TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/27 W200 2213360-1

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Entscheidungsdatum

27.02.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
VOG §1

Spruch

W200 2213360-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Vorsitzende und den Richter Dr. KUZMINSKI sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. SVOBODA als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich (SMS) vom 03.01.2019, Zl. 410-602046-007, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin hat am 01.10.2018 bei der belangten Behörde einen Antrag auf Gewährung von Heilfürsorge (psychotherapeutische Krankenbehandlung, Übernahme von Selbstbehalten) sowie Ersatz von Sachschäden (Brille) nach dem Verbrechensopfergesetz gestellt und begründend ausgeführt, dass am 08.08.2018, 14.10 Uhr ein unbekannter Täter versucht hätte, sie bei einem Stiegenabgang beim Gang zur Bank zu überfallen. Sie sei den Stiegenabgang hinuntergelaufen und gestützt, hätte sich leichte Verletzungen zugezogen, die Brille sei gebrochen und das Handy sei beschädigt. Besonders schlimm sei die psychische Belastung. Sie habe psychotherapeutische Hilfe in Anspruch nehmen müssen.

Dem Abschlussbericht der LPD OÖ ist Folgendes zu entnehmen:

Die Beschwerdeführerin hätte ihr Auto auf einem Parkplatz der Bank geparkt. Von diesem Parkplatz aus gelangt man über eine von Büschen gesäumte Treppe und weiter durch eine tunnelartige Durchfahrt zum Stadtplatz und zum Haupteingang der Bank.

Die Beschwerdeführerin sei aus dem Auto ausgestiegen, hätte ihre Geldtasche und Handy in die Hand genommen und sei die Stufen hinauf in Richtung Stadtplatz. Im Bereich der Treppe hätte ihr ein unbekannter Mann mit ausgebreiteten Armen den Weg versperrt und wörtlich "Geldtasche her" gesagt.

Die Beschwerdeführerin hätte um Hilfe geschrien und sei die Treppe zurück geflüchtet, sei aus Angst vor dem Täter die letzten fünf Stufen hinuntergesprungen und zu Sturz gekommen. Der Täter hätte ohne Beute die Flucht ergriffen und es sei zu keiner körperlichen Berührung zwischen Täter und Opfer gekommen.

Die belangte Behörde hat mit Schreiben vom 21.11.2018 die Beschwerdeführerin auf § 1 Abs. 1 VOG hingewiesen, ihr den Inhalt des Berichtes der LPD OÖ übermittelt und mitgeteilt, dass von der Staatsanwaltschaft Ried das Strafverfahren gegen unbekannte Täter abgebrochen worden sei.

Mit Bescheid vom 03.01.2019 wurde der Antrag vom 01.10.2018 gemäß § 1 Abs. 1 VOG abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben mit der Begründung, dass es durchaus sein könne, dass das Raubdelikt die Ausübung von Gewalt oder eine gefährliche Drohung vorsehen müsse. Auf das subjektive Empfinden des Opfers sei allerdings in keiner Weise Rücksicht genommen worden. Die Vorgangsweise des Täters (Versperren des Weges mit ausgestreckten Händen, harsche Aufforderung die Geldbörse herzugeben) hätten bei der Beschwerdeführerin Panik ausgelöst. Ihre Reaktion sei das fluchtartige Verlassen der Stiege mit den bekannten negativen Folgen gewesen.

Die Polizei hätte richtigerweise Anzeige wegen versuchten Raubes erstattet und die Staatsanwaltschaft Ried diesen ebenso als solchen anerkannt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Am 08.08.2018, 14.10 Uhr ging die Beschwerdeführerin den Stiegenaufgang vom Parkplatz der XXXX in Richtung Stadtplatz hinauf. Im Bereich der Treppe versperrte ihr plötzlich ein unbekannter Mann mit ausgebreiteten Armen den Weg und sagte "Geldtasche her". Die Beschwerdeführerin begann zu schreien, dreht um, sprang die letzten fünf Stufen hinunter und kam dabei zu Sturz. Der unbekannte Mann ergriff ohne Beute sofort die Flucht und es kam zu keiner körperlichen Berührung.

1.2 Der Antrag auf Hilfeleistungen nach dem VOG ist am 01.10.2018 bei der belangten Behörde eingelangt.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1 und 1.2) Die Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich widerspruchsfreien, unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9d Abs. 1 VOG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten des VOG durch einen Senat, dem ein fachkundiger Laienrichter angehört. Es liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

1. Zur Entscheidung in der Sache:

Anspruch auf Hilfe haben österreichische Staatsbürger, wenn mit Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass sie durch eine zum Entscheidungszeitpunkt mit einer mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohte rechtswidrige und vorsätzliche Handlung eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung erlitten haben und ihnen dadurch Heilungskosten erwachsen sind oder ihre Erwerbsfähigkeit gemindert ist.

(§ 1 Abs. 1 VOG auszugsweise)

Die belangte Behörde legte dem angefochtenen Bescheid zurecht das Urteil des OGH vom 10.10.2006 zu Grunde:

Tatmittel eines Raubes nach § 142 StGB (Strafgesetzbuch) ist Gewalt gegen eine Person oder eine qualifizierte Drohung, das heißt eine solche mit "gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB)". Die Drohung muss sich somit auf eine gegenwärtige Gefahr für Ihre Gesundheit oder die körperliche Sicherheit beziehen. Ein "bedrohliches Hinstellen" zur "Einschüchterung" des Tatopfers, verbunden mit der Aufforderung, die Geldtasche herauszugeben, lässt jedoch nicht erkennen, ob damit nach dem Tatplan des Unbekannten eine gegenwärtige konkrete Gefahr für Leib oder Leben der Bedrohten in der oben dargelegten Bedeutung angekündigt werden sollte (OGH 14 Os 103/06p).

In seiner ständigen Judikatur hat der OGH führt der OGH weiters aus:

Die Drohung muss sich auf eine gegenwärtige Gefahr für die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit beziehen, sodass die Drohung mit einer bloßen körperlichen Misshandlung im Sinn des § 83 Abs 2 StGB als Begehungsmittel ausscheidet. Die wörtliche Drohung, jemanden zu schlagen, kann - je nach den Umständen - sowohl (im Sinn ihres Wortlauts) als solche mit einer bloßen Misshandlung, aber auch als solche mit einer Körperverletzung verstanden werden. (11Os10/04;

11Os12/06h; 12Os59/06b; 14Os103/06p; 11Os141/06d; 12Os88/07v;

11Os44/07s; 12Os132/07i; 14Os90/10g; 12Os102/13m)

Im Urteil vom 09.10.2012, 11Os110/12d führte der OGH aus:

Die qualifizierte Drohung beim Raub muss gegen Leib und Leben gerichtet sein. Eine gegen das Rechtsgut der Freiheit gerichtete Androhung einer Entführung reicht demnach nicht aus.

Der von der Beschwerdeführerin vorgebrachte Sachverhalt lässt - unter Zugrundelegung der ständigen Judikatur des OGH - keinesfalls die Subsumption unter § 142 StGB (Raub) zu.

Auch eine Nötigung gemäß § 105 StGB scheidet aus, weil ein Täter im Falle einer Nötigung ohne Bereicherungsvorsatz handelt (Bachner-Foregger, StGB ²¹ (2008)).

Würde man den Sachverhalt unter § 127 StGB (Diebstahl) subsumieren, so steht einer Anwendung des § 1 Abs. 1 VOG die darin vorgesehen Strafdrohung von bis zu sechs Monaten entgegen.

Da die Beschwerdeführerin kein Opfer einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen oder vorsätzlichen Handlung war, war der Antrag abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(§ 24 Abs. 1 VwGVG)

Die Verhandlung kann entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

(§ 24 Abs. 2 VwGVG)

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. (§ 24 Abs. 3 VwGVG)

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. (§ 24 Abs. 4 VwGVG)

Das Verwaltungsgericht kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. (§ 24 Abs. 5 VwGVG)

Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung ist der Umstand, ob die Beschwerdeführerin Opfer einer mit mehr als sechsmonatigen Freiheitsstrafe bedrohten rechtswidrigen oder vorsätzlichen Handlung war. Da der Sachverhalt geklärt ist, und es sich dabei um eine reine Rechtsfrage handelt, konnte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

VerbrechensopferG, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W200.2213360.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.04.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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