TE Lvwg Erkenntnis 2019/1/10 VGW-152/094/16326/2018

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Veröffentlicht am 10.01.2019
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Entscheidungsdatum

10.01.2019

Index

41/02 Staatsbürgerschaft
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

StbG 1985 §26 Z1
StbG 1985 §27 Abs1
StbG 1985 §42 Abs3
AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seine Richterin Mag. Schubert-Zsilavecz, LL.M, BA über die Beschwerde des Herrn A. B. (geb. 1965), vom 29.11.2018, vertreten durch Rechtsanwalt, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 29.10.2018, Zl. ...,

zu Recht erkannt:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Gemäß § 42 Abs. 3 StbG wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer, Herr A. B. (geb. 1965) österreichischer Staatsbürger ist.

III. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Entscheidungsgründe

I. Verfahrensgang, angefochtener Bescheid und Beschwerde

1.1. Mit Bescheid der Wiener Landesregierung (im Folgenden: belangte Behörde) vom 22. Februar 1995, ..., wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG 1985) für den Fall zugesichert, dass dieser binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband erbringe.

Am 15. Februar 1996 langte bei der belangten Behörde die Bewilligungsurkunde zur Entlassung aus dem türkischen Staatsverband entsprechend dem Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 17. November 1995, ausgestellt am 17. Jänner 1996, ein.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1996, ..., verlieh die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 10. Juni 1996 nach § 10 Abs. 3 StbG 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mit Entlassungsurkunde entsprechend dem Beschluss des türkischen Ministerrats zur Zahl ... vom 17. November 1995, ausgestellt am 18. Juni 1996, wurde der Beschwerdeführer endgültig aus dem türkischen Staatsverband entlassen.

1.2. Am 17. Mai 2017 übermittelte der C. dem Bundesminister für Inneres (im Folgenden: BMI) einen Datenträger, auf dem sich Excel-Tabellen mit persönlichen Daten von insgesamt 95.984 Personen befanden. Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 übermittelte der D. der belangten Behörde eine Kopie dieser Tabellen mit persönlichen Daten von 66.382 Personen und ersuchte darum, zu der „uns zugespielte[n] türkische[n] ‚Wählerevidenzliste‘ mit rund 100.000 Personen […] so rasch wie möglich eine Überprüfung in die Wege zu leiten.“

1.3. Mit Schreiben vom 27. September 2017 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass der Verdacht der Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit bestehe. Um den Sachverhalt klären zu können, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, einen vollständigen Auszug aus dem Personenstandsregister, der alle staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten enthalte, zu beschaffen.

Mit Schreiben vom 27. September 2017 ersuchte die belangte Behörde das Generalkonsulat der Türkischen Republik um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit besitze bzw. ob dieser in den türkischen Evidenzen verzeichnet sei. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Der Beschwerdeführer übermittelte der belangten Behörde folgende Bestätigung des türkischen Generalkonsulates in Wien vom 4. Oktober 2017:

„Frau/Herr A. B. hat sich heute mit der Bitte um Ausstellung eines Personenstandsregisterauszugs (Nüfus Kayit Örne?i) an das hierortige Generalkonsulat gewendet. Jedoch wurde festgestellt, dass Frau/Herr B. aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgert wurde und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hat.

Aufgrund des Mavi Kart (Blaue Karten) Gesetzes vom 17.05.2013 wird der Personenstand der ausgebürgerten Personen nicht mehr im Personenstandsregister, sondern im „Blauen Karten Register“ (Mavi Kartlilar Kütü?ü) geführt. Aus diesem Grund darf den ausgebürgerten Personen kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden.

Diese Bestätigung wurde auf Wunsch der/des österreichischen Staatsbürgerin/s A. B. zur Vorlage bei den österreichischen Behörden ausgestellt.“

Mit Schreiben vom 23. August 2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedoch spätestens mit Wirkung vom 18. Mai 2017 die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß § 27 StbG 1985 verloren habe.

Der Beschwerdeführer übermittelte der belangten Behörde erneut eine Bestätigung des Generalkonsulates der Republik Türkei in Wien, aus der – zusammengefasst – hervorgeht, dass sich Herr A. B. am 6. September 2018 mit der Bitte um Ausstellung eines Personenstandsregisterauszugs an das dortige Generalkonsulat gewendet habe. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgt worden sei und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Daher könne dem Beschwerdeführer kein Personenstandsregister ausgestellt werden.

1.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 29. Oktober 2018, ..., stellte diese gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 StbG 1985 fest, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft spätestens mit Wirkung vom 18. Mai 2017 verloren habe und nicht österreichischer Staatsbürger sei.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, es sei davon auszugehen, dass es sich bei dem am 18. Mai 2017 bei der Magistratsabteilung 35 eingelangten Datensatz mit den Personendaten von mehreren zehntausenden Personen um eine bzw. einen Teil einer authentischen türkischen Wählerevidenzliste handle. Die belangte Behörde habe bis dato aufgrund des am 18. Mai 2017 eingelangten Datensatzes etwa 17.987 Feststellungsverfahren eingeleitet. Der Verfahrenseinleitung sei in jedem Fall eine Identitätsprüfung in der Form vorausgegangen, dass die in der übermittelten Aufstellung angeführten persönlichen Daten mit den vorhandenen Datenapplikationen ZSR/ZPR abgeglichen worden seien. Diese Daten hätten nahezu in sämtlichen Fällen übereingestimmt. Im Zuge des Feststellungsverfahrens würden die übrigen Daten mit dem Einbürgerungsakt verglichen. Auch dieser Abgleich habe bislang in nahezu allen Fällen eine Übereinstimmung ergeben. Da die wesentlichen Angaben in ca. 5.000 Fällen, in welchen bis dato alle Daten abgeglichen und geprüft worden seien, richtig seien, sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass auch die übrigen ca. 61.380 Personen mit den korrekten Personendaten wiedergegeben würden. Dieser Schluss würde überdies in den sechs Fällen, in denen bereits negative Feststellungsbescheide erlassen worden seien, bestätigt. Als der Datensatz vom C. am 18. Mai 2017 übermittelt worden sei, seien zu diesen Personen bereits Feststellungsverfahren anhängig gewesen, weil ein Verdacht auf Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit bestanden habe. Die vorgelegten türkischen Personenstandsregisterauszüge hätten diesen Verdacht bestätigt. Auf diesem Dokument finde sich eine Kimlik-Nummer, welche in allen sechs Fällen jener auf dem übermittelten Datensatz entspreche. Auch die übrigen persönlichen Daten hätten der Angabe auf der Liste entsprochen.

Festzuhalten sei daher, dass die persönlichen Daten auf der Liste mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vollumfänglich korrekt seien. Das führe zwingend zu dem Schluss, dass es sich um eine authentische Aufzeichnung einer Behörde handle. Eine – inhaltlich richtige – Personendatensammlung von derartigem Ausmaß setze behördliche, mit staatlichem Imperium ausgestattete, Strukturen voraus, sodass es geradezu ausgeschlossen sei, dass der Datensatz von einer privaten Personen(gruppe) herrühre. Ob und auf welchem Wege der Datensatz die behördliche Sphäre verlassen habe, ändere nichts an seinem offenkundigen staatlichen Ursprung und der inhaltlichen Richtigkeit.

Die in dem Datensatz aufgelisteten Personen seien zwischen 1. Juli 1908 und 29. Oktober 1997 geboren. Die jüngste Person sei seit 29. Oktober 2015 volljährig und somit wahlberechtigt. Am 1. November 2015 habe in der Türkei die vorgezogene Wahl zur 26. Großen Nationalversammlung stattgefunden. Im Amtsbereich des türkischen Generalkonsulates Wien seien zur Wahl zur 26. Großen Nationalversammlung in der Türkei 66.382 Personen aktiv wahlberechtigt gewesen. Diese Anzahl an wahlberechtigten Personen zur türkischen Wahl am 1. November 2015 entspräche exakt der Anzahl der in der vom BMI an die Landesregierungen übermittelten Liste aufscheinenden Personen (66.382).

Der dem BMI übermittelte Datenstick habe neben der Wählerevidenzliste für Wien auch die Wählerevidenzliste der im Amtsbereich des Generalkonsulats Salzburg wahlberechtigten Personen enthalten. Im Amtsbereich des Generalkonsulats Salzburg seien zu dieser Wahl 29.602 Personen aktiv wahlberechtigt gewesen. Für das Generalkonsulat in Salzburg finde sich in der Spalte mit der Bezeichnung „Kayitli Seçmen“ (registrierte Wähler) exakt die Zahl 29.602. Die Anzahl der im Amtsbereich des türkischen Generalkonsulates Salzburg zur türkischen Wahl am 1. November 2015 wahlberechtigten Personen (29.602) entspräche exakt der Anzahl der in der vom BMI an die Landesregierungen übermittelten Liste aufscheinenden Personen (29.602).

Die jüngste auf der Liste aufscheinende Person sei am 29. Oktober 1997 geboren worden. Auf der Liste befänden sich keine Personen, die nach dem 1. November 1997 geboren worden seien. Sämtliche auf der Liste aufscheinenden Personen hätten somit am 1. November 2015 das Alterskriterium erfüllt, weil keine Person am 1. November 2015 jünger als 18 Jahre gewesen sei.

Laut Äußerung des Bundesministeriums für Europa, Integration und Äußeres (im Folgenden: BMEIA) werde für Wahlberechtigte mit Auslandswohnsitz eine eigene Wählerevidenzliste erstellt, welche von der Hohen Wahlkommission erstellt und den türkischen Vertretungsbehörden im Ausland sowie den Zentralen der Parteien in der Türkei zur Verfügung gestellt würden. Dass es sich bei dem übermittelten Datensatz um einen Auszug aus der türkischen Wählerevidenzliste für im Ausland lebende Wahlberechtigte handle, ergebe sich auch daraus, dass die Angaben, welche laut BMEIA auf solchen Listen enthalten seien, im Wesentlichen übereinstimmten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien die Parteien eines (ihnen bekannten) Verwaltungsverfahrens – ungeachtet der behördlichen Verpflichtung zur amtswegigen Feststellung des Sachverhaltes – verpflichtet, durch substantiiertes Vorbringen zur Ermittlung des Sachverhaltes beizutragen, wenn es einer solchen Mitwirkung bedürfe. Eine solche Mitwirkungspflicht sei dann anzunehmen, wenn der behördlichen Ermittlung faktische Grenzen gesetzt seien, die Behörde also nicht in der Lage sei, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden bzw. sich relevante Daten amtswegig zu verschaffen. Soweit einzelne Sachverhaltselemente ihre Wurzel im Ausland haben, sei die Mitwirkungspflicht der Partei in dem Maß höher, als die Pflicht der Behörde zu amtswegigen Erhebungen wegen des Fehlens entsprechender Möglichkeiten geringer sei. Der Beschwerdeführer sei der Aufforderung der belangten Behörde zur Vorlage eines vollständigen Personenstandsregisterauszugs mit allen staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten nicht nachgekommen. Es seien keine geeigneten Unterlagen zum Nachweis vorgelegt worden, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht wieder in den türkischen Staatsverband aufgenommen worden sei.

Da der Beschwerdeführer auf der genannten Liste aufscheine, sei davon auszugehen, dass er zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 18. Mai 2017 die türkische Staatsangehörigkeit auf Grund eines entsprechenden Antrages wieder erworben habe. Die Beibehaltung der österreichischen Staatsbürgerschaft vor Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit sei ihm nicht bewilligt worden.

1.5. In der gegen den angefochtenen Bescheid eingebrachten Beschwerde vom 29. November 2018 ficht der Beschwerdeführer den genannten Bescheid zur Gänze wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften an. Begründend führt der Beschwerdeführer zusammengefasst aus, dass der maßgebliche Sachverhalt keinesfalls feststehe. Die in der „Wählerevidenz“ angeführten Daten, bzw. der von der belangten Behörde gezogene Schluss, wonach es sich bei den in der „Wählerevidenz“ aufscheinenden Personen um wahlberechtigte türkische Staatsangehörige handle, seien inhaltlich unrichtig. Die Behörde könne auf Basis dieser „Wählerevidenz“ keine Feststellungen gemäß § 27 StbG treffen. Die vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Mitwirkungspflicht der Parteien bedeute nicht, dass die gesamte Beweislast auf den Beschwerdeführer überwälzt werden dürfe.

II. Feststellungen

2.1. Der Beschwerdeführer wurde am ...1965 in E., Türkei, geboren und ist jedenfalls seit 11. Juni 1996 nachweislich ohne Unterbrechung in Österreich gemeldet.

 

Mit Bescheid der Wiener Landesregierung (im Folgenden: belangte Behörde) vom 22. Februar 1995, ..., wurde dem Beschwerdeführer die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 20 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG 1985) für den Fall zugesichert, dass dieser binnen zwei Jahren den Nachweis über das Ausscheiden aus dem türkischen Staatsverband erbringe.

Am 15. Februar 1996 langte bei der belangten Behörde die Bewilligungsurkunde zur Entlassung aus dem türkischen Staatsverband entsprechend dem Ministerratsbeschluss zur Zahl ... vom 17. November 1995, ausgestellt am 17. Jänner 1996 ein.

Mit Bescheid vom 10. Juni 1996, ..., verlieh die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Wirkung vom 10. Juni 1996 nach § 10 Abs. 3 StbG 1985 die österreichische Staatsbürgerschaft.

Mit Entlassungsurkunde entsprechend dem Beschluss des türkischen Ministerrats zur Zahl ... vom 17. November 1995, ausgestellt am 18. Juni 1996, wurde der Beschwerdeführer endgültig aus dem türkischen Staatsverband entlassen.

2.2. Am 17. Mai 2017 übermittelte der C. dem BMI einen Datenträger, auf dem sich Excel-Tabellen mit persönlichen Daten von insgesamt 95.984 Personen befanden. Mit Schreiben vom 18. Mai 2017 übermittelte der D. der belangten Behörde eine Kopie dieser Tabellen mit persönlichen Daten von 66.382 Personen und ersuchte darum, zu der „uns zugespielte[n] türkische[n] ‚Wählerevidenzliste‘ mit rund 100.000 Personen […] so rasch wie möglich eine Überprüfung in die Wege zu leiten.“

2.3. Im vorliegenden Verwaltungsakt befindet sich ein Auszug aus dem übermittelten Datensatz, in welchem der Beschwerdeführer mit folgenden persönlichen Daten aufscheint: ... (ID-Nummer), A. (Vorname), B. (Familienname), F. (VN Mutter), G. (VN Vater), E (Geschlecht), E. (Geburtsort), 05.03.1965 (dem Geb.datum), H. (Provinz), I. (Stadt), AVUSTURYA CUMHURIYETI (Aufenthaltsstaat), VIYANA BA?KONSOLOSLU?U (Zuständigkeit).

Bei dem Auszug aus dem übermittelten Datensatz handelt es sich um eine Excel-Tabelle mit 12 Spalten, die nicht schreibgeschützt und sohin jederzeit veränderbar ist. Die übermittelte Excel-Tabelle wurde insofern nachträglich geändert, als die Behörde zur einfacheren Lesbarkeit Spaltenbezeichnungen ergänzt hat. Im Original waren keine Spaltenbezeichnungen vorhanden. Die ergänzten Spaltenbezeichnungen enthalten folgende Überschriften: ID-Nummer, Vorname, Familienname, VN Mutter, VN Vater, Geschlecht, Geburtsort, „Geb.datum“, Provinz, Stadt, Aufenthaltsstaat, Zuständigkeit.

2.4. Es kann nicht festgestellt werden, woher der – der belangten Behörde am 18. Mai 2017 vom D. übermittelte – Datensatz stammt. Auch kann der Zeitpunkt seiner Entstehung nicht festgestellt werden.

Schließlich kann nicht festgestellt werden, ob es sich bei dem gegenständlichen Datensatz um eine authentische türkische Wählerevidenzliste handelt.

2.5. Mit Schreiben vom 27. September 2017 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass der Verdacht der Wiederannahme der türkischen Staatsangehörigkeit bestehe. Um den Sachverhalt klären zu können, wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, einen vollständigen Auszug aus dem Personenstandsregister, der alle staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten enthalte, zu beschaffen.

Mit Schreiben vom 27. September 2017 ersuchte die belangte Behörde das Generalkonsulat der Türkischen Republik um Mitteilung, ob der Beschwerdeführer die türkische Staatsangehörigkeit besitze bzw. ob dieser in den türkischen Evidenzen verzeichnet sei. Dieses Schreiben blieb unbeantwortet.

Der Beschwerdeführer übermittelte der belangten Behörde folgende Bestätigung des türkischen Generalkonsulates in Wien vom 5. Oktober 2017:

„Frau/Herr A. B. hat sich heute mit der Bitte um Ausstellung eines Personenstandsregisterauszugs (Nüfus Kayit Örne?i) an das hierortige Generalkonsulat gewendet. Jedoch wurde festgestellt, dass Frau/Herr B. aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgert wurde und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hat.

Aufgrund des Mavi Kart (Blaue Karten) Gesetzes vom 17.05.2013 wird der Personenstand der ausgebürgerten Personen nicht mehr im Personenstandsregister, sondern im „Blauen Karten Register“ (Mavi Kartlilar Kütü?ü) geführt. Aus diesem Grund darf den ausgebürgerten Personen kein Personenstandsregisterauszug ausgestellt werden.

Diese Bestätigung wurde auf Wunsch der/des österreichischen Staatsbürgerin/s A. B. zur Vorlage bei den österreichischen Behörden ausgestellt.“

Mit Schreiben vom 23. August 2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, sie gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer zu einem unbekannten Zeitpunkt, jedoch spätestens mit Wirkung vom 18. Mai 2017 die österreichische Staatsbürgerschaft durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsangehörigkeit gemäß § 27 StbG 1985 verloren habe. Der Beschwerdeführer sei mit der Personenstandsnummer ..., seinem Vor- und Geschlechtsnamen, dem Vornamen seiner Mutter (F.) und seines Vaters (G.), seinem Geschlecht, dem Geburtsort E., dem Geburtsdatum ...1965, der Provinz H. und der Stadt I. in einer authentischen türkischen Wählerevidenzliste verzeichnet.

Der Beschwerdeführer übermittelte der belangten Behörde erneut eine Bestätigung des Generalkonsulates der Republik Türkei in Wien, aus der – zusammengefasst – hervorgeht, dass sich Herr A. B. am 6. September 2018 mit der Bitte um Ausstellung eines Personenstandsregisterauszugs an das dortige Generalkonsulat gewendet habe. Dabei sei festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer aus dem türkischen Staatsverband ausgebürgt worden sei und die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen habe. Daher könne dem Beschwerdeführer kein Personenstandsregister ausgestellt werden.

2.6. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 29. Oktober 2018, ..., stellte diese gemäß §§ 39 und 42 Abs. 3 StbG 1985 fest, dass der Beschwerdeführer die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 StbG durch den Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft spätestens mit Wirkung vom 18. Mai 2017 verloren habe und nicht österreichischer Staatsbürger sei.

2.7. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 10. Juni 1996 und nach Entlassung aus dem türkischen Staatsverband am 18. Juni 1996, eine fremde, insbesondere die türkische Staatsbürgerschaft, durch eine darauf gerichtete entsprechende Willenserklärung (Antrag, Erklärung, ausdrückliche Zustimmung) erworben hat.

III. Beweiswürdigung

3.1. Die Feststellungen hinsichtlich des bisherigen Verfahrensgangs im Staatsbürgerschaftsverfahren ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes, insbesondere aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 10. Juni 1996, ..., sowie der Entlassungsurkunde entsprechend dem Beschluss des türkischen Ministerrats zur Zahl ... vom 17. November 1995, ausgestellt am 18. Juni 1996.

3.2. Die Feststellungen zur Übermittlung des gegenständlichen Datenträgers ergeben sich ebenfalls aus dem Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes. So liegt ein Schreiben des D. vom 18. Mai 2017 an den Stadtrat …, mit folgendem Inhalt vor: „Wie angekündigt, darf ich Ihnen die uns zugespielte türkische „Wählerevidenzliste“ mit rund 100.000 Personen übermitteln und ersuche Sie hiermit, so rasch wie möglich eine Überprüfung in die Wege zu leiten.“ Weiters liegt im Verwaltungsakt eine Übernahmebestätigung des BMI vom 18. Mai 2017 mit folgendem Inhalt vor: „Am 18.05.2017 wurde um 11.38 ein Datenstick „illegale Doppelstaatsbürgerschaft“ (Nr. ...) zu Handen Herrn J. übergeben.“

3.3. Die getroffenen Feststellungen in Bezug auf den Inhalt des gegenständlichen Datensatzes ergeben sich aus einem im vorliegenden Verwaltungsakt befindlichen mit „Auszug aus der vom C. am 18. Mai 2017 übermittelten „türkischen Wählerevidenzliste“ betiteltem Dokument mit persönlichen Daten des Beschwerdeführers in einer Zeile mit 12 Spalten. Dieses Dokument belegt auch, dass der Beschwerdeführer mit seinen persönlichen Daten in der Excel-Tabelle des übermittelten Datensatzes aufscheint, was vom Beschwerdeführer nicht bestritten wurde.

3.4. Die Feststellungen im Hinblick auf die Qualität, fehlende Authentizität und den unbekannten Entstehungszeitpunkt des Datensatzes gründen sich auf den unbedenklichen Inhalt des Verwaltungsaktes:

Die Tiroler Landesregierung ersuchte den C. mit Schreiben vom 18. September 2017 um Beantwortung folgender Fragen betreffend Datenträger „türkische Wählerevidenzliste“:

„1. Aus welcher Quelle stammen die Daten?

2. Wie sind Sie in den Besitz der Daten gelangt?

3. Aufgrund welcher Umstände nehmen Sie an, dass es sich dabei um ein Verzeichnis der in Österreich wahlberechtigten Personen mit türkischer Staatsbürgerschaft handelt?

4. Wie aktuell sind die Daten bzw. für welche türkische Wahl wurde das Verzeichnis erstellt?

5. Können Sie allenfalls Personen benennen, welche die Herkunft, die Echtheit und die Richtigkeit der Daten bezeugen können?“

Mit Schreiben vom 20. September 2017 führte Herr K. aus, dass der Datenträger dem C. anonym zugespielt worden sei und eine detaillierte Beantwortung der Fragen der Tiroler Landesregierung daher nicht möglich sei.

Im Verwaltungsakt befindet sich außerdem ein Bericht des Bundeskriminalamtes (im Weiteren: BKA) vom 30. Juni 2017 über eine im Auftrag des BMI erfolgte forensische Untersuchung des Datensatzes durch das BKA. Ziel der Untersuchung war die Beantwortung folgender Fragen:

„a) Wie alt sind die Daten?

b) Gibt es einen Hinweis auf die zeitliche Abfolge der Entstehung der Daten (alle gleichzeitig erfasst oder mit zeitlichem Abstand und wurden Daten wieder gelöscht)?

c) Gibt es allenfalls Auffälligkeiten im Hinblick auf die Entstehung?

d) Gibt es einen Hinweis darauf, wo/wie die Daten erfasst/eingegeben wurden?

e) Wurden die Daten händisch eingegeben und falls nicht, wie sonst?

f) Gibt es einen Hinweis darauf wer sie erfasst hat? Falls ja, wie viele Bearbeiter der Daten sind ersichtlich?

g) Gibt es einen Hinweis darauf, ob die Daten allenfalls manipuliert wurden und falls ja, wann und von wem?

h) Hinweise zum Betriebssystem oder Excel-Version?

i) Sonstige Umstände, die einem geschulten Datenforensiker auffallen“

Folgendes Ergebnis lässt sich dem Bericht vom 30. Juni 2017 auszugsweise entnehmen:

„a) Zu a (Wie alt sind die Daten?)

Das Dateidatum lässt keine Schlüsse zu wann die Dateien erstellt wurden, da sie im Mailweg übermittelt wurden. Es lässt sich nur erkennen, dass laut Dateidatum der letzte schreibende Zugriff an den übermittelten Dateien am 21.6.2017 um 14.35 erfolgte.

[…]

Auch in den Metadaten der Dateien findet sich kein Erstelldatum.

[…]

Resümee

Sämtliche gestellte Fragen konnten nicht oder nur teilweise beantwortet werden, da der Originaldatenträger nicht für eine forensisch korrekte Untersuchung zur Verfügung stand und auf die im Mailweg überliefer[te]n Dateien bereits schreibend zugegriffen wurde.“

Somit ist klargestellt, dass sich sowohl die Herkunft des Datensatzes als auch der Zeitpunkt seiner Entstehung nicht ermitteln lassen. Darüber hinaus ergibt sich aus dem datenforensischen Bericht, dass auf die Daten schreibend zugegriffen werden konnte bzw. kann, und dies auch tatsächlich passiert ist. Dies spiegelt sich auch in dem im Akt befindlichen Auszug aus dem Datensatz wider, welcher nachträglich verändert, bzw. ergänzt wurde. So wurden von der Behörde Spaltenbezeichnungen eingefügt, die im Originaldatensatz nicht vorhanden waren. Dies ergibt sich aus dem Klammerausdruck auf dem im Akt befindlichen Auszug des Datensatzes („Spaltenbezeichnungen im Original nicht vorhanden, von Behörde zur einfacheren Lesbarkeit ergänzt“).

Dies bedeutet, dass die Datensätze jederzeit und von jedermann verändert und manipuliert werden konnten. Damit ist für das erkennende Gericht klargestellt, dass es nicht vom Vorliegen der inhaltlichen Richtigkeit der übermittelten Datensätze ausgehen kann. Sohin liegen keine Beweisergebnisse vor, die darauf schließen lassen, dass es sich bei dem gegenständlichen Datensatz um eine authentische türkische Wählerevidenzliste handelt. Die mangelnde Authentizität und die ungeklärte Herkunft der Inhalte dieses Datensatzes schließen es aus, dass dieser Datensatz für die Zwecke des § 27 Abs. 1 StbG im Hinblick auf den Beschwerdeführer ein taugliches Beweismittel darstellt (vgl. VfGH 11.12.2018, E 3717/2018).

3.5. Zur getroffenen Negativfeststellung, wonach nicht festgestellt werden kann, ob der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Entlassung aus dem türkischen Staatsverband eine fremde, insbesondere die türkische Staatsbürgerschaft erworben hat, ist auszuführen, dass die belangte Behörde den Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft im gegenständlichen Fall ausschließlich auf den ihr am 18. Mai 2017 übermittelten Datensatz stützt.

Wie bereits ausgeführt, kann der gegenständliche Datensatz allerdings aufgrund der mangelnden Authentizität und der ungeklärten Herkunft der Inhalte, die überdies jederzeit verändert bzw. manipuliert werden konnten, nicht als taugliches Beweismittel für die Zwecke des § 27 Abs. 1 StbG im Hinblick auf den Beschwerdeführer herangezogen werden (vgl. VfGH 11.12.2018, E 3717/2018).

Da gegenständlich keine weiteren Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft am 10. Juni 1996 und nach Entlassung aus dem türkischen Staatsverband am 18. Juni 1996, eine fremde, insbesondere die türkische Staatsbürgerschaft erworben hat, traf das erkennende Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung die entsprechende Negativfeststellung.

3.6. Das erkennende Gericht sah von weiteren amtswegigen Erhebungen ab, zumal eine diesbezügliche Anfrage der belangten Behörde an das türkische Generalkonsulat in Wien vom 27. September 2017 unbeantwortet blieb. Überdies ergibt sich aus weiteren beim erkennenden Gericht anhängigen ähnlich gelagerten Fällen, dass behördliche Anfragen an das Generalkonsulat der türkischen Republik in Wien stets unbeantwortet blieben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits auf die offenkundige Unmöglichkeit, von Amts wegen personenbezogene Auskünfte von den türkischen Behörden zu erhalten, hingewiesen (vgl. 19.3.2009, 2007/01/0633; VwGH 15.3.2010, 2008/01/0590; 25.9.2018, Ra 2018/01/0364). Die Türkei habe das Übereinkommen über den Austausch von Einbürgerungsmitteilungen (ICCS-Konvention Nr. 8) mit Wirksamkeit vom 30.9.2010 gekündigt. Nach Mitteilung der türkischen Behörden könnten Informationen zur Staatsbürgerschaft im Rahmen des Geheimhaltungsprinzips nur durch den Betroffenen beantragt werden. Der Verwaltungsgerichtshof gehe daher davon aus, dass in derartigen Fällen einer amtswegigen Ermittlung faktische (und rechtliche) Hindernisse entgegenstünden.

3.7. Der Beschwerdeführer war nicht neuerlich aufzufordern, ein Personenstandsregister vorzulegen, zumal er bereits ausreichend am Verfahren mitgewirkt hat, indem er zweimal versuchte, Personenstandsregisterauszüge vom Generalkonsulat der Republik Türkei zu bekommen (Bestätigung des Generalkonsulats der Republik Türkei in Wien vom 4. Oktober 2017, sowie vom 6. September 2018).

IV. Rechtliche Beurteilung

4.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die österreichische Staatsbürgerschaft (Staatsbürgerschafsgesetz 1985 – StbG), BGBl. I Nr. 56/2018, lauten auszugsweise wie folgt:

„ABSCHNITT III

VERLUST DER STAATSBÜRGERSCHAFT

§ 26. Die Staatsbürgerschaft wird verloren durch

1.   Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (§§ 27 und 29);

[…]

Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit

§ 27. (1) Die Staatsbürgerschaft verliert, wer auf Grund seines Antrages, seiner Erklärung oder seiner ausdrücklichen Zustimmung eine fremde Staatsangehörigkeit erwirbt, sofern ihm nicht vorher die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft bewilligt worden ist.

[…]

ABSCHNITT IV

BEHÖRDEN UND VERFAHREN

[…]

§ 42. […]

[…]

(3) Ein Feststellungsbescheid kann von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht.“

4.2. Wie der Verwaltungsgerichtshof zu § 27 Abs. 1 StbG 1985 festgehalten hat, setzt diese Bestimmung voraus, dass der Staatsbürger eine auf den Erwerb der fremden Staatsbürgerschaft gerichtete "positive" Willenserklärung abgibt und die fremde Staatsbürgerschaft infolge dieser Willenserklärung tatsächlich erlangt. Da das Gesetz verschiedene Arten von Willenserklärungen ("Antrag", "Erklärung", "ausdrückliche Zustimmung") anführt, bewirkt jede Willenserklärung, die auf den Erwerb der fremden Staatsangehörigkeit gerichtet ist, den Verlust der (österreichischen) Staatsbürgerschaft. Auf eine förmliche Verleihung der fremden Staatsangehörigkeit kommt es nicht an (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/01/0334). Der Verlust der Staatsbürgerschaft tritt bei Vorliegen der Voraussetzungen nach § 27 Abs. 1 StbG 1985 ex lege ein (VwGH 28.6.2005, 2004/01/0014).

§ 42 StbG ordnet an, unter welchen Voraussetzungen die Durchführung eines Feststellungsverfahrens in Staatsbürgerschaftssachen zulässig ist. Nach § 42 Abs. 3 StbG kann ein Feststellungsbescheid von Amts wegen erlassen werden, wenn ein öffentliches Interesse an der Feststellung besteht. Das Interesse des Staates, nicht darüber im Zweifel zu sein, ob eine bestimmte Person Staatsangehörige ist, stellt ein öffentliches Interesse dar, das gemäß § 42 Abs. 3 StbG die amtswegige Erlassung eines Feststellungsbescheides rechtfertigen kann (VwGH 15.3.2010, 2007/01/0482; 19.9.2012, 2009/01/0003).

Das Verfahren gemäß § 42 Abs. 3 iVm § 27 Abs. 1 StbG, das den Verlust der Staatsbürgerschaft zum Gegenstand hat, ist dadurch gekennzeichnet, dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG von Amts wegen zu ermitteln ist. Diesen aus § 37 AVG erfließenden Grundsatz der materiellen Wahrheit in Verbindung mit der in § 39 Abs. 2 AVG normierten Offizialmaxime hat der Verfassungsgerichtshof etwa dann in einer in die Verfassungssphäre reichenden Weise für verletzt erachtet, wenn die Behörde in Verkennung ihrer Ermittlungspflicht unzulässig eine Umkehr der formellen Beweislast angenommen hat oder wenn in unzulässiger Weise aus dem Unterbleiben der Übermittlung von Belegen zum Beweis einer bestimmten Tatsache die Fiktion abgeleitet wurde, dass diese Tatsache nicht gegeben ist (vgl. VfGH 11.12.2018, E 3717/2018).

4.3. Die belangte Behörde ging davon aus, dass es sich bei dem übermittelten Datensatz um eine bzw. einen Teil einer authentischen türkischen Wählerevidenzliste handle, unter anderem zumal „eine – inhaltlich richtige – Personendatensammlung von derartigem Ausmaß behördliche, mit staatlichem Imperium ausgestattete, Strukturen“ voraussetze, und stützte sich in dem gegenständlichen Verfahren ausschließlich auf den genannten übermittelten Datensatz. Da die Daten des Beschwerdeführers auf dieser Liste aufschienen, ging die belangte Behörde davon aus, dass dieser zu einem unbekannten Zeitpunkt vor dem 18. Mai 2017 die türkische Staatsangehörigkeit auf Grund eines entsprechenden Antrages wieder erworben habe.

Demgegenüber führte der Verfassungsgerichtshof in seiner – nach dem angefochtenen Bescheid ergangenen – Entscheidung vom 11.12.2018, E 3717/2018, betreffend die türkische „Wählerevidenzliste“ – auszugsweise – Folgendes aus:

„Vielmehr ergibt das Verfahren unstrittig, dass der Datensatz nicht authentisch und hinsichtlich seiner Herkunft und des Zeitpunktes seiner Entstehung nicht zuordenbar ist. Die mangelnde Authentizität und die ungeklärte Herkunft der Inhalte dieses Datensatzes, die festgestelltermaßen dem schreibenden Zugriff von wem auch immer offen standen, schließen es von vorneherein aus, dass dieser Datensatz für die Zwecke des § 27 Abs. 1 StbG im Hinblick auf den Beschwerdeführer ein taugliches Beweismittel darstellt.“

Mit dem zitierten Erkenntnis stellte der Verfassungsgerichtshof klar, dass es sich bei der – der belangten Behörde am 18. Mai 2017 übermittelten – „Wählerevidenzliste“ um eine jederzeit veränderbare, nicht authentische Liste mit Personendaten handelt, welche kein taugliches Beweismittel im Sinne des § 27 Abs. 1 StbG darstellt.

4.4. Im Hinblick auf die – den Beschwerdeführer treffende – Mitwirkungspflicht ist auf die zitierte höchstgerichtliche Judikatur zu verweisen, wonach das Verfahren gemäß § 42 Abs. 3 iVm § 27 Abs. 1 StbG, dadurch gekennzeichnet ist, dass das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG von Amts wegen zu ermitteln ist. Auf die Verletzung einer Mitwirkungspflicht ist zwar Bedacht zu nehmen, sie entbindet die Behörde aber gerade nicht von ihrer Verpflichtung zur amtswegigen Ermittlung des Sachverhaltes, womit die Behörde die Beweislast für das Vorliegen der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG auch nicht auf die Partei überwälzen darf. Lässt sich eine tatbestandsrelevante Tatsache nicht feststellen, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sie nicht vorliegt. Die Annahme, dass im Fall einer rechtlichen oder tatsächlichen Unmöglichkeit für das Verwaltungsgericht, die Tatbestandsvoraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG zu ermitteln, dessen Ermittlungsverpflichtung unter dem Titel einer Mitwirkungspflicht ohne Weiteres auf den Betroffenen überwälzt werden könne und somit im Falle eines von der Behörde geäußerten Verdachts, es könnten die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG vorliegen, der österreichische Staatsbürger den Negativbeweis zu erbringen habe, verbietet sich angesichts der der Staatsbürgerschaft zukommenden (und aus ihrem Verlust folgenden) Bedeutung auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht. Dies schließt nicht aus, dass die Partei gewisse Mitwirkungspflichten treffen, die in amtswegigen Ermittlungsergebnissen begründet sind und sich im Rahmen der zumutbaren Möglichkeiten der Partei halten (vgl. VfGH 11.12.2018, E 3717/2018; sowie für einschlägige Verfahrenskonstellationen VwGH 19.10.2011, 2009/01/0018; 22.3.2018, Ra 2018/01/0045).

Nach den getroffenen Feststellungen forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer auf, einen vollständigen Auszug aus dem Personenstandsregister, der alle staatsbürgerschaftsrechtlichen Daten enthalte, zu beschaffen. Der Beschwerdeführer versuchte zweimal – erfolglos – beim Generalkonsulat der Republik Türkei einen solchen Personenstandsregisterauszug zu bekommen. Der Beschwerdeführer ist seiner Verpflichtung zur Mitwirkung an der Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes damit ausreichend nachgekommen. Würde man die Nichtvorlage der von der belangten Behörde begehrten Unterlagen zulasten des Beschwerdeführers auslegen, widerspräche dies der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung (insbesondere VfGH 11.12.2018, E 3717/2018).

4.5. Da nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer nach Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und Entlassung aus dem türkischen Staatsverband eine fremde, insbesondere die türkische Staatsbürgerschaft (wieder) erworben hat, liegen im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen des § 27 Abs. 1 StbG nicht vor. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

4.6. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte Abstand genommen werden, zumal bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben war (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Im Übrigen verzichtete die belangte Behörde mit Email vom 7. Jänner 2019 ausdrücklich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

5. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 25.9.2018, Ra 2018/01/0364, ab, weil der genannten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ein dem gegenständlichen Verfahren nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, zumal der Revisionswerber – im Gegensatz zum Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren – seiner Mitwirkungspflicht in keinster Weise nachgekommen ist.

Schlagworte

Verlust der Staatsbürgerschaft; Wiedererwerb der türkischen Staatsbürgerschaft; Offizialmaxime; materielle Wahrheit; Mitwirkungspflicht; Beweiswürdigung; Beweislast

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.152.094.16326.2018

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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