TE OGH 2019/4/3 1Ob212/18k

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Veröffentlicht am 03.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S*****gesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch die Krist Bubits Rechtsanwälte OG, Mödling, gegen die beklagte Partei E***** reg. Gen.m.b.H., *****, vertreten durch die Bartlmä Madl Rechtsanwälte OG, Wien, wegen 296.181,60 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2018, GZ 15 R 89/18w-58, mit dem das Zwischenurteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 15. Mai 2018, GZ 2 Cg 22/17w-50, einschließlich des vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben, die Klage in einen im Außerstreitverfahren einzubringenden Antrag umgedeutet und dieser an das Landesgericht Wiener Neustadt überwiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Berufungsgericht wird die meritorische Entscheidung über die Berufung der beklagten Partei aufgetragen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 15.665,72 EUR (darin enthalten 805,12 EUR USt und 10.735 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin ist Servituts- und Wasserrechtsberechtigte an einem sogenannten Triebwasserkanal („Kanal“) aus dem sie ihre Teiche speist und der teilweise über die Liegenschaft der Beklagten verläuft, die diese 1997 erworben hat. Sie begehrt den Ersatz von vier Fünfteln der von ihr auf der Liegenschaft zur Sanierung des Kanals (insbesondere des diesen überdeckenden Gewölbes) aufgewendeten Kosten, weil sich die Rechtsvorgängerin der Beklagten im Eigentum in einer 1930 abgeschlossenen Vereinbarung, die nun die Beklagte binde, gegenüber der Rechtsvorgängerin der Klägerin zur Tragung der Erhaltungskosten des Kanals im Verhältnis von 4:1 verpflichtet habe.

Das Berufungsgericht hob das vom Erstgericht gefasste Zwischenurteil, mit dem die Klageforderung als dem Grunde nach zu Recht bestehend erkannt worden war, samt dem vorangegangenen Verfahren mangels Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs als nichtig auf, deutete den verfahrenseinleitenden Schriftsatz in einen im Außerstreitverfahren einzubringenden Antrag um und überwies diesen an das als zuständig angenommene Gericht. In seiner rechtlichen Begründung führte es aus, dass die Klägerin ihren Anspruch auf ein im Zuge eines wasserrechtlichen Verfahrens mit Bescheid dokumentiertes Übereinkommen im Sinn des § 111 Abs 3 WRG gestützt habe. Da diese Vereinbarung (soweit für das vorliegende Verfahren relevant) die Aufteilung der Kosten von Erhaltungsarbeiten am Kanal und damit wasserrechtliche Ersatz- bzw Beitragsleistungen gemäß § 117 Abs 1 WRG regle, sei zur Entscheidung über die Auslegung und die Rechtsfolgen dieser Vereinbarung – ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde – das Gericht berufen, das dabei im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden habe.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Rekurs der Klägerin ist zulässig und berechtigt. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der innerhalb offener Rechtsmittelfrist beim gemäß § 520 ZPO zuständigen Erstgericht eingebrachte Rekurs an den Obersten Gerichtshof nicht verspätet. Der am selben Tag beim Gericht zweiter Instanz eingebrachte Rekurs muss nicht formell zurückgewiesen werden, weil dieser mit dem beim Erstgericht eingebrachten Rekurs ident ist (vgl

RIS-Justiz RS0041666 [T42]).

Hebt das Berufungsgericht – wie hier – das Ersturteil aus Anlass der Berufung als nichtig auf und überweist es die Rechtssache in das Außerstreitverfahren, so ist dieser Beschluss analog § 519 Abs 1 Z 1 ZPO anfechtbar (Zechner in Fasching/Konecny² § 519 ZPO Rz 81 mwN; Kodek in Rechberger4 § 519 Rz 10), sohin also ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und die Höhe des Streitwerts (RS0043886 [insb T3]).

Ob ein Rechtsschutzantrag im streitigen oder im außerstreitigen Verfahren zu behandeln ist, muss nach dem Wortlaut des Entscheidungsbegehrens und den zu seiner Begründung vorgebrachten Sachverhaltsbehauptungen beurteilt werden (RS0005896 [T17, T19, T40]). Feststellungen, die das Gericht aufgrund bereits durchgeführter Beweise getroffen hat, sind für diese Beurteilung ebenso ohne Belang (RS0005896 [T26]) wie Einwendungen der beklagten Partei (RS0005896 [T12, T23]) oder ob der behauptete Anspruch inhaltlich begründet ist (RS0005861; RS0013639). Im

Zweifel gehören in die Zuständigkeit der Gerichte fallende Sachen auf den Prozessweg (RS0012214 [T14]).

Bilden Rechtsverhältnisse, zu deren Regelung die Wasserrechtsbehörde in Ermangelung eines Übereinkommens im Entscheidungsweg zuständig gewesen wäre, den Gegenstand eines Übereinkommens, findet nach § 111 Abs 3 Satz 2 WRG in der Fassung der WRG-Novelle 1990 (BGBl 1990/252) auf Streitigkeiten über die Auslegung und Rechtswirkungen eines solchen Übereinkommens § 117 WRG sinngemäß Anwendung. Wurden Leistungen ausbedungen, die als „Entschädigungsleistungen“ oder als „Ersatz- oder Beitragsleistungen“ im Sinn von § 117 Abs 1 WRG anzusehen sind, entscheidet gemäß § 117 Abs 7 WRG im Streitfall über die Auslegung oder die Rechtswirkungen des Übereinkommens das Gericht ohne vorherige Befassung der Wasserrechtsbehörde (RS0045814); es hat dabei – wie sich aus dem Verweis des § 117 Abs 7 WRG auf Abs 6 leg cit ergibt – im Außerstreitverfahren vorzugehen (RS0053061).

Die Beklagte wandte ein, dass das ihrer Rechtsvorgängerin zum Betrieb eines Kleinwasserkraftwerks eingeräumte Wasserbenutzungsrecht aufgrund der bereits lange vor Erwerb der Liegenschaft durch die Beklagte erfolgten Auflassung dieses Wasserkraftwerks erloschen und daher auch die damit im Zusammenhang stehende Vereinbarung aus 1930 nicht mehr wirksam sei. Unstrittig ist, dass die Wasserkraftanlage bereits vor dem Erwerb des Grundstücks durch die Beklagte aufgelassen und mit Bescheid vom 25. 6. 1993 festgestellt wurde, dass das zu ihrem Betrieb eingeräumte Wasserbenutzungsrecht erloschen ist. Die Klägerin berief sich letztlich nur auf die weiterbestehende zivilrechtliche Wirkung der 1930 geschlossenen Vereinbarung. Damit stützt sie sich aber gerade nicht auf eine Vereinbarung (Übereinkommen) über spezifisch wasserrechtliche Entschädigungs-, Ersatz- oder Beitragsleistungen im Sinn des § 117 Abs 1 WRG (mangels auf die Beklagte übergegangenen Wasserbenutzungsrechts hätten die Pflichten aus dem damit im Zusammenhang stehenden wasserrechtlichen Übereinkommen auch gar nicht gemäß § 22 Abs 1 WRG auf sie übergehen können und es läge auch keine potentielle Entscheidungskompetenz der Wasserrechtsbehörde im Sinn des § 111 Abs 3 WRG zur Festlegung einer Beitragspflicht der Beklagten vor), weshalb über den (auf allgemeines Zivilrecht gestützten) Anspruch im streitigen Rechtsweg zu entscheiden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO. Die Klägerin hat im selbständigen Zwischenstreit über die Zulässigkeit des streitigen Rechtswegs obsiegt (vgl 1 Ob 82/13k). Ein der Rekurswerberin bei der Zusammenrechnung der von ihr verzeichneten Kosten unterlaufener Rechenfehler war zu korrigieren.

Textnummer

E124869

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00212.18K.0403.000

Im RIS seit

08.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

27.06.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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