TE OGH 2019/4/26 3Ob242/18m

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Veröffentlicht am 26.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Roch und Priv.-Doz. Dr. Rassi und die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J. ***** KG, *****, vertreten durch Mag. Christian Grasl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei A***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Wolfgang Steiner, Mag. Anton Hofstetter, Rechtsanwälte in Wien, wegen 36.000 EUR sA, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 24. Oktober 2018, GZ 129 R 83/18a-21, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 4. Juli 2018, GZ 33 Cg 23/17g-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 3.053,52 EUR (darin 508,92 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 5.061,20 EUR (darin 366,70 EUR USt und 2.861 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft, auf der ein Hotel betrieben wird. Die Beklagte plante als Bauwerberin, auf der Nachbarliegenschaft einen Dachgeschoß-Ausbau, wofür eine seitlich an der Hausfassade montierte Beschriftung für das auf der Liegenschaft der Klägerin befindliche Hotel (Werbeschild mit Schriftzug des Hotels) entfernt werden musste. Aus diesem Zubau ergab sich für die Klägerin auch eine schlechtere Sichtbarkeit des Hotels, weshalb seit dem Jahr 2015 Gespräche zwischen den Parteien über eine Lösung der Problematik geführt wurden. Mit E-Mail vom 31. August 2015 teilte der nunmehrige Klagevertreter als Rechtsvertreter der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten mit, dass die Klägerin unter der Voraussetzung, dass sämtliche für die Herstellung neuer Schilder anfallende Kosten (30.000 EUR netto) von der Beklagten übernommen werden, bereit wäre, ihre Einwendungen im Bauverfahren zurückzuziehen. Der Geschäftsführer der Beklagten antwortete mit E-Mail vom selben Tag: „[…] wir sind bereit, die Neuerwerbung des Schilds für ihren Mandanten durchzuführen und wir übernehmen die Kosten dafür. Ich bitte Sie, eine Vereinbarung zwischen uns und ihrem Mandanten vorzubereiten.“ Mit E-Mails vom 15. März bzw 15. April 2016 übermittelte der Klagevertreter dem Geschäftsführer der Beklagten zunächst einen Entwurf und dann einen adaptierten Entwurf der Vereinbarung mit der Bitte um rasche Bestätigung, dass Bereitschaft bestehe, diese Vereinbarung zu unterfertigen.

Mit Urteil vom 2. Mai 2016 gab das Verwaltungsgericht der Beschwerde der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid im Baubewilligungsverfahren nicht Folge und erklärte eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig. In der (Rechtsmittel-)Belehrung führte es aus, dass gegen diese Entscheidung die Möglichkeit der Erhebung der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und/oder einer außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof bestehe. Dieses Urteil wurde der Kanzlei des Klagevertreters am 4. Mai 2016 zugestellt und langte auch bei der damaligen Rechtsvertretung der Beklagten ein.

Zwei Tage zuvor (am 2. Mai 2016) hatten die beiden Geschäftsführer der Streitteile und der Klagevertreter in der Angelegenheit telefoniert (wobei Einzelheiten der Besprechung nicht festgestellt werden konnten). Daraufhin übersandte der Klagevertreter am 4. Mai 2016 dem Geschäftsführer der Beklagten eine überarbeitete Vereinbarung, ersuchte diesen um „rasche Durchsicht“ und um Übersendung einer Skizze, aus der klar ersichtlich sei, wie das neue Schild aussehen solle. Am nächsten Tag (5. Mai 2016) übermittelte der Geschäftsführer der Beklagten dem Klagevertreter eine solche Skizze und am 9. Mai 2016 sandte der Geschäftsführer der Beklagten dem Klagevertreter die von ihm unterfertigte Vereinbarung. Der Geschäftsführer der Beklagten erfuhr erst am 10. Mai 2016 (durch ein E-Mail seines Rechtsanwalts) vom Inhalt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Hätte er diese Information früher erhalten, dann hätte er die Vereinbarung nicht unterfertigt.

Die (vom Klagevertreter textierte) Vereinbarung lautet:

„I.

Seitens A***** GmbH [der Beklagten] wurde zu [...] ein Bauansuchen bei der MA 37 eingereicht. Aufgrund dieses Bauansuchens wird es erforderlich werden, dass die derzeitige Hotelbeschriftung '***** Hotel' auf der [...] Fassadenseite der Liegenschaft […] entfernt werden muss. Seitens der J. ***** KG [Klägerin] wurden auch Einwendungen im Bauverfahren mit Schriftsatz vom 06. 07. 2015 erhoben bzw. Beschwerde gegen die erstinstanzliche Baubewilligung eingebracht.

II.

1. Die A***** GmbH [Beklagte] bestätigt hiermit, dass sie bis spätestens Ende Februar 2017 auf eigene Kosten ein neues Schild wie in Anlage ./A ersichtlich auf dem Hotel [...] montieren wird und sämtliche damit verbundenen bzw. erforderlichen behördlichen Bewilligungen samt statischen Berechnungen etc. vorweg einholen wird (dies ausschließlich auf Kosten des Bauwerbers).

2. Erst nach Vorliegen der entsprechenden Bewilligungen bzw. bis zur sachgerechten Montage des neuen Schildes gemäß Anlage ./A durch Fachfirmen ist der Bauwerber berechtigt das derzeit bestehende Schild [...] auf eigene Kosten zu entfernen.

3. Unabhängig davon, ist die J. ***** KG [Klägerin] jedoch jederzeit berechtigt (insbesondere insofern ein Tausch der Leuchtmittel bereits vor Februar 2017 erforderlich ist), das derzeit bestehende Schild vorweg auf eigene Kosten entfernen zu lassen; dies ändert nichts daran, dass die A***** GmbH [Beklagte] in der Folge verpflichtet ist, für eine behördliche Bewilligung für ein neues Schild gemäß Anlage ./A zu sorgen und dieses in der Folge auch auf eigene Kosten montieren wird.

4. Die A***** GmbH [Beklagte] erklärt, dass sie in einem allfälligen Bewilligungsverfahren keine Einwände gegen die sonstigen Schilder des ***** Hotel [...], welche derzeit schon bestehen, erheben wird, bzw. im Bewilligungsverfahren betreffend des neuen Schildes (Anlage ./A) für sich und sämtliche Eigentümer der Liegenschaft [...] ihre Zustimmung erteilt bzw. keine Einwendungen erhoben werden.

5. Alternativ steht der A***** GmbH [Beklagten] das Recht zu, bis spätestens 15. 10. 2016 einen Betrag zur Errichtung des neuen Schildes (gemäß Anlage ./A) in der Höhe von 30.000 EUR netto zuzüglich Umsatzsteuer, somit 36.000 EUR brutto auf das Konto des Rechtsanwaltes [...] als Vertreter der J. ***** KG [Klägerin] zu überweisen. In diesem Fall wird das Schild seitens der J. ***** KG [Klägerin] auf eigene Kosten montiert. Die A***** GmbH [Beklagte] erklärt jedoch für sich und die Eigentümer der Liegenschaft [...] gegen eine Bewilligung dieses Schildes gemäß Anlage ./A keine Einwendungen zu erheben bzw. der Errichtung des Schildes zuzustimmen.

6. Insofern seitens der A***** GmbH [Beklagten] nicht bis spätestens Ende Februar 2017 eine entsprechende rechtswirksame Genehmigung hinsichtlich des neuen Schildes Anlage ./A erwirkt werden kann, ist diese verpflichtet jedenfalls 30.000 EUR netto zuzüglich Umsatzsteuer, somit 36.000 EUR brutto, auf das Konto des Rechtsanwaltes [...] zu überweisen. In diesem Fall wird die Bewilligung seitens der J. ***** KG [Klägerin] selbst vorgenommen.

III.

Im Gegenzug verpflichtet sich die J. ***** KG [Klägerin], binnen einer Woche nach Unterfertigung dieser Vereinbarung die Einwendungen im Bauverfahren durch deren Rechtsvertreter zurückzuziehen.

IV.

Die Vereinbarung wird rechtswirksam, sobald hinsichtlich des Bauvorhabens [...] eine rechtskräftige Baubewilligung vorliegt. Im Falle einer Änderung des erstinstanzlichen Bauansuchens (Rückziehung des Bauansuchens durch den Bauwerber, etc.) wird die Vereinbarung jedoch bereits mit der Zurückziehung des Rechtsmittels der J. ***** KG [Klägerin] rechtswirksam. Die A***** GmbH [Beklagte] bestätigt auch, dass abgesehen von der J. ***** KG [Klägerin] niemand ein Rechtsmittel gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid erhoben hat, womit die Baubewilligung mit Rückziehung des Rechtsmittels der J. ***** KG [Klägerin] rechtswirksam wird.

V.

Allfällige Gebühren im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung werden seitens der A***** GmbH [Beklagten] übernommen.

Beilage: Skizze [...]“

Mit Eingabe vom 10. Mai 2016 „zog die Klägerin ihre Einwendungen im Bauverfahren der Beklagten als Bauwerberin betreffend den Dachgeschoßzubau zurück“ und bestätigte, dass auf ein außerordentliches Rechtsmittel verzichtet werde. Für das Werbeschild (den Schriftzug) der Klägerin gab es zwar ein Bauansuchen, allerdings keine Baubewilligung, was die Klägerin jedoch erst im Laufe des Jahres 2016 erfuhr. Der Geschäftsführer der Beklagten wusste vor Unterfertigung der Vereinbarung, dass es mit dem Werbeschild, was die baubehördliche Genehmigung anbelangte, Probleme gab.

Die Klägerin begehrte den in der schriftlichen Vereinbarung festgelegten Betrag, weil die Beklagte das Schild nicht bis zum vereinbarten Zeitpunkt neu errichtet habe. Dass dafür keine Baubewilligung vorhanden gewesen sei, habe die Klägerin selbst erst im Jahr 2016 erfahren. Die Beklagte sei darüber vor Abschluss der Vereinbarung in Kenntnis gewesen. Bei Abschluss der Vereinbarung sei die zweitinstanzliche Entscheidung im Bauverfahren auch der damaligen Rechtsvertretung der Beklagten bereits zugestellt gewesen. Die Gegenleistung der Zurückziehung der Einwendungen sei keinesfalls wertlos gewesen, habe es doch die Möglichkeit gegeben, ein außerordentliches Rechtsmittel zu erheben, was die Klägerin auch geplant habe. Erst durch die Zurückziehung und den Verzicht auf weitere Rechtsmittel sei die weitere Bekämpfung der Entscheidung endgültig ausgeschlossen und damit das Ziel, eine rechtskräftige Baubewilligung für den Dachgeschoßzubau zu erlangen, erreicht gewesen. Es habe daher kein Irrtum der Beklagten vorgelegen, jedenfalls aber sei ein allfälliger Irrtum von der Klägerin nicht veranlasst worden und ein solcher habe ihr auch nicht auffallen müssen.

Die Beklagte erklärte, die Vereinbarung wegen Irrtums anzufechten. Sie habe die Vereinbarung in Unkenntnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (als zweite Instanz) unterfertigt und daher über den Umstand geirrt, dass eine Zurückziehung der Einwendungen im Bauverfahren durch die Klägerin zu diesem Zeitpunkt gar nicht mehr möglich gewesen sei. Sie hätte die Vereinbarung nicht geschlossen, hätte sie dies gewusst. Der Irrtum sei von der Gegenseite veranlasst und hätte ihr auffallen müssen. Die Vereinbarung sei außerdem sittenwidrig und wucherisch, die Geschäftsgrundlage sei weggefallen und der Vertrag werde auch wegen Verkürzung über die Hälfte angefochten.

Das Erstgericht wies die Klage ab.

Der Geschäftsführer der Beklagten sei bei Abschluss der Vereinbarung einem Irrtum unterlegen, weil er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht gekannt habe; dieser Irrtum habe dem Klagevertreter auffallen müssen. Die Vereinbarung habe den Passus enthalten, dass sich die Klägerin verpflichte, die Einwendungen im Bauverfahren durch ihren Rechtsvertreter zurückzuziehen; dies sei für die Beklagte die wesentliche Gegenleistung gewesen, die im Wesentlichen durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts weggefallen sei. Die Irrtumsanfechtung der Beklagten sei daher erfolgreich.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung dahin ab, dass es der Klage stattgab.

Die Beklagte stütze ihre Irrtumsanfechtung einerseits auf Unkenntnis ihres Geschäftsführers über das Fehlen der Bewilligung des vorhandenen Werbeschilds und andererseits auf seine Unkenntnis von der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Der Geschäftsführer der Beklagten habe vor Abschluss der Vereinbarung bereits gewusst, dass es mit dem Werbeschild baubehördliche Probleme gab; darauf könne sich eine Irrtumsanfechtung der Beklagten daher nicht stützen. Auch ausgehend von der Feststellung, dass ihr Geschäftsführer die Vereinbarung in Kenntnis der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht geschlossen hätte, liege kein von der Klägerin veranlasster Irrtum vor, oder einer, der ihr hätte offenbar auffallen müssen; der Klagevertreter habe nämlich davon ausgehen dürfen, dass die Beklagte als Bauwerberin diese Entscheidung ebenso kannte wie er. Er habe keinen Anlass gehabt, anzunehmen, die eine Woche zuvor getroffene Entscheidung des Verwaltungsgerichts sei der Beklagten als Bauwerberin unbekannt. Über die möglicherweise fehlende Motivation der Beklagten zum Abschluss der Vereinbarung lasse sich ebenfalls kein „Auffallen-müssen“ der Klägerin konstruieren, weil die Motivation der Beklagten zum Abschluss der Vereinbarung ein Erlangen der für den Ausbau erforderlichen rechtskräftigen Baubewilligung gewesen sei, welches durch einen weiteren Rechtszug – angesichts möglicher außerordentlicher Rechtsmittel durch die Klägerin – (noch) nicht erreicht gewesen sei. Der Klagevertreter habe daher vermuten dürfen, dass der Abschlusswille der Beklagten nach wie vor bestand und die Beklagte erreichen wollte, dass kein weiteres Rechtsmittel mehr ergriffen werde. Ein auffallendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung liege nicht vor. Die Klägerin habe ihre Leistung (Verzicht auf weitere Bekämpfung der Baubewilligung) erbracht. Ebenso wenig sei die Vereinbarung als sittenwidrig anzusehen. Die Beklagte habe sich auch nicht in einer Zwangslage befunden.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) Ausspruch des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt.

1. Bei der Irrtumsanfechtung muss der den Irrtum geltend machende Teil einen Sachverhalt behaupten, aus dem sich ergibt, dass der Geschäftsirrtum wesentlich war und entweder vom Gegner veranlasst wurde oder diesem aus den Umständen offenbar auffallen musste oder rechtzeitig aufgeklärt wurde (RIS-Justiz RS0093831). Offenbar auffallen muss ein Irrtum, wenn er bei verkehrsüblicher Sorgfalt erkennbar gewesen wäre oder der Partner wenigstens Verdacht hätte schöpfen müssen (RS0053188; RS0016215; RS0016218 [T1]). Eine Irrtumsanfechtung ist sogar dann zulässig, wenn der Irrtum dem Vertragspartner zwar aus den Umständen offenbar auffallen musste, aber tatsächlich nicht aufgefallen ist (RS0016218).

2. Der Klagevertreter, der bereits seit Monaten mit dem Geschäftsführer der Beklagten über eine Vereinbarung betreffend die im Zuge des Dachausbaus zu entfernende Hotelbeschriftung korrespondierte, erhielt die für die Klägerin nachteilige zweitinstanzliche Entscheidung im Bauverfahren am 4. Mai 2016 zugestellt. Er verfasste noch am selben Tag – bezugnehmend auf das Telefongespräch vom 2. Mai 2016 – ein E-Mail an den Geschäftsführer der Beklagten, in dem er um rasche Durchsicht ersuchte.

Auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts nahm er in diesem E-Mail mit keinem Wort Bezug. Auch nach dem Inhalt der vom Klagevertreter verfassten Vereinbarung sollte die Gegenleistung der Klägerin (also weiterhin) darin bestehen, dass sie „die Einwendungen im Bauverfahren durch deren Rechtsvertreter zurückzuziehen“ hatte. Eine solche „Rückziehung“ kam nach der abweisenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts über die Beschwerde der Klägerin gegen den erstinstanzlichen Baubewilligungsbescheid aber gar nicht mehr in Betracht: Bestand doch nur noch die Möglichkeit einer außerordentlichen Anfechtung, die in der Vereinbarung allerdings ebenfalls nicht erwähnt wird.

Bei Anwendung der für einen Rechtsanwalt in dieser Konstellation anzusetzenden, verkehrsüblichen Sorgfalt lagen erhebliche Anhaltspunkte dafür vor, dass die Gegenseite (der Geschäftsführer der Beklagten) von dieser – für die Bauwerberin deutlich günstigeren, vom Klagevertreter aber verschwiegenen – neuen Rechtslage noch keine Kenntnis hatte. Eine Bezugnahme auf diese neue Situation hätte daher dem redlichen Geschäftsverkehr entsprochen, während die gewählte Vorgangsweise – insbesondere angesichts der ausdrücklichen Bitte um „rasche Durchsicht“ – massiv darauf hindeutet, dass damit die Unkenntnis der Beklagten ausgenutzt wurde, die ja noch bis zum 10. Mai 2016 bestand.

Soweit die Klägerin in der Revisionsbeantwortung argumentiert, dass eine positive Kenntnis des mit dem Geschäftsführer der Beklagten korrespondierenden Klagevertreters von der seiner Kanzlei am Tag des E-Mails (4. Mai 2016) zugestellten Entscheidung des Verwaltungsgerichts gar nicht feststehe, übergeht sie zunächst ihr eigenes erstinstanzliches Vorbringen, wonach die Entscheidung an diesem Tag „bereits bei der klagenden Partei eingelangt ist“ (AS 24 = S 6 in ON 8). Außerdem ist festzuhalten, dass das E-Mail des Klagevertreters vom 4. Mai 2016 (Beil ./1) an den Geschäftsführer der Beklagten um 17:32 Uhr abgesendet wurde (RS0121557 [T3]).

Die rechtliche Beurteilung des Erstgerichts, dass die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Irrtumsanfechtung der Vereinbarung durch die Beklagte erfüllt sind, trifft daher zu, weshalb das klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen ist.

3. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungs- sowie des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.

Textnummer

E125098

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0030OB00242.18M.0426.000

Im RIS seit

29.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

18.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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