TE OGH 2018/11/21 1Ob194/18p

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Veröffentlicht am 21.11.2018
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** und 2. J*****, beide vertreten durch Mag. Martin Schallhart, Rechtsanwalt in Jenbach, gegen die beklagte Partei Straßeninteressentschaft Z*****, vertreten durch die Altenweisl Wallnöfer Watschinger Zimmermann Rechtsanwälte GmbH, Innsbruck, wegen Feststellung, in eventu Zustimmung (Streitwert 31.000 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 6. September 2018, GZ 1 R 86/18h-23, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 20. April 2018, GZ 14 Cg 115/16f-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind je zur Hälfte Eigentümer einer durch die „Z*****straße“ („Straße“) erschlossenen Liegenschaft samt Wohnhaus. Eine alternative Zufahrtsmöglichkeit besteht nicht. Teile der Straße werden im Winter als Schipiste genutzt und sind dann nicht befahrbar. Die Beklagte ist eine Straßeninteressentschaft im Sinn des Tiroler Straßengesetzes, deren Aufgabe die Herstellung, Übernahme und Erhaltung der Straße ist. Deren Widmung für den Gemeingebrauch ist in der Satzung der Beklagten auf den Zeitraum 1. 5. bis 31. 10. beschränkt. Während der übrigen Zeit jedes Jahres ist die Straße für den öffentlichen Verkehr gesperrt und eine Benützung zu Verkehrszwecken ohne besondere Ermächtigung durch die Straßeninteressentschaft unzulässig (es besteht für diese Zeit auch ein behördliches Fahrverbot, von dem Nutzungsberechtigte mit schriftlicher Zustimmung der Straßeninteressentschaft ausgenommen sind). Die Beklagte schließt nach ihrer Satzung hinsichtlich solcher Ermächtigungen zivilrechtliche Vereinbarungen mit den betroffenen Grundeigentümern ab. 2016 verlangte sie (auch) von den Klägern die Unterfertigung einer jederzeit widerruflichen Vereinbarung über die Benützung der Straße zwischen 1. 11. und 30. 4. mit einem vom Erstgericht näher festgestellten Inhalt („Vereinbarung“). Sie errichtete Schrankenanlagen und händigte nur jenen Straßenbenützern einen Schlüssel aus, welche die Vereinbarung unterfertigten.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass sie (auch) ohne Abschluss der Vereinbarung berechtigt seien, die Straße ganzjährig zu nutzen, um zu ihrem Hauptwohnsitz zu gelangen, weil der Obmann der Vorgängerorganistation der Beklagten (Wegegemeinschaft Z*****straße; kurz „Wegegemeinschaft“) dem Voreigentümer ihrer Liegenschaft dieses Recht in einem Bauverfahren ausdrücklich oder konkludent zugestanden habe. Hilfsweise begehren sie eine schriftliche Zustimmung zum Befahren der Straße im Zeitraum vom 1. 11. bis 30. 4.

Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Urteil des Erstgerichts, weil den Klägern weder eine ausdrückliche noch eine schlüssige Zustimmung zur ganzjährigen Benutzung der Straße erteilt worden sei.

Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene außerordentliche Revision ist nicht zulässig.

1. Die Auslegung von Urteilsfeststellungen bildet regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (vgl RIS-Justiz RS0118891). Dass das Berufungsgericht davon ausging, den erstinstanzlichen Feststellungen könne keine ausdrückliche (privatrechtliche) Zustimmung zu einer zeitlich unbeschränkten Straßenbenützung entnommen werden, begegnet keinen Bedenken; dies gilt auch im Hinblick auf die in der rechtlichen Beurteilung des Ersturteils angestellte Erwägung, wonach sich die Beklagte die vom Obmann der Wegegemeinschaft im (öffentlich-rechtlichen) Bauverfahren erteilte Zustimmung (nach den Feststellungen trug der Obmann aber bloß keinen Einwand gegen das Bauvorhaben vor und erklärte, dass bei jedem LKW-Transport 200 ATS [gemeint: für die Straßenbenutzung] zu entrichten seien und dies pauschaliert werden könne) zurechnen lassen müsse.

2. Eine konkludente Handlung darf nur angenommen werden, wenn sie nach den üblichen Gewohnheiten und Gebräuchen eindeutig in einer bestimmten Richtung zu verstehen ist. Es darf kein vernünftiger Grund übrig sein, daran zu zweifeln, dass der Wille, eine Rechtsfolge in einer bestimmten Richtung herbeizuführen, vorliegt. Bei der Beurteilung einer Handlung auf ihre konkludente Aussage ist größte Vorsicht geboten, weil die Gefahr besteht, dass dem Handelnden Äußerungen unterstellt werden, die nicht in seinem Sinn wären (RIS-Justiz RS0013947). Der Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung kommt regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung zu, es sei denn, es läge eine Fehlbeurteilung durch die Vorinstanzen vor, die im Interesse der Rechtssicherheit oder der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste (RIS-Justiz RS0043253 [T1, T2, T8, T18]). Dies ist hier nicht der Fall.

Dass das Berufungsgericht das Unterlassen von Einwendungen gegen das Bauvorhaben, wobei im Baubescheid eine „Zufahrt über die Wegegemeinschaft Z*****straße und über Gemeindewege“ vorgesehen war, nicht als konkludente (privatrechtliche) Zustimmung zur ganzjährigen Nutzung der Straße (durch die jeweiligen Grundeigentümer) wertete, bedarf keiner Korrektur. Dass der zeitliche Umfang der Straßenbenützung in der Bauverhandlung angesprochen worden wäre, behaupten die Kläger gar nicht. Auf die Äußerung des Obmanns der Wegegemeinschaft zu den zu entrichtenden Kosten [für die Straßenbenützung] pro LKW-Transport, kommen die Revisionswerber nicht mehr zurück. Die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die faktische Unbenutzbarkeit der Straße in den Wintermonaten und die der Nutzung als Schipiste dienenden Dienstbarkeiten, begegnet keinen Bedenken, vermögen diese Umstände doch – auch im Rahmen des § 863 ABGB – Zweifel daran zu wecken, dass dem damaligen Liegenschaftseigentümer ein ganzjähriges – wie immer ausgestaltetes – Benützungsrecht eingeräumt werden sollte. Dass das Berufungsgericht das Klagebegehren missverstanden und den Klägern unterstellt habe, sie würden eine ganzjährige „faktische Erreichbarkeit mit dem Auto“ begehren, ist nicht anzunehmen, vielmehr wurde die mangelnde faktische Benutzbarkeit der Straße im Winter als Argument gegen die schlüssige Einräumung des behaupteten Benutzungsrechts ins Treffen geführt.

3. Hinsichtlich des abgewiesenen Eventualbegehrens, legen die Kläger nicht nachvollziehbar dar, worauf sich ihr behaupteter Anspruch auf schriftliche Zustimmung der Beklagten zum Befahren der Straße im Zeitraum vom 1. 11. bis 30. 4. gründet. Soweit dieser Anspruch auf ihre „bisherige Nutzungsberechtigung“ gestützt wird, übersehen die Kläger, dass ihnen nach den als unbedenklich beurteilten (Pkt 2.) Ausführungen des Berufungsgerichts eine solche weder ausdrücklich noch schlüssig eingeräumt wurde.

         4. Weitere substantiierte Argumente enthält die Revision nicht. Darauf, dass sich das behauptete Nutzungsrecht (per se) aus der erteilten Baubewilligung bzw daraus ergebe, dass den Klägern ein Erschließungsbeitrag vorgeschrieben und dieser bezahlt wurde, kommen sie ebensowenig zurück, wie auf den im bisherigen Verfahren behaupteten Verstoß der Beklagten gegen Treu und Glauben. Ob ein dem Voreigentümer rechtsgeschäftlich eingeräumtes Benutzungsrecht die Kläger überhaupt erfassen würde (was diese offenbar aus der dinglichen Wirkung des ihrer Ansicht nach ein solches Recht einräumenden Baubescheids ableiten), muss ebenfalls nicht geprüft werden.

Textnummer

E123469

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00194.18P.1121.000

Im RIS seit

13.12.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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