA aus, dass ihr nach Bescheiderlassung bekannt geworden sei, dass die Zuerkennung des Pflegegeldes durch eine gerichtlich strafbare Handlung des Beschwerdeführers herbeigeführt worden sei und der Verdacht des schweren Betrugs gemäß § 147 Strafgesetzbuch (StGB) vorliege. Nach dem Ergebnis einer neuerlich durchgeführten ärztlichen Begutachtung seien dem Beschwerdeführer alle maßgeblichen Verrichtungen zumutbar. Da somit ein Pflegebedarf nicht gegeben sei, sei der Antrag abzulehnen. Zur Rückforderung findet sich keine rechtliche Begründung.

2. Im gegen den Bescheid der PVA vom 03.06.2013 binnen offener Rechtsmittelfrist erhobenen Einspruch (nunmehr Beschwerde) an den Landeshauptmann von Wien brachte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers vor, dass der Beschwerdeführer keinerlei strafbares Verhalten gesetzt habe. Die Behauptung der PVA, der Beschwerdeführer habe durch Arglist die Ausbezahlung des Pflegegeldes an ihn erlangt, indem er seine Pflegebedürftigkeit bloß vorgetäuscht habe, sei völlig unrichtig und verfehlt. Der Beschwerdeführer sei in den letzten drei Jahren insgesamt 27 Mal durch Ärzte untersucht worden. Keiner der behandelnden und untersuchenden Ärzte habe beim Beschwerdeführer jemals auch nur ansatzweise den Verdacht geäußert, dass dieser seine krankheitsbedingten umfangreichen Beschwerden nur vortäuschen oder simulieren könnte. Schließlich habe die PVA selbst in einem Schreiben an den Beschwerdeführer betreffend Abweisung eines Antrages auf Bewilligung eines Heilverfahrens eingeräumt, dass beim Beschwerdeführer die notwendige Belastbarkeit für die Durchführung eines Heilverfahrens nicht gegeben sei.

3. Mit Bescheid vom 07.08.2013 wurde das Verfahren vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 40, (für den Landeshauptmann von Wien) bis zur rechtskräftigen Entscheidung des mit einer Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien vom 21.05.2013 von der PVA eingeleiteten Verfahrens bezüglich des Verdachts, dass die Zuerkennung des Pflegegeldes durch eine gerichtlich strafbare Handlung des Beschwerdeführers herbeigeführt worden sei, gemäß § 38 AVG ausgesetzt.

4. Am 09.05.2014 leitete das Bundesverwaltungsgericht, dem der Einspruch unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens infolge Zuständigkeitsübergang mit der Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit am 07.03.2014 einlangend vom Landeshauptmann von Wien vorgelegt wurde, nach dem damaligen (auf den EB zur Regierungsvorlage BGBl. I Nr. 71/2013 gründenden) Wissensstand gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht Wien weiter.

5. Mit dem vom Verwaltungsgericht Wien beigeschafften - im wiederholten Rechtsgang ergangenen - Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31.01.2017, GZ: 044 Hv 137/14h, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, in Wien, im Zeitraum von 08.05.2009 bis 05.10.2009 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig (§ 70 Abs. 1 Z 2 und 3 zweiter Fall StGB) die ihn begutachtenden Ärzte im Verfahren auf Gewährung von Pflegegeld und Beamte der Magistratsabteilung 40 der Stadt Wien durch die unrichtige Behauptung, er leide an einer Lähmung, obwohl er tatsächlich nach seinem Gesundheitszustand keinen Anspruch auf Pflegegeld hatte, somit durch Täuschung über Tatsachen, zu einer Handlung, nämlich zur Gewährung von Pflegegeld der Stufe 4 ab 01.06.2009 verleitet zu haben und die nachstehend Geschädigten in einem € 5.000 übersteigenden Betrag an ihrem Vermögen geschädigt zu haben: im Zeitraum 01.06.2009 bis 31.12.2011 das Land Wien in Höhe von €

19.331,12, im Zeitraum 01.01.2012 bis 31.05.2014 die Pensionsversicherungsanstalt in Höhe von € 19.264,70. Der dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 13.03.2018, GZ: 20 Bs 261/17d, keine Folge, wodurch die Strafsache rechtskräftig abgeschlossen wurde.

6. Mit Beschluss vom 28.09.2018 wurde die Beschwerde vom Verwaltungsgericht Wien wegen Unzuständigkeit zurückgewiesen und gemäß § 6 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG an das Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet. Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass sich aufgrund der inzwischen ergangenen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 06.03.2018, Ra 2017/08/0071) die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden in Verwaltungssachen nach dem Bundespflegegeldgesetz (BPGG) ergebe.

7. Am 09.10.2018 erklärte der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers im Beschwerdeverfahren vor dem Verwaltungsgericht Wien zu Protokoll, dass er per 04.07.2018 das Mandat zur Vertretung des Beschwerdeführers zurückgelegt habe, sodass Zustellungen nicht mehr an ihn, sondern direkt an den Beschwerdeführer zu richten seien.

8. Die Beschwerde samt den Bezug habenden Verwaltungsakten langte am 17.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein, wo die Rechtssache am 19.10.2018 der Gerichtsabteilung W209 zugewiesen wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer stellte am 08.05.2009 einen Antrag auf Gewährung von Pflegegeld.

Aufgrund des Antrages wurde der Beschwerdeführer durch die von der Magistratsabteilung 15 beigezogenen Sachverständigen Dr. XXXX am 18.07.2009 und Dr. XXXX am 06.09.2009 untersucht. Bei diesen Untersuchungen gab der Beschwerdeführer u.a. an, dass er nicht imstande sei, den rechten Arm und das rechte Bein anzuheben, an ständigem Schwindel und an Kopfschmerzen leide, Lichtblitze bei jedem Schritt sehe und an ständigen beiderseitigen Ohrengeräuschen sowie an starkem Herzklopfen und Angst leide. Es wurde in der Folge ein schweres depressives Zustandsbild, ein Abduktionstrauma der rechten Schulter, eine breitbasige Protrusion C 4/C 5, ein Impigment der rechten Schulter, eine "frozen shoulder" rechts sowie eine psychogener Parese rechts festgestellt und festgehalten, dass der Beschwerdeführer monatlich 167 Stunden an Pflege- und Betreuungsunterstützung benötige.

Mit Bescheid des Landes Wien, Magistratsabteilung 40, vom 05.10.2009 wurde dem Beschwerdeführer auf Basis des Gutachtens des Dr. XXXX ab 01.06.2009 Pflegegeld der Stufe 4 nach dem Wiener Pflegegeldgesetz (WPGG) in Höhe von € 664,30 monatlich gewährt, das der Beschwerdeführer bis 31.12.2011 vom Land Wien und ab 01.01.2012 von der ab diesem Zeitpunkt für die Auszahlung des Pflegegeldes zuständigen PVA ausbezahlt erhielt. Grundlage für die Zuerkennung des Pflegegeldes war insbesondere die vom Beschwerdeführer behauptete Halbseitenlähmung.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 31.01.2017, GZ: 044 Hv 137/14h, wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, im Zeitraum von 08.05.2009 bis 05.10.2009 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, gewerbsmäßig (§ 70 Abs. 1 Z 2 und 3 zweiter Fall StGB) die ihn begutachtenden Ärzte im Verfahren auf Gewährung von Pflegegeld und Beamte der Magistratsabteilung 40 der Stadt Wien durch die unrichtige Behauptung, er leide an einer Lähmung, obwohl er tatsächlich nach seinem Gesundheitszustand keinen Anspruch auf Pflegegeld hatte, somit durch Täuschung über Tatsachen, zur Gewährung von Pflegegeld der Stufe 4 ab 01.06.2009 verleitet zu haben, wofür er für das Vergehen des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2, 148 erster Fall StGB nach dem ersten Strafsatz des § 148 StGB zu einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe von elf Monaten verurteilt wurde.

Der dagegen erhobenen Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 13.03.2018, GZ: 20 Bs 261/17d, keine Folge, wodurch die Strafsache rechtskräftig abgeschlossen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Die Antragstellung und die Gewährung von Pflegegeld der Stufe 4 in der oben angeführten Höhe mit Bescheid vom 05.10.2009 stehen aufgrund der Aktenlage als unstrittig fest.

Die rechtskräftige Verurteilung wegen vorsätzlicher Täuschung über Tatsachen, die zur Gewährung des Pflegegeldes geführt haben, wurde vom Landesgericht für Strafsachen Wien mit Schreiben vom 03.05.2018, GZ: 44 Hv 137/14h - 100, bestätigt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 22 BPGG sind zur Entscheidung in Angelegenheiten nach diesem Bundesgesetz verschiedene näher bezeichnete Sozialversicherungsträger (PVA, Unfallversicherungsträger mit Ausnahme der AUVA, Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau) zuständig.

Gemäß § 24 BPGG finden, soweit das BPGG nicht anderes bestimmt, auf das Verfahren vor den Sozialversicherungsträgern die §§ 354, 358 bis 361, 362a bis 367 ASVG und auf das Verfahren vor den übrigen Entscheidungsträgern die Vorschriften des AVG mit Ausnahme der §§ 45 Abs. 3 und 68 Abs. 2 Anwendung. Gemäß § 27 Abs. 2 BPGG haben Bescheide auf die Möglichkeit der Klage beim zuständigen Arbeits- und Sozialgericht hinzuweisen.

Aus dem Verweis auf § 354 ASVG ergibt sich, dass auch im Anwendungsbereich des BPGG die Verwaltungssachen von den Leistungssachen abzugrenzen sind. Bei der Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag handelt es sich um keine Entscheidung in einer Leistungssache im Sinn der genannten Bestimmung, weshalb gegen einen solchen Bescheid der Klagsweg nicht zulässig ist. Er ist vielmehr gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG mit Beschwerde an das zuständige Verwaltungsgericht zu bekämpfen.

Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für Beschwerden gegen Bescheide in Verwaltungssachen regelt das BPGG nicht; der Verweis des § 24 BPGG umfasst nicht auch den § 414 ASVG, aus dem sich eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts ergäbe. Somit ist die Zuständigkeit zur Entscheidung über solche Beschwerden unmittelbar auf Grund des Art. 131 B-VG zu beurteilen.

Auf Grund der in § 34 BPGG ausdrücklich normierten Bindung an Weisungen eines Bundesministers handelt es sich bei den in § 22 BPGG genannten Sozialversicherungsträgern nicht nur um "bundesnahe" Einrichtungen, sondern es liegt - mangels Einbindung des Landeshauptmannes - auch eine Besorgung unmittelbar durch Bundesorgane vor.

Daraus folgt gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts für Entscheidungen über Beschwerden gegen Bescheide in Verwaltungssachen nach dem BPGG, sohin auch über die dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegende Beschwerde gegen die amtswegige Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens (vgl. VwGH 06.03.2018, Ra 2017/08/0071).

Zu A)

Im gegenständlichen Fall gelangt folgende maßgebende Bestimmung zur Anwendung:

§ 69 AVG idF BGBl. I Nr. 33/2013:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 69. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und:

1. der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätten, oder

3. der Bescheid gemäß § 38 von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde;

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Bescheides und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Bescheides kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme steht der Behörde zu, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Das Beschwerdevorbringen, die Behauptung der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe durch Arglist die Ausbezahlung des Pflegegeldes an ihn erlangt, indem er seine Pflegebedürftigkeit bloß vorgetäuscht habe, sei völlig unrichtig und verfehlt, geht im Hinblick auf die mittlerweile erfolgte rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers wegen vorsätzlicher Täuschung über Tatsachen, die zur Gewährung des Pflegegeldes geführt haben, ins Leere.

Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung war die belangte Behörde daher gemäß § 69 Abs. 3 in Verbindung mit Abs. 1 Z 1 AVG zur Wiederaufnahme des mit Bescheid vom 05.10.2009 abgeschlossenen Verfahrens auf Gewährung des Pflegegeldes berechtigt, weswegen die Beschwerde gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Gewährung des Pflegegeldes gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abzuweisen ist.

Was die Abweisung des Antrages auf Gewährung des Pflegegeldes sowie die Rückforderung der zu Unrecht empfangenen Leistungen durch die PVA anlangt, so handelt es sich hierbei nicht bloß um einen formalrechtlichen verwaltungsrechtlichen Anspruch, sondern um Leistungssachen und damit um Sozialrechtssachen im Sinne des § 65 Abs. 1 Z 1 und 2 ASGG.

Aus § 3 ASGG ergibt sich in den genannten Sozialrechtssachen die Zuständigkeit des jeweiligen Landesgerichts, für den Sprengel des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien das Arbeits- und Sozialgericht Wien. Aus § 7 ASGG folgt im konkreten Fall die Zuständigkeit des Arbeits- und Sozialgerichts Wien, da der Beschwerdeführer in Wien wohnhaft ist.

Die Abweisung des Antrags und die Rückforderung der Leistung sind somit als Leistungssachen mittels Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien zu bekämpfen. Diesem obliegt auch die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die Verfügung der Wiederaufnahme überhaupt erforderlich war, um das zu Unrecht in Empfang genommene Pflegegeld zurückzufordern (vgl. VwGH 20.02.2008, 2006/08/0239).

In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Pensionsversicherungsanstalt mit Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 02.05.2013, GZ: 38 Cgs 152/12i, verpflichtet wurde, dem Beschwerdeführer über den 30.06.2012 hinaus Pflegegeld der Stufe 4 in Höhe von € 634,30 monatlich zu bezahlen, weil bei ihm keine wesentliche Besserung seines Gesundheitszustandes eingetreten ist und es somit aus rechtlichen Gründen an einem Entziehungsgrund fehlte, obwohl das Arbeits- und Sozialgericht Wien in den Entscheidungsgründen davon ausging, dass tatsächlich lediglich ein Pflegebedarf in Ausmaß von 14 Stunden vorlag.

Die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Pflegegeld und die Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen war daher mit Beschluss wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts (Unzulässigkeit des Rechtswegs) zurückzuweisen und gemäß § 6 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG an das Arbeits- und Sozialgericht Wien weiterzuleiten (vgl. VwGH 06.03.2018, Ra 2017/08/0071).

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Der - zum Zeitpunkt der Beschwerdeerhebung rechtsfreundlich vertretene - Beschwerdeführer hat einen solchen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt. Der fehlende ausdrückliche Antrag in der von einem rechtskundigen Vertreter verfassten Beschwerde ist als impliziter Verzicht auf Abhaltung einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu verstehen (vgl. VwGH 03.09.2015, Ra 2015/21/0054).

Der erkennende Richter erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich, weil der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien und durch die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war.

Da keine Fragen der Beweiswürdigung auftraten, welche die Durchführung einer mündlichen Verhandlung notwendig gemacht hätten, stehen dem Entfall der Verhandlung auch weder Artikel 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch

Artikel 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen (vgl. u.a. VwGH 07.08.2017, Ra 2016/08/0140).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Hierbei ist insbesondere auf das oben zitierte Erkenntnis vom 20.02.2008, 2006/08/0239, zu verweisen, in dem der Verwaltungsgerichtshof klargestellt hat, dass die Abweisung eines Antrags auf Gewährung einer Leistung (iSd § 65 Abs. 1 Z 1 ASGG) sowie die Rückforderung der Leistung (iSd § 65 Abs. 1 Z 2 leg.cit.) als Leistungssachen jedenfalls (hier: auch bei rechtskräftig festgestellter Unzulässigkeit der Wiederaufnahme) mittels (rechtzeitiger) Klage beim Arbeits- und Sozialgericht zu bekämpfen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

amtswegige Wiederaufnahme, Pflegegeld, Rückforderung,
strafrechtliche Verurteilung, Weiterleitung, Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W209.2003421.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.06.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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