TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/27 W154 2206081-1

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Veröffentlicht am 27.09.2018
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Entscheidungsdatum

27.09.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35 Abs2

Spruch

W 154 2206081-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.09.2018 zur Zl. 1199468704 - 180870476/BMI-BFA_WIEN_RD, sowie die Anhaltung in Schubhaft seit 14.09.2018 zu Recht erkannt:

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 14.09.2018 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

IV. Der Bund (Bundesminister für Inneres) hat gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG iVm VwGAufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters den Verfahrensaufwand in Höhe von 736,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

V. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 14.09.2018 zugestellt.

Am 20.09.2018 langte die Schubhaftbeschwerde des BF beim Bundesverwaltungsgericht ein. Darin wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, und auszusprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft nicht vorliegen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der belangten Behörde die Kosten im gesetzlichen Ausmaß aufzuerlegen.

Die Rechtswidrigkeit der Verhängung der Schubhaft wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Behörde den BF, der im Besitz eines gültigen Aufenthaltstitels eines Mitgliedsstaates ist, am Tag der Festnahme, sohin am 13.09.2018, zur sofortigen Ausreise verpflichten hätte müssen, was die Behörde jedoch unterlassen hätte. Darüber hinaus liege im Fall des BF keines der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1-9 FPG vor, weshalb Fluchtgefahr nicht gegeben sei. Des Weiteren macht die Beschwerde Unverhältnismäßigkeit der Haft und die Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels geltend.

Auf Ersuchen der zuständigen Gerichtsabteilung wurden dem Bundesverwaltungsgericht in Folge vom BFA die Verwaltungsakten übermittelt und eine Stellungnahme erstattet. Darin führte die belangte Behörde wie folgt aus:

"Der Beschwerdeführer (Bf.), der in Italien über den Status des Asylberechtigten verfügt, reiste am 08.05.2018 legal mittels Flug von Rom nach Österreich ein.

Am 18.07.2018 wurde er von Beamten der LPD Wien SPK 05 einer Personenkontrolle unterzogen und wurde ihm nach Rücksprache mit dem diensthabenden BFA-JD eine Ladung für den 24.07.2018 ausgefolgt und seine Identitätsdokumente bestehend aus einem italienischen Konventionsreisepass und einem Permesso di Soggiorno Asilo sichergestellt.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 24.07.2018 vor dem BFA gab der Bf. im Wesentlichen an, dass er am 08.05.2018 nach Österreich eingereist wäre um eine Freundin mit Namen XXXX , Nachname wäre ihm nicht bekannt, die im 10. Bezirk wohne, zu besuchen. Bei seiner Einreise habe er über EUR 1.800,-- verfügt und hätte er davon noch EUR 550,--. Unterkunft habe er unangemeldet bei der Caritas in Wien Meidling genommen. Er wäre zudem ledig und ohne Sorgepflichten, habe in Österreich keine Familienangehörigen, seine Mutter lebe in Nigeria, und würde er in Italien seinen Lebensunterhalt durch Betteln bestreiten. Eine strafrechtliche oder politische Verfolgung in Italien liege nicht vor.

Der Bf. wurde über die Aufenthaltsbestimmungen für Drittstaatsangehörige sowie über die Bestimmungen des Meldegesetzes belehrt, und wurde ihm eine Information über die Verpflichtung zur fristgerechten Ausreise mit Beiblatt zur Bestätigung durch die österreichische Botschaft bzw. Grenzkontrolle übergeben. Im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme wurden dem Bf. seine Identitätsdokumente ausgefolgt.

Am 13.09.2018 wurde der Bf. erneut von Beamten der LPD Wien BE aufgegriffen. Nach Rücksprache mit dem diensthabenden BFA-JD wurde der Bf. ins PAZ HG verbracht.

Bei der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 13.09.2018 gab der Bf. im Wesentlichen an, dass er am 22.07.2018 aus Österreich ausgereist und am 02.08.2018 mit der Bahn wieder zurückgekehrt wäre. Auf den Vorhalt, dass dies nicht den Tatsachen entsprechen könne, da er am 24.07.2018, also 2 Tage nach seiner angeblichen Ausreise, beim BFA niederschriftliche einvernommen worden wäre, gab der Bf. an, am Tag der Einvernahme ausgereist zu sein und habe er die Information über die Verpflichtung zur fristgerechten Ausreise mit Beiblatt zur Bestätigung durch die österreichische Botschaft bzw. Grenzkontrolle vergessen. Das Zugticket im Wert von EUR 99,-- von Rom nach Wien vom 02. Bis zum 03.08.018 wurde vorgelegt. Die behauptete Ausreise wurde nicht dokumentiert, und selbst wenn der Bf., wie er behauptete, am 24.07.2018 ausgereist wäre, hätte er durch seine erneute Einreise am 02.08.2018 mit dem weiteren Aufenthalt bis zum 13.09.2018, und somit einer Gesamtaufenthaltsdauer von 119 Tagen, den maximalen rechtmäßigen Aufenthalt von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen bei weitem überschritten.

Der Bf. gab weiter an, dass er obdachlos wäre und über keine Unterkunft verfüge, manchmal könne er bei der Caritas nächtigen und manchmal rufe ihn seine Freundin an. Bei der Freundin, deren Wohnanschrift er nicht nennen konnte, könne er nicht regelmäßig leben, da diese in einer WG lebe. An Geldmittel habe er EUR 90,-- und würde er finanzielle Unterstützung vom italienischen Staat für seinen Lebensunterhalt erhalten. Familienangehörige habe er in Österreich keine und außer seiner Freundin auch keine sozialen Bindungen, seine Familienangehörigen leben allesamt in Nigeria.

Zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und der Abschiebung nach Italien wurde über den Bf. im Anschluss an die niederschriftliche Einvernahme als ultimo ratio die Schubhaft verhängt.

Der Bf. ist lt. eigenen Angaben ledig, ohne Sorgepflichten und leben sämtliche seiner Familienangehörigen in Nigeria. Er verfügt in Italien über den Status des Asylberechtigten und hat trotz ausdrücklicher Belehrung bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 24.07.2018 sowohl gegen die Aufenthaltsbestimmungen für Drittstaatsangehörige sowie gegen die Bestimmungen des Meldegesetzes verstoßen. Er verfügt in Österreich außer einer behaupteten Freundin XXXX , von der er weder den Nachnamen noch die Wohnsitzanschrift angeben kann, und bei der er lt. eigenen Angaben auch nicht Unterkunft nehmen kann, über keinerlei soziales Netz. Er ist obdachlos und im Besitz von lediglich 90,- Euro.

Mangels ausreichend vorhandener Geldmittel zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung kam die Hinterlegung eines Sicherstellungsbetrages nicht in Betracht.

Eine freiwillige Ausreise nach Italien kam für den Bf. nicht in Betracht, da er nicht über ausreichend Barmittel verfügte, um seine Ausreise, bzw. den Aufenthalt im österreichischen Bundesgebiet bis zur Ausreise aus eigenem mit legalen Mitteln zu bestreiten, zumal er lediglich über EUR 90,-- verfügte, ein Zugticket kostet bereits EUR 99,--, und hat er auch keine Chance, sich diese Geldmittel auf legalem Wege zu verdienen.

Die Verhängung des Gelinderen Mittels kam für den Bf. ebenfalls nicht in Betracht, da er trotz ausdrücklicher Belehrung bei der niederschriftlichen Einvernahme am 24.07.2018 abermals keinen Wohnsitz im Bundesgebiet meldete und seinen Aufenthalt im Verborgenen fortsetzte. Er verfügte zu keiner Zeit über eine aufrechte Meldung im Bundesgebiet und war somit für die Behörde zu keinem Zeitpunkt greifbar.

Somit hätte ihn auch ein zugewiesenes Quartier nicht vom neuerlichen Untertauchen abgehalten, noch dazu wo ihm nun bewusst war, dass gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung erlassen wird, der zufolge er sich für die nächsten 18 Monate nicht im Bundesgebiet aufhalten darf, und er immer seine behauptete Freundin Joy besuchen möchte.

Daher musste von einer erheblichen Fluchtgefahr ausgegangen werden und wurde als ultimo ratio über den Bf. zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und der Abschiebung nach Italien die Schubhaft verhängt.

Vom Bf. wurden keinerlei gesundheitlichen Beeinträchtigungen geltend gemacht, es gab keinerlei Anzeichen für eine allfällige Haftunfähigkeit, und kann ihm auch im Stande der Schubhaft adäquate medizinische Hilfe geboten werden, sollte sich sein Gesundheitszustand verschlechtern. Zudem ist im PAZ HG eine Sanitätsstelle eingerichtet, jeder Häftling wird dem Amtsarzt vorgeführt und besteht für den Bf. auch die Möglichkeit zusätzlich auf eigenen Wunsch nochmals dem Amtsarzt vorgeführt zu werden.

Am 17.09.2018 wurde über die Abt. BMI II/3 -Durchbeförderungen um Kontaktaufnahme mit den italienischen Behörden zwecks Rückübernahme des Bf. ersucht.

Der Bf. wurde am 17.09.2018 zwecks Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung erneut niederschriftlich einvernommen, wobei er im Wesentlichen die Angaben der niederschriftlichen Einvernahme vom 13.09.2018 wiederholte. Die Anordnung zur Außerlandesbringung wird unmittelbar nach Einlangen der Zustimmung Italiens erlassen und der Bf. anschließend nach Italien abgeschoben."

In der Stellungnahme beantragte die belangte Behörde die Abweisung der Beschwerde sowie die Feststellung gemäß § 83 Abs. 4 FPG, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen sowie den Ersatz der verzeichneten Kosten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria und nicht österreichischer Staatsangehöriger. Seine Identität steht fest. Der BF verfügt über einen gültigen italienischen Konventionsreisepass und einen gültigen italienischen Aufenthaltstitel ("permesso di soggiorno asilo"). Der BF ist unter Verwendung dieser Dokumente legal in Österreich eingereist.

Der BF reiste erstmals am 08.05.2018 in das österreichische Bundesgebiet ein und reiste am 24.07.2018 nach Aufforderung durch die österreichischen Behörden aus Österreich aus. Am 03.08.2018 reiste der BF erneut (legal) in das österreichische Bundesgebiet ein. Mit Ablauf des 16.08.2018 endete die sichtvermerkfreie Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen für den BF (beginnend mit der ersten Einreise des BF am 08.05.2018). Am Tag seiner Festnahme am 13.09.2018 befand sich der BF sohin nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet.

Einer Ladung vor die belangte Behörde zum Zweck einer Einvernahme am 24.07.20218 hat der BF aus eigenem Folge geleistet.

Der BF ist strafrechtlich unbescholten.

Der BF war vor seiner Festnahme in Österreich nicht behördlich gemeldet.

Der BF verfügt lediglich über wenig Barmittel und über keine familiäre und berufliche Anbindung in Österreich.

Gegen den BF wurde ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung eingeleitet. Des Weiteren wurde ein Verfahren mit den zuständigen italienischen Behörden zwecks Rückübernahme des BF eingeleitet.

Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr. 100/2005 (FPG) iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet. Der Bescheid wurde dem BF persönlich am 14.09.2018 zugestellt.

Im gegenständlichen Fall besteht unzweifelhaft Sicherungsbedarf; es gibt aber keine hinreichenden Indizien für die Annahme, dass sich der Beschwerdeführer nach Entlassung aus der Schubhaft dem Zugriff der Behörden umgehend entziehen würde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Die Feststellung zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellung zur strafrechtlichen Unbescholtenheit des BF ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Auszug aus dem Strafregister.

Im Übrigen beruht der oben festgestellte Sachverhalt auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens, auf Grundlage der Angaben des BF im Verfahren vor der belangten Behörde und den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid, denen der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Der Sicherungsbedarf im gegenständlichen Fall ergibt sich zum einen daraus, dass gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und ein Verfahren mit den zuständigen italienischen Behörden zwecks Rückübernahme des BF eingeleitet wurde sowie aus der fehlenden familiären, sozialen und beruflichen Anbindung des BF in Österreich und zum anderen, dass der BF trotz Ablauf der sichtvermerkfreien Aufenthaltsdauer nicht gewillt war, Österreich aus freien Stücken zu verlassen. Umgekehrt kann nicht davon ausgegangen werden, dass der BF nach einer Entlassung aus der Schubhaft sich umgehend der Zugriffsmöglichkeit der Behörden entziehen würde. Dies ist schon daraus ersichtlich, dass der BF sich den Behörden gegenüber in der Vergangenheit als kooperativ gezeigt hat.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt I. - Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1

FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

Zur Judikatur:

3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

"Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde" (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

"Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird" (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

In seiner Judikatur zu § 77 FPG 2005 ging der Verwaltungsgerichtshof bisher davon aus, dass der UVS als Beschwerdeinstanz im Schubhaftbeschwerdeverfahren nach der Bejahung eines Sicherungsbedarfs bei seiner Entscheidung zwar die Möglichkeit der Anwendung gelinderer Mittel gemäß § 77 FPG 2005 an Stelle der Schubhaft im Rahmen des Ermessens zu berücksichtigen hat, diesem allerdings keine Zuständigkeit zur Entscheidung darüber, welches der im § 77 Abs. 3 FPG 2005 demonstrativ aufgezählten gelinderen Mittel anzuwenden wäre, zukommt. Deren Auswahl blieb vielmehr der Fremdenpolizeibehörde vorbehalten (vgl. VwGH 20.10.2011, Zl. 2010/21/0140; VwGH 28.05.2008, Zl. 2007/21/0246). Es liegen keine Anhaltspunkte vor, die einer Übertragung dieser Judikatur hinsichtlich des mit Ausnahme der neuen Absätze 8 und 9 weitgehend unveränderten § 77 FPG auf das seit 01.01.2014 anstelle des UVS zuständige Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich entgegenstehen würden.

Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, "dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig"(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, "weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese 'Einstellungsänderung' durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken)." (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

3.1.3. Im vorliegenden Fall ist nach Ansicht des erkennenden Gerichts Sicherungsbedarf in Hinblick auf den im § 76 Abs. 3 FPG enthaltenden Kriterienkatalog gegeben, dies insbesondere in Hinblick auf die Mittellosigkeit des BF und die daraus resultierende mangelnde Selbsterhaltungsfähigkeit sowie seine mangelnde familiäre Anbindung in Österreich. Darüber hinaus wurde gegen den BF ein Verfahren zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung eingeleitet. Des Weiteren wurde ein Verfahren mit den zuständigen italienischen Behörden zwecks Rückübernahme des BF eingeleitet.

3.1.4. Die verhängte Schubhaft ist jedoch nach Ansicht des Gerichtes nicht als Ultima Ratio zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sieht die Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels vor, von welcher das Bundesamt Gebrauch machen hätte müssen. Im gegenständlichen Fall wird dies nach Ansicht des Gerichtes zur Sicherung der anhängigen Verfahren des BF als ausreichend erachtet, hat sich der BF in der Vergangenheit der Behörde gegenüber kooperativ verhalten, so hat er einer Ladung der Behörde zu einer Einvernahme am 24.07.2018 aus freien Stücken Folge geleistet. Des Weiteren hat der BF seine Identität nie verschleiert, ist legal in das Bundesgebiet eingereist und strafrechtlich unbescholten. Die in § 77 Abs. 3 Z 1-3 vorgesehenen Möglichkeiten stellen einerseits für den BF eine lediglich geringfügige und wohl auch zumutbare Beschränkung dar und bieten andererseits der Behörde eine gute Möglichkeit, zur Sicherung der anhängigen Verfahren und der daraus resultierenden Abschiebung durch die verhängten Maßnahmen eine engmaschige Kontrolle des BF zu organisieren. Der BF hat auch in der Vergangenheit nicht gegen vergleichbare Auflagen verstoßen, sodass hier das Gericht die Verhängung von gelinderen Mittel für ausreichend erachtet hat.

Aufgrund der fehlenden Notwendigkeit des Freiheitsentzuges war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit aufzuheben.

3.1.5. War der Schubhaftbescheid rechtswidrig, so muss das auch für die auf den Schubhaftbescheid gestützte Anhaltung gelten (VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162; 26.01.2012, 2008/21/0626; 11.06.2013, 2012/21/0114). Ebenso war daher die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 14.09.2018 für rechtswidrig zu erklären.

3.1.6. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten im Zusammenhang mit der seitens der belangten Behörde abgegebenen Stellungnahme abschließend ermittelt werden. Eine Einvernahme des BF konnte daher unterbleiben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. - Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft

Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Aufgrund obiger Erwägungen - des Nichtvorliegens ihrer Notwendigkeit - war die Schubhaft auch nicht fortzusetzen.

Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorliegen.

3.3. Zu Spruchpunkt III. und IV. - Kostenbegehren

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der BF vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu.

§ 1 VwG-AufwErsV bestimmt die Höhe des zu ersetzenden Schriftsatzaufwands des BF als obsiegende Partei mit € 737,60.

Die belangte Behörde hat daher dem BF Kosten iHv € 737,60 zu ersetzten.

3.4. Zu Spruchpunkt V. - Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. und II. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen.

Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen.

Aufgrund der nunmehr eindeutigen Rechtslage, die Frage des Kostenersatzes betreffend, war die Revision aber auch diesbezüglich der Spruchpunkte III. und IV. nicht zuzulassen.

Schlagworte

Aufenthaltstitel, gelinderes Mittel, illegaler Aufenthalt,
Konventionsreisepass, Kooperation, mangelnder Anknüpfungspunkt,
Mitgliedstaat, Mittellosigkeit, Rechtswidrigkeit,
Schubhaftbeschwerde, Sicherungsbedarf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2206081.1.00

Zuletzt aktualisiert am

15.11.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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